Ich lese aus der Bhagavad Gita, dem Zwiegespräch zwischen Krishna und Arjuna. Krishna, dem Lehrer, Inkarnation, Manifestation Gottes und Arjuna, dem Schüler.
Wir sind im 11. Kapitel. Das 11. Kapitel heißt „Die Vision der Kosmischen Gestalt“. Arjuna hat eine Vision von Gott. Hat eine Vision, dass das ganze Universum eine einzige kosmische Gestalt ist. Dass alles, was im Universum stattfindet, in einem kosmischen Organismus stattfindet. Er sieht sich selbst als Teil, wie eine Zelle des ganzen Organismus. Er sieht die Vergangenheit. Er sieht die Zukunft. Er sieht die Gegenwart. Und er erkennt, dass eigentlich alles in einem großen göttlichen Spiel abläuft. Er versteht das Ganze aber auch nicht. Die Vision geht in verschiedenen Schritten. Zuerst sieht er sich und seine Umgebung, dann sieht er die Sterne und die Galaxien und das ist alles wunderbar. Dann schaut er genauer hin und dort sieht er, dass Gott nicht nur alles Schöne ist und nicht nur alles Großartige ist, sondern natürlich, es vergehen auch Dinge und es gehen Dinge kaputt und so sieht er Galaxien explodieren, Planetensysteme, die vernichtet werden. Dann, wenn er in die Zukunft sieht, sieht er, dass alles, was er jetzt kennt, auch alles vergehen wird. Dass alle seine Freunde, Bekannte, aber auch seine Gegner, verschwinden. Und er erzittert, nachdem er das alles gesehen hat.
Es ist ähnlich, wie es vielen Aspiranten geht. Wir wollen unser Bewusstsein transzendieren, wir wollen höhere Bewusstseinserfahrungen machen und wir wissen, ja, diese sind eigentlich Sat-Chid-Ananda, Sein, Wissen und Glückseligkeit. Es ist tatsächlich möglich, über die Individualität hinaus zu gehen. Es ist tatsächlich möglich, zu spüren: “Ich bin nicht einfach dieser Körper, ich bin nicht einfach diese Persönlichkeit.“ Wenn wir das transzendieren und wenn wir plötzlich merken: „Ich bin das Bewusstsein hinter allem was abläuft. Ich bin das Bewusstsein in der Zukunft, in der Vergangenheit und für das Bewusstsein gibt es diese Grenzen nicht, dann gibt es oft so eine Periode, wo man hin- und hergerissen ist zwischen der Wonne dieser wunderbaren Erfahrung und dieser Ausdehnung und es kommt ein bisschen Angst auf. „Wenn ich nicht dieser Körper bin, wer bin ich überhaupt? Wenn ich nicht diese Persönlichkeit bin, wer bin ich überhaupt?“ Und: „Komme ich da wieder zurück?“
Und so ist auch Arjuna im 11. Kapitel so hin- und hergerissen. Zum einen ist es eine wunderbare Erfahrung, eine wunderbare, großartige Sache, wirklich diese Einheitserfahrung zu machen, zum anderen ist es aber auch etwas Erschreckendes. Und so versteht er diese Sache nicht, was er gesehen hat und im 45. Vers sagt er im 11. Kapitel: „Es erfüllt mich mit Freude, dass ich gesehen habe, was ich vorher nie erblickte. Und jetzt ist in meinem Geist verzweifelte Furcht. Zeige mir wieder Deine frühere Gestalt, O Gott. Habe Mitgefühl, O höchster Gott, O Wohnstatt des Universums.“
Und so zeigt er uns auch den Weg, wenn wir mal eine außergewöhnliche Erfahrung machen. Wenn wir merken, es erfüllt uns zwar mit Freude, aber auch mit Furcht, dann können wir beten. Indem wir dann zu Gott oder auch zum kosmischen Bewusstsein beten, kommen wir wieder zurück zu unserer ganz normalen Erfahrung. Letztlich muss man sagen, auch wenn wir nicht beten, wir brauchen keine Angst zu haben, wir werden wieder zurückgebracht zu dem normalen Bewusstsein. Leider auch diejenigen, die wirklich im Unendlichen verankert sein wollten. Es ist so, dass man wieder zurückkommt zum Normalbewusstsein. Also, wenn wir durch intensive Praktiken oder auch mal stolpernd zu einem höheren Bewusstsein hinkommen, wir kommen wieder zurück. Wir brauchen keine Angst zu haben, aber es hilft, wenn wir dabei auch zu Gott beten, das führt schneller wieder zu einer Verankerung im Normalbewusstsein und dann auch später wieder zu einer Erweiterung des Bewusstseins.
Hari Om Tat Sat
Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3.
Ich lese aus der Bhagavad Gita, Zwiegespräch zwischen Krishna, dem Lehrer, Inkarnation, Manifestation Gottes und Arjuna, dem Schüler. Wir sind im 11. Kapitel und Arjuna hat Krishna gebeten: „Nun, O erhabener Gott, da Du Dich so beschrieben hast, O höchstes Wesen, ist es mein Wunsch, Deine göttliche Form zu sehen. Wenn Du, O Herr, der Ansicht bist, dass es für mich möglich ist, es zu sehen, zeige mir Dein unvergängliches Selbst.“
Krishna hatte in den vorigen Versen, in den vorigen Kapiteln erklärt, dass das Selbst unendlich ist, ewig, im Inneren aller Wesen, das sich auf verschiedenste Weisen manifestiert. Dass wir uns erinnern können an dieses Göttliche in allem und dass wir uns immer wieder ausrichten können. Und Arjuna sagt: „Ich habe es im Wesentlichen verstanden, aber jetzt würde ich es gerne erfahren, wenn es irgendwie möglich ist.“ So sollen auch wir uns sagen: „Ja, ich möchte dieses Höchste erfahren.“ Immer wieder sollen wir Gott bitten: „Bitte zeige mir Deine höchste, Deine unendliche, Deine ewige Natur.“
Wir müssen auch verstehen, als Arjuna diese Frage hier stellt, ist er kein junger Aspirant. Er hat schon einen erwachsenen Sohn, er hat also schon viele Jahre spirituelles Praktikum hinter sich. Und er hatte auch schon die verschiedensten spirituellen Erfahrungen. Er hatte auch schon längere Zeit Pranayama geübt. Er hatte gewisse Gotteserfahrungen gehabt. Das wird in der Mahabharata beschrieben.
Auch wir machen irgendwann eine Erfahrung und danach geht sie wieder. Wir müssen das in den Alltag bringen, etwas von dieser Erfahrung bleibt als Wissen und dann arbeiten wir weiter unser Karma aus, werden vielleicht auch unser Dharma, unsere Aufgaben, weiter erfüllen. Wir intensivieren unser Sadhana wieder, nachdem wir es vielleicht eine Weile vernachlässigt hatten und dann sagen wir wieder: „O Gott, bitte, wenn es möglich ist, zeige mir Deine höhere Natur. Lass mich Dich erfahren.“ So geht der spirituelle Weg immer ein bisschen wellenförmig, man kann auch sagen, man schraubt sich spiralenförmig in die Höhe.
Weiter sagt Krishna 5. Vers: “Sieh, O Arjuna, Hunderte und Tausende meiner Formen von unterschiedlicher Art, göttlich und mannigfaltig in Farbe und Gestalt.“
Und schließlich eröffnet ihm Krishna: „Ja, jetzt zeige ich Dir mein höheres Selbst. Jetzt kannst Du diese Erfahrung machen.“
Hari Om Tat Sat
Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3.
Ich will etwas lesen aus der Bhagavad Gita, Zwiegespräch zwischen Krishna, dem Lehrer, Inkarnation Gottes, Manifestation Gottes und Arjuna, dem Schüler, dem Aspiranten. Wir sind im 10. Kapitel. Im 10. Kapitel ist so das Thema „Vibhuti Yoga – Der Yoga der göttlichen Herrlichkeiten“.
Krishna sagt zu Beginn: „Gott ist alles. Die Welt, so wie wir sie jetzt sehen, ist letztlich göttlich.“ Die Naturwissenschaftler versuchen auch, die Welt irgendwo zurückzuführen auf Urprinzipien. Z.B. wenn wir Materie anschauen, sie besteht aus Molekülen, diese bestehen aus Atomen, Atome bestehen aus Elektronen, Neutronen und Protonen. Also, alles was wir sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen können, irgendwie hat es was mit Elektronen, Neutronen und Protonen zu tun. Gut, und die kann man irgendwie auch noch weiter zurückführen und die Naturwissenschaftler kommen irgendwo auf drei oder vier Grundkräfte. Wenn man es mal auf die drei zurückführt, haben die irgendwie auch was gemeinsam mit Sattwa, Rajas und Tamas, wovon man im Yoga spricht, als die drei Grundkräfte. Nur dann geht es noch weiter. Die Yogis sagen, das sind jetzt nicht einfach materiell zu verstehende Dinge, sondern die ganze Welt ist letztlich eine Manifestation von Gott, von Brahman, von einem höheren Prinzip.
Wenn wir das Ganze nur materiell sehen, dann leben wir in einer doch recht gefährlichen Welt. Wir wissen nie, ob wir den nächsten Tag noch überleben. Autofahren können wir und dann gibt es einen Unfall. Wir müssen noch nicht einmal selbst Schuld sein, es kann auch ein Fehler im Motor sein, es kann ein Fehler im Bremssystem sein, es kann der Gegenüber sein. Jederzeit ist es möglich. Wir können von irgendeinem Tier gebissen werden, es kann sehr klein sein, es kann sehr groß sein und es kann eine Krankheit ausbrechen. Jederzeit kann irgendwas passieren. Auf eine gewisse Weise ist es uns in der westlichen Zivilisation gelungen, uns etwas unabhängig zu machen von dem Ausgeliefertsein an die Natur. Wir müssen nicht gleich hungers sterben im Winter, wenn die Ernte nicht so gut war. In unseren Breiten könnte man einige trockene Sommer überleben und Trockenheiten. Irgendwo, auf dem anderen Teil der Welt, gibt es dafür ausreichend Ernten. Das war ja früher anders. Vor über 2000 Jahren bei den alten Germanen ist alle zwei, drei Jahre, nimmt man an, ein großer Teil der Bevölkerung im Winter hungers gestorben, Es gab große Überschwemmungen, Unwetter, große Epidemien. Es gab die großen Pestepidemien im Mittelalter, wo 40 bis 50% der Bevölkerung innerhalb von zwei, drei Jahren gestorben sind. In unseren Zeiten, das vergessen wir manchmal, der Fortschritt hat auch einiges für sich, sind wir davon ein bisschen unabhängig geworden. Aber nur ein bisschen. Sterben können wir immer noch jederzeit. Krankheiten können immer noch kommen und Unfälle können immer noch passieren. Und wir können uns auf der einen Seite ausgeliefert fühlen und zum zweiten können wir uns in falscher Sicherheit wiegen und denken: „Mir wird nichts passieren. Unfälle geschehen nur anderen. Krankheiten bekommen auch nur andere. Mir wird es irgendwo gut gehen.“ Das ist unrealistisch – Katastrophen passieren.
Oder wir können sagen: „Hinter dem Ganzen muss auch irgendein Sinn stecken.“ Die Großartigkeit des Universums ist nicht wirklich nur physikalisch erklärbar. Und das ist der Ansatz der meisten spirituellen Traditionen. Die Welt, wie sie ist, ist nicht einfach irgendwie willkürlich, sie ist nicht zufällig, sondern es steht ein höheres Prinzip dahinter. Und genau über dieses Prinzip spricht Krishna an allen möglichen Stellen in der Bhagavad Gita, wenn er sagt: „Das ganze Universum ist eine Manifestation Gottes.“ Was auch immer auf einen zukommt, ist letztlich irgendein Signal Gottes. Etwas, was einen erinnert an eine höhere Wirklichkeit, ist nur Ausdruck von einem tieferen Prinzip. Der Mensch ist, solange er noch nicht höhere Bewusstseinsebenen erreicht hat, nicht in der Lage, diesen Sinn immer zu verstehen und zu sehen, aber wir können von einem tieferen Vertrauen dort ausgehen: „Was mir geschieht, auch wenn es manchmal weniger schön ist, irgendwie werde ich daran wachsen. Irgendwo wird es auch seinen Sinn haben.“ Ein altes baltisches Lied drückt es so aus: „Wechselnde Pfade, Schatten und Licht, alles ist Gnade, fürchte dich nicht.“ Acuh Freude und Leid haben einen Sinn. Und wenn wir diese Einstellung haben, können wir zum einen immer wieder an der Schönheit uns freuen und die Schönheiten unser Herz berühren lassen und dieses Berührtwerden auch als eine spirituelle Praxis nehmen. Und wir können auch, wenn Dinge scheinbar nicht so gehen, wie wir sie gerne hätten, eine Festigkeit und ein Vertrauen haben: „Auch daran werde ich wachsen.“
Und so sagt Krishna im 34. Vers: „Ich bin der Tod, der alles verschlingt. Ich bin auch der Wohlstand der Menschen. Ich bin Reichtum, Ruhm, Sprache, Gedächtnis, Intelligenz, Festigkeit und Verzeihen.“
Hari Om Tat Sat
Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3.