Sukadev Bretzs Beiträge (5921)

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  1. Vers

मेदश्लेष्माधिकः पूर्वं षट्कर्माणि समाचरेत्
अन्यस् तु नाचरेत् तानि दोषाणां समभावतः ॥२१॥

meda-śleṣmādhikaḥ pūrvaṁ ṣaṭ-karmāṇi samācaret… anyas tu nācaret tāni doṣāṇāṁ sama-bhāvataḥ

meda : Fett; śleṣman : (und) Schleim (Shleshman bzw. der Kapha genannte Dosha); adhikaḥ : (ein Yogi mit einem) Überschuss (an); pūrvaṁ : vorher; ṣaṣ : (die) sechs; karmāṇi : (Reinigungs-)Handlungen; samācaret : sollte durchführen; anyaḥ :  (ein) anderer; tu : aber, jedoch; na : nicht; ācaret : sollte durchführen; tāni : diese; doṣāṇāṁ : der (drei) Humore; sama-bhāvataḥ : aufgrund der (bereits bestehenden) Ausgeglichenheit

Bei Übergewicht oder Verschlackung sollen die sechs Reinigungsübungen zuerst praktiziert werden. | Andere aber sollten diese nicht praktizieren, wenn der physische Körper von ausgeglichener Natur ist.

 

Jemand mit schlaffen oder phlegmatischem Naturell sollte zuerst die sechs Kriyas durchführen. Menschen mit ausgeglichenen Doshas, wenn sich die drei Doshas (Vata, Pitta und Kapha) im Gleichgewicht befinden, brauchen das nicht zu tun.

Die Kriyas, auch Karmas genannt, sind die sogenannten Reinigungsübungen im Hatha Yoga. Über diese spricht er im Folgenden:

Wer sollte diese Kriyas, die Shatkarmas, üben?

Svatmarama gibt zur Antwort: „Diejenigen die Meda, mehr Fett“ haben. Diese Aussage bezieht sich auf Menschen mit mehr Gewicht am Körper. Übergewichtige Personen sind gemeint. Aber auch Menschen, die zu viel shleeshma, vermehrtes Kapha haben. Wer zu viel Kapha hat, sollte unbedingt die Kriyas üben.

Meda hat noch eine weitere Bedeutung als Fett. Meda heißt auch Unreinheit. Wenn du viele Unreinheiten hast oder ein Übermaß an Kapha besteht, ist es wichtig, Reinigungsübungen zu machen. Eine Diagnose dieser Typenbestimmung wird von einem Ayurveda Arzt durchgeführt.

Svatmarama verwendet hier das Wort „purva“, bevor. Es bezieht sich darauf, dass die Kriyas vor deiner intensiven Pranayamapraxis durchgeführt werden sollten.

Wenn du feststellst, es fällt dir schwer viel Pranayama zu üben, solltest du zunächst die Kriyas üben. Durch das Üben von Kriyas wird der Körper gereinigt. Durch Beseitigung der Unreinheiten, wird Agni, das Verdauungsfeuer, erhöht. Dieser Vorgang hat zur Folge, dass Prana besser fließen kann. Wenn die drei Doshas, die Bioenergien Vata, Pitta und Kapha, sama bhava sind, sich in Ausgeglichenheit befinden, braucht man die Kriyas nicht unbedingt durchführen.

Meine Erfahrung ist, dass paradoxerweise gilt: Menschen, denen zu einer Durchführung der Kryias geraten wird, üben sie nicht. Es ist tatsächlich oft der Fall, dass Menschen, die schon ein reines Leben führen, sich noch mehr reinigen. Sie machen noch mehr Kriyas. Doch Menschen mit Übergewicht und einem  gewissen Phlegma, mit zudem vielleicht bestehenden verschiedenen Krankheiten, machen die Kriyas nicht.

Im Ayurveda gibt es die Panchakarma. Dies ist eine fünffache Reinigungskur. Bei dieser Art der Behandlung bzw. Reingung kommt es zur Ausleitung von Schlacken und unverdauten Nahrungsbestandteilen, um die Lebensenergie wiederherzustellen. Ein Ayurveda Arzt ist bei der Ausführung behilflich.

Ein zu viel an Kapha kann manchmal zu Problemen führen. Der Mensch befindet sich in der Antriebslosigkeit. Dann ist es schwer für ihn, diese Dinge auszuführen. Kaphalabati und Erbrechen nach der Salzwassereinnahme gestaltet sich als schwierig. Besser ist die Durchführung dieser Reinigungsübungen unter einer kompetenten Anleitung.

Wir haben bei Yoga Vidya Wochenendseminare, wo die Shatkriyas angeleitet werden. Im Ayurveda lautet die wichtigste Reinigungskur Panchakarma. Übersetzt wird es mit den fünf Reinigungen. Die Hatha Yogis sprechen von shat karma, von den sechs Reinigungsübungen. Ob die Ayurveda Yogis oder die Hatha Yogis zuerst dieses Reinigungen durchgeführt haben, mögen andere entscheiden. Gewisse Ähnlichkeiten sind allerdings gegeben. Im Ayurveda braucht man einen Ayurveda Arzt, der vorher die richtige Diagnose stellt. Man ist ein Patient. Im Hatha Yoga sollten die Übungen selbst ausgeführt werden.

Über die sechs Reinigungsübungen geht es im nächsten Kapitel.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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YVS424 Zeichen gereinigter Nadis – HYP II 19-20

  1. Vers

यदा तु नाडीशुद्धिः स्यात् तथा चिह्नानि बाह्यतः
कायस्य कृशता कान्तिस् तदा जायते निश्चितम् ॥१९॥

yadā tu nāḍī-śuddhiḥ syāt tathā cihnāni bāhyataḥ… kāyasya kṛśatā kāntis tadā jāyate niścitam

yadā : wenn; tu : aber; nāḍī : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle; śuddhiḥ : (die) Reinheit; syāt : besteht; tathā : so, in diesem Maße; cihnāni : Anzeichen, Zeichen; bāhyataḥ : äußerliche („von außen“); kāyasya : des Körpers; kṛśatā : Schlankheit; kāntiḥ : Anmut, Schönheit, Glanz; tadā : dann; jāyate : entsteht; niścitam : gewiss, sicher

Wenn die Reinigung der subtilen Energiekanäle (Nadi) sich einstellt, dann mit diesen äußeren Zeichen: | Schlankheit und Schönheit des physischen Körpers. Dann war der Yogi sicherlich erfolgreich.

 

 

 

Woran kannst du erkennen dass deine Nadis gereinigt sind? Was sind die Auswirkungen von Pranayama?

Wenn die Nadis gereinigt sind, dann sind die dadurch bedingten Zeichen wahrnehmbar. Das sind insbesondere Schlankheit und Schönheit des physischen Körpers. Dann ist der Yogi ganz sicher erfolgreich. Nadis bedeuten die Energiekanäle und Shuddi ist die Reinheit.

Dann gibt es tatsächlich (tata) Anzeichen (chena). Diese Anzeichen sind äußerlich sichtbar. Es sind äußere (bhaya) Zeichen. Das heißt zum einen der Körper (krishyata) bekommt eine krisha, eine Schlankheit. Zudem hat er Anmut, Schönheit und Glanz (kanti).

Es erscheint wie ein Werbespot von Svatmarama, wenn er sich auf Schlankheit bezieht, denn es gibt auch dickere Yogis. Wenn man sich den Text genau ansieht, dann steht dort krishyata, das man mit Schlankheit, doch auch mit Anmut übersetzen kann. Kantis bedeutet Schönheit und Glanz. Wenn Prana und Nadis vorhanden sind, gibt es ein Glänzen und Leuchten. Eventuell ist es eher ein Leuchten des Pranas. Man sieht den Menschen an, die eine sattwige Ernährung haben, Asanas praktizieren, Meditation üben und jeden Tag Wechselatmung von 20 Minuten über mindestens 3 Monate lang geübt haben. Sie haben einen Glanz, ein Strahlen, eine Leichtigkeit in ihrem Auftreten. Krisha heißt Leichtigkeit. Das Ansehen dieser Menschen ist von einer Leichtigkeit, einer Subtilität, einem Strahlen und Leuchten geprägt.

Wenn du eine Weile praktiziert hast, dann spürst du dieses Gefühl. Menschen die einmal praktiziert haben und wieder davon abgekommen sind, wissen, dass es sich anders anfühlt. Wenn du Menschen begleitet hast, die üben, dann spürst du, wenn shuddi, die Reinheit, da ist. Man merkt, wenn die Menschen dort wieder hinauskommen. Sie fühlen sich grobstofflicher an. Die Leichtigkeit und das Leuchten, das durch Pranayama kommt, fehlt ihnen.

 

  1. Vers

यथेष्टं धारणं वायोरनलस्य प्रदीपनम्
नादाभिव्यक्तिरारोग्यं जायते नाडिशोधनात् ॥२०॥

yatheṣṭaṁ dhāraṇaṁ vāyor analasya pradīpanam… nādābhivyaktir ārogyaṁ jāyate nāḍi-śodhanāt

yathā-iṣṭaṁ : nach Belieben („wie gewünscht“); dhāraṇaṁ : (das) Anhalten; vāyoḥ : des Atems, von Prana („Windes“); analasya : des (Verdauungs-)Feuers; pradīpanam : (das) Auflodern, Entfachen; nāda : (des inneren, „unangeschlagenen“) Klang(es); abhivyaktiḥ : (das) Offenbarwerden, Erscheinen; ārogyaṁ : Gesundheit („Nichtkrankheit“); jāyate : entsteht; nāḍi : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle; śodhanāt : aufgrund der Reinigung

Willentliches Anhalten des Atems, Beruhigung der Verdauung, | Manifestation des göttlichen Klangs (Nada), Freiheit von Krankheiten entstehen aus der Reinigung der subtilen Energiekanäle (Nadi).

 

Die Wirkung von Nadi Shodana besteht darin, dass man sich leicht und strahlend fühlt, wie im 19. Vers geschrieben wird.

Im 20. Vers steht, die Wirkung von Nadi Shodana, der Wechselatmung, ist ein längeres Anhalten der Atmung. Dieses erfolgt schrittweise. Man könnte daraus interpretieren, dass man vayu, das Prana, beliebig hoch halten kann.

Jemand der regelmäßig Wechselatmung übt, wird sein Prana hoch halten können, wenn er in eine tumulthafte Umgebung kommt, wie in der U-Bahn, auf dem Marktplatz, im Krankenhaus. Andere spirituelle Praktiken können zügig Prana erhöhen. Sie verschwinden aber zügig wieder. Wer die Wechselatmung übt, kann sein Prana halten, wenn er in einer Umgebung ist, die nicht viel Prana enthält.

Beim intensiven Pranayamaüben sollte eine sattwige Umgebung vorgezogen werden. Wenn du nachher wieder in die Welt hinein gehst, spürst du Dharanamvayu, die Ruhe des Pranas. Du erfährst Dharana, eine gewisse Konzentrationsfähigkeit. Die zweite Wirkung von Pranayama ist die Entstehung des Verdauungsfeuers, pradipana, welches aufleuchtet. Anala bedeutet Verdauungsfeuer, welches entfacht wird. Dipana bedeutet „Licht“, pradipana ist das „Leuchten“. Demnach hilft die Wechselatmung deinem Agni, deinem inneren Feuer.

Weiterhin wird der Zustand von „arogia“(ohne Krankheit) offenbart. Wechselatmung wirkt gegen alle möglichen Krankheiten. Dies sind gute Gründe, die Wechselatmung zu üben. Du wirst dich leicht fühlen, du wirst vom Bauch aus leuchten und strahlen. Du kannst dein Prana halten und innere Klänge hören, was die Meditation erleichtert. Du wirst gesund sein.

Zusammengefasst bedeutet dies mit anderen Worten: Übe Pranayama!

 

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

प्राणायामेन युक्तेन सर्वरोगक्षयो भवेत्
अयुक्ताभ्यासयोगेन सर्वरोगसमुद्गमः ॥१६॥

prāṇāyāmena yuktena sarva-roga-kṣayo bhavet… ayuktābhyāsa-yogena sarva-roga-samudgamaḥ

prāṇa-āyāmena : Atemzügelung; yuktena : durch angemessene, richtige; arva : jeglicher; roga : Krankheit; kṣayaḥ : (die) Vernichtung; bhavet : kommt zustande, wird sein; ayukta : unangemessen(er); abhyāsa : Übung(spraktiken); yogena : durch die Anwendung; sarva : sämtlicher; roga : Krankheiten; samudgamaḥ : (das) Entstehen, Erscheinen)

Durch geeignete Atemübungen (Pranayama) wird die Zerstörung aller Krankheiten bewirkt. | Ungeeignete Praxis hingegen bewirkt eine Verstärkung.

 

Svatmarama schreibt:

Durch einen missverstandenen Yogalehrgang zieht der Yogi allerlei Beschwerden an sich. In dem Vers steht, dass Prana angemessen, yuktena, ausgeführt wird. Diese Ausführung erfolgt durch Nahrung, Asana und Meditation, verbunden mit der richtigen Einstellung. Dann wird der Mensch sharya. Es kommt zur Vernichtung, jeglicher Roga, alle Krankheiten verschwinden.

Pranayama kann alle Arten von Krankheiten überwinden. Umgekehrt bedeutet dies: Beim Üben von Arjukta Abiasa, eine unangemessene Form der Praxis, können alle möglichen Krankheiten in Erscheinung treten. Das ist sarmudgamah sarvarogaika, Krankheiten aller Art betreffend.

Übe Pranayama richtig. Pranayama sollte nicht einfach von Büchern erlernt werden. Das ist nicht zu raten. Mit Videos kann das Lernen erleichtert werden.

Wir haben den Atemkurs für Anfänger und für die Mittelstufe als mehrwöchigen Videokurs auf unseren Internetseiten. Das sind Kurse mit denen du gut Pranayama lernen kannst. Trotzdem ist es besser, bei  einer Yogalehrerin, einem Yogalehrer direkt zu lernen. Der Lehrer oder die Lehrerin kann dich durch die intensiven verschiedenen Erfahrungen begleiten, die beim Pranayama auftreten. Svatmarama möchte sagen, lerne es richtig und übe es in einer korrekten Form aus.

 

  1. Vers

हिक्का श्वासश्च कासश्च शिरःकर्णाक्षिवेदनाः
भवन्ति विविधाः रोगाः पवनस्य प्रकोपतः ॥१७॥

hikkā śvāsaś ca kāsaś ca śiraḥ-karṇākṣi-vedanāḥ… bhavanti vividhāḥ rogāḥ pavanasya prakopataḥ

hikkā : Schluckauf; śvāsaḥ : Asthma; ca : und; kāsaḥ : Husten; ca : und; śiras : Kopf; karṇa : Ohren; akṣi : Augen; vedanāḥ : Schmerzen; bhavanti : entstehen; vividhāḥ : (die) verschiedentlichsten; rogāḥ : Krankheiten; pavanasya : des Atems (“Windes”, Pavana, aus ayurvedischer Sicht ist der Dosha Vata gemeint); prakopataḥ : aufgrund einer Reizung, Übererregung

Schluckauf, Asthma und Bronchitis, sowie Kopf-, Ohr- und Augenschmerzen, | Verschiedene Krankheiten entstehen durch ein Ungleichgewicht des Atems.

 

Durch ein falsches Verfahren im Pranayama wird der Atem verschlechtert, und von daher können Husten, Asthma und Schmerzen im Kopf, an Augen und Ohren entstehen, und verschiedene andere Beschwerden.

 

Bei einem falschen Üben von Kapalabhati, indem eine nicht korrekte Ausführung der Atmung erfolgt, bei der anders geatmet wird als vorgegeben, anstatt mit dem Bauch zu atmen, können Beschwerden entstehen. Das gleiche ist bei Bhastrika der Fall. Wenn du diese Atemübung falsch praktizierst, vielleicht die Stimmritzen gereizt werden oder die Nase verstopft ist und ein Überdruck in den Ohren und Augen entsteht, könnten Schwierigkeiten in Erscheinung treten.

Mir ist nicht bekannt, dass durch Pranayama jemand geschädigt worden ist. In der Theorie wäre es möglich. Möglicherweise schreibt Svatmarama in einer übertriebenen Form. Eine Übertreibung verwendet er, damit du es richtig lernst. Vermutlich ist die größte Gefahr beim Pranayama, dass du wenig Wirkung verspürst. Deshalb sollte es besser von einem Lehrer gelehrt werden. Anders verhält es sich bei der fortgeschrittenen Praxis. Dort ist es wichtig, die Pranayamapraxis mit Asanas, einer gesunden Ernährung und mit Meditation zu üben, um eine gute Wirkung zu erlangen.

 

  1. Vers

युक्तं युक्तं त्यजेद्वायुं युक्तं युक्तं पूरयेत्
युक्तं युक्तं बध्नीयादेवं सिद्धिमवाप्नुयात् ॥१८॥

yuktaṁ yuktaṁ tyajed vāyuṁ yuktaṁ yuktaṁ ca pūrayet… yuktaṁ yuktaṁ ca badhnīyād evaṁ siddhim avāpnuyāt

yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam; tyajet : man entlasse; vāyuṁ : (den) Atem („Wind“); yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam; ca : und; pūrayet : man atme ein; yuktaṁ yuktaṁ : ganz angemessen, sehr aufmerksam; ca : und; badhnīyāt* : man halte an („binde fest“); evaṁ : so, auf diese Weise; siddhim : Vollkommenheit, Erfolg; avāpnuyāt : man kann erreichen

Der Yogi soll den Atem geübt ausatmen und einatmen, | und er soll geübt den Atem anhalten. So erreicht er wahrlich übernatürliche Fertigkeiten.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass das „Atem anhalten“ (kumbh)  auch mit dem Setzen von Jalandhara Bandha und den anderen Bandhas verbunden (Yukta) ist: jālandhara-bandhādi-yuktaṃ badhnīyāt kumbhayet.

 

Svatmarama schreibt Yuktam Yuktam. Man sollte doppelt angemessen üben. Es ist wichtig angemessen einzuatmen, angemessen wieder auszuatmen und angemessen anzuhalten.

Und so (awab nuyat) erreicht man siddhi, eine Vollkommenheit und Erfolg.

Das Wort Siddhi in der Mehrzahl steht oft für übernatürliche Kräfte. Siddhi in der Einzahl heißt Erfolg, beziehungsweise Gottverwirklichung. Das heißt, das richtige Maß zu finden ist wichtig. Weder zu viel, noch zu wenig ist der Rat. Die meisten westlichen Aspiranten üben eher zu wenig als zu viel. Diese Tatsache gilt auch für Pranayama.

Es gilt, genau den Rhythmus zu finden, der der richtige ist. Manche Menschen denken, es wirkt mehr, wenn ich langsamer einatme, anhalte und ausatme. Wenn der langsame Rhythmus der Wechselatmung bedeutet, dass du über deine Grenzen hinausgehen würdest, ist es nicht so wirkungsvoll. Gerade bei der Wechselatmung ist die Grenzgeschwindigkeit die Beste. Dies ist der Rhythmus der so langsam ist, wie er gerade noch angenehm ist. Wenn das für dich 4:16:8 ist, dann ist das für dich optimal. Wenn es 6:24:12 ist, dann übe nach diesem Rhythmus. Wenn du 8:32:16 üben kannst, ist dies deine Vorgehensweise zum Üben.

Mache den Rhythmus in der Wechselatmung so langsam, wie es gerade noch angenehm ist. Die meisten Menschen ändern ihren Rhythmus während der Pranayama Sitzung. Manchen Menschen fällt es leichter den Rhythmus am Anfang langsam zu halten. Viele beginnen mit 8:32:16. Nach 10 Minuten wird der Rhythmus beschleunigt auf 6:24:12.

Es kann auch anders herum sein. Dann wird der Rhythmus nach 15 Minuten verlangsamt. Bei Yoga Vidya im Anfänger Pranayama fangen wir meistens bei einem sanften Rhythmus an, den alle Teilnehmer folgen können. Beim fortgeschrittenen Pranayama verlangsamen wir schrittweise und hoffen dass die, für die es zu langsam wird, im eigenen Rhythmus fortschreiten. Andere bevorzugen beim eigenständigen Üben erst den langsameren Rhythmus und nachher werden sie etwas schneller. Die optimale Wirkung erreichst du bei einem Rhythmus, in dem du genau das Feld 1:4:2 einhalten kannst und so langsam, ist wie es gerade noch möglich und angenehm ist. So erlangst du die volle Herrschaft über das Prana.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

यथा सिंहो गजो व्याघ्रो भवेद्वश्यः शनैः शनैः
तथैव सेवितो वायुरन्यथा हन्ति साधकम् ॥१५॥

yathā siṁho gajo vyāghro bhaved vaśyaḥ śanaiḥ śanaiḥ… tathaiva sevito vāyur anyathā hanti sādhakam

yathā : wie; siṁhaḥ : (ein) Löwe; gajaḥ : (ein) Elefant; vyāghraḥ : (ein) Tiger; bhavet : wird; vaśyaḥ : gehorsam, folgsam; śanaiḥ śanaiḥ : ganz langsam, ganz allmählich; tathā : so; eva : genau; sevitaḥ : behandelt; vāyuḥ : (der) Atem, Prana („Wind“); anyathā : anderenfalls; hanti : er tötet; sādhakam : (den) Praktizierenden

Ähnlich wie ein Löwe, Elefant oder Tiger sehr langsam gezähmt werden, | genau so gelangt auch der Atem unter Kontrolle. Ansonsten zerstört er den Yogi.

 

Svatmarama schreibt:

Wie wir Löwen, Elefanten und Tiger Schritt für Schritt zähmen, sollte Prana schrittweise unter Kontrolle gebracht werden. Ansonsten wird Prana den Yogi töten.

Dies ist eine radikale Ausdrucksweise, die er hier anbringt. Er will damit zur Vorsicht raten. Ich vermute, du hast nicht viel Erfahrung im Zähmen von Löwen, Tigern und Elefanten. Im alten Indien wurden diese wilden Tiere gezähmt und häuslich genutzt. Im 18. und 19. Jahrhundert haben die Engländer die Maharadschas zu Großwildjagden inspiriert und motiviert, um sie zu beschäftigen. In Indien sind die Löwen, Elefanten und Tiger weitestgehend ausgestorben. Ein paar wenige Elefanten und Tiger gibt es noch. Ob es noch Löwen gibt, weiß ich nicht. Bei dem Vorhaben, Wildtiere zu zähmen, würde man eine schrittweise Vorgehensweise bevorzugen. Dasselbe gilt für das Üben von Pranayama.

Wenn du noch nie Pranayama geübt hast, würdest du nicht gleich vier Mal am Tag zwei Stunden üben. Du würdest an die Atemübung schrittweise herangehen.

Ich denke und gehe davon aus, dass du schon Erfahrung mit Pranayama gesammelt hast. Eine Übertreibung sollte bei deiner Praxis nicht erfolgen. Ich denke, dass eher das Gegenteil bei modernen Aspiranten zutreffender ist. Es besteht weniger die Gefahr, zu viel Pranayama zu praktizieren. Die Gefahr ist viel größer, zu wenig Pranayama zu üben. Pranayama ist wichtig, übe es!

Nicht jeder ist geeignet für intensives Pranayama. Man kann sagen, Menschen brauchen eine gewisse psychische Stabilität, um intensiv Pranayama zu praktizieren. Eine gewisse Menge an Pranayama stabilisiert den Menschen. Das sind typischerweise 3 Runden Kapalabhati und 10-20 Minuten Wechselatmung. Diese durchschnittlichen Angaben sind für fast jeden Menschen geeignet. Es gibt für jeden Menschen eine treffende Übungsanleitung für seine individuelle Praxis. Unterschiedliche Variationen für Kapalabhati können für unterschiedliche Doshas zur Beruhigung gemäß dem Ayurveda zum Einsatz kommen. Deshalb kann man sagen, für jeden Menschen ist Pranayama geeignet. Wer müde ist, bekommt durch Pranayama mehr Energie. Bei Ängstlichkeit wird mehr Selbstvertrauen entstehen. Wer zu Ärger neigt, der wird mehr Ruhe im Geist bekommen. Bei einer relativ schnellen Mutlosigkeit wird durch Pranayama der Mut wieder eintreten. Psychisch instabile Menschen werden durch eine gewisse Menge an Pranayama seelisch stabiler werden. Wenn sie aber noch intensiver praktizieren, werden sie in Prozesse hinein katapultiert, die sie vielleicht allein nicht gut bewältigen können. Wenn du jemand bist, der durch längeres Pranayama in tiefer emotionale Prozesse gelangst, brauchst du entweder jemanden, der dir hindurch hilft, der dir rät, was zu tun ist und dich begleitet. Oder du beschränkst deine Menge an Pranayama darauf, welche dir hilft, zu einer Stabilität zu kommen.

Es ist eine schrittweise Herangehensweise. Im Laufe der Jahre wird Pranayama dir helfen, psychisch stabiler zu werden. Folglich kannst du deine Pranayamaübungen schrittweise erhöhen.

Wenn du zu der Kategorie von Menschen gehörst, die insgesamt einen stabilen Geist haben, wird es dir gelingen, mal vorübergehend in Prozesse hineingeworfen zu werden. Ein Auftreten von grundlosem Ärger, ein Verlassenheitsgefühl sowie in Ängstlichkeitsgefühle und in Kindheiteserinnerungen zu kommen, werden von Personen mit einem stabilen Geist gemeistert.

Du identifizierst dich dabei nicht. Du schaust es dir an und wiederholst ein Mantra. Du öffnest dich für die Segensenergie des Meisters und sprichst ein Segensgebet. Mit diesen Maßnahmen ist diese auftretende Sache überstanden und es kommt zur Auflösung. Die Unreinheiten der Nadis lösen sich durch Pranayama auf. Die psychischen Blockaden, welche ebenso Unreinheiten sind, lösen sich auf und verschwinden. Dies kann zum Teil ohne psychologische oder psychotherapeutische Arbeit erfolgen. Pranayama allein kann den Geist klären bei einer ganzen Reihe von Menschen.

Die Aussage, wenn man Pranayama nicht richtig übt, könnte es zum Tode führen, halte ich persönlich für eine übertriebene Darstellung. Mir ist kein Mensch bekannt, der durch Pranayama gestorben ist oder durch Pranayama Schaden genommen hat. Ich kenne Menschen, die beim Spazieren gestolpert sind und sich das Bein gebrochen haben. Ich kenne Menschen, die im Bett liegend einen steifen Hals bekommen haben oder einen Hexenschuss. Es gibt Menschen, die im Bett liegend einen Herzinfarkt haben. Mir ist  jedoch kein Mensch bekannt, der beim Pranayamaüben in ein ernsthaftes Problem gekommen ist.

Vielleicht ist meine Ansicht ein Widerspruch zu Svatmaramas Aussage. Meine Erfahrung besteht darin, dass Pranayama insgesamt segensbringend ist. Die Einschränkung gilt trotzdem. Menschen, die psychisch instabil sind, sollten die Menge an Pranayama finden, die sie stabilisieren. Eine Übertreibung ist hier unangemessen. Pranayama sollte zudem mit Asanas, mit Meditation und mit den fortgeschritteneren Techniken kombiniert werden. Zu den forgeschrittenen Pranayamatechniken zählen Übungen, in denen man Bhandas integriert. Du übst Pranayama mit Techniken von Uddhya Bhanda, Surya Bedha und Bastrika. Eine sattwige Ernährung zu beachten, ist in jedem Fall die Voraussetzung zu diesen fortgeschrittenen Praktiken.

Über weitere Gefahren des Pranayama spricht Svatmarama im nächsten Vers.

 

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  1. Vers

अभ्यासकाले प्रथमे शस्तं क्षीराज्यभोजनम्
ततोऽभ्यासे दृढीभूते तादृङ्नियमग्रहः ॥१४॥

abhyāsa-kāle prathame śastaṁ kṣīrājya-bhojanam… tato’bhyāse dṛḍhī-bhūte na tādṛṅ-niyama-grahaḥ

abhyāsa : (des) Praktizierens; kāle : Zeit; prathame : in der ersten; śastaṁ : wird empfohlen; kṣīra : Milch; ājya : (und) geklärte(r) Butter); bhojanam : Nahrung (insbesondere Reis vermischt mit); tataḥ : dann, danach; abhyāse : (wenn die) Übungspraxis; dṛḍhī-bhūte : sich gefestigt hat; na : nicht (ist erforderlich); tādṛś : (an einer) solchen, derartigen; niyama : Beschränkung; grahaḥ : (das) Festhalten

Zu Beginn der Praxis wird Milch und Ghee als Nahrung empfohlen. | Später, wenn die Praxis gut fundiert ist, muss der Yogi sich nicht an diese Regeln (Niyama) halten.

 

Svatmarama sagt:

„Zu Beginn der Praxis, den ersten Stufen der Praxis sollte er Nahrung zu sich nehmen, die mit Milch und Ghee gemischt ist. Wenn er fortgeschritten ist, braucht er solche Einschränkungen nicht zu beachten.“

Zuvor habe ich bereits ausführlicher über meine Einstellung zu Milch, Butter und Ghee gesprochen. Ich bin Veganer und nehme keine Milch und Milchprodukte zu mir.

Man muss diesen Vers vom Standpunkt des Ayurveda verstehen. Im Ayurveda gibt es bestimmte Nahrungsmittel von denen gesagt wird, dass sie helfen, dass das Vata nicht zu hoch wird. Dazu gehört Milch und Ghee. Weiterhin zählen erdende Gemüse dazu, wie Wurzelgemüse und bestimmte Öle. Kokosöl kann gut zum Einsatz kommen. Es hat die gleiche Wirkung zur Ruhe zu kommen und trägt zur Erdung bei.

Man könnte daher sagen, zu Anfang der Praxis, wenn nach den Empfehlungen von Svatmarama intensiv praktizierst wird mit vier Mal am Tag mindestens 1-2 Stunden Pranayama, braucht es eine Erdung. Kokosnussöl kann dich erden und eine gute Hilfe sein. Das Öl kann auf die Nahrung gegeben werden. An einer anderen Stelle hat er gesagt, etwas ölig ist gut. Man sollte natürlich nicht seine gesamte Nahrung in das Fett tränken, aber etwas kalt gepresstes Öl, wie Kokosöl oder ein anderes kalt gepresstes Öl hilft dir, über die Nahrung eine gewisse Ruhe zu bekommen.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

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  1. Vers

प्रातर् मध्यन्दिने सायम् अर्धरात्रे कुम्भकान्
शनैर् अशीतिपर्यन्तं चतुर् वारं समभ्यसेत् ॥११॥

prātar madhyan-dine sāyam ardha-rātre ca kumbhakān… śanair aśīti-paryantaṁ caturvāraṁ samabhyaset

prātar* : morgens; madhyan-dine : am Mittag; sāyam* : abends; ardha-rātre : zur Mitternacht; ca : und; kumbhakān : Atemverhaltungen; śanais : langsam, allmählich (steigernd); aśīti : 80 (Kumbhakas pro Sitzung); paryantaṁ : bis auf; catur : vier; vāraṁ : mal; samabhyaset : man soll üben, praktizieren (sam + abhi + as)

Morgends, Mittags, Abends und zur Mitternacht, soll der Yogi diese Atemübung (Kumbhaka) praktizieren, vier mal langsam steigernd bis zu 80 runden.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass es sich jeweils um die Morgen- bzw. Abenddämmerung (Sandhya) handelt, also die Zeit vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang.

 

Man sollte Kumbhaka, das Atem anhalten, vier Mal täglich ausführen. Am frühen Morgen, mittags, abends und zu Mitternacht bis man die Zahl auf 80 steigert.

Vier Mal am Tag sollte Pranayama geübt werden: morgens um 6 Uhr, mittags um 12 Uhr, abends um 18 Uhr und um Mitternacht, um 24 Uhr.

Wieviel solltest Du üben?

Letztlich 40 Runden Wechselatmung sollten in jeder dieser Sitzungen geübt werden. Davor praktizierst du Kapalabhati. Es ist wichtig zusätzlich Asanas zu üben und die Meditation.

Wenn du jeweils 40 Runden Wechselatmung machst, kann das schon lange andauern. Angenommen du hast den Rhythmus 5-20-10, das sind 40 Runden Wechselatmung in etwa 45 Minuten. Angenommen du hast den Rhythmus 6-24-12, ist die Zeitspanne noch länger. Wenn du den Rhythmus hättest 16-64-32, sind das 2 ½ Stunden Wechselatmung pro Sitzung. Es ist eine lange Zeit, die diese Atemübung in Anspruch nimmt.

Wie kann ich das Üben erfolgen für so eine lange Zeit am Tag, wenn man zu gleich arbeiten geht?

Die Antwort darauf ist: Das ist gar nicht möglich.

Das geht schon an einem Tag, aber nur in den Ferien oder in deinem Urlaub bei freier Zeit.

Bei Yoga Vidya haben wir das „Sadana- Intensiv.Seminar“, welches in der 2. Juniwoche, stattfindet. In diesem sehr intensiven Seminar können Menschen tatsächlich 4 x am Tag Pranayama üben.

Wir gestalten die Durchführung etwas anders. Die Zeiten des Übens sind nicht identisch mit denen, die Svatmarama vorgibt. Wir machen es nicht um 6-12-18 und 24 Uhr. Wir richten uns nach der Angabe von Swami Vishnu, wie er es gelehrt hat. Morgens um 5.30 Uhr beginnt das erste Üben von Pranayama, dann nochmal gegen 9.30 Uhr, gegen 14 Uhr und die letzte bzw. die nächste Sitzung ist um 21 Uhr. Wir haben sogar fünf Mal Pranayama, 14 Uhr kurzes Pranayama, aber dann um 16.30 Uhr nochmal ein längeres Pranayama und 21 Uhr Pranayama. Es sind vier Hauptsitzungen Pranayama plus zwei Mal am Tag Asanas. Nach jedem Pranayama gehen wir in die Meditation. Dazu kommt zwei Mal am Tag der Satsang. Dies sind sechs Meditation am Tag. Es ist eine intensive Pranayama-Praxis, die sehr viel bringt.

Wenn du denkst, dass du keine Zeit dafür zur Verfügung hast, kann ich nur antworten: „Du kannst dir diese Zeit nehmen“. Menschen haben Zeit, ein paar Wochen Urlaub auf Mallorca zu verbringen. Sie machen Ferien in einem anderen Land, haben Zeit durch Indien zu reisen und verbringen den Sommer am Strand. Die Menschen haben Zeit zwei Wochen ihr Apartment zu renovieren und gehen diversen Hobbys in ihrer Freizeit nach. Dafür haben die Menschen ausreichend Zeit zur Verfügung. Demnach kannst du, wenn du wirklich den Wunsch und den Willen hast, zwei Wochen finden für intensives Pranayama. Diese sinnvoll genutzte Zeit wird dir sicher mehr geben, als zwei Wochen am Strand herum zu liegen. Du hast die Zeit. Du musst sie dir nur nehmen und etwas Sinnvolles mit ihr machen. Fülle deine Zeit mit dem Üben von intensivem Pranayama.

Mein Tipp ist das regelmäßige Üben von Pranayama. Wenn Du nicht so viel üben kannst, dann übe mindestens 20 Minuten Wechselatmung am Stück jeden Tag. Davor übe Kapalabhati, die Schnellatmung. Übe jeden Tag Asanas und Meditation. Du kannst in deinem Tagesablauf diese Übungen integrieren und sicherlich eine Zeitlücke finden, die du mit diesen Praktiken sinnvoll füllen kannst.

 

  1. Vers

कनीयसि भवेद् स्वेद कम्पो भवति मध्यमे
उत्तमे स्थानम् आप्नोति ततो वायुं निबन्धयेत् ॥१२॥

kanīyasi bhaved svedaḥ kampo bhavati madhyame… uttame sthānam āpnoti tato vāyuṁ nibandhayet

kanīyasi : im niedrigsten („geringsten“ Stadium); bhavet : es gibt; svedaḥ : Schweiß; ampaḥ : Zittern; bhavati : es gibt; madhyame : im mittleren (Stadium); uttame : im höchsten (Stadium); sthānam* : (den höchsten) Ort; āpnoti : man erreicht; tataḥ : daher, deshalb; vāyuṁ : (den) Atem, Prana („Wind“); nibandhayet : man soll anhalten

Im Anfangsstadium schwitzt der Yogi. Im Mittelstadium tritt Zittern auf. | Im höchsten Stadium erreicht man den (höchsten) Ort. Daher soll der Yogi den Atem anhalten.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass man im höchsten (Uttama) Stadium der in den Strophen 7 bis 10 beschriebenen Form des Pranayama das Brahmarandhra, den „Öffnung Brahmas“ genannten Ort (Sthana), erreicht (āpnoti): uttame prāṇāyāme sthānam brahma-randhram āpnoti. Eine weitere Bedeutng von sthānam ist „vollkommene Ruhe“, der „Stillstand“ des Geistes.

 

Auf der ersten Stufe gerät der Körper in Schweiß, auf der zweiten Stufe ist ein Zittern durch den ganzen Körper zu spüren. Im höchsten Zustand geht Prana zum Brahmarandhra. So sollte man Pranayama üben.

Er sagt, im Anfangsstadium schwitzt der Yogi. Wenn der Yogi schwitzt, erfolgt eine Reinigung. Beim Üben von Pranayama, werden die Nadis praktisch langsam geöffnet. Wenn dein Prana durch die leicht geöffneten Nadis fließt, entsteht eine Art Reibung. Dieser Vorgang des Reibens erzeugt Wärme, welchen du als Wärme spüren kannst. Zudem kann eine erhöhte Schweißabsonderung in Erscheinung treten. Der Schweiß, der beim Pranayama entsteht, ist ein anderer als der beim Sport entsteht.

Ich hatte einen Teilnehmer, der Chemiker war. Bei seiner Pranayampraxis hat dieser Chemiker seinen abgesonderten Schweiß bewusst gesammelt, um ihn nachher chemisch zu analysieren. Er wollte herausfinden, welchen Inhalt dieser Schweiß hat. Sein Ergebnis bestätigt den Unterschied zwischen dem Schweiß, der durch die sportliche Betätigung abgesondert wurde und den Schweiß, der beim Pranayama entstanden ist. Es handelt sich bei diesem Schweiß um einen Reinigungsschweiß. Das geschieht am Anfang des Übens. Im Mittelstadium kommt ein Zittern in Erscheinung. Es kann sein, dass der Bauch vibriert, pulsiert oder ein Gefühl entsteht, die Wirbelsäule pulsiert. Ein Erzittern des ganzen Körpers kann ebenfalls auftreten. Manche Menschen beginnen in dieser Phase mit einer Art des „Hopsens“. Dies kann sich durch leicht hüpfende Bewegungen am Boden bemerkbar machen. Andere haben das Gefühl, dass der Astralkörper vor- und zurückgeht. Manche Menschen machen die Erfahrung, dass die Augenlider zittern oder es können innere Schwingungen entstehen. Das sind alles Zeichen, dass eine Nadireinigung erfolgt. Im Prozess der Reinigung erzittern die Nadis. Das kann auch den Körper erzittern lassen. Es entsteht das Gefühl des Erzitterns. Wenn du diese Erfahrung wahrnimmst, ist es ein gutes Zeichen.

Nicht jeder Mensch erfährt diese Symptome in seinem Körper. Es muss kein zittern oder schwitzen auftreten. Jeder Mensch hat andere Empfindungen. Das Ausmaß ist ganz verschieden und individuell. Es gibt Menschen, die durch Pranayama sehr in die Tiefe gelangen können. Sie kommen tief hinein ohne diese Hitze und das beschriebene Erzittern zu erfahren.

Im höchsten Stadium, wie er hier sagt, erreicht man Uttama sthānam, den höchsten Ort, der als Brahmarandhra bezeichnet wird. Brahmarandhra ist die Öffnung von Brahman, die in der Scheitelgegend, im Sahasrara Chakra zu finden ist. Darüber erfährt man Gott.

Durch die Wechselatmung, sagt er hier, Uttama sthānam, wird der höchste Ort erreicht. Das ist der Wohnsitz Gottes. Er lobt die Wechselatmung und betont, dass man durch die Wechselatmung selbst Gott erfahren kann.

 

  1. Vers

जलेन श्रमजातेन गात्रमर्दनम् आचरेत्
दृढता लघुता चैव तेन गात्रस्य जायते ॥१३॥

jalena śrama-jātena gātra-mardanam ācaret… dṛḍhatā laghutā caiva tena gātrasya jāyate

jalena : mit dem Schweiß („Wasser“); śrama : (durch die) Anstrengung; jātena : (der) entstanden ist; gātra : (des) Körper(s); mardanam : (das) Einreiben; ācaret : man soll durchführen; dṛḍhatā : Festigkeit, Kräftigkeit; laghutā : Leichtigkeit; ca : und; eva : gewiss; tena : dadurch; gātrasya : des Körpers; jāyate : entsteht

Der Yogi soll seinen Körper mit dem durch die Anstrengung (der Pranayamapraxis) entstandenen Schweiß einreiben. | Dadurch entsteht physische Kraft und zugleich Leichtigkeit des Körpers.

 

Im Folgevers sagt Svatmarama: „Verreibe den ausgetretenen Schweiß gut auf dem Körper. Das macht die gesamte Verfassung stark und leicht.“

Er empfiehlt, den beim Pranayama entstandenen Schweiß nicht mit einem Tuch weg zu wischen, sondern ihn zu nutzen, deinen Körper damit einzureiben. Dieser soll sehr gut sein für die Haut. Der Schweiß soll sehr gesund sein. Er führt zum einen zu dṛḍhatā (Festigkeit), aber auch zu laghu (Leichtigkeit).

Hier ein kleiner Tipp: der Schweiß, der beim Pranyama auftritt, sollte nicht unbedingt mit einem Tuch weggewischt werden. Reibe nur ein bisschen davon mit der Hand auf deinen Körper. Diese Maßnahme ist gut für deinen Körper.

Svatmarama hat gesagt, wozu Pranayama gut ist, insbesondere die Wechselatmung, die der Nadireinigung dient. Sie ist zudem sehr gut, um den höchsten Bewusstseinszustand zu erlangen. Auf dem Weg dorthin gibt es einige Reinigungserfahrungen. Letztlich ist Wechselatmung sehr wichtig für eine Klarheit des Geistes und zur Konzentration. Daher übe die Wechselatmung.

 

Intensive Wechselatmung kannst du in dem zweiwöchigen „Sadana intensiv“ üben. Ebenfalls kannst du intensives Pranayama in den Kundalini-Yoga Intensivseminaren bei Yoga Vidya praktizieren, die wir immer wieder als Wochenenden und Intensivwochen im Programm haben. Bei Yoga Vidya in Bad Meinberg gibt es jeden Morgen um sechs Uhr intensives, fortgeschrittenes Pranayama bis 6.50 Uhr. Zweimal in der Woche finden zwei Stunden intensives Pranayama statt, welches angeleitet wird.

Wenn du zu Yoga Vidya nach Bad Meinberg kommst, kannst du das Shivalaya-Retreat-Center besuchen. Wenn du genaue Kenntnisse über die Übungen gesammelt hast und Erfahrung mit den Praktiken besteht, zudem vielleicht bei Yoga Vidya die Kundalini-Yoga Intensivwoche mitgemacht hast, kannst du für dich selbst und eigenständig im Shivalaya viermal am Tag Pranayama üben, um die machtvolle Wirkung dieser Praktiken zu erfahren.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

 

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  1. Vers

बद्धपद्मासनो योगी प्राणं चन्द्रेण पूरयेत्
धारयित्वा यथाशक्ति भूयः सूर्येण रेचयेत् ॥७॥

baddha-padmāsano yogī prāṇaṁ candreṇa pūrayet… dhārayitvā yathā-śakti bhūyaḥ sūryeṇa recayet

baddha* : (der) eingenommen („gebunden“) hat; padma-āsanaḥ : (den) Lotussitz; yogī : (der) Yogi; prāṇaṁ : (den) Atem, (die) Lebensenergie Prana; candreṇa : durch den Mond(kanal, das linke Nasenloch); pūrayet : soll einatmen; dhārayitvā : nachdem er (den Atem) angehalten hat; yathā-śakti : nach Vermögen („wie es in seiner Macht steht“); bhūyaḥ : wieder; sūryeṇa : durch den Sonne(nkanal, das rechte Nasenloch); recayet : soll ausatmen

Der Yogi, der den Lotussitz (Padmasana) eingenommen hat, soll durch das linke Nasenloch (Chandra) die Lebensenergie (Prana) einatmen, | und nach dem Anhalten entsprechend der eigenen Kraft, soll der Yogi durch das rechte Nasenloch (Surya) wieder ausatmen.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda analysiert das adjektivische Kompositum (Bahuvrihi) baddha-padmāsanaḥ mit baddhaṁ padmāsanaṁ yena, d.h. „von dem (yena) der Lotussitz (Padmasana) eingenommen wurde (Baddha)“. Es handelt sich hierbei nicht um den sogenannten „gebundenen Lotussitz“ (Baddha Padmasana), in dem die hinter dem Rücken gekreuzten Arme bzw. Hände die großen Zehen festhalten.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 30 behandelt.

 

Was ist die Wechselatmung?

Wozu ist sie gut?

Wie viel Wechselatmung sollte man üben?

Über diese Fragestellungen schreibt Svatmarama im 2. Kapitel der Hatha Yoga-Pradipika ab dem 7. Vers.

 

Svatmarama sagt:

„baddha-padmāsano yogī prāṇaṁ candreṇa pūrayet

dhārayitvā yathā-śakti bhūyaḥ sūryeṇa recayet.“

Nachdem der Yogi die „Padmāsano-Stellung“ eingenommen hat, sollte er Prana durch das linke Nasenloch (Ida, bzw. Chandra) einatmen und nach dem Anhalten entsprechend der eigenen Kraft, durch das rechte Nasenloch (Pingala) Surya wieder ausatmen.

Hier beschreibt er den ersten Teil der Wechselatmung. Die einzelnen Sanskritworte haben eine große Bedeutung.

Zunächst gilt es Baddha einzunehmen, padma-āsanaḥ (Padmasana), den Lotussitz.

Bevorzuge, wenn möglich den Lotussitz. Bei dieser Sitzhaltung ist der eine Fuß auf einem Oberschenkel und der andere Fuß befindet sich auf dem anderen Oberschenkel. Wenn Du den Lotussitz nicht machen kannst, wähle eine andere kreuzbeinige Stellung oder eine Sitzhaltung mit geradem Rücken. Der Lotussitz ist besonders gut für die Wechselatmung geeignet, weil die Fersen sich links und rechts vorne am Bauch befinden. An dieser Stelle liegen Ida und Pingala, die beiden Energiekanäle, die durch die Wechselatmung gereinigt werden. Die genaue Lage dieser beiden Energiekanäle wäre eigentlich links und rechts neben der Wirbelsäule hinten. Allerdings besteht eine Korrelation durch zwei Energiekanäle, die vorne entlang verlaufen  auf der linken und rechten Seite. Diese werden durch den Lotussitz harmonisiert.

Das Einatmen geschieht durch Chandra. Chandra heißt Mond und damit ist der Mondkanal gemeint, der zudem als Ida bezeichnet wird.

Wir befinden uns im linken Nasenloch. Du atmest links ein. Dabei atmest du nicht wirklich nur Luft ein. Du atmest Prana ein. Mit dieser Atemtechnik nimmt du neue Lebensenergie auf. Er stellt hier die Frage: „Was sollte man einatmen?“ Die Antwort darauf ist: „Prana, die Lebensenergie. Durch Chandra, durch den Idakanal, den Mondnadi.“

Es folgt das Anhalten der Atmung: hārayitvā. Dies sagt er mit yathā-śakti ( Yathashakti). Die Anhaltephase erfolgt „so lange, wie es der Shakti, dem eigenen Vermögen entspricht.“ Man hält die Luft so lange an, wie man es kann.

Bhūyaḥ wird mit „als nächstes folgt“, „darauffolgend“ oder „anschließend“ (Bhuyas) übersetzt. Im Anschluss geschieht demnach das Ausatmen. Dies sagt er mit „recayet“. Die Ausatmung geschieht durch Suryanadi, den Sonnenkanal.

Rechaca ist das Ausatmen. Die Entleerung der Lunge ist hier gemeint. Puraka heißt Einatmen. Das Einatmen, Puraka, erfolgt durch Chandra, den Mondkanal.

Was atmest Du ein? Du atmest Prana, die Lebensenergie ein.

Dann hältst du das eingeatmete Prana an, dhārayitvā. Dies geschieht so lange, wie es dir möglich ist, yathā-śakti.

Es folgt die Ausatmung, Rechaca, durch Surya, das rechte Nasenloch.

 

  1. Vers

प्राणं सूर्येण चाकृष्य पूरयेदुदरं शनैः
विधिवत्कुम्भकं कृत्वा पुनश्चन्द्रेण रेचयेत् ॥८॥

prāṇaṁ sūryeṇa cākṛṣya pūrayed udaraṁ śanaiḥ… idhi-vat kumbhakaṁ kṛtvā punaś candreṇa recayet

prāṇaṁ : (den) Atem, (die) Lebensenergie Prana; sūryeṇa : durch den Sonne(nkanal, das rechte Nasenloch); ca : und; ākṛṣya : ziehend; pūrayet : (er) soll anfüllen; udaraṁ : (den) Bauch; śanaiḥ : langsam, allmählich; vidhi-vat : vorschriftsgemäß, der Anweisung entsprechend; kumbhakaṁ : die Atemverhaltung; kṛtvā : nachdem er ausgeführt hat; punar : wieder; candreṇa : durch den Mond(kanal, das linke Nasenloch); recayet : (er) soll ausatmen

Und wenn die (Prana) das rechte Nasenloch wieder hineingezogen ist, soll der Yogi langsam den Bauch füllen. | Nachdem der Atem lange angehalten wurde (Kumbhaka), soll durch das linke Nasenloch (Chandra) wieder ausgeatmet werden.

 

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 40 behandelt.

 

Nachdem der Yogi Prana wieder durch Pingala eingeatmet hat, sollte er Kumbaka ausführen, wie es in den Büchern dargelegt ist. Darauf folgt eine langsame Ausatmung durch Ida.

Er sagt: Prana sollte durch Surya, den Sonnenkanal, eingeatmet werden. Es handelt sich hier um Pingala, das rechte Nasenloch. Pingala ist nicht nur einfach das rechte Nasenloch, sondern der Energiekanal.

Du kannst Dir vorstellen, wenn Du rechts einatmest, dass die Energie durch deine rechte Körperhälfte nach unten geht. Das ist ähnlich, wie beim Einatmen auf der linken Seite. Wenn Du links einatmest, kannst du dir Ida-Nadi, Chandra-Nadi, vorstellen. Das Prana fließt auf der linken Seite nach unten.

Mit dieser Technik soll „ākṛṣya“, das Prana, durch Surya gezogen werden. Udara, der Bauch, wird gefüllt. Im Anschluss wird die Luft angehalten und zwar vidhi-vat, vorschriftsgemäß, der Anweisung entsprechend.

Es gibt viele Weisen, wie du die Luft anhalten kannst. Fortgeschrittene werden die Luft zusammen mit den drei Bhandas, Mula-Banda, Uddhiyana Bandha und Jalandhara Bandha, anhalten. Weniger Fortgeschrittene werden einfach ruhig sitzen bleiben und die Wirbelsäule aufrecht halten. Dabei sind der Bauch, die Brust, die Schultern und das Gesicht entspannt.

Anschließend atmet man, punar, das Prana durch Chandra, den Mondkanal, links wieder aus.

 

  1. Vers

येन त्यजेत् तेन पीत्वा धारयेद् अतिरोधतः
रेचयेच् ततोऽन्येन शनैर् एव वेगतः ॥९॥

yena tyajet tena pītvā dhārayed atirodhataḥ… recayec ca tato’nyena śanair eva na vegataḥ

yena : durch welches (Nasenloch; tyajet : (er den Atem) entlässt; tena : durch das(selbe); pītvā : eingeatmet habend (den Atem „eingesaugt habend“); dhārayet : halte (er den Atem) an; ati-rodhataḥ : solange wie möglich („bis zum äußersten Grad des Anhaltens“); recayet : (er) soll ausatmen; ca : und; tataḥ : danach; anyena : durch das andere (Nasenloch); śanais : langsam, allmählich; eva : nur, ganz; na : nicht; vegataḥ : ruckartig

Nachdem der Yogi durch dasselbe Nasenoch eingeatmet hat, durch das ausgeatmet wurde, soll er den Atem maximal lang anhalten. | Und dann soll der Yogi durch das andere Nasenloch sehr langsam und kontrolliert ausatmen.

 

Man sollte Puraka durch das gleiche Nasenloch ausführen, mit dem man vorher Rechaka ausgeführt hat.

Es geht zunächst darum, Puraka zu üben. Puraka ist Einatmung und die sollte man durch das gleiche Nasenloch üben mit dem man vorher Rechaka geübt hat. Zunächst sollte der Yogi ausatmen durch das Nasenloch und dann durch das gleiche Nasenloch wieder einatmen. Dann wird die Luft angehalten und durch das andere Nasenloch wieder ausgeatmet.

Das ist die Wechselatmung, die er in diesem Vers beschreibt.

Man möge Puraka, die Einatmung, durch das gleiche Nasenloch ausführen, mit dem vorher Rechaka, die Ausatmung, ausgeführt wurde. Nachdem man den Atem bis aufs Äußerste angehalten hat, bis der Yogi mit Schweiß bedeckt ist oder bis sein Körper zittert, sollte der Übende langsam ausatmen. Die Ausatmung sollte niemals schnell erfolgen, da das die Energie des Körpers verringern würde.

Hier finden wir wieder unterschiedliche Inhalte in den Ausgaben der Hatha Yoga-Pradipika. In der, welche Swami Vishnudevananda herangezogen hat, steht das noch mit Schweiß und Erzittern ausgeatmet werden sollte. In einer anderen Version fehlen diese letzten beiden Sätze.

An dieser Stelle kommt etwas Interessantes hinzu: Zunächst beschreibt er technisch die Vorgehensweise der Wechselatmung: links einatmen, anhalten, rechts aus, rechts ein, anhalten und links ausatmen.

Weiterhin wird es aber nicht nur technisch beschrieben. Er verwendet weitere Ausdrücke. Für Ida kommt das Mond-Nadi und für Pingala, das Sonnen-Nadi, hinzu. Es handelt sich nicht nur alleine um den Atmen, sondern um Prana, die Lebensenergie. Es wird an dieser Stelle subtiler.

Dann sagt er, man soll diese Pranayamas üben bis Schweiß entsteht. Eine der typischen Reinigungserfahrungen beim Pranayama ist Schwitzen und Hitze. Eine zweite Reinigungserfahrung ist das Erzittern des Körpers. Das ist etwas Gutes und sollte immer wieder durchgeführt werden.

Der Atemrhythmus sollte so gewählt werden, dass gerade die Ausatmung langsam bleibt. Normalerweise sagen wir, der Rhythmus sollte 1:4:2 sein: 4 Sekunden einatmen – 16 anhalten – 8 ausatmen.

Bei Anfängern beginnt man mit einem Rhythmus von: 4 einatmen – 4 anhalten – 8 ausatmen, 4 ein – 4 an – 8 ausatmen. Dann geht man irgendwann über auf den Rhythmus von: 4-8-8, 4-8-8. Eine weitere Steigerung erfolgt auf: 4-12-8. Irgendwann sind wir beim Rhythmus von: 4-16-8.

Anschließend kann man es verlangsamen auf: 5-20-10, 6 Sekunden einatmen, 24 Sekunden anhalten, 12 ausatmen. Wenn Du regelmäßig übst und eine Fähigkeit deines Körpers entwickelt hast, dass sich das Atemsystem ausreichend anpassen kann, sollte es dir gelingen, auf einen Rhythmus von: 8-32-16 zu kommen. Manchen Menschen gelingt es sogar einen Rhythmus von: 16-64-3 zu entwickeln.

In der Zeit, in der ich sehr viel Pranayama geübt habe, konnte ich tatsächlich 16 Sekunden die Luft einatmen, 64 anhalten und 32 ausatmen. Eine Runde Wechselatmung bei links einatmen-anhalten-rechts aus-rechts ein-anhalten-links aus, hat dann knapp vier Minuten gedauert.

Die Dauer hat auch eine Auswirkung auf das Üben. Svatmarama geht auf dieses Thema ab dem 11. Vers ein.

Du solltest gemäß deiner Fähigkeiten üben und nicht übertreiben. Wenn du viel übst, entstehen Reinigungserfahrung von Schwitzen, Hitze und auch Erzittern. Du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen, dass diese Erscheinungen etwas Schlimmes sein könnten. Freue dich über diese Symptome. Sie sind ein Zeichen der Reinigung der Nadis.

 

  1. Vers

प्राणं चेदिडया पिबेन्नियमितं भूयोऽन्यथा रेचयेत्
पीत्वा पिङ्गलया समीरणमथो बद्ध्वा त्यजेद्वामया
सूर्यचन्द्रमसोरनेन विधिनाभ्यासं सदा तन्वतां
शुद्धा नाडिगणा भवन्ति यमिनां मासत्रयादूर्ध्वतः ॥१०॥

prāṇaṁ ced iḍayā piben niyamitaṁ bhūyo’nyayā recayet
pītvā piṅgalayā samīraṇam atho baddhvā tyajed vāmayā… sūrya-candramasor anena vidhinābhyāsaṁ sadā tanvatāṁ
śuddhā nāḍi-gaṇā bhavanti yamināṁ māsa-trayād ūrdhvataḥ

prāṇaṁ : (den) Atem, (die) Lebensenergie Prana; ced : wenn; iḍayā : durch Ida (den Mondkanal, das linke Nasenloch); pibet : man einatmet (den Atem “einsaugt”); niyamitaṁ : den (bei gefüllter Lunge) angehaltenen (Atem, ni + yam); bhūyas : wieder; anyayā : durch den anderen (Kanal, das andere Nasenloch); recayet : man soll ausatmen; pītvā : nachdem man eingeatmet hat (“eingesaugt” hat); piṅgalayā : durch Pingala (den Sonnenkanal, das rechte Nasenloch); samīraṇam : (den) Atem („Wind“); atha u : nun, dann; baddhvā : nachdem man angehalten hat; tyajet : man entlasse (ihn); vāmayā : durch den linken (Kanal, das linke Nasenloch); sūrya : (durch den) Sonnen; candramasoḥ : (und) Mond(kanal); anena : auf diese; vidhinā : Art (und Weise); abhyāsaṁ : (diese) Übung(spraxis); sadā : stets, immer; tanvatāṁ : ausführenden („ausbreitenden“); śuddhāḥ : rein; nāḍi : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle; gaṇāḥ : (die) Scharen; bhavanti : werden; yamināṁ: der sich zügelnden (Yogis); māsa : Monat(en); trayāt : drei („einer Dreiheit von“); ūrdhvataḥ : nach

 

Wenn der Yogi die Lebensenergie (Prana) durch den linken Energiekanal (Ida-Nadi) aufgenommen hat, angehalten hat, soll durch er durch den anderen wieder ausgeatmen. Hat der Yogi durch den rechten Energiekanal (Pingala-Nadi) eingeatmet, den Atem angehalten, soll der durch den linken loslassen. | Der Yogi soll auf diese Weise mit Sonne und Mond seine Praxis fortsetzen. Die Energiekanäle (Nadi) des Yogi werden so nach drei Monaten gereinigt.

 

 

Ziehe das Prana durch Ida ein, halte es an und atme es durch Pingala aus. Wiederum ziehe es durch Pingala ein, halte an und atme dann durch Ida aus. Der Yogi, der sich vervollkommen hat durch das Praktizieren von Pranayama, durch rechts und links, bekommt seine Nadis in nicht weniger als drei Monaten gereinigt.

Übe dieses Pranayama jeden Tag. Der Zeitraum von drei Monaten ist eine gewisse magische Zahl.

Ich empfehle gerne: habe eine sattwige Ernährung, verzichte auf Fleisch, Fisch, Alkohol, Drogen und  Tabak. Halte einen entsprechenden sattwigen Lebensstil. Übe jeden Tag eine halbe Stunde Asanas, drei Runden Kapalabhati, 20 Minuten Wechselatmung, 20 Minuten Meditation und lese ein paar Sätze aus einer der heiligen Schriften.

Das dauert etwa insgesamt 1 ½ Stunden jeden Tag. Wenn du das jeden Tag machst, wirst du nach drei Monaten feststellen, es stellt sich ein Sattwa ein. Eine Reinheit, eine Leichtigkeit und eine Freude kommt in dir auf. Deine Nadis werden gereinigt. Hier findest du einige wichtige Inspirationen für deine tägliche Praxis. Es ist ein Anreiz, dass du wirklich täglich übst.

In den nächsten Versen beschreibt er, wie eine besonders intensive Form des Pranayama aussieht.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

प्राणायामं ततः कुर्यान् नित्यं सात्त्विकया धिया
यथा सुषुम्णानाडीस्था मलाः शुद्धिं प्रयान्ति ॥६॥

prāṇāyāmaṁ tataḥ kuryān nityaṁ sāttvikayā dhiyā… yathā suṣumṇā-nāḍī-sthā malāḥ śuddhiṁ prayānti ca

prāṇa-āyāmaṁ : Atemzügelung; tataḥ : daher, deshalb; kuryāt : man soll praktizieren; nityaṁ : stets; sāttvikayā* : mit reinem („von der Qualität Sattva beherrschtem“); dhiyā* : Geist, Denken, Sinn; yathā : damit, sodass; suṣumṇā : (der) Sushumna (genannt wird); nāḍī-sthā : (die) sich befinden (in dem Energie-)Kanal; malāḥ : (die) Verunreinigungen; śuddhiṁ : (in die) Reinheit; prayānti : verschwinden; ca : und

Deshalb soll man Atemübungen (Pranayama) immer mit reinen Gedanken praktizieren | so dass die im Haupt-Energiekanal (Sushumna-Nadi) befindlichen Unreinheiten Reinigung erreichen.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda definiert einen „sattvischen Geist“ (sāttvikayā dhiyā) als einen, der den Charakter (Shila) des Lichts (Prakasha) und der ungetrübten Reinheit (Prasada) besitzt: sāttvikayā prakāśa-prasāda-śīlayā dhiyā.

 

Die Bedeutung des 6. Verses

Daher sollte man Pranayama mit einem Geist praktizieren in dem das sattwige Element maßgebend ist bis die Sushumna Nadi von den Unreinheiten befreit ist. Thatta: man sollte Pranayama üben. Wie sollt dies erfolgen? Nittya sattwikaya: stets mit einem reinen Geist der erfüllt ist mit sattwa.

 

Üben und geistige Anwesenheit

Sattwa bedeutet Reinheit. sattwika ist der reine Geist. Wenn du deine Nadis reinigen willst, musst du deinen Geist rein halten. Man kann sagen, dieser Vers ist ein Generalvers:

Wenn du Pranayama übst, ist die geistige Konzentration wichtig. Es geht nicht um ein schnelles Ein- und Ausatmen mit dem Luftanhalten im Anschluss, wie du es bei Kapalabhati, der Schnellatmung, übst. Es nützt nichts, wenn du die Wechselatmung übst und dabei Fernsehen schaust. Das Üben von Asanas währenddessen du einen Filme siehst, bringt keinen Erfolg. Es ist wichtig, den Geist mit sattwa zu füllen.

 

Eine sattwige Konzentration beim Pranayama

Es gibt viele verschiedene Konzentrationsweisen beim Pranayama. Du kannst ein Mantra wiederholen und  Licht visualisieren. Du kannst Pranayama mit einer Chakrakonzentration üben, indem du dir in deinem Geist die verschiedenen Chakras vorstellst. In deiner Vorstellung kannst du einen Meister erscheinen lassen, der dich segnet während du Pranayama übst. Du kannst dir dein Ishvar Devata, deinen Zugang zum Göttlichen vorstellen. Du kannst ein Gebet sprechen. Du kannst versuchen, deine Energie bewusst zu lenken. Das Prana kann in deiner Vorstellung als ein Licht auftreten. Lenke dieses Licht an Stellen in deinem Körper, die Licht benötigen. Du kannst verschiedene Atembewusstseinsübungen machen und dein Bewusstsein in verschiedene psychoaktive Zonen im Körper lenken. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten der Konzentration. Du kannst auch einfach den Atem spüren. Welche Übungen du in deine Pranayamapraxis mit einfließen lässt, mache diese entsprechend, dass dein Geist sattwig wird. Halte deinen Geist rein.

Mit diesen Vorstellungen und Übungen solltest du Pranayama machen. Übe so lange bis die Sushumna und die Nadis von allen Unreinheiten befreit sind. Somit kann Shuddi entstehen. Wenn die Sushumna und die Nadis von allen Unreinheiten befreit sind, bist du in Samadhi. Auch in diesem Zustand solltest du nicht aufhören Pranayama zu üben.

Swami Sivananda war ein großer Yogameister, der in seinen fortgeschrittenen Jahren weiterhin eine Stunde Pranayama geübt hat, nach der Beschreibung einer seiner Assistenten, Swami Venkateshananda.

 

Geschichten zum Pranayama

Einmal hat ein Besucher Swami Sivananda, der als selbstverwirklichter Yogameister kein Pranayama mehr gebraucht hätte, gefragt: „Meister, du hast so viel zu tun, warum verbringst du dann eine Stunde am Tag mit Pranayama?“

Swami Sivananda antwortete nur: „Deshalb!“

Dieses Aussage bedeutet: Weil er so viel zu tun hatte, brauchte er alles Prana. Selbst als Erleuchteter ist es sinnvoll, Pranayama zu üben. Wenn man viel zu tun hat, ist das Fortfahren der Atemübungen weiterhin ratsam. Pranayama zu üben heißt, dass du viel Prana hast, um viel zu bewirken. Übe daher Pranayama!

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

मलाकलासु नाडीषु मारुतो नैव मध्यगः
कथं स्याद् उन्मनीभावः कार्यसिद्धिः कथं भवेत् ॥४॥

malākulāsu nāḍīṣu māruto naiva madhya-gaḥ… kathaṁ syād unmanī-bhāvaḥ kārya-siddhiḥ kathaṁ bhavet

mala : (mit) Verunreinigungen; ākulāsu : angefüllt sind; nāḍīṣu : (wenn die feinstofflichen Energie-)Kanäle; mārutaḥ : (der Lebens-)Atem, Prana (“Wind”); na : nicht; eva : gewiss; madhya-gaḥ* : geht (durch den) mittleren (Kanal); kathaṁ : wie; syāt : sollte (dann möglich) sein; unmanī-bhāvaḥ : (der) Zustand; jenseits des Geistes; kārya : (der) Absicht, (des) Zwecks; siddhiḥ** : (der) Erfolg, (das) Gelingen, Erreichen; kathaṁ : wie ; bhavet : sollte (dann möglich) sein (bhū)

Wenn die Energiekanäle verunreinigt sind kann die Lebensenergie (Prana) nicht durch den Haupt-Kanal (Sushumna) strömen. | Wie wird der Zustand der Erleuchtung (Unmani) sich einstellen, und wie stellen sich übernatürliche Kräfte (Siddhi) ein?

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass Prana „durch die Mitte geht“ (Madhya-ga), wenn er durch den Sushumna genannten Kanal („Weg“, Marga) fließt (vāhī): prāṇo madhya-gaḥ suṣumnā-mārga-vāhī.

**Anmerkung: Der letzte Zweck (Karya) des Hatha Yoga besteht laut Brahmananda „in Form“ (Rupa) der absoluten Freiheit (Kaivalya), dessen Erfolg (Siddhi) besteht in deren Vervollkommnung (Nishpatti): karyasya kaivalya-rūpasya siddhir niṣpattiḥ.

 

Svatmarama schreibt im 4. Vers des 2. Kapitels der Hatha Yoga Pradipika:

Wenn die Nadis, die Energiekanäle, voll von Verunreinigungen sind, dann geht das Prana nicht in die mittlere Nadi, die Sushumna. Dann gibt es kein Erlangen des Ziels des Lebens und kein Erreichen von Unmaniarvasta. Normalerweise sind die Nadis der Menschen verunreinigt, und zwar aus mehreren Gründen: Zum einen hat der Mensch mehr als 72.000 Nadis als Potenzial mitbekommen. Die meisten allerdings, haben sich noch nicht geöffnet. Der Mensch ist ein Wesen in Entwicklung. Es braucht letztlich einige Inkarnationen um die Nadis zu öffnen.

 

Nadis als Energieleitungen

Ich kann mich erinnern als wir unseren ersten Ashram bei Yoga Vidya errichtet haben. Die Elektrizität in einem Yogaraum musste gelegt werden. Ich was der Ansicht, dass wir dort nicht so viele Leitungen brauchen. Doch die Elektriker wollten die Leitungen erst einmal legen, auch wenn man sie nicht unter Strom stellt. Man könnte auf diese bereits gelegten Leitungen einmal zurückgreifen, war ihre Aussage.  Dies war eine kluge Entscheidung, auf den Rat der Elektriker zu hören. Wir brauchten die Leitungen dann doch im Laufe der Jahre.

Ähnlich ist es mit unseren Energiekanälen. Der Mensch hat 72.000 Energieleitungen im Körper gelegt. Die meisten braucht er noch nicht, aber sie sind da. Es gilt diese schrittweise zu reinigen. Das ist die Aufgabe der Atemübungen. Das Pranayama dient zur Reinigung der Nadis, der Energiekanäle im menschlichen Körper.

 

Gründe zur Verunreinigung der Nadis

Selbst wenn die Nadis einmal gereinigt sind, verunreinigt der Mensch sie manchmal wieder. Zum einen beeinflusst die Nadis, was der Mensch stofflich zu sich nimmt. Zum anderen sind es energetische Einflüsse, sowie die eigenen Gedanken und Emotionen, welche zur Verunreinigung führen können.

  1. Es ist wichtig, was du zu dir nimmst. Eine sattwige Ernährung ist von Vorteil. Fleisch, Fisch, Tabak, Alkohol und auch bewusstseinsverändernde Substanzen haben alle gemeinsam, dass sie die Nadis verunreinigen. Das sollte man nicht unterschätzen. Manche Menschen denken, ein Glas Rotwein zu trinken, kann nicht schädlich sein. Physisch gesehen ist es vielleicht nicht so schlimm. Eine Verunreinigung der Nadis tritt auf jeden Fall ein. Dies kann langfristig wirken. Deshalb verzichte auf diese Dinge. Sie sind es nicht wert. Mit deinem Energiesystem geschieht etwas, was eine viel größere Wirkung hat. Deshalb verzichte vollständig darauf. Lasse alle tamassigen und rajassigen Nahrungselemente weg. Somit verunreinigst du die Nadis nicht.
  2. Der energetische Einfluss von bestimmten Atmosphären hat Einfluss auf die Nadis. Wenn du dich im Supermarkt in der Nähe einer Fleischtheke befindest oder dich sogar in einer Schlachterei aufhältst, hat dies Einfluss auf deine Nadis. Vermeide lieber solche Situationen.

Es gilt vorsichtig zu sein, wenn du in einer Umgebung bist, wo Einfluss auf deine Energiekanäle genommen wird. Danach sorge dafür, dass du dich zügig wieder reinigst. Manche Menschen berichten, dass Elektrosmog und Funkstrahlen Einfluss auf ihren Energiekörper haben. In diesem Fall sollten Maßnahmen ergriffen werden, die zu einer Änderung beitragen. Es gilt alles daran zu setzen, dass man so wenig diesem ausgesetzt ist. Eine Verunreinigung der Nadis sollte entgegen gestrebt werden.

Es gibt einige Punkte auf die man energiemäßig aufpassen sollte. In der Umgebung, wo man Pranayama macht, sollte sich nichts dergleichen in der Nähe befinden. An dieser Stelle ist es angebracht Mantras zu wiederholen, Arati oder Verehrungsrituale auszuführen. Das Mantrasingen und die Rituale sorgen für eine positive Energie und erhöhen das Prana.

Besonders stark wirken auch die Emotionen. Ein Wutanfall führt zur Verunreinigung der Nadis. Das selbe trifft auf traumatische Erfahrungen aus der Kindheit oder Jugend zu. Vergangene schlechte Geschehnisse können sich als Unreinheiten auf die Nadis setzen. Genauso wirken innere Blockaden. Glaubenssätze wie „Ich kann das nicht“ oder „Das geht nicht“, „Alles was ich anfange geht schief“ oder „Keiner mag mich“, können die Nadis ebenfalls verunreinigen.

Zu Anfang deiner Pranayamapraxis können Reinigungserfahrungen in Erscheinung treten. Es kann sich dabei um Erfahrungen handeln, die nicht nur angenehm sind. Wenn die Nadis gereinigt werden, kommen manche Emotionen nach oben. Es kann sein, dass du plötzlich wieder dieses Gefühl der unendlichen Einsamkeit spürst, dass du vielleicht in deiner Kindheit hattest, als du von deinen Eltern einige Stunden allein gelassen wurdest und du nicht wusstest, ob sie wieder zurückkommen. Vielleicht wurdest du in deiner Kindheit operiert. Beim Aufwachen aus der Narkose im Krankenhaus hast du vielleicht die Erfahrung gemacht, dass niemand von deinen anvertrauten Menschen anwesend war. Solche Erlebnisse können manchmal zu traumatischen Erfahrungen führen. Missbrauch oder Misshandlung können sich als Blockaden manifestieren. All diese negativen Erfahrungen können durch Pranayama aufgelöst werden. Du brauchst keine Angst zu verspüren, dass dies schlimm werden kann. Das Gegenteil ist eher der Fall. Pranayama ist eine der einfachsten Weisen, um diese Blockaden zu lösen.

 

Warum Nadis gereinigt werden müssen

Es gilt die Nadis zu reinigen. Das Ziel besteht in der Öffnung des Hauptkanals. Die Sushumna soll geöffnet werden. Besteht eine Öffnung, kann Unmaniavasta, der Zustand der Erleuchtung eintreten. Unmani ist der Zustand jenseits des Geistes.

Die Hatha Yoga Pradipika hat viele verschiedene Formulierungen für Überbewusstsein. Sie spricht an manchen Stellen über Samadhi, an anderen von Unmaniavasta. Zudem wird der Ausdruck Unmanibhava verwendet. All diese Begrifflichkeiten beziehen sich auf den Zustand jenseits des Geistes zum überbewussten Zustand.

 

  1. Vers

शुद्धिमेति यदा सर्वं नाडीचक्रं मलाकुलम्
तदैव जायते योगी प्राणसङ्ग्रहणे क्षमः ॥५॥

śuddhim eti yadā sarvaṁ nāḍī-cakraṁ malākulam… tadaiva jāyate yogī prāṇa-saṅgrahaṇe kṣama

śuddhim : Reinheit, Reinigung; eti : erreicht („geht“); yadā : wenn; sarvaṁ : (die) ganze, vollständige; nāḍī : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle; cakraṁ* : Menge, Gesamtheit („Kreis“); mala : (mit) Verunreinigungen; ākulam : (die) angefüllt ist; tadā : dann; eva : erst, nur; jāyate : wird; yogī : (der) Yogi; prāṇa : (der) Lebensenergie, (des); saṅgrahaṇe : zum Ansammeln, Beisichhalten, Lenken; kṣamaḥ : befähigt, geeignet

Wenn Reinigung der verschmutzten Energie-Kanäle (Nadi) und -Zentren (Chakra) erreicht ist, | erst dann erringt der Yogi die Fähigkeit die Lebensenergie (Prana) zu bewahren.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass Chakra („Kreis“) hier die Gesamtheit (Samuha) der Nadis meint: nāḍīnāṃ cakraṃ samūhaḥ.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 86 behandelt.

 

Svatmarama schreibt im 5. Vers des 2. Kapitels der Hatha Yoga Pradipika:

Es gilt die Nadis, die von Unreinheiten, Malas, angefüllt sind, zu öffnen. Dann kann Maruta, der Lebensatem, Prana, der Wind, durch Matyaga, gehen: durch den mittleren Kanal, Sushumna. 

Anschließend kommt Siddhi, der Erfolg von Karya und des Zwecks von allen Yogaübungen, nämlich Unmanibhava. Nur wenn alle Nadis von Unreinheiten befreit sind kann der Yogi erfolgreich Pranayama ausführen.

Es gilt Shuddi zu erreichen. Dies sollte vollständig, sarava sein. Nadis und Chakras müssen von allen Verunreinigungen befreit werden. Sie sind mit einer Menge von Verunreinigungen angefüllt. Diese Unreinheiten gilt es zu reinigen. Tadda, erst dann kann der Yogi Yayate, den Sieg über Prana bekommen.

 

Was kann der Yogi mit den Energien machen?

Sangrhane bedeutet: Er kann diese ansammeln und lenken. Mit anderen Worten, du musst die Nadis reinigen, dann kannst du gut Pranayama üben, Prana ansammeln, ausstrahlen und lenken. Reinige deine Nadis und reinige deine Energiekanäle. Eine Reinigung erfolgt dadurch, dass du nichts machst, was sie wieder verunreinigt. Vermeide Nahrungsmittel und Emotionen, die deine Nadis verunreinigen.

Zum Zweiten sollten Dinge gemacht werden, die deine Nadis reinigen. Dazu können Asanas, Pranayama und Mantras zum Einsatz kommen. Puja, Homa und Arati, Kirtansingen und verschiedene Meditationstechniken gehören weiterhin dazu. Die Wechselatmung reinigt die Nadis in besonderem Maße. Die Wechselatmung heißt Anuloma Viloma. Zugleich wird sie mit Nadi Shodana definiert, als eine Reinigungsübung für die Nadis.

Du kannst dir folgende Fragen stellen:

Hast du ein sattwiges Leben?

Ist dein Leben so ausgerichtet, dass du deine Nadis reinigst?

Überprüfe das immer wieder und sei nicht nachlässig. Das ist ein Ratschlag, den ich gerne gebe. Aspiranten sind oft zu nachlässig und sagen man sollte es nicht so eng sehen. Gerade diese Einstellung verfehlt ein Voranschreiten. Sei klar in dem Ausrichten deines Lebens auf sattwa und bewusst in deinen spirituellen Praktiken. Schrittweise reinigst du damit die Nadis. Dies erfordert ein tägliches Üben. Es ist wichtig, bei einer sattwigen Ernährung und einem sattwigen Lebensstil zu bleiben, mit Asana, Pranayama und Meditation. So machst du gute Fortschritte.

 

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

Mehr lesen...
  • Welche Wirkung hat Pranayama?
  • Warum sollte man Pranayama praktizieren?
  • Was kann man sich erhoffen, wenn man die Atemübungen des Yoga übt?

 

  1. Vers

चले वाते चलं चित्तं निश्चले निश्चलं भवेत्
योगी स्थाणुत्वमाप्नोति ततो वायुं निरोधयेत् ॥२॥

cale vāte calaṁ cittaṁ niścale niścalaṁ bhavet… yogī sthāṇutvam āpnoti tato vāyuṁ nirodhayet

cale : unstet, beweglich; vāte : (ist der) Atem, Prana  („Wind“); calaṁ : unstet, beweglich; cittaṁ : (ist auch der) Geist; niścale : (der Atem) unbeweglich; niścalaṁ : (auch der Geist) unbeweglich; bhavet : ist, wird; yogī : (ein) Yogi; sthāṇu-tvam : Bewegungslosigkeit (das „wie-ein-Pfosten-Sein“); āpnoti : erreicht; tataḥ : daher, deshalb; vāyuṁ : (den) Atem, Prana („Wind“); nirodhayet : man soll anhalten („einsperren“, ni + rudh)

Solange sich der Atem bewegt, so lange ist auch alles wandelbare des Menschen (Chitta) unstet. Ruht das eine, kommt auch das andere zur Ruhe | und der Yogi findet innere Harmonie. Daher soll der Yogi den Atem anhalten.

 

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 32 behandelt.

 

Svatmarama schreibt:

Wenn der Atem wandert und unregelmäßig ist, ist auch der Geist unruhig. Aber wenn der Atem ruhig ist, so ist es auch der Geist und der Yogi lebt lange. Daher sollte man den Atem beherrschen.

 

Erläuterung

Das Wort Vata hat mehrere Bedeutungen. Es heißt Wind, Atem und Prana. Wenn der Atem unruhig ist (Chala), dann ist auch Chitta unruhig (der Geist). Wenn der Atem aber Nishchala ist (ruhig), dann ist auch der Geist Nishchala. Daher ist es wichtig, dass man die Bewegungslosigkeit erreicht (Sthanutva apnoti). Es gilt, zuerst das Prana ganz zur Ruhe zu bringen. Dies führt dazu, dass man zu einer großen Ruhe des Geistes kommt. Der Yogi findet innere Harmonie und Ruhe (manchmal wird dies übersetzt mit „lebt lange“), wenn er den Atem zur Ruhe bringt.

 

  1. Welche Wirkung hat Pranayama?

Der 2. Vers ist ein Grundvers zum Pranayama, der beschreibt, dass Atem und Geist eng zusammen hängen.

Feststellen lässt sich dies z.B. an folgenden Situationen:

  1. Wenn du aufgeregt bist, wird dein Atem unruhig.
  2. Wenn du verärgert bist, wird der Atem vielleicht tiefer und unruhig.
  3. Wenn du deprimiert bist, ist dein Atem kaum bemerkbar.
  4. Wenn du ängstlich bist, ist der Bauch verspannt und du atmest nur im oberen Brustbereich.
  5. Wenn es dir gut geht und du dich in Harmonie und frei fühlst, atmest du tief im Bauch ein und aus.

Somit kannst du über den Bauch und die Bauchatmung großen Einfluss auf den Atem nehmen.

Es gibt z.B. den Lampenfieber-Transformationsatem, den Ärger-Transformationsatem und verschiedene einfache Aufladeübungen. Mit einfachen Atemübungen beeinflusst du dein Prana, deine Lebensenergie. Indem du die Lebensenergien beeinflusst, wird dein Geist und damit das Denken beeinflusst. 

 

  1. Pranayama und Samadhi

Svatmarama geht in diesem Vers noch weiter darüber hinaus. Es geht nicht nur darum, über Atemübungen eine positive Wirkung auf den Geist auszuüben. Das Ziel ist, über die vollständige Kontrolle des Atems und des Pranas, den Geist zu kontrollieren und damit ins Überbewusstsein, in Samadhi, zu gelangen. Eine der besten Methoden, den Geist zur Konzentration zu führen und besser meditieren zu können, ist Pranayama.

Jeder, der seinen Geist besser meditieren lassen möchte, ihn in tiefe Meditation führen will und zu höheren Bewusstseinsebenen kommen möchte, der sollte viel Pranayama üben. Mit dem Praktizieren von Pranayama kann das Ziel schneller erreicht werden. Ich habe eigene Erfahrungen mit 18 Jahren erleben dürfen, wie mir Pranayama zu tiefer Meditation und Ruhe des Geistes verholfen hat.

 

  1. Vers

यावद्वायुः स्थितो देहे तावज्जीवनमुच्यते
मरणं तस्य निष्क्रान्तिस्ततो वायुं निरोधयेत् ॥३॥

yāvad vāyuḥ sthito dehe tāvaj jīvanam ucyate… maraṇaṁ tasya niṣkrāntis tato vāyuṁ nirodhayet

yāvat : solange wie; vāyuḥ : (der Lebens-)Atem, Prana (“Wind”); sthitaḥ : sich befindet; dehe : im Körper; tāvat : solange; jīvanam* : Leben; ucyate : (das) wird genannt; maraṇaṁ : Sterben, Tod; tasya : dieses (Lebensatems); niṣkrāntiḥ : (das) Hinausgehen, Weichen, Verschwinden; tataḥ : daher, deshalb; vāyuṁ : (den) Atem („Wind“); nirodhayet : man soll anhalten (“einsperren”, ni + rudh)

So lange der Atem im Körper bleibt, so lange wird es Leben genannt | Tod ist das Verlassen von diesem. Daher soll der Atem angehalten werden.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda definiert das „Leben“ (Jivana) als die Verbindung (Samyoga) von Körper (Deha) und Lebensatem (Prana): deha-prāṇa-saṃyogasya. Das Hinausgehen (Nishkranti) von Prana aus dem Körper, also die Trennung (Viyoga) dieser beiden, wird „Sterben“ (Marana) genannt (ucyate): tasya prāṇasya niṣkrāntir dehād viyogo maraṇam ucyate.

 

 

Man sagt von einem Menschen, dass er nur so lange lebt, als er Atem in seinem Körper hat. Wenn der Atem ausgeht, sagt man, dass er tot ist. Daher sollte man Pranayama praktizieren.

 

Warum sollte man Pranayama praktizieren?

Mein Lehrer hat ausgehend von dieser Fragestellung einen Witz gemacht: „Ich garantiere euch, solange ihr atmet, werdet ihr leben. Hört auf zu atmen, dann werdet ihr nicht mehr leben, deshalb atmet weiter“, war seine Aussage.  Es gibt keinen Menschen, der tot ist und weiter atmet. Moderne Beatmungsgeräte bilden eine Ausnahme.

Solange der Atem im Körper ist, nennt sich das Leben. Hier wird der Begriff Vayu benutzt, der auch Wind bedeutet, aber insbesondere ist das Prana gemeint. Solange Prana, Lebensenergie, im Körper ist, atmet man und solange befindet sich Jivan, ein Leben, im Menschen. Beim Verlassen dieses Lebensatems vom Körper, entsteht Marana, Sterben. Der Tod (Marata) tritt darauf ein. Daher bedeutet tata (von daher, an der Stelle, darauf) in der Übersetzung. Daher (Tata) sollte man den Atem anhalten bzw. kontrollieren (nirodhayet).

 

Pranayama, Gesundheit und ein langes Leben

Diesen Vers kann man auf verschiedene Weisen deuten. Eine Aussage ist:

Übe viel Pranayama, dann lebst du länger.

Wenn du viel Prana hast, ist der Körper gesund und hat langfristig mehr Energie, um gesund zu bleiben.

Von manchen Yogis, die viel Pranayama geübt haben, ist bekannt, dass sie sehr alt geworden sind. Es gibt die Aussage, dass manche indischen Hathayogis mehrere hundert Jahre alt geworden sein sollten. Da sie die ganze Zeit im Wald leben, ist es mit dem Geburtszertifikat schwierig. Sie sagen, sie haben mit Leuten von vor 200 oder 300 Jahren gesprochen. Wir wissen nicht, ob es stimmt oder nicht. In unserer modernen Zeit sind einige großen Hathayogis bekannt, die über 100 Jahre alt geworden sind.  Bis kurz vor ihrem Tod verfügten sie noch über eine sehr starke Energie.

Die Kernaussage dieses Verses ist: Pranayamaübungen helfen, das Prana zu erhöhen. Dies ist förderlich für die Gesundheit des Körpers.

Pranayama und Lebendigkeit

Was kann man sich erhoffen, wenn man die Atemübungen des Yoga übt?

Von Wichtigkeit zu wissen ist, dass Jivana nicht nur Leben heißt. Mit Jivana ist auch die Lebendigkeit gemeint.  „Es ist nicht nur wichtig, wie alt jemand ist, sondern wie viel Leben in einem Menschen ist.“

Es gibt einige weitere große Meister, die zu bewundern sind. Mein Lehrer strahlte mit über 90 Jahren noch extrem viel Lebensenergie aus. Swami Chidananda und Swami Nithyananda waren ebenfalls voller Lebensenergie bis ins hohe Alter hin. In ihrer Gegenwart zu sein, war Inspiration. Ohne über ihre plötzliche Anwesenheit bei einer Meditation Bescheid zu wissen, spürte man sie. Dadurch kam man ganz von selbst in eine höhere Meditationsebene. Wenn man später die Augen öffnete, saß der Swami da, gebrechlich, aber strahlend, leuchtend und voll mit Prana angefüllt.

Um mehr Lebendigkeit, mehr Leben und Prana zu haben, übe Pranayama.

 

Pranayama in jedem Lebensalter

Pranayama ist hilfreich, wenn du jung bist und genauso förderlich, wenn du älter bist. Es gibt die Aussage, dass wer in seinen 50er Jahren viel Pranayama übt, sich auf seine 60er, 70er und 80er Jahre freuen kann. Meist fällt es den Menschen leichter, viel Pranayama zu üben, wenn sie in ihren 20er Jahren sind. Der Enthusiasmus der Jugend macht es leichter. Das lange Sitzen im Meditationssitz, im Kniesitz oder in einer anderen Sitzhaltung wird im fortgeschrittenem Alter nicht gerade einfacher in der Ausführung. Es kann belastend für die Knie, die Hüften und den Rücken sein. In jungen Jahren sind diese Beschwerden leichter zu ertragen. Hilfsmittel können in diesem Fall zum Einsatz kommen. Kissen, einem Meditationshocker, einem Stuhl oder weitere erleichternde Maßnahmen können Abhilfe verschaffen, um Pranayama im späteren Alter leichter zu üben.

Die Tradition sagt, gerade Menschen in ihren 50ern und 60ern sollten besonders regelmäßig Pranayama üben. Es rentiert sich und zur Überwindung ist diesen Menschen zu raten. Man sollte jeden Tag mindestens 45 Minuten üben. Eine halbe Stunde ist auch schon gut. Dazu sollte man 1 bis 2 Mal im Jahr 3 Wochen intensiv Pranayama üben. Befolgt man diese Ratschläge, kann man sich auf die 60er, 70er und 80er Jahre freuen, da diese Zeiten sein werden, mit viel Prana. Menschen, die sich jetzt schon in den 70er Jahren befinden, können durch Pranayamaübungen natürlich ihr Prana deutlich erhöhen.

Wenn du inspiriert bist, übe 3 Runden Kapalabhati und 20 Minuten Wechselatmung und erhöhe dadurch dein Prana.

Bei Yoga Vidya gibt es Kundalini-Yoga-Seminare, die vor allem auf Pranayama ausgerichtet sind.

 

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

अथासने दृढे योगी वशी हितमिताशनः
गुरूपदिष्टमार्गेण प्राणायामान्समभ्यसेत् ॥१॥

athāsane dṛḍhe yogī vaśī hita-mitāśanaḥ… gurūpadiṣṭa-mārgeṇa prāṇāyāmān samabhyaset

atha : nun; āsane : (wenn die) Körperstellung(en, „Sitzhaltungen“); dṛḍhe : fest, gefestigt, stabil (sind) yogī : (ein) Yogi; vaśī : (der) sich selbst (geistig und körperlich) beherrscht; hita : heilsam, gut; mita : (und ) maßvoll  (ist); aśanaḥ : (dessen) Nahrung; guru : (von seinem) Lehrer, Meister; upadiṣṭa : (die) gelehrt wurde; mārgeṇa : gemäß der Methode („des Weges“); prāṇāyāmān : (die verschiedenen Arten der) Atemzügelung; samabhyaset : soll üben, praktizieren

Wenn Stabilität in der physischen Praxis (Asana) erreicht ist, der Yogi Selbstkontrolle erlangt hat und die Ernährung passend und maßvoll ist, | dann sollen in direktem Unterricht durch den Lehrer die Atemtechniken (Pranayama) geübt werden.

 

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 27 behandelt.

 

Svatmarama schreibt:

Nachdem sich der Yogi in den Asanas vervollkommen hat, sollte er in Übereinstimmung mit den von seinem Guru dargelegten Anweisungen Pranayama praktizieren, seine Sinne unter Kontrolle halten und dabei durchweg eine zuträgliche und maßvolle Ernährung einhalten.

 

Voraussetzungen für fortgeschrittenes Pranayama

Ein Übender sollte zunächst erst dann weiter voran gehen, wenn er eine gewisse Festigkeit (Dridha) in den Asanas erreicht hat. Eine Stabilität ist wichtig. Man sollte in der Lage sein, die Asanas länger halten zu können.

Patanjali sagt, die Asana sollte fest und angenehm sein (stihra sukham asanam). Der Yogi sollte sich selbst (vasi) geistig und körperlich beherrschen. Durch die Asanas kommst du zu einer gewissen Herrschaft über den Körper und die Psyche.

Es folgt ein kleines Wortspiel (die indischen Schriften sind voller Wortspiele): Asana drdhe (Körperhaltung) und mita ashana (Nahrung). Die Nahrung sollte hita (heilsam und gut) und mita (maßvoll) sein. Es ist wichtig was du isst. Zudem ist es wichtig, wie viel du isst.

Bevor du zum Pranayama kommst, solltest du eine gesunde Ernährung haben und in den Asanas eine Stabilität erreichen. Auf diese Weise verfügst du über eine gewisse Kontrolle.

Darauf gilt es, Pranayama zu üben (abhyasa). Das Üben sollte nach den Anweisungen des Lehrers (guru upadista margena), gemäß der Methode oder des Weges, wie dein Lehrer es dich gelehrt hat, erfolgen. Dies ist ein Generalvers zu Anfang des 2. Kapitels.

Im 2. Kapitel der Pradipika beschreibt Svatmarama das fortgeschrittene Pranayama. Für die Mehrheit der Verse ist wichtig, dass du sie nur dann gewinnbringend praktizieren kannst, wenn du vegetarisch lebst,. Ein verzicht auf Fleisch, Fisch, Alkohol, Tabak, bewusstseinsbenebelnde Drogen ist hier maßgebend. Idealerweise sollte auf Zwiebeln, Knoblauch, Lauch und Pilze verzichtet werden. Ein Verzicht auf alles tamasige ist sinnvoll zu beachten.

Beim einfachen Pranayama kannst du essen und trinken, was du willst. Jede einfache Form von Atemübung hilft dir, etwas mehr Ruhe zu erlangen. Ein fortgeschrittenes Pranayama braucht tägliche Asanapraxis, eine gesunde Ernährung und eine gute Einstellung.

Die genauen Anleitungen der Übungen bekommst du auf unseren Internetseiten in dem separaten Videokurs „Fortgeschrittenes Pranayama und Kundalini-Yoga“. In diesem Buch liegt der Schwerpunkt auf den Erläuterungen.

Wenn du schon eine Weile Asanas und Pranayama praktizierst und ein gewisses Durchhaltevermögen hast, kannst du diesen Kurs für Fortgeschrittene als mehrwöchigen Videokurs mitmachen. Die Erläuterungen dienen zum besseren Verständnis, um mehr Informationen zu erlangen sowie zum Hintergrund etwas zu erfahren.

 

Einfache Atemübungen und Pranayama für die Mittelstufe

Natürlich gibt es einfache Atemübungen, die wir bei Yoga Vidya bereits im Anfängerkurs lehren, insbesondere die Bauchatmung und die sanfte Wechselatmung. Im späteren Verlauf der Praxis kommt Kapalabhati und die vollständige Yogaatmung hinzu. Es gibt einen mehrwöchigen Atemkurs für Anfänger auf den Yoga Vidya Seiten im Internet, in dem die Übungen gelehrt werden, die geeignet sind für Menschen, die keine Asanas üben.

Der Pranayamakurs für die Mittelstufe ist nur empfehlenswert für Menschen, die auch Asanas üben. Dafür musst du nicht vollkommen in den Asanas sein, du musst nur Drdha in den Körperstellungen haben, eine gewisse Festigkeit. Besteht diese Voraussetzung, kannst du zum Mittelstufenpranayama übergehen. Wenn du auf eine sattwige Ernährung achtest, kannst du ins fortgeschrittene Pranayama einsteigen.

Bei weitere Interesse, gibt es als Videoreihe den mehrwöchigen Kurs „Pranayama Mittelstufe“ auf unserer Internetseite.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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Einführung in das 2. Kapitel der Hatha Yoga Pradipika

Es folgt eine kleine Wiederholung zur Hatha Yoga Pradipika, welche mit „Licht auf Hatha Yoga“ übersetzt werden kann. Pradipika ist das Licht, die Leuchte und Lampe über Hatha Yoga, der Yoga der Übung. Das Wort Hatha kann auf verschiedene Weise übersetzt werden. Eine der vielen Übersetzungen wäre: Bemühung, Übung und Praxis.

Im Hatha Yoga geht es um Praxis. Es beinhaltet das Üben. Die Hatha Yoga Pradipika hat vier Kapitel. Im ersten Kapitel geht es, wie zuvor ausführlich geschrieben wurde, um die Voraussetzungen des Hatha Yoga und um die Asanas. Es beinhaltet zudem Empfehlungen zur Yoga Ernährung.

Im 2. Kapitel geht es um drei Hauptthemen.

  1. Theorie des Prana

Svatmarama beschreibt:

Was ist Prana?

Wozu dienen die Atemübungen? 

Warum sollte man Pranayama üben?

Er beschreibt Sinn und Zweck der ganzen Atemübungen.

  1. Kriyas

Zweites Thema des zweiten Kapitels sind die Kriyas, die Reinigungsübungen. Er beschreibt die Shatkriyas, die sechs großen Reinigungsübungen und eine weitere.

Das Hauptthema des 2. Kapitels ist Pranayama.

Ich bin der Annahme, das zweite Kapitel der Hatha Yoga Pradipika ist das wichtigste aller vier Kapitel. Bei Yoga Vidya beruht unsere ganze Lehre des Pranayama auf dem 2. Kapitel der Hatha Yoga Pradipika.

Im 1. Kapitel kann man sagen, die Grundlagen, die Ernährungsrichtlinien sind mehr für den Inder des indischen Mittelalters geeignet gewesen. Diese muss man an die heutige Zeit anpassen. Die Asana Verse des 2. Kapitels sind sehr kryptisch geschrieben. Es werden einige Asanas mit ihrer Wirkung beschrieben. Wenn du die Asanas üben willst, brauchst du eine gute Anleitung und Einweisung von erfahrenen Yogalehrern oder Yogalehrerinnen. Eine typische Asanapraxis wird sehr viel mehr Asanas erfordern. Des Weiteren kommen noch andere Asanas hinzu, die Svatmarama im 1. Kapitel nicht hineinbringt.

Das 2. Kapitel beinhaltet alles, was du als spiritueller Aspirant, der an einer ernsthaften Pranayama und Asanapraxis interessiert ist, wissen musst. Er beschreibt Kapalabhati als wichtigste reinigende Atemübung und die Wechselatmung, als die wichtigste Übung zur Reinigung der Nadis für die Konzentration. Zudem beinhaltet dieses Kapitel die acht Mahakumbhakas, die acht großen Atemübungen. Svatmarama nennt die Atemübungen Kumbhaka. Kumbhaka heißt wörtlich „Atem anhalten“. Eigentlich bedeutet das Wort ursprünglich in der korrekten Übersetzung „Gefäß“. Kumbhaka ist das, was man im Gefäß, im Körper hält. Wenn Svatmarama über Kumbhaka spricht, dann sind das in diesem Fall die Atemübungen, auf die er eingeht. Die acht Atemübungen, die du nach der Wechselatmung üben kannst, werden beschrieben und zusammen mit ihren Wirkungen dargestellt. Er nennt sowohl die Wirkungen auf das Prana als auch die Ayurvedawirkung auf die Doshas, Agni und Ama und deren Wirkung auf den Geist.

Svatmarama beschreibt weiter die Shatkriyas, die sechs Kriyas. Die Kriyas sind bei Yoga Vidya eine Grundlage. Wir beziehen uns auf diese Lehren über die Kriyas.

Natürlich orientieren wir uns bei Yoga Vidya nicht nur anhand der Hatha Yoga Pradipika. Bei uns finden viele Einflüsse aus verschiedenen Traditionen zusammen. Ich habe von meinem Lehrer, der ein großer Experte in der Hatha Yoga Pradipika war, gelernt. Diese Yogaübungen habe ich selbst sehr gründlich gelernt, praktiziert und gelehrt.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

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  1. Vers

युवो वृद्धोऽतिवृद्धो वा व्याधितो दुर्बलो.पि वा
अभ्यासात् सिद्धिम् आप्नोति सर्वयोगेष्व् अतन्द्रितः ॥६७॥

 

yuvā vṛddho’tivṛddho vā vyādhito dur-balo’pi vā… abhyāsāt siddhim āpnoti sarva-yogeṣv atandritaḥ

 

yuvā : (ob) jung; vṛddhaḥ : erwachsen, alt; ati-vṛddhaḥ : sehr alt; vā : oder; vyādhitaḥ : krank; dur-balaḥ : schwach; api : aber, auch, sogar; vā : oder; abhyāsāt : durch Übung, regelmäßige Praxis; siddhim* : Erfolg, Vervollkommnung; āpnoti : (man) erreicht; sarva : (in) allen; yogeṣu** : Yoga(techniken), Gliedern des Yoga; atandritaḥ : (ein) unermüdlich, unverdrossen (Praktizierender)

Jung, erwachsen oder alt, krank oder sogar schwach, | durch Praxis ohne Ablenkungen kann [jeder Mensch] in allen Techniken des Yoga Perfektion erreichen.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass man aufgrund der Übungspraxis (Abhyasa) Erfolg (Siddhi) in Form (Rupa) der Frucht (Phala) des Samadhi erlangt (āpnoti): abhyāsāt … siddhiṃ samādhi-tat-phala-rūpām āpnoti. Ein Synonym für Samadhi ist der Begriff Raja-yoga („königlicher Yoga„), vgl. die Anm. zu Vers 70 sowie die Verse 3-4 des 4. Kapitels, wo weitere Bezeichnungen für den „höchsten Zustand“ aufgeführt werden.

** Anmerkung: Brahmananda versteht unter Yoga hier die einzelnen Glieder (Anga) des (Hatha-)Yoga: sarveṣu yogeṣu yogāṅgeṣu (vgl. Vers 58).

 

Übung macht den Meister, Übung macht die Meisterin.

Hatha Yoga ist ein Weg der Praxis. Der Yoga bedingt, dass du übst. Hatha Yoga ist vielleicht der Yogaweg, wo es am Wichtigsten ist, dass du dir jeden Tag Zeit nimmst.

Du könntest sagen: Jnana Yoga ist der Yoga der Erkenntnis. Das ist eine Veränderung des Blickwinkels.  Bhakti Yoga ist der Yoga der Hingabe, wo du alles Gott darbringst. Beim Karma Yoga transformierst du deinen Alltag in uneigennützigen Dienen und gehst davon aus, was immer geschieht, kommt als Aufgabe Gottes zu dir. Es ist ein verhaftungsloses Dienen.

Im Hatha Yoga gilt es zu praktizieren.

Svatmarama schreibt:

„Jede Person, wenn sie aktiv Yoga praktiziert, wird die Vollkommenheit erreichen.“

Übe und praktiziere! Im Grunde genommen gilt:

Egal ob du jung bist oder alt oder sehr alt, ob du gesund bist, kränklich oder krank: Jeder kann Erfolg im Hatha Yoga haben. Hatha Yoga ist nur eine Frage der Übung. Du kannst nicht zu steif sein für Hatha Yoga, du kannst nicht zu dick, dünn, groß, klein, alt oder zu jung sein. Es gilt, du musst üben. Jeder kann üben, der seinen Körper bewegen kann.

In diesem Sinne kommt die Vollkommenheit durch die Praxis. Vollkommenheit stellt sich mit Sicherheit ein, wenn jemand Yoga praktiziert. Dies kann nicht geschehen, wenn jemand nicht praktiziert.

 

  1. Vers

क्रियायुक्तस्य सिद्धिः स्यादक्रियस्य कथं भवेत्
शास्त्रपाठमात्रेण योगसिद्धिः प्रजायते ॥६८॥

 

kriyā-yuktasya siddhiḥ syād akriyasya kathaṁ bhavet… na śāstra-pāṭha-mātreṇa yoga-siddhiḥ prajāyate

 

kriyā : (mit der Yoga-)Praxis („Tätigkeit“); yuktasya : (dem,) der aktiv („verbunden“ ist); siddhiḥ : Erfolg, Vollkommenheit; syāt : wird zuteil („sei“); akriyasya : (dem) Untätigen (Erfolg zuteil werden); kathaṁ : wie; bhavet : sollte; na : nicht; śāstra : (der) Lehrtexte, (Yoga-)Schriften; pāṭha : Lesen, Rezitieren; mātreṇa : durch bloßes; siddhiḥ : Erfolg, Vollkommenheit; prajāyate : entsteht, wird erzeugt

 

Perfektion stellt sich mit Sicherheit ein, wenn jemand sich mit der Praxis beschäftigt. Wie könnte dies [auch] jemandem geschehen, wenn er nicht praktiziert? | Die Perfektion im Yoga [kommt] nicht durch bloßes Studieren der Schriften.

 

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 33 behandelt.

 

In diesem Vers sagt Svatmarama:

„Einer, der praktiziert wird die Vollkommenheit erlangen, aber keiner der faul ist.“ Die Vollkommenheit im Yoga wird auch nicht durch bloßes, theoretisches Lesen der Schriften erlangt. Es reicht nicht aus, die Hatha Yoga Pradipika zu lesen. Es reicht nicht aus, Vorträgen zu lauschen, Das Üben ist wichtig. Die ganzen Bücher, Videos und Audios, dienen nur dazu, dass du inspiriert wirst für deine Praxis.

Swami Sivananda, der große Yogameister, hat gerne gesagt: „Ein Gramm Praxis ist besser als Tonnen von Theorie.“

Es wurde ihm die Frage gestellt: „Warum Meister, wenn ein Gramm Praxis besser ist als Tonnen von Theorie, hast Du so viele Bücher geschrieben?“

Swami Sivananda hat mehrere hundert Bücher geschrieben. Nach neuester Zählung sind das 500 verschiedene Bücher.

Warum hat er so viele Bücher geschrieben?

Swami Sivananda hat gelächelt und hat geantwortet: „Viele Menschen brauchen Tonnen von Theorie, um zu einem Gramm Praxis inspiriert zu werden.“

Die Bücher, Vortragsvideos und Audios zum Vortrag tragen dazu bei, dass du verstehst, warum du praktizieren kannst, wie du praktizieren kannst und letztlich, was die verschiedenen Erfahrungen zu bedeuten haben. Bücher lesen und Vorträge anhören ist nur in dem Maße hilfreich, wie es dich zur Praxis motiviert.

 

  1. Vers

वेषधारणं सिद्धेः कारणं तत्कथा
क्रियैव कारणं सिद्धेः सत्यम् एतन् संशयः ॥६९॥

na veṣa-dhāraṇaṁ siddheḥ kāraṇaṁ na ca tat-kathā… kriyaiva kāraṇaṁ siddheḥ satyam etan na saṁśayaḥ

na : nicht; veṣa : (bestimmter) Kleidung; dhāraṇaṁ : (das) Tragen; siddheḥ : des Erfolges, der Vollkommenheit; kāraṇaṁ : (ist die) Ursache; na : nicht; ca : und, auch; tad : darüber; kathā : Gespräch(e), Unterhaltung(en); kriyā : Handlung, Tätigkeit, (die Yoga-)Praxis; eva : nur, einzig; kāraṇaṁ : (ist die) Ursache; siddheḥ : des Erfolges, der Vollkommenheit; satyam : (die) Wahrheit; etad : das (ist); na : nicht (besteht hierüber); saṁśayaḥ : (ein) Zweifel

[Auch] das Tragen der [orangefarben] Kleidung [eines Yogis], noch das Sprechen [darüber], [reicht] nicht als Ursache [für den Erfolg]. | Die Praxis alleine ist die Ursache der Perfektion. [Über] diese Wahrheit [besteht] kein Zweifel.

 

Vollkommenheit wird nicht erlangt, indem du das Gewand eines Yogis trägst und nur darüber redest. Ein unermüdliches Praktizieren ist das Geheimnis des Erfolges. Darüber gibt es keinen Zweifel. Anscheinend gab es schon zu Svatmaramas Zeit Menschen, die sich so gekleidet haben, wie die Yogis.

Ich erinnere mich an folgende Situation, die in diesem Kontext zutreffend ist. 1985 habe ich ein Yogazentrum in Los Angeles geleitet. Eines Tages kam eine Teilnehmerin zu mir in das Center. Sie möchte gerne Yogakleidung, eine Yogamatte und ein Yogakissen kaufen. Sie war in dem Vorhaben eine komplette Yogaaustattung zu erwerben. Ich fragte sie, welche Art Yoga sie praktiziert, um ihr eine entsprechende Beratung geben zu können. Ihr Antwort darauf war, dass sie es noch nicht weiß. Sie wird ganz sicher mit Yoga anfangen. Zuerst möchte sie sich mit den benötigten Yogautensilien eindecken und dann mit Yoga beginnen. Das war ihr Vorhaben. Sie wollte Decken, Kleidung, Kissen, eine Matte und alles weitere zum Yogaüben direkt kaufen. Sie hat für uns damals einen enormen Geldbetrag für diese Yogaausstattung ausgegeben. Im Nachhinein ist sie nicht wieder zum Yogaüben erschienen. Ein paar Monate später habe ich sie auf der Straße getroffen und gefragt, wie es mit ihrer Yogapraxis voran geht. Sie hat nur gelacht und gesagt, sie nimmt es sich immer noch vor, mit dem Yogaüben anzufangen.

Mein Tipp wäre, verschwende nicht zu viel an Überlegung, welche Kleidung du tragen sollst, welche Yogamatte für dich in Frage kommt und welches Kissen für dich am besten geeignet wäre. Es ist besser mit dem Yogaüben direkt zu starten. Fange an zu üben und übe jeden Tag.

Natürlich kann eine spezielle Yogakleidung helfen, dass du in einen Yogamodus hineinkommst, wenn du dich vor deiner Praxis umziehst und deine Alltagskleidung ablegst. Es kann helfen, dich auf die Yogasituation einzustimmen und dich auf deine Praxis vorbereiten.

Ich habe einmal gehört, dass ein Yogalehrer seinen Schülern gerne gesagt hat, wenn sie gefragt haben: „Was soll ich denn üben?“ Seine Antwort zu dieser Fragestellung war einfach: „Lege deine Matte aus.“ Wenn man die Matte ausgebreitet hat, wird man anfangen zu praktizieren. Jemand, der schon eine Weile Yoga geübt hat, weiß welche Übungen aus dem Yoga für ihn in Frage kommen. Er weiß, was er üben sollte an Asanas und an Pranayama. Breite zunächst deine Matte aus und fange an. Es kann hilfreich sein, eine Matte zu haben und die Kleidung zu wechseln. Zur Vorbereitung auf deine Praxis ist es gut. Du kannst mit solchen Ritualen in den Yogamodus wechseln von deinem Alltag. Aber die Yogakleidung und die Yogamatte sowie eine komplette Yogaausstattung an sich machen noch keine Vollkommenheit.

Ebenfalls reicht kein reines Unterhalten über Yoga als Thema aus. Gespräche sind gut, zum Austausch und zur Wissensaneignung sicherlich sehr förderlich, aber nicht ausreichend, um zur Vollkommenheit zu gelangen. Viele Menschen halten Vorträge über die Yogapraxis. Nach der Frage, ob sie selbst praktizieren, kommt oft ein betretenes Schweigen. Nicht immer ist dies der Fall, aber es kommt durchaus nicht selten vor. Noch schlimmer ist es, wenn Menschen vor dem Üben von Pranayama warnen, obgleich sie unwissend sind und selbst nie Pranayama praktiziert haben. Insbesondere zählt dazu das Üben von fortgeschrittenem Pranayama. Diese Menschen kennen es vielleicht nur aus der Literatur oder durch andere Erzählungen. Mit einer eigenen Erfahrung kann nicht gedient werden.

Es ist gravierender über angebliche Gefahren des Yoga auszusagen, obwohl kein eigenes Wissen und keine Erfahrung, keine Praxis auf diesem Gebiet von der Person besteht.

In diesem Sinne, übe und praktiziere Yoga selbst. So erreichst du die Vollkommenheit. Wenn du die Anleitung eines guten Yogalehrers, einer guten Yogalehrerin zur Verfügung hast, der oder die selbst praktiziert, weißt du, eine gute Anleitung zu erfahren. Aber praktiziere eigenständig! Das selbständige Üben ist das Geheimnis deines Erfolges.

 

  1. Vers

पीठानि कुम्भकाश् चित्रा दिव्यानि करणानि
सर्वाण्य् अपि हठाभ्यासे राजयोगफलावधि ॥७०

pīṭhāni kumbhakāś citrā divyāni karaṇāni ca… sarvāṇy api haṭhābhyāse rāja-yoga-phalāvadhi

pīṭhāni : Körperstellungen („Sitz“); kumbhakāḥ : (die) Atemverhaltungen; citrāḥ : verschieden(en); divyāni : himmliche, göttliche, wunderbare, magische; karaṇāni : Mudras („Mittel“); ca : und; sarvāṇi : alle, sämtliche, all (diese Techniken sollten geübt werden); api : auch; haṭha : (des) Hatha; abhyāse : in der Praxis; rāja-yoga* : (in Form des) königlichen Yoga; phala : (die) Frucht; avadhi : (solange) bis (erreicht ist)

[Die Praxis beruht auf] Körperhaltungen, verschiedenen Kumbhakas und weiteren erhabenen Werkzeugen. | In der Praxis des Hatha-Yoga führen all diese mit Sicherheit zur Frucht des Raja-Yoga.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass der (Zustand des) Raja-yoga selbst (eva) die Frucht  (Phala) des Hatha Yoga ist: rājayoga eva phalam. Zu einer Definition des Begriffes rāja-yoga vgl. die Anm. zu Kap. 4 Vers 103.

 

Praktiziere die verschiedenen Asanas, Kumbhakas und die Mudras des Hatha Yoga solange, bis du Raja Yoga erlangt hast. Mit anderen Worten: Praktiziere diese Asanas, Pranayamas und alles andere.

Es gibt eine weitere Übersetzung dieses Verses:

Die Hatha Yoga Praxis beruht auf Körperhaltungen, verschiedenen Kumbhakas, Atemübungen und weiteren erhabenen Werkzeugen. In der Praxis des Hatha Yoga führen alle diese Praktiken mit Sicherheit zur Frucht des Raja Yoga.

 

Was ist Raja Yoga?

Raja Yoga ist die Herrschaft über den Geist. Praktiziere Asanas, Pranayama und die anderen wunderbaren Werkzeuge des Hatha Yoga. Dazu gehören Mudras, Bandhas, Kriyas und die Hatha Yoga Meditationstechniken. Die werden dir helfen, deinen Geist zu beherrschen und über die Herrschaft des Geistes kommst du zur Erleuchtung.

Da dies der Abschluss des 1. Kapitels ist, möchte ich dich inspirieren, motivieren und auffordern, dir zu  überlegen:

Wie ist deine Praxis?

Wie viel Asanas übst du jeden Tag?

Machst du täglich Pranayama?

Übe jeden Tag mindestens eine halbe Stunde Asanas! Übe mindestens jeden Tag eine halbe Stunde Pranayama! Übe mindestens jeden Tag 20 Minuten Meditation und lese jeden Tag ein paar Minuten in einer heiligen Schrift.

Mit einer solchen regelmäßigen Praxis kommst du voran. Widme dich mindestens ein- oder zweimal im Jahr einer Woche der intensiveren Praxis. Vielleicht verbringst du einen Teil davon in einem zweiwöchigen Sadhana-Intensiv-Seminar. Dieses Seminar findet immer in der zweiten Junihälfte bei Yoga Vidya in Bad Meinberg statt. Darin enthalten sind zwei Wochen intensive Praxis mit Pranayama, Mudras, Bandhas, Asanas und Meditation. Das hilft dir, sehr große Fortschritte zu machen auf dem Weg zur Herrschaft über den Geist, auf dem Weg zur Erleuchtung.

Vielleicht magst du dir selbst neue Vorsätze fassen.

Ich will zum Abschluss dieses ersten Kapitels nochmals die Hatha Yoga Pradipika Guru Parampara rezitieren und dir den Segen der großen Meister des Hatha Yoga wünschen.

 

OM, OM, OM

Shri adi nathaya namo’stu tasmai

yenopadishta hatha yoga vidya

vibhrajate pronnata raja yogam

arodhum ichchhor adhirohiniva

pranamya shri gurum natham svatmaramena yogina

kevalam raja yogaya hatha vidyopadishyate

shri adinatha matsyendra shabarananda bhairavaha

chaurangi mina goraksha virupakshabileshayaha

manthano bhairavo yogi siddhih buddhash cha kanthadihi

korantakah suranandah siddhapadash cha charpatihi

kaneri pujyapadash cha nitya natho niranjanaha

kapali bindunathash cha kakachandishvarahvayaha

allamah prabhudevash cha ghoda choli chatintinihi

bhanuki naradevash cha khandah kapalikastatha

ityadayo maha siddha hatha yoga prabhavataha

khandayitva kala dandam brahmandevicharanti te

Om Shanti, Shanti, Shanti

Om Bolo Sadguru Sivananda Maharaj Ji Ki - Jaya.

 

 

Der Abschluss des 1. Kapitels

इति हठप्रदीपिकायां प्रथमोपदेशः

iti haṭha-pradīpikāyāṁ prathamopadeśaḥ

iti : so (lautet); haṭha-pradīpikāyāṁ : in der Leuchte (des) Hatha; prathama : (die) erste; upadeśaḥ : Unterweisung

Das war das erste Kapitel der Hatha-Yoga-Pradipika.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

गोधूमशालियवषाष्टिकशोभनान्नं
क्षीराज्यखण्डनवनीतसिद्धामधूनि
शुण्ठीपटोलकफलादिकपञ्चशाकं
मुद्गादिदिव्यम् उदकं यमीन्द्रपथ्यम् ॥६५॥

 

godhūma-śāli-yava-ṣāṣṭika-śobhanānnaṁ
kṣīrājya-khaṇḍa-navanīta-sitā-madhūni… śuṇṭhī-paṭola-kaphalādika-pañca-śākaṁ
mudgādi-divyam udakaṁ ca yamīndra-pathyam

 

go-dhūma : Weizen („Kuh-Rauch“); śāli : Reis; yava : Gerste; ṣāṣṭika : (Reis- oder Getreidesorten, die innerhalb von) sechzig (Tagen reifen); śobhana : vorzügliche, ausgezeichnete; annaṁ : Speise, Nahrung, Reis(sorten); kṣīra : Milch; ājya : geklärte Butter; khaṇḍa : grobkörniger Zucker, (brauner) Kandiszucker; nava-nīta : frische Butter; sitā : weißer Kandiszucker; madhūni : (und) Honig; uṇṭhī : (getrockneter) Ingwer; paṭolaka : (der) Schlangenhaargurke (Trichosanthes dioica); phala : (die) Frucht; ādika : usw., und ähnliches („zum Anfang habend“); pañca* : (die) fünf; śākaṁ* : Kräuter, Küchenkräuter; mudga : Mungbohnen (Vigna radiata); ādi : usw., und ähnliche (Hülsenfrüchte); divyam : himmliches (vom Himmel fallendes); udakaṁ : Wasser, Regenwasser; ca : und; yamin : (unter den) sich zügelnden (Yogis); indra : (für) einen ausgezeichneten („Fürsten“); pathyam : (all das ist) heilsam

Weizen, Reis, Gerste und alles was innerhalb von 60 Tagen reift [ist] gute Nahrung. Milch, Ghee, kristalliner Zucker, Butter, harter Zucker, Honig, | getrockneter Ingwer, die Gurkenfrucht, [sowie] weitere fünf Gemüse, Mung-Bohnen, [sowie] weitere Hülsenfrüchte und Regenwasser, [diese ist Nahrung, die] für die Besten der Yogis angemessen [ist].

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda zitiert einen Vers, in dem fünf Kräuter (śāka-pañcaka) erwähnt werden, die „gut für die Augen“ (cākṣuṣya) sind: Jivanti, Vastu(ka), mūlyākṣī, Meghanada und Punarnava.

 

Ernährungstipps der Hatha Yoga Pradipika

Svatmarama schreibt:

Die folgenden Nahrungsmittel können unbedenklich vom Yogi genommen werden: Weizen, Reis, Gerste, Milch, Ghee, Zuckerwerk, Butter, Honig, getrockneter Ingwer, Gurke, die fünf Küchenkräuter, rote Bohnen und gutes Wasser.

Er bezeichnet diese Lebensmittel als gut. Ich selbst bin anderen Meinung, da ich vegan lebe.

Grundsätzlich gilt Godhuma, der Weizen als gut. Shali, der Reis und Yava, die Gerste, werden als gute Nahrungsmittel definiert.

Dann sagt er: Shashtika, alle anderen Getreide- oder Reissorten, die innerhalb von 60 Tagen reifen fallen ebenfalls darunter. Es bedeutet, wenn etwas zügig wächst, ist darin ein bestimmtes Prana enthalten.

Das ist alles shobhana, eine vorzügliche, prächtige und schöne Nahrung. Das sind erst einmal sehr gute Nahrungsmittel.

Kshira ist die Milch oder der Milchsaft von Pflanzen und Ajya, die geklärte Butter, sind weiterhin in seiner Betrachtung als gut zu bewerten. An einer anderen Stelle fügt er noch Navanita hinzu, was meist als frische Butter übersetzt wird. Nava heißt neu.

Zur Zeit von Svatmarama waren Kühe heilig. Sie wurden nicht getötet und sie sollten mit Ehrerbietung behandelt werden. Die altindische Kultur war eine Rinderkultur. Die Rinder wurden gebraucht, um den Pflug zu ziehen oder um die Bewässerungsanlagen zu betreiben. Sie waren für Fuhrwagen die wichtigsten Zugtiere.

Zusätzlich wurden alle weiteren Teile vom Rind verwendet. Aus Kuhdung wurde z.B. Medizin hergestellt. Er wurde getrocknet. Das war der wichtigste Brennstoff, um Nahrung zuzubereiten. Der getrocknete Kuhdung konnte pulverisiert werden, welches eine weiße Farbe zum Erzeugnis hat. Es war die wichtigste Farbe für die Hütten der Dorfbewohner. Aus dem Urin der Kühe wurden Heilmittel hergestellt. Die Kühe waren typischerweise Familienmitglieder und wurden ähnlich behandelt wie in unserem Land Hunde und Katzen zur Familie gehören. Zudem hatten Kühe Aufgaben zu erledigen. Die typische Kuh kann zwei Kälber geben. Manchmal sind es auch Zwillinge. Demnach kann die typische Kuh genügend Milch für zwei Kälber geben. Meistens bekommt die Kuh nur ein Kalb. Der Mensch kann, nachdem das Kalb gesaugt hat, noch etwas Milch nehmen. Diese Milch wird vollkommen Ahimsa, ohne jemanden zu verletzen, genommen.

Natürlich heißt das, dass eine Kuh zum einem nur so lange Milch gibt, wie das Kalb noch nicht groß ist. Zum anderen kann manchmal die Kuh noch etwas länger Milch geben, wenn das Kalb von der Milch entwöhnt ist. Der Mensch kann in diesem Fall bis zu einem halben Liter Milch am Tag bekommen.

Die alten indischen Kühe haben nicht mehr als einen Liter Milch am Tag gegeben. Ein halber Liter blieb für die ganze Familie übrig. Bei einer fünfköpfigen Familie war das eine sehr geringe Menge. Der typische Inder hat keine Milch getrunken, sondern zwei Esslöffel Milch in Wasser oder Tee hinein gegeben. Damals wird es Kräutertee gewesen sein, denn Schwarztee gab es zu dieser Zeit nur in China. Dieser Tee wurde von den Engländern erst im 18. Jahrhundert nach Indien eingeführt. Demnach geht man davon aus, dass es sich um einen ayurvedischen Kräutertee gehandelt haben muss, der mit ein bis zwei Esslöffeln Milch angereichert wurde. Bei der Verwendung von Joghurt konnte dies sich auch nur um einen bis zu zwei Esslöffel handeln. Bei Butter war es vielleicht ein halber Teelöffel. Teile, die der Nahrung dazu gegeben werden, haben vom Ayurvedastandpunkt aus gesehen, etwas erdendes, beruhigendes und harmonisierendes.

Was heutzutage im Westen und in Indien fabriziert wird, sind nicht die Lebensmittel, die Svatmarama beschreibt. Im alten Ayurveda wurden diese ebenfalls nicht unter diesen heutigen Nahrungsmitteln verstanden. Diese Milchmengen, die es heute gibt, waren gar nicht möglich zu bekommen. Eine „Hochleistungskuh“, die den ganzen Tag angekettet ist oder auf kleinstem Raum leben muss, gibt heute 20 – 30 Liter Milch am Tag. Sie hat ein Euter, welches so groß ist, dass sie gar nicht damit herumlaufen kann. Das führt zu einem Dauerschmerz. Die Kuh wird nach der Geburt des Kalbes von dem Kalb getrennt, weil es nach westlichen Standards nicht der Hygiene entspricht, dass das Kalb bei seiner Mutter bleibt. Die Kuh darf nicht ein Kalb säugen und gleichzeitig für den Menschen Milch abgezapft bekommen. Notwendigerweise ist die Bio-Milch mit dieser Grausamkeit verbunden. Da heutzutage keine Verwendung von Rindern mehr als Flug- oder Zugtiere erfolgt, gibt es keinen Gebrauch für Bullen und auch nicht für Kühe, die ein gewisses Alter erreicht haben. Sie werden notwendigerweise geschlachtet. In Indien werden heute die Bullen und Kühe, die keine Milch mehr geben, einfach auf die Straße gejagt. Dort  müssen sie sich von Abfällen auf der Straße ernähren und sterben dann von Plastiktüten, die sie gefressen haben und die den Verdauungskanal zerstört haben. Sie sterben relativ zügig, nachdem sie auf die Straße geworfen wurden. Weiterhin werden sie manchmal an Moslems verkauft. Dies trifft auf die Bundesländern in Indien zu, wo Moslems Kühe töten dürfen. Oder sie werden verschifft und mehrere 1000 Kilometer nach Bangladesch transportiert. Dieser Staat ist moslemisch. Dort werden sie folgend geschlachtet, nachdem sie unter Flüssigkeitsmangel gelitten haben. Dies geschieht, obwohl die Kuh eigentlich als heilig angesehen wird.

Auch in Indien werden heutzutage die angeblich so heiligen Kühe mit großer Grausamkeit behandelt. Dem zu Folge kann man auch in Indien heutzutage den Verzehr von Milchprodukten, Ghee und Butter nicht verantworten.

Wenn du einmal in einem indischen Ashram bist, dann lass dir zeigen, wo die Ställe sind. Die Kühe werden alle an einem Seil festgebunden und schauen den ganzen Tag an eine Wand. Diese angeblich heiligen Kühe werden von den vornehmsten indischen Ashrams grausam gehalten.

Glücklicherweise gibt es jetzt auch in Indien eine kleine Gegenbewegung. Es gibt zum einen die Bewegung, dass man die Kühe mit Ehrerbietung halten soll. Diejenigen, die einmal 10 Jahre probiert haben, Kühe zur Milchproduktion zu halten, ohne ein Rind zu verkaufen, wo es dann getötet wird, stellen fest, das funktioniert nicht.

Glücklicherweise hat sich vegane Bewegung daraus gegründet, die nicht nur an Touristenorten tätig ist, wo ausreichend Deutsche, Engländer und Amerikaner vegane Nahrung haben wollen. Immer mehr Inder merken selbst, wenn wir die Kuh heilig halten wollen, dürfen wir keine Milchprodukte zu uns nehmen.

Was heißt das für die Hatha Yoga Pradipika?

Selbstverständlich kannst du intensives Hatha Yoga üben ohne Milch, Ghee und Butter. Das geht sehr gut. In Svatmaramas Zeit war das unbedenklich in den Mengen Milch, die damals üblich waren. Dies war ein sehr minimaler Anteil von dem, was heute produziert wird. 

Er sagt Zuckerwerk sei gut. Du darfst dir keinen modernen Industriezucker vorstellen. Es heißt, was süß schmeckt kann in geringeren Mengen gegessen werden.

Er schreibt hier von Honig. Ich selbst esse als Veganer auch keinen Honig. Der Honig wird heutzutage nicht sehr freundlich gewonnen. Wenn du einen Imker begleitest, werden notwendigerweise beim Entnehmen des Honigs einige Bienen getötet. Bei Yoga Vidya haben wir einen sogenannten Ahimsa-Honig, den wir von einem Imker bekommen, den wir persönlich kennen. Er behandelt seine Bienen mit großer Ehrerbietung. Er lässt ihnen für den Winter sogar ausreichend Honig und gibt ihnen kein Zuckerwasser. Andere Imker handeln nicht in dieser Weise. Die Bienenvölker sterben dann an irgendeiner Milbe. Viele Bienenvölker leiden darunter.

Es wird uns oft suggeriert, die ganze Bienenzucht wäre notwendig, um genügend Obst und Gemüse zu haben. Es verhindert aber die Wildbienen. Da durch die Haltung von zahlreichen Zuchtbienen, vertreiben sie die Wildbienen. Das ist sehr schlecht.

Durch das Versprühen von Glyphosat, können die Wildbienen nicht überleben. Es sind nicht nur die Zuchtbienen, sondern es sind vor allem die Herbizide und Insektizide, die auf Getreidefeldern dafür sorgen, dass keine natürlichen Gewächse entstehen können, die alle Insekten töten. Das führt dazu, dass wir heutzutage vermutlich nur noch ein Viertel der Insekten haben, gegenüber der Anzahl in den fünfziger oder sechziger Jahren.

Es wird manchmal mit Berechtigung gesagt: Wir brauchen die Zuchtbienen, weil der Rest der Landwirtschaft dafür sorgt, dass die anderen Insekten längst so wenig geworden sind, dass sie unmöglich für Obst und Gemüse sorgen können.

Wir sind bei der Beschäftigung mit einem alten indischen Text und zu einer modernen, großen ethischen Frage gekommen.

Zu Svatmaramas Zeit war sicherlich der Konsum von Honig etwas gutes. Das bedeutet allerdings kein großer Konsum von Honig. Es handelt sich eher um einen halben gestrichenen Teelöffel dieser süßen Speise, der in einem Getreidebrei untergemischt wurde.

Unbedenklich gilt darüber hinaus getrockneter Ingwer. Frischer Ingwer zählt natürlich auch dazu. Ingwer gehört zu den Gewürzen, die sattwig sind. Im Unterschied dazu stehen Zwiebeln und Knoblauch oder anderen scharfen Sachen. Obgleich Ingwer scharf ist, gilt dieser nicht als rajassig, sondern als sattwig.

Dann zählt er einige Gemüsesorten auf, die damals wichtig waren. Hier wird die Gurke genannt. In einer Übersetzung heißt es, die 5 Gemüsesorten sind wichtig.

Eigentlich handelt es sich um die 5 Küchenkräuter, die man im Ayurveda findet. Mit Kräutern kann man würzen. Das ist gut. Dazu gehören Phala, verschiedene Früchte und Obstsorten.

Dann gilt: Mudga, damit sind die Mungobohnen gemeint und Adi. Andere Hülsenfrüchte sind in Ordnung.

Dann sagt er: Divya Udaka, insbesondere Wasser, das vom Himmel fällt, ist gut. Svatmarama empfiehlt besonders frisches Regenwasser. Das geht natürlich in Indien nur ein paar Monate. Danach muss man auf das Wasser zugreifen, das von Flüssen kommt. Wenn man die Gelegenheit hat, frisches Regenwasser zu sich zu nehmen, in Regionen, wo nicht zu viel Umweltverschmutzung ist, schmeckt das frische Regenwasser am Besten.

Heutzutage sagt man, frisches Wasser aus Quellen ist besser, da es ausreichend gefiltert worden ist. In der heutigen Zeit irgendwo zu leben, wo gar keine Verschmutzung in der Atmosphäre vorhanden ist, gestaltet sich vermutlich als schwierig.

Dieser Ratschlag ist für den Yogi hilfreich und kann gut verwendet sowie umgesetzt werden.

 

  1. Vers

पुष्टं सुमधुरं स्निग्धं गव्यं धातुप्रपोषणम्
मनोभिलषितं योग्यं योगी भोजनम् आचरेत् ॥६६॥

puṣṭaṁ su-madhuraṁ snigdhaṁ gavyaṁ dhātu-prapoṣaṇam… manobhilaṣitaṁ yogyaṁ yogī bhojanam ācar

puṣṭaṁ : nährend, reichhaltig; su-madhuraṁ : schön süß; snigdhaṁ : feucht, fettig, ölig (der Austrocknung entgegenwirkend); gavyaṁ : Kuhmilch (produkte); dhātu : (die) Körpergewebe; prapoṣaṇam : nährend; manas : (vom) Geist, Herz(en), (von den) Sinn(en); abhilaṣitaṁ : begehrt, gewünscht; yogyaṁ : passend(e), geeignet(e); yogī : (ein) Yogi; bhojanam : Nahrung; ācaret : sollte verzehren

Nahrhafte, süße und milde Milchprodukte nähren den Körper | und sind angenehm für den Geist. Das ist geeignete Nahrung, die der Yogi nutzen sollte.

 

Hier schreibt Svatmarama einen allgemeinen Vers. Der Yogi sollte nahrhaftes, süßes und mildes Essen zu sich nehmen. Es sollte die Sinne erfreuen und den Dhatus, den Körpergeweben, Nährstoffe geben. Er sagt, es soll Pushta, allgemein nährend sein. Das Essen sollte Madhura, schön süß sein und snighda, der Austrocknung entgegenwirkend, feucht, fettig oder ölig sein. Es sollte nicht zu einem Übermaß an Vata führen.

Gavya kann man folgend übersetzen: alle Kuhmilchprodukte sind mit Gavya gemeint. Diese Produkte kann man der Nahrung hinzugeben. So beschreibt er die Verwendung von Produkten, die von der Kuh stammen.

Dieses Thema hab ich zuvor bereits kommentiert.

Die Nahrung sollte dhatu poshana, für das Körpergewebe nährend sein und es sollte abhilashita Mana, gut für den Geist und wohlschmeckend sein. Für den Geist sollte es erhebend sein.

Yoga könnte zu einem Vata Überschuss führen. Man soll Trockenes eher vermeiden. Das Essen sollte gut sein für den Körper und erhebend für die Psyche. Das ist die geeignete Nahrung, die für den Yogi gut ist.

Das waren die Empfehlungen von Svatmarama zur Ernährung.

Eine intensive Hatha Yoga Praxis, insbesondere viel Pranayama, wie er es im zweiten Kapitel der Hatha Yoga Pradipika beschreibt, bedeutet: Lebe ein sattwiges Leben und vermeide in jedem Fall Fleisch, Fisch, Alkohol, Tabak und Drogen, die den Geist benebeln. Vermeide auch Nahrung, die für das Prana dämpfend sind. Vermeide leicht tamassigige Nahrung, darunter gehören auch Zwiebeln, Knoblauch, Lauchgewächse und Pilze. Abgestandes Essen, Tiefkühlkost, Dosengemüse ist nicht förderlich.

Ich übersetze alle genannten Inhalte in die modere Zeit hinein. Meide darüber hinaus Pilze und alles schwer verdauliche. Meide ein zu viel an Nahrung. Esse ausreichend, aber nicht zu viel. Achte darauf, dass deine Nahrung deinem Körper gut tut und deine Psyche erhebt. Unter den Geschmacksrichtungen wähle eher diese Geschmacksrichtung Madhura und Snigdha. Etwas süßliche und feucht fettig von der Konsistenz her ist besser. Es sind nicht die Süßigkeiten im westlichen Sinne gemeint, sondern die Geschmacksrichtungen, die  im Ayurveda zu finden sind. Wenn du eine Nahrung hast, die aus Phala, aus Früchten, aus Salat, Gemüse, aus Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide besteht, hast du alles Gute darin vereint.

Darüber hinaus empfiehlt er Ingwer. Einen Vers kann man als Hinweis zur Rohkost deuten. Dort bezieht er sich darauf, dass man einen Aufenthalt am Feuer vermeiden sollte. Allerdings wäre daraus folgend die Frage, was meint er, wenn man Getreide und Hülsenfrüchte essen sollte. Vielleicht könnte man das auf Keimlinge beziehen.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

कट्वाम्लतीक्ष्णलवणोष्णहरीतशाक
सौवीरतैलतिलसर्षपमद्यमत्स्यान्
आजादिमांसदधितक्रकुलत्थकोल
पिण्याकहिङ्गुलशुनाद्यम् अपथ्यम् आहुः ॥६१॥

kaṭvāmla-tīkṣṇa-lavaṇoṣṇa-harīta-śāka-
sauvīra-taila-tila-sarṣapa-madya-matsyān… ājādi-māṁsa-dadhi-takra-kulattha-kola-
piṇyāka-hiṅgu-laśunādyam apathyam āhuḥ

kaṭu : scharf, beißend, bitter; amla : sauer; tīkṣṇa : stechend, brennend, intensiv; lavaṇa : salzig; uṣṇa : heiß, erhitzend; harīta* : Chebulische Myrobalane (Terminalia chebula) ; śāka* : (grünes, schwer verdauliches) Gemüse, Kraut; sauvīra : saurer Gersten-, Reis- oder Weizenschleim; taila : Öl, Sesamöl; tila : Sesam, Sesamkörner; sarṣapa : (brauner) Senf, Senföl; madya : alkoholische, berauschende Getränke; matsyān : Fisch; āja : (von) Ziegen; ādi : usw., und anderen („zum Anfang habend“); māṁsa : Fleisch; dadhi : molkehaltige, dicke Sauermilch, geronnene Milch; takra : Buttermilch mit Wasser gemischt (im Verhältnis 1 : 1 oder 3 : 1); kulattha : Pferdebohnen (Macrotyloma uniflorum syn. Dolichos uniflorus); kola : Chinesische Jujube, Brustbeere (Ziziphus zizyphus, (Badara); piṇyāka : Ölkuchen (die Reste ausgepresster ölhaltiger Früchte oder Körner wie Sesam usw.); hiṅgu : Asant (Ferula assa-foetida) sowie das aus dieser Pflanze gewonnene Gewürz Asafoetida; laśuna : Knoblauch; ādyam : all das („dieses zum Anfang habend“); apathyam : (als für einen intensiv praktizierenden Yogi) ungesund, unheilsam; āhuḥ : wird bezeichnet

Bitteres, Saures, Beißendes, Salziges, Schares, grünes Gemüse, saurer Haferschleim, Sesam Öl, Sesam, Senf, Alkohol, Fisch, | Ziege, anderes Fleisch, saure oder mit Wasser vermischte Milch, Pferdebohne, Jujube-Frucht, Ölkuchen, Teufeldreck, Knoblauch und weiteres ist ungeeignete [Nahrung für einen Yogi], so sagt man.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda liest zwar harīta-śāka (mit langem ī), versteht aber harita-śāka (mit kurzem i) im Sinne von „grünes Gemüse“, was er mit pattra-śāka („Blatt-Gemüse“, Pattrashaka) erklärt. Das Versmaß (Vasantatilaka) dieses Verses lässt allerdings nur eine lange Silbe an dieser Stelle zu, was für die Richtigkeit der Lesung harīta-śāka (mit langem ī) spricht. Somit sind harīta und śāka als zwei getrennte Worte aufzufassen, wobei harīta für Haritaka bzw. Haritaki (Chebulische Myrobalane) steht. Shaka bedeutet „Gemüse, Kraut„. Auch die Bedeutung harita-śāka „Meerettichbaum“ (Shigru) scheidet aufgrund der hier nicht erlaubten Kürze des i aus.

 

Was sollte man meiden?

Hier folgt eine Aufzählung von einer Menge an Nahrungsmitteln, die in Indien in der Zeit von Svatmarama populär waren. Manche sind heute nicht mehr bekannt, auch in Indien nicht. In den verschiedenen übersetzten Texten sind unterschiedliche Übersetzungen zu finden. Dies ist durchaus im Deutschen ebenfalls üblich. Gemüsearten, welche es vor 1000 Jahren gegeben hat, gibt es vielleicht heute nicht mehr oder die Namen haben sich inzwischen geändert. Manche Sorten sind allerdings auch gleich geblieben und sind noch heute mit der selben Begrifflichkeit vorhanden.

Es steht geschrieben: Bitteres, Saures und Beißendes (also Salziges und Scharfes) sollte man meiden. Damit sind werden einige Geschmacksrichtungen aus dem Ayurveda genannt: Katu, Amla, Tikshna, Lavana und Ushna. Diese Geschmacksrichtungen solltest du weniger nutzen, wenn du intensiv Hatha Yoga üben willst.

Weiterhin sollte Harita, Shaka und Sauvira vermieden werden. Harita, eine asiatische Heilpflanze, eine  chebulische Myrobalane (Terminalia), die zu den Flügelsamengewächsen gehört und als Königin unter den Heilpflanzen gesehen, hat eine erhitzende Wirkung. Der Geschmack ist mit bitter, herb, sauer, scharf und süß definiert. Im Ayurveda werden dieser Pflanze diverse Wirkungen nachgesagt. Sie gilt als Verjüngungs und Kräftigungsmittel. Sie zählt eher zu den rajassigen Mitteln.

Shaka, wird manchmal übersetzt als grünes und schwerverdauliches Gemüse und Kraut. Shaka ist die Betelnuss und die Betelblätter. Das sind Dinge, die in Indien früher populär waren. Zum Teil gibt es Shaka in Indien noch heute. Shaka hat eine bewusstseinsbenebelnde Wirkung, die erlaubt ist und nicht zu den verbotenen Drogen in Indien zählt. Die Betelnuss sollte man lieber nicht zu sich nehmen.

Sauvira sollte ebenfalls nicht genommen werden. Sauvira wird übersetzt als einen sauren Brei. Es wird manchmal gesagt, das es sich dabei um einen Brei handelt, der schon umgekippt ist. Den könnte man zwar noch essen, aber Vergorenes sollte lieber vermieden werden. Dann empfiehlt er, Taila und Tila (Sesamöl und Sesam) und Sarshapa (Senföl) nicht zu sich zu nehmen. Die Wirkungen dieser Nahrungsmittel sind leicht rajassig.

Verzichten sollte man unbedingt auf folgende Nahrung, die er im weiteren Verlauf aufzählt. Was man gar nicht zu sich nehmen sollte ist Madya. Dabei handelt es sich um alkoholische Getränke. Weiterhin sollte man keinen Fisch (Matsya), kein Aja (Fleisch von Ziegen) und auf jede Art von Fleisch (adi Mamsa) verzichten.

Diese beschriebenen Dinge nehmen einen wichtigen Stellenwert ein und sind am Allerwichtigsten. Fleisch, Fisch und Alkohol sollte man außen vor lassen. Im weiteren Sinne könnte unter der Begrifflichkeit Shaka gesagt werden, dass sämtliche Arten von Drogen verboten sind. Dazu gehören auch Zigaretten und Tabak.

Er beschreibt noch ein paar weitere Nahrungsmittel, die nicht zu empfehlen sind. Dazu gehören geronnene Milch und Buttermilch. Man sollte schwer verdauliche Hülsenfrüchte, wie Kulattha, nicht zu sich nehmen. Auf Kola (Chinesische Jujube) und Pinyaka (Ölkuchen) ist zu verzichten. Asafoetida (bekannt als Stinkasant oder Teufelsdreck ist eine Pflanzenart in der Familie der Doldenblüter und gehört zu den Steckenkräutern) sollte nicht gegessen werden. Diese Nahrung ist für einen intensiv praktizierenden Yogi unheilsam und ungesund, sie ist apathya.

Für unsere moderne Zeit bedeuten diese Aussagen, dass es nicht angebracht ist, rajassige Nahrung und weitere rajassige Dinge zu sich zu nehmen. Dazu gehören auch Eier. Verzichte auf alkoholische Getränke, bewusstseinsverändernde Drogen und esse keinen Fisch und kein Fleisch. Das sind die wichtigsten Mitteilungen, die sich daraus entnehmen lassen und die uns Svatmarama sagen will.

Die allerwichtigsten Lebensmittel, die es zu vermeiden gilt sind: Fleisch, Fisch, Alkohol, bewusstseinsverändernde Drogen, wie auch Tabak und Nikotin.

Svatmarama benennt allerdings in seinen Aussagen nicht den Tabak, da es im 10. bis 12. Jahrhundert in Indien noch keinen Tabak gab. Der war damals nur in Mittelamerika und Südamerika bekannt.

Ich nenne sie gerne die „5 K“, auf die ein Yogi lieber nicht zurückgreifen sollte. Ein unbedingter Verzicht darauf ist zu empfehlen.

Dann sollte man auf Eier, Zwiebeln und Knoblauch verzichten. Das sind die zweit wichtigsten Dinge, auf die man nicht zurückgreifen sollte. Die dritt wichtigsten Dinge wären, alles rajassige. Dazu zählt der Industriezucker und Nahrung, die zu scharf, zu salzig und zu sauer ist. Fertigprodukte fallen ebenfalls unter diese Kategorie, nur kannte Svatmarama diese künstlichen Produkte noch nicht. Gemüse aus Dosen, Tiefkühlkost und weitere Nahrung, die, man fertig in Tüten und Packungen kaufen kann und nur erwärmen braucht, sind nicht zu empfehlen. Verzichte lieber auf diese Produkte. Leider gibt es mittlerweile zahlreiche Produkte dieser Art auch in Bio-Qualität. Der Yogi sollte frische Nahrung zu sich nehmen, die man nicht aus vorbereiteten Tüten, Tiefkühlkost oder Dosen bezieht.

  1. Vers

भोजनम् अहितं विद्यात् पुनर् अस्योष्णीकृतं रूक्षम्
अतिलवणम् अम्लयुक्तं कदशनशाकोत्कं वर्ज्यम् ॥६२॥

bhojanam ahitaṁ vidyāt punar asy-oṣṇī-kṛtaṁ rūkṣam… atilavaṇam amla-yuktaṁ kad-aśana-śākotkaṭaṁ varjyam

bhojanam : Speise, Nahrung; ahitaṁ : (als) ungesund; vidyāt : man muss kennen; punar : wieder; asya : für einen solchen (intensiv praktizierenden Yogi); uṣṇī-kṛtaṁ : (die) aufgewärmt („warm gemacht“) wurde; rūkṣam : trocken („rauh“ im Gegensatz zu Snigdha „glatt, feucht“); ati : allzu; lavaṇam : salzig; amla : Säure, der sauren Geschmacksrichtung; yuktaṁ : verbunden mit; kad-aśana : abgestandene (oder überlagerte „schlechte“) Speise(n); śāka : (unterschiedlichen) Gemüse(n); utkaṭaṁ : (ein) Übermaß (an); varjyam : (all diese Nahrung) ist zu vermeiden

[Ein Yogi] sollte danach trachten, unvorteilhafte Nahrung zu vermeiden. [Dazu gehört auch:] | Aufgewärmtes, Fett reduzierte Produkte, sehr Salziges, sehr Saures, Abgestandenes und auch zu viele Gemüse.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass die hier aufgeführten Handlungen (das Sitzen am Feuer bei Kälte, Geschlechtsverkehr und Pilgerfahrten) nur am Anfang (Adi) der Übungspraxis (Abhyasa) gänzlich zu meiden sind (tāsām varjanam). Wenn die Übungspraxis bereits fortgeschritten bzw. „erfolgreich“ (Siddha) ist, sind diese Dinge wieder – „manchmal“ (kadā-cit), also bei passender Gelegenheit und im richtigen Maße – erlaubt: tāsām varjanam ādāv abhyāsa-kāle siddhe ‚bhyāse tu kadā-cit.

 

Svatmarama geht weiter und beschreibt, was man noch vermeiden sollte. Wir befinden uns im 62. Vers nach der Verszählung.

Der Yogi sollte allgemein danach trachten, unvorteilhafte Nahrung zu vermeiden. Dazu gehört Essen, das schon einmal gekocht wurde, dann kalt geworden und wieder erhitzt worden ist. Essen mit einem Übermaß an Salz und Säure sollte vermieden werden. Unverdauliches ist nicht zu empfehlen. Nahrung, in der die Blätter der hölzernen Quassia untergemischt sind, gilt es zu vermeiden. Im Sanskrit ist der Quassia unter dem Namen Tikta, bzw. Jvaraghni, bekannt. Quassia als Arzneimittel ist ein traditionelles Mittel gegen Malaria, Fieber, Anämie, Darmparasiten, Gallenbeschwerden, Leber- und Verdauungsbeschwerden. Sie gehört zur Pflanze der Bittereschengewächse und hat eine appetitanregende, tonisierende, magenschützende und verdauungsfördernde Wirkung.

Das ist aus seiner weiteren Beschreibung in der Hatha Yoga Pradipika oder der Ausgabe, der Swami Vishnu folgt, zu entnehmen. Essen, das schon einmal gekocht, wieder kalt geworden und wieder erhitzt worden ist, spielt auch im Ayurveda eine gewisse Rolle.

Man muss wissen, daß es zu Lebzeiten Svatmaramas noch keine Kühlschränke gab. In Indien kann es im Sommer 40 oder 45 Grad heiß werden. In manchen Teilen Indiens bleibt es nachts über 30 Grad. Wenn man Essen erhitzt, das über Nacht stehen lässt und es am nächsten Tag wieder erwärmt, ist es inzwischen vergoren. Man kann zwar durch das Erhitzen manches wieder töten, aber sattwig ist das nicht. Wir im Westen haben Kühlschränke. In Indien habe viele Menschen mittlerweile auch eine Kühlmöglichkeit, um Nahrung über Nacht dort zu lagern. Am anderen Tag kann es wieder aufbereitet werden. So wird es verwertet und keine Reste bleiben übrig. Die Nahrung weg zuwerfen, nur weil nicht alles gegessen werden konnte, ist nicht ökologisch. Wenn du für dich selbst kochst, achte auf ein Maß an Essen, damit keine Verschwendung erfolgt. Bereite nach Möglichkeit nur Portionen zu, die auch gegessen werden, um eine Verschwendung zu vermeiden.

Bei der salzigen und sauren Nahrung wiederholt er sich. Es ist eine Art Generalaussage: Alles was unverdaulich ist. In diesem Bezug wird Kadashana eingebracht, dies bedeutet alles, was schlecht ist. Zu Kadashana können überlagerte Speisen hinzu gezählt werden. Dies bedeutet, eine geschickte Nahrungsaufbereitung von bereits verdorbener Nahrung durch Würze. Dann mag sie schmecken, aber ungesund ist sie trotzdem. Empfehlenswert ist dies nicht.

In der Übersetzung von Swami Vishnu steht, dass es nicht angebracht ist, die Blätter der hölzernen Quassia mit unter zu mischen. In einer anderen Übersetzung heißt es einfacher: dass zu viele unterschiedliche Bestandteile in der Nahrung nicht vorteilhaft sind. Dies ist shaka utkata, ein zu viel an Zutaten in der Nahrung.

Man kann demnach sagen: Zu viele verschiedene Nahrungsmittel in einer Mahlzeit sind nicht gut. Swami Sivananda betont: Man soll in einer Mahlzeit nicht zu viele verschiedene Bestandteile haben, welches die Verdauung erschwert.

Langfristig gesehen ist es gut, eine große Bandbreite von Speisen zu haben. Dies bezieht sich auf eine Abwechslung an Nahrung im Laufe des Jahres. Dazu zählen verschiedene Gemüsesorten, Salate, Getreide und  Hülsenfrüchte. Im Jahreskreislauf sind zudem immer andere Gemüse und Obstsorten aktuell. Du erhältst somit eine große Bandbreite an Nahrung und entwickelst nicht so schnell Unverträglichkeiten und Allergien.

Es gibt viele Menschen, die heutzutage z.B. eine Weizenallergie haben und damit eine Glutenunverträglichkeit. Andere entwickeln eine Unverträglichkeit von Soja. Die Ursache dieser Unverträglichkeiten beruht oft auf den täglichen Verzehr von Weizenprodukten. Das kann im Körper irgendwann dazu führen, dass er eine Unverträglichkeit entwickelt. Bei einer vermehrten Sojaaufnahme, kann es ebenso zu einer Unverträglichkeit kommen. Es ist ratsam, die Nahrungsmittel öfters auszutauschen und einen Wechsel vornehmen.

Innerhalb einer Mahlzeit ist es wichtig, nicht zu viel verschiedene Nahrungsmittel zu sich zu nehmen.

Svatmarama beschäftigt sich in den folgenden Versen noch einmal mit der Nahrung. Im nächsten Vers, der wie dazwischen geschoben erscheint, ist davon keine Rede. Erst wieder in den darauf folgenden zwei Versen. Der einzelne Vers dazwischen könnte uns sagen, dass man sich nicht mit der Ernährung zu sehr beschäftigen sollte. Ernährung stellt einen Faktor von vielen dar. Ernährung ist wichtig, aber nicht über zu bewerten.

Mehr zum Thema yogische Ernährung, vielleicht praxisnäher an unsere westlichen Gegebenheiten angepasst, findest du auf unserer Internetseite www.yoga-vidya.de. Unter dem Stichwort „Ernährung“ oder „Yoga Ernährung“ bekommst du praxisbezogene Tipps zu einer guten Ernährungsform. Wir haben zudem ein Yoga Kochbuch veröffentlicht, welches tolle yogische Rezepte beinhaltet. Diese Rezepte sind gesund, energetisierend, gut für den Körper und die Psyche und sehr förderlich für die Pranayamapraxis. Zudem sind sie zu 100% yogisch.

 

  1. Vers

वह्निस्त्रीपथिसेवानाम् आदौ वर्जनम् आचरेत् ॥६३॥

vahni-strī-pathi-sevānām ādau varjanam ācaret

vahni : Feuer; strī : Frauen; pathi : Wegen (in Form von langen Fußmärschen oder Pilgerfahrten); sevānām : das (gewohnheitsmäßige) Aufsuchen (von); ādau* : zuerst, am Anfang; varjanam : (das) Vermeiden; ācaret : er soll beginnen, üben

[Der Yogi] sollte sich im Fernhalten von Feuer, Frauen, Herumvagabundieren und ähnlichem üben.

Dies sollte von einem Yogi vermieden werden

 

  1. Vers

तथा हि गोरक्षवचनम्
वर्जयेद् दुर्जनप्रान्तं वह्निस्त्रीपथिसेवनम्
प्रातःस्नानोपवासादि कायक्लेशविधिं तथा ॥६४॥

tathā hi gorakṣa-vacanam-
varjayed durjana-prāntaṁ vahni-strī-pathi-sevanam… prātaḥ-snānopavāsādi kāya-kleśa-vidhiṁ tathā

tathā : ebenso, genau so; hi : denn; gorakṣa : (von) Goraksha; vacanam : (lautet der) Ausspruch; varjayet : man vermeide; dur-jana : (von) schlechten Menschen; prāntaṁ : (die) Nähe; vahni : Feuer; strī : Frauen; pathi : Wegen (in Form von langen Fußmärschen oder Pilgerfahrten); sevanam : das (gewohnheitsmäßige) Aufsuchen (von); prātar : am frühen Morgen; snāna : (das) Baden; upavāsa : Fasten; ādi : usw., und ähnliches („zum Anfang habend“); kāya : (des) Körpers; kleśa : Schmerzen, Beschwerden; vidhiṁ : Handlung(en), Verrichtung(en mit daraus resultierenden); tathā : und, ebenso, desgleichen

In den Worten von Goraksha [klingt] dieses: Vermeide schlechte Gesellschaft, Nähe zum Feuer, Frauen, Herumvagabundieren, | morgendliche Waschungen, Fastenkuren und ähnliches. Diese Aktivitäten [bringen] Krankheit in den Körper.

 

Svatmarama schreibt:

Goraksha sagt, dass man am Anfang der intensiven Hatha Yoga Praxis folgendes vermeiden sollte: Schlechte Gesellschaft, Feuer, geschlechtliche Beziehungen, lange Reisen, baden früh am Morgen im kalten Wasser, fasten und harte körperliche Arbeit.

Dieser Vers kann auf verschiedene Weisen interpretiert werden. Zudem kann die Bedeutung dieser Worte unterschiedlich gesehen werden.

Zu vermeiden sind Stri, Pathi Sevana und Vahni. Diese sollen aufgegeben werden.

Vahni heißt hier Feuer. Mit Stri sind Frauen gemeint und als drittes werden lange Fußmärsche genannt, die man als ein Vagabundieren bezeichnen kann.

Zum Feuer könnte man sagen:

Wenn du intensive Hatha Yoga Praxis üben willst, sind keine Saunabesuche in dieser Zeit vorteilhaft und angebracht. Normalerweise ist Saunieren etwas sehr gesundes. In unseren Yoga Vidya Asharams sind Saunabesuche eine beliebte Freizeitaktivität von Seminarteilnehmern, die längere Zeit bei uns sind. Wir haben bestimmte Reinigungskuren, wo ein Saunabesuch dazugehört. Bei manchen Ayurveda-Kuren gehört Svedana, das sind Dampfbäder dazu. Bei Panchakarma-Kuren oder bei manchen Ama-Kuren werden Saunagänge mit eingeschlossen. Bei intensiver Hatha Yoga Praxis, im Sinne von viel Pranayama, ist es besser, auf Sauna und anderweitige Verfahren dieser Art zu verzichten.

Wenn hier steht: verzichten auf Stri, auf Frauen, heißt es: Geschlechtliche Beziehungen sind kontraindiziert, wenn du intensiv Pranayama übst.

Bei zwei oder vier Wochen ganz intensiver spiritueller Praxis, solltest du keine geschlechtlichen Beziehungen haben. Wenn hier einfach nur der Begriff „Stri“ steht, ist damit umfassend gemeint, keinen Geschlechtsverkehr in dieser Zeit zu haben.

Weiterhin sollten keine langen Fußmärsche gemacht werden, da lange Fußmärsche zur Ermüdung führen. Eine halbe Stunde spazieren gehen am Tag ist gut, vielleicht zwei mal eine halbe Stunde, aber keine stundenlange Wanderungen sind in dieser Zeit von Vorteil.

Mönche, besonders die Wandermönche, haben solche Märsche oft mit ihrer Praxis kombiniert. Sie sind durch die Gegend gereist und haben gebetet. Bei intensiver Hatha Yoga Praxis solltest du an einem Ort bleiben und nicht jeden Tag woanders hingehen. Wanderungen sind nicht angebracht.

Im Vers steht: man soll Durjana vermeiden. Durjana ist allgemein die Gesellschaft von schlechten Menschen, Durjana Pranta. Dura heißt ungeeignet oder schlecht.

Wenn du intensiv Hatha Yoga übst, ist es klug, mit den Menschen zusammen zu sein, die selbst spirituell sind. Es ist eine erhebliche Erleichterung, wenn du für deine intensive Praxis in einem Ashram bist, wo Menschen aufeinandertreffen, die spirituell sind. Es ist nicht klug an Orte zu gehen, wo Fleisch verkauft wird oder in Restaurants oder wo Menschen sind, denen es hauptsächlich um Wirtschaft und Geld geht. Wenn du eine Zeit sehr intensiv praktizieren willst, dann ist es klug, an einem spirituellen Ort zu sein und nicht dort zu sein, wo weltliche Menschen sind.

Man soll Pranta und Vahni, die Nähe des Feuers vermeiden. Im alten Indien gab es eine bestimmte Form von Tapas, das ist die sogenannte, Panchagni Tapas, die fünf Feuer.

Du hast ein Feuer links, rechts, vorn und hinten. Zudem bist du in der prallen Sonne. Dies ist eine intensive Form von Askese.

Es gilt zu vermeiden. Wie bereits erwähnt, sind Saunabesuche während einer intensiven Hatha Yoga Praxis nicht angesagt.

Eine weitere Interpretation dieses Verses ist folgende Aussage: Im alten Indien hat der Yogi selbst seine Nahrung zubereitet. Es kann als ein Hinweis betrachtet werden, dass man bei intensiver Hatha Yoga Praxis Rohkost zu sich nehmen sollte. Nahrung zu kochen, wenn du nicht in der Nähe des Feuers sein darfst, gestaltet sich als schwierig heraus. Das funktioniert nicht. Die Deutung steht darin, dass bei intensiver Hatha Yoga Praxis Rohkost hilfreich ist, weil man keine gekochte Nahrung zu sich nehmen sollte.

Im nächsten Vers kommt erneut „Stri“ zum Einsatz. In diesem Sinne bedeutet bezieht sich das Wort auf Frauen.  Es spielt keine Rolle, ob du heterosexuell oder homosexuell bist. Im Allgemeinen sind zu Anfang intensiver Praxis geschlechtliche Beziehungen zu vermeiden.

Auf Pathi Sevana, die langen Fußmärsche, wird an dieser Stelle erneut hingewiesen. Das wurde bereits zuvor erwähnt.

Pratar Snana sollte nicht durchgeführt werden. Es ist das Baden am frühen Morgen in kalten Flüssen. Im alten Indien gab es kein gewärmtes Wasser. Wenn du intensive Hatha Yoga Praxis übst, ist es gut, den Körper nicht zu überfordern. Dazu zählen keine kalten Bäder. Obgleich Swami Sivananda das sehr empfohlen hat. Er schreibt, kalte Bäder am frühen Morgen sind für die Gesundheit von Vorteil. Der Pfarrer Kneipp war ebenfalls der Meinung und hat diese Empfehlung ausgesprochen.

Wenn du intensiv Hatha Yoga praktiziert, dann sind weder Sauna noch kalte Bäder gut. Du forderst deinen Körper bei einer sehr intensiven Hatha Yoga Praxis, wie sie im 2. Kapitel beschrieben wird, genug. Besonders bei einem intensiven Üben von 4 mal am Tag Pranayama, 2 mal am Tag Asanas und 2 mal tägliche Meditation. Eventuell wird bei einer besonders intensiven Praxis die Meditation sogar alle 2 Stunden durchgeführt. Wenn du schon sehr intensiv in deiner Praxis bist, ist es ratsam auf diese zuvor genannten Dinge zu verzichten.

In dieser Zeit des intensiven Praktizierens ist Upavasa, das Fasten, nicht angesagt. Wenn du erstmals ganz intensiv Hatha Yoga übst, dann solltest du auf Fasten (Adi) und auf alles andere verzichten, was zu Kaya, Klesha und Vidhi führt. Das Fasten ist eine Handlung, die zu Schmerzen des Körpers führt. Übe zudem keine Asanas, die zu Schmerzen des Körpers führen können. In dem Kommentar der Übersetzung, der Swami Vishnu folgt, wird die intensive Praxis als harte körperliche Arbeit übersetzt. Mache nichts, was zu körperlichen Schmerzen führt. Diese Aussage ist ein Hinweis, keinen Sport zu machen währenddessen. Es ist nicht ratsam, einen Sport zu auszuüben, der sehr fordernd ist, dass du Muskelkater bekommen könntest.

Übe während intensiver Hatha Yoga Praxis keine intensiven Handlungen, die dazu beitragen, dass du weniger bei Kräften bist. Vermeide Übungen, die dich zu sehr beanspruchen und fordern, dass du nachher kaputt bist.

Verzichte auf alle Arten von Tapas, die zu Schmerzen führen. Tapas hat verschiedenen Bedeutungen. Tapas heißt zum einen die spirituelle Praxis. Eine weitere Deutung von Tapas ist die Bemühung. Tapas heißt, bewusst etwas zu tun, was du nicht magst. Tapas hat auch die Bedeutung einer Kasteiung. Es besteht eine Ähnlichkeit dieser Bedeutung mit den Kasteiungen im christlichen Mittelalter. Dort gehörten das Tragen eines Dornengürtels oder das Laufen mit Erbsen in den Schuhe, gegenseitige Auspeitschungen und das Tragen von bestimmten Gewandungen zu einer Kasteiung. Es wird die Geistlerbewegung genannt. Ähnlich war es im alten Indien, wo sich Menschen, als Teil einer spirituellen Praxis, selbst Schmerzen zugeführt haben.

Krishna wehrt sich dagegen und sagt, man sollte seinen Körper nicht quälen. Der Körper ist der Tempel Gottes. Wer seinen Körper quält, der quält Gott. Svatmarama sagt in diesem Bezug pauschal: „Übe nichts, mache nichts, womit du dem Körper überflüssigerweise Schmerzen zufügst.“

Du kannst selbst deine eigenen Weisen und Handlungen überdenken, wenn du dich in einer sehr intensiven spirituellen Praxis befindest, in der du vier bis vierzehn Stunden Hatha Yoga, einschließlich Pranayama am Tag übst. Wenn du diese Praxis zu deinem Vorhaben machen willst, stelle dir die Frage:

Hast du all diese Hinweise und Ratschläge bedacht?

Vermutlich bist du jemand, der nicht mindestens vier Stunden am Tag Hatha Yoga übt. Dann solltest du deinen gesunden Menschenverstand nutzen und deinem Körper nicht überflüssigerweise Schmerzen zu führen. Übe ein harmonisches spirituelles Leben.

Als normaler Aspirant, der einen Beruf ausführt und im Familienleben integriert ist, kann man natürlich Sexualität haben. Du gehst weiterhin deinen normalen Beruf nach und bist im normalen Kontakt mit anderen Menschen.

Ein Saunabesuch und kalt duschen ist weiterhin gesund und zu empfehlen. Fasten, sportliche Betätigung und körperliche Belastungen auf sich zu nehmen, können ohne Bedenken weiterhin erfolgen und sind gut.

Für eine intensive Hatha Yoga Praxis gilt es allerdings, diese Sachen zu beachten. Bei einer Teilnahme eines Sadhana-Intensiv Seminars über zwei Wochen, wo du 4 mal am Tag zum Praktizieren von Pranayama, 2 mal am Tag zu Asanas, 6 mal am Tag zur Meditation angeleitet wirst, weise ich besonders darauf hin, auf diesen Vers zu achten.

 

______

Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

सुस्निग्धमधुराहारश्चतुर्थांशविवर्जितः
भुज्यते शिवसम्प्रीत्यै मिताहारः उच्यते ॥६०

susnigdha-madhurāhāraś caturthāṁśa-vivarjitaḥ… bhujyate śiva-samprītyai mitāhāraḥ sa ucyate

su-snigdha : schön mild, weich, feucht, im Ayurveda bedeutet snighda ölig, fetthaltig); madhura : (und) süß; āhāraḥ : Nahrung; caturtha* : (wobei der) vierte; aṁśa* : Teil; vivarjitaḥ : (des Magens) frei, leer (bleibt); bhujyate : (die) gegessen wird; śiva : Shiva; samprītyai : zur Freude (von), für die Befriedigung (von), aus Liebe (zu); mita-āhāraḥ : maßvolle Ernährung („Nahrung“); saḥ : das, dies; ucyate : wird genannt

Bekömmliche, süße Nahrung, [bei der] ein Viertel [des Magens] leer [bleibt], | [und die] achtsam verzehrt wird, das wird moderate Ernährung (Mitahara) genannt.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda zitiert einen Vers, der besagt, dass zwei Teile (des Magens) mit fester Nahrung (Anna) gefüllt werden sollen, ein Teil mit Wasser (Toya), und der vierte Teil soll für die Luft bzw. die „Bewegungen des Windes“ (Vayu) frei bleiben.

Svatmarama schreibt:

„Eine maßvolle Ernährung bedeutet, eine wohlschmeckende und süße Nahrung zu sich zu nehmen, ein Viertel des Magens frei zu lassen und die Handlung Shiva zu opfern.“

Von diesem Vers gibt es wieder verschiedene Kommentare. Es heißt zum einen, dass die Nahrung maßvoll sein soll sein, „susnigdha“. 

Im Ayurveda spricht man unter diesem Aspekt von einer etwas fetthaltigen Nahrung. Die Konsistenz ist weich, feucht und mild. In einem anderen Kontext heißt „su“, einfach „gut“ und „snigdha“ kann man übersetzen mit „schmeckend“. „Susnigdha“ ist wohlschmeckend.

Bei aller Entsagung soll die Nahrung gut schmecken. Weiter geht es mit dem Wort „Madhura“. Dies bezieht sich auf eine süße Nahrung. Bevor du jetzt anfängst, dir jede Menge Schokolade einzuverleiben, muss man dazu sagen, wenn Svatmarama von süß spricht, dann meint er tatsächlich dies eher vom Ayurvedagesichtpunkt her.

Im Ayurveda gibt es verschiedene Geschmacksrichtungen. Eine der Geschmacksrichtung ist süß. Normalerweise würde man sagen, man sollte alle Geschmacksrichtungen in einer Mahlzeit oder über den Tag verteilt haben. Im Hatha-Yoga wird insbesondere die süße Geschmacksrichtung besonders bevorzugt. Mit süß sind keine Süßigkeiten gemeint. Man geht nicht vom modernen Industriezucker usw. aus. Das wird man eher als rajassig einordnen, als unruhig machend.

Sattwig bedeutet in dieser Hinsicht die Süße des Obstes oder das etwas süßlich schmeckende Getreide, wenn du es ausreichend kaust. Dazu zählen auch bestimmte Gemüse- und Salatsorten. Die sind alle eher süßlich. Im Hatha Yoga würde man dir empfehlen, nicht zu scharfe, nicht zu salzige, nicht zu bittere und nicht zu saure Nahrung zu dir zu nehmen. Die süße Geschmacksrichtung ist für die Zeit der intensiven Asana- und Pranayama-Praxis hilfreicher als die anderen.

Bei bestimmten Beschwerden, wenn zu viel Kapha besteht, solltest du die süße Geschmacksrichtung eher meiden. In diesem Fall geht die Nahrung eher in Richtung scharf. Dies ist allerdings ein anderes Thema.

Svatmarama geht davon aus, dass der Hatha Yoga Pradipika Leser sich etwas im Ayurveda auskennt. Er ist  des Wissens, dass damit bestimmte Nahrungsmittel gemeint sind, die man essen sollte und die diese ayurvedische Qualität von susnigdha und madhura miteinander verbinden.

Wenn du es dir einfach machen willst, schaue nach, was sattwige Ernährung im Yoga heißt. Gehe aber dabei etwas eher in Richtung süß und weniger in salzig, sauer, bitter oder scharf.

Dann sagt er, dass ein Viertel des Magens freigelassen werden soll. Man sollte nicht zu viel essen. Die allgemeine yogische Regel ist, den Magen zur Hälfte mit fester Nahrung zu füllen. Ein Viertel sollte der Magen mit Flüssigkeit gefüllt sein und ein Viertel sollte frei gelassen werden. Die Hälfte an fester Nahrung bedeutet in etwa den Inhalt, was in zwei hohle Hände hineingeht. Wenn du die Hände aneinander gibst, ist der Inhalt das, was das Volumen des Magens wäre. Die Menge der festen Nahrung, die du essen solltest, ist die, die du auf die flachen Hände geben könntest. Ein 0,25 Liter Glas warmes Wasser vor oder nach dem Essen wäre der flüssige Viertel Anteil. Der restliche Teil wird frei gelassen. Diese Aufteilung ist gesünder, sowohl für den physischen Körper als auch für die Psyche.

Die Psyche wird erhoben durch die Auswahl der Nahrung und die Menge. Für die Praxis des Yoga ist es hilfreich. 

Swami Sivananda sagt zum Beispiel an einer Stelle: „Iss immer nur soviel, dass du ein klein wenig hungrig bleibst. Das ist besonders gesund.“

Dann heißt es, man soll es dem Shiva widmen. Die Erläuterung dazu ist, widme deine Taten Shiva, bedeutet: Spreche zu Gott und widme es anschließend Gott. Es ist nicht nur wichtig, was du isst, sondern wie du es isst. Es ist gut, vor dem Essen und nach dem Essen ein Gebet zu sprechen und beim Essen dankbar zu sein.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

आसनं कुम्भकं चित्रं मुद्राख्यं करणं तथा
अथ नादानुसन्धानम् अभ्यासानुक्रमो हठे ॥५८॥

āsanaṁ kumbhakaṁ citraṁ mudrākhyaṁ karaṇaṁ tathā… atha nādānusandhānam abhyāsānukramo haṭhe

āsanaṁ : Körperstellung(en); kumbhakaṁ : Atemverhaltung(en); citraṁ : (die) verschieden(en); mudrā : Mudra  („Siegel“); ākhyaṁ : genannt, mit Namen; karaṇaṁ : (die) Stellung(en); tathā : und, ebenso, desgleichen; atha : und, auch; nāda : (auf den inneren, „unangeschlagenen“) Klang, Ton; anusandhānam : (das) Richten der Aufmerksamkeit, Konzentration; abhyāsa : (der) Übung(en), Praxis; anukramaḥ : (so lautet die) Reihenfolge, Abfolge; haṭhe : im Hatha(-Yoga)

Asana, Variationen von Kumbhaka [und] Übung von Mudra [heißen] diese Techniken. | Dann kommt Konzentration auf den Klang. Das [ist] die Abfolge der Praxis im Hatha-Yoga.

 

  1. Vers

ब्रह्मचारी मिताहारी त्यागी योगपरायणः
अब्दादूर्ध्वं भवेत्सिद्धो नात्र कार्या विचारणा ॥५९॥

brahmachari mitahari tyagi yoga parayanah… abdad urdhvam bhavet siddho natra karya vicharana

brahma-cārī : (einer, der) Enthaltsamkeit pflegt („im Brahman wandelt“); mita-āhārī : (wer) maßvoll isst (“wessen Nahrung maßvoll ist”); tyāgī* : (der) Entsagung, Verzicht (übt), freigebig ist; yoga : (der) Yoga (ist); para-ayaṇaḥ : (dessen) höchstes Ziel, Hauptzweck; abdāt : (einem) Jahr; ūrdhvaṁ : nach; bhavet : er wird, ist; siddhaḥ : (ein) Vollkommener; na : nicht; atra : hierüber; kāryā : ist angebracht („ist zu tun“); vicāraṇā : (ein) Zweifeln („Bedenken“)

Jemand der im Bewusstsein des Absoluten wandelt (Brahma-Chari), sich nach dem rechten Maß ernährt (Mitahari), zurückgezogen lebt (Tyagi) und sich dem Yoga ganz hingegeben hat, | der wird nach einem Jahr ein erleuchtetes Wesen (Siddhi). [Darüber gibt es] keinen Grund für Zweifel.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda gibt die folgenden beiden Bedeutungen von Tyagin an: ein „Entsagender“ (tyāgī) ist einer, der freigebig ist – „dessen Gewohnheit (Shila) das Geben (Dana) ist“ – oder (vā) einer, der (die Anhaftung an alle) Sinnesobjekte (Vishaya) aufgegeben hat (tyāgī dāna-śīlo viṣaya-parityāgī vā).

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 73 behandelt.

 

Wie sollte man Asanas üben und wie lange sollte die Asanapraxis andauern?

Svatmarama schreibt: Der Yogi sollte unermüdlich diese Asanas praktizieren, bis er keine Schmerzen und keine Erschöpfung mehr fühlt.

Darauf gibt er folgende Antworten: Der Yogi sollte üben, bis keine Schmerzen und keine Erschöpfung mehr zu spüren sind.

Eine andere Übersetzung dieses Verses ist: Auf diese Weise sollten die Besten der Yogis ihre Müdigkeit durch die Praxis von Asanas und Bandha besänftigen.

 

Wozu dienen die Asanas laut Svatmarama?

Mit Asanas können wir zum einen Krankheiten und Schmerzen überwinden und zum anderen Müdigkeit entgegenwirken. Tatsächlich üben die meisten Menschen auf der Welt Asanas aus eigentlich drei Gründen.

  1. Um körperliche Probleme zu beseitigen üben Menschen Asanas. Es gibt zahlreiche empirische Studien, die zeigen, Hatha Yoga hilft gegen Bluthochdruck, Rückenprobleme, Gelenkprobleme, Schmerzempfindlichkeit und viele weitere Erkrankungen.

Auf unseren Internetseiten kannst du weitere Informationen unter diesem Gesichtspunkt finden, wenn du  bei „wissenschaftlichen Studien und Yoga“ nachschaust. Da sind hunderte von Studien, die zeigen, dass Yoga sehr gut gegen körperliche Beschwerden ist. Yoga hilft gegen alle Arten von körperlichen Beschwerden.

  1. Ein weitere Grund, weshalb Menschen Hatha Yoga üben ist, um mehr Energie zu spüren. Wenn du nicht genügend Energie hast, übe die Asanas. Die Asanas geben neue Energie. Somit entsteht eine neue Positivität des Geistes.
  2. Menschen üben Asanas um eine Gelassenheit des Geistes zu erfahren und zur Konzentration. Auf diesen Aspekt geht Svatmarama an einer anderen Stelle ein.

Man sollte Asanas üben, um weniger Krankheiten, weniger Schmerzen und mehr Energie zu haben. Asanas können eine große Hilfestellung dabei sein.

Dann sagt er: Der Yogi sollte seine Nadis mit der Durchführung von Pranayama reinigen. Zudem sollten Mudras und Kumbhakas verschiedenster Art praktizieren werden.

Hier beschreibt Svatmarama das Vorgehen, wenn wir Hatha Yoga als Hauptübungsweg nehmen. Zunächst spielen die Asanas eine Rolle, um körperliche Beschwerden zu beseitigen. Weiterhin wird Müdigkeit aufgehoben und Tamas wird überwunden.

Shrama steht in diesem Vers für Müdigkeit. Shrama hat verschiedene Bedeutungen. In diesem Fall heißt es hier: Ermüdung und Erschöpfung.

Im weiteren Sinn kann man sagen: alles Tamassige, Träge und auch die Depressivität kann überwunden werden mit Asanas.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der darauf folgen muss ist das Voranschreiten. Es ist wichtig weiter zu gehen. Im Hatha Yoga geht es nicht nur um Asanas. Ein ständiges Vorwärtsgehen gehört auch dazu.

Svatmarama geht darauf direkt nach den Asanas ein. Er will mit dieser Aussage nicht bis zum zweiten Kapitel warten, wo die Pranayamas ausführlicher beschrieben werden, um zu vermeiden, dass Menschen sich nur auf Asanas beschränken.

Er sagt, wir sollten im Anschluss Pranayama üben, Atemübungen machen.

Pranayama bedeutet insbesondere das Üben von Kumbhaka. Kumbhaka heißt wörtlich „Luft anhalten“. Für die Pranayamas ist das Luft anhalten von besonderer Wichtigkeit.

Dann gibt es die Mudras, die helfen, um Prana zu lenken. Das dritte Kapitel beschäftigt sich hauptsächlich  mit dem Thema der Mudras.

Im Grunde genommen kann man sagen, diese Verse beschreiben, welchen Inhalt der Leser in den folgenden Kapitel erwartet. Es wird die Fortsetzung beschrieben, wie es weiter geht in den nächsten Kapiteln.

Das zweite Kapitel beschreibt Pranayama, das dritte die Mudras. Als Nächstes folgt in einem Lehrgang des Yoga die Konzentration auf Nada, die Klänge. Wenn man Hatha Yoga übt, werden erst Asanas geübt, dann kommt Pranayama und es folgt die Meditation.

Er schreibt hier: Jetzt geht es um die verschiedenen Konzentrationsformen. Er sagt, man soll sich auf „nādānusandhāna“ konzentrieren. Es ist die Konzentration auf den inneren Klang. Man könnte davon ausgehen, dass die Meditationstechniken nun in der Folge zum Tragen kommen. Diese werden aber im vierten Kapitel beschrieben.

Svatmarama schreibt weiter: „Der Brahmachari, der im Führen eines keuchen Lebens und Einhalten der maßvollen Ernährung, diesen Yoga praktiziert und die Früchte seiner Taten zurückweist, wird in wenig mehr als einem Jahr ein Siddha, ein Vollkommener. Darüber gibt es keinen Zweifel.“

Zunächst hat er erst über Asana, Pranayama und Meditation geschrieben. Nun kommt der Brahmachari hinzu. Brahmachari kann mehrere Bedeutungen haben:

  1. Brahmachari heißt zum einen wörtlich, derjenige der wandelt (achari), in Brahman. Brahmachari, derjenige der in Brahman wandelt oder derjenige, der sein ganzes Leben der Erfahrung des Göttlichen widmet.
  2. Brahmachari wird auch übersetzt als der Enthaltsame. Manchmal wird der sexuell Enthaltsame darin verstanden.

Nach Brahmachari kommt Mitahari. Das ist derjenige, dessen Nahrung gemäßigt ist. Zum Hatha Yoga gehören besondere Ernährungsregeln.

Als nächstes folgt der Tyagi.  Tyagi: „der die Früchte seiner Handlungen zurückweist“. Hier könnte man sagen, dass man ein entsagtes Leben führt. Dies könnte ebenfalls die Aussage von Svatmarama sein.

Wenn du Vollkommenheit erreichen willst , sei regelmäßig im Üben von Asanas, Pranayama und Meditation. Richte dein Leben auf Brahman aus, folge einer yogischen Ernährung und löse dich von allen Wünschen, übe Vairagya (Verhaftungslosigkeit). 

Dann sagt er: „Yoga parayana“. Mache Yoga zu deinem höchsten Ziel. Widme dich hingebend deinem Ziel mit ganzem Eifer. Du musst Yoga zu deinem höchsten Ziel machen, wenn du die Erleuchtung erlangen willst. Es reicht nicht aus sein Hauptziel auf Familie, Partnerschaft und vielleicht Erfolg im Beruf, einen schönen Garten und gute Rente zu beschränken. 

Dein Hauptziel sollte darin bestehen Yoga zu praktizieren und damit die Einheit.

Manchmal wird dies nur übersetzt: „Der, der dem Yoga ganz hingegeben ist oder der, der Yoga praktiziert.“ Dann sagt er, dann wird man nach einem Jahr oder wenig mehr als einem Jahr zu einem Siddha, zu einem Vollkommenen. Damit ist die Vollkommenheit zu erreichen. 

Weil dieser Ausdruck gebraucht wird, bestehen Zweifel. Er sagt dazu: „natra karya vicharana“: darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel und kein Bedenken. Die Kernaussage ist, dein Leben mit Asanas, Pranayama und Meditation zu beinhalten. Richte dein Leben auf Brahman aus, achte auf deine Ernährung, löse dich von allen Verhaftungen, übe Entsagung und du wirst zum Vollkommenen.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

अथ भद्रासनम्
गुल्फौ वृषणस्याधः सीवन्याः पार्श्वयोः क्षिप्ते
सव्यगुल्फं तथा सव्ये दक्षगुल्फं तु दक्षिणे ॥५५॥

atha bhadrāsanam-
gulphau ca vṛṣaṇasyādhaḥ sīvanyāḥ pārśvayoḥ kṣipet… savya-gulphaṁ tathā savye dakṣa-gulphaṁ tu dakṣiṇe

pārśva-pādau : die beiden (an den) Seiten (des Dammes befindlichen) Füße; ca : und; pāṇibhyāṁ : mit beiden Händen; dṛḍhaṁ : fest; baddhvā : verbindend, einschließend, umschließend; su-niścalam : völlig bewegungslos, ganz unbeweglich; bhadra-āsanaṁ : (die) glücksverheißende Stellung; bhavet : ist („sei“); etad : das, diese (Stellung); sarva : alle, sämtliche; vyādhi : Krankheit(en); vināśanam : (sie) vertreibt; gorakṣa-āsanam : (die) Sitzhaltung (des) Goraksha („Kuhhirtenstellung“); iti : so; āhuḥ : nennen; idaṁ : sie („das“); vai : wahrlich, bekanntlich; siddha : (die) vollkommenen; yoginaḥ : Yogis

Nun die Glücksverheißende Position (Bhadrasana): Die Knöchel werden unterhalb des Scrotums an beiden Seiten des Beckenbodens platziert. Der linke Knöchel auf die linke Seite, analog das rechte Knöchel auf die rechte Seite.

 

Svatmarama schreibt:

„Als nächstes die Bhadrasana. Lege die Knöchel über die Seiten der Sivni (den Teil zwischen Anus und Hodensack, den Damm, oder rechts und links neben die Scheide), den rechten Knöchel auf die rechte Seite und den linken auf die linke Seite. Dann verbinde die Oberschenkel, indem du deine Hände um sie windest. Das ist Bhadrasana und zerstört alle Krankheiten. Die Siddhas und die Yogis nennen dies Gorakshasana. Der Yogi sollte unermüdlich all diese Asanas praktizieren, bis er keine Schmerzen oder Erschöpfung fühlt.“

 

Bedeutung

Bhadra bedeutet gut und glücksverheißend. Der Begriff ist von der Stellung Vira Bhadrasana bekannt. Vira heißt Held und Vira Bhadra ist der gute Held oder der glücksverheißende Held. Leider wird die Stellung oft als Kriegerstellung bezeichnet. Vira heißt nicht Krieger, sondern Held. Bhadrasana ist demnach die glücksverheißende Stellung.

 

  1. Vers

 

अथ भद्रासनम्
गुल्फौ वृषणस्याधः सीवन्याः पार्श्वयोः क्षिप्ते
सव्यगुल्फं तथा सव्ये दक्षगुल्फं तु दक्षिणे ॥५५॥

atha bhadrāsanam-
gulphau ca vṛṣaṇasyādhaḥ sīvanyāḥ pārśvayoḥ kṣipet… savya-gulphaṁ tathā savye dakṣa-gulphaṁ tu dakṣiṇe

atha : nun (folgt); bhadra-āsanam : (die) glücksverheißende Stellung; gulphau : beide Knöchel; ca : und, aber; vṛṣaṇasya : (des) Hodensack(s); adhaḥ : unterhalb; sīvanyāḥ : des Dammes (Perineums); pārśvayoḥ : zu beiden Seiten; kṣipet : man lege; savya : (den) linken; gulphaṁ : Knöchel; tathā : und, ebenso; savye : an die linke (Seite); dakṣa : (den) rechten; gulphaṁ : Knöchel; tu : jedoch; dakṣiṇe : an die rechte (Seite)

Die Seiten der Füße werden mit beiden Händen fest und unbeweglich gehalten. | Dieses ist Bhadrasana und es zerstört alle Krankheiten. | Die erleuchteten Yogis sagen, dass dies gewisslich die Position von Goraksha (Gorakshasana) ist.

 

Aufbau der Asana

Eventuell kennst du Bhadrasana als Schmetterling. Dafür gibst du die Fersen und Fußsohlen zusammen, die Knie sind nach außen gerichtet. Mit den Ellbogen kannst du zusätzlich die Oberschenkel nach unten drücken. Dies ist die einfache Version.

Fortgeschritten kannst du die Hände auf die Knie geben und sie nach unten drücken. Wenn du die Ellbogen dabei zusätzlich nach oben streckst, kannst du damit die Wirbelsäule aufrichten. Wenn du sehr flexibel bist, kannst du die Wirbelsäule dabei ganz gerade halten und die Fersen näher zum Damm bringen. Dann setzt du dich, wie Svatmarama schreibt, auf die Fersen.

 

Die zwei Varianten der Heldenstellung

Im Sanskrit steht das Wort Pada. Pada bedeutet „Fuß“ (verbreitetere Bedeutung) als auch „Beine“. Daher gibt es zwei Varianten dieser Stellung, je nach Übersetzung.

In der Übersetzung heißt es, man verbindet die Oberschenkel, indem man die Hände um sie windet. In einer anderen Übersetzung, in der Pada als Fuß übersetzt wird, richtet man den Oberkörper auf, mit den Händen werden die Füße umfasst.

 

  1. Vers

एवम् आसनबन्धेषु योगीन्द्रो विगतश्रमः
अभ्यसेन् नाडिकाशुद्धिं मुद्रादिपवनीक्रियाम् ॥५७॥

evam āsana-bandheṣu yogīndro vigata-śramaḥ… abhyasen nāḍikā-śuddhiṁ mudrādi-pavana-kriyām

evam : (wenn) in dieser Weise; āsana* : bei den Körperstellungen („Sitzpositionen“); bandheṣu* (und) Verschlüssen); yogi : (unter den) Yogi(s); indraḥ : (eines) Hervorragenden („Fürst“); vigata : verschwunden, gewichen (ist); śramaḥ : (die) Ermüdung, Erschöpfung, Anstrengung; abhyaset : er soll üben, praktizieren; nāḍikā : (der feinstofflichen Energie-)Kanäle; śuddhiṁ : (die) Reinigung; mudrā : Mudras („Siegel“); ādi : usw. („zum Anfang habend“); pavana : (des) Blasens, (des) Reinigens; kriyām : (die) Handlung

Auf diese Weise sollen die Besten der Yogis ihre Müdigkeit durch [die Praxis von] Asana und Bandha besänftigen | und [dann] Mudra und Pranayama zur Reinigung der Nadis praktizieren.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda versteht hier allerdings bandha nicht als „Verschluss“, sondern als die verschiedenen Arten (Prakara) von Asanas, die ebenfalls als Bandha bzw. Bandhana bezeichnet werden: āsana-bandheṣu bandhana-prakāreṣu.

 

Die Wirkung der Heldenstellung

Dies gilt nun als glücksverheißend. Des ist eine Deutung auf die Zukunft hin. Viele kennen den Schmetterling als Vorübung zur kreuzbeinigen Stellung, zur Lotus-Stellung. Man braucht volle Flexibilität der Oberschenkel und Hüftgelenke, damit die Knie ganz auf den Boden kommen und man einen guten Lotus-Sitz einnehmen kann.

Diese Stellung kannst du z.B. gut zu Beginn deiner Yogapraxis, vor dem Pranayama und der Meditation, üben. Wenn du die Fersen links und rechts neben die Sivani (kurz Sivni) platzierst, dann hast du die Fersen auch unterhalb von Ida und Pingala. Es ist die Stelle, wo sie beginnen, an den Seiten vom Muladhara Chakra. Dies hat wiederum die Wirkung, dass die Energie aktiviert wird und vom Muladhara Chakra über die Sushumna nach oben fließen kann.

Bhadrasana ist zum einen vorbereitend für die Flexibilität der Hüften, damit du gut kreuzbeinig sitzen kannst.  Zum anderen dient sie zur Vorbereitung, das Energiesystem nach oben auszurichten.

Svatmarama sagt hier, dass Bhadrasana alle Krankheiten zerstört und vertreibt. Er sagt sarva (alle) vyadhi (Krankheiten) vinasana (vertreibt). Das ist vielleicht eine etwas übertriebene Behauptung für diese Yogastellung.

Bhadrasana hat zudem eine übertragene Bedeutung:

  1. Die Fersen werden so platziert, dass Ida und Pingala harmonisiert werden und damit das ganze Energiesystem in Harmonie kommt. Dies bedeutet, harmonisiere dein Energiesystem. Damit überwindest du eine Menge Krankheiten.
  2. Bhadra bedeutet auch Güte. Asana bedeutet sowohl „Stellung“ als auch „Einstellung“. Wenn du die Einstellung der Güte hast, dir selbst und anderen gegenüber sowie deinem Schicksal gegenüber, hilft dir das letztlich, viele Beschwerden und Krankheiten zu überwinden.

Svatmarama hat einen gewissen Hang zur Übertreibung, den wir in vielen indischen Schriften finden. Man kann nicht sagen, dass alle Krankheiten nur durch Bhadrasana dauerhaft überwunden werden. Aber Bhadrasana hat eine Heilwirkung

  1. als körperliche Asana,
  2. als energiewirksame Übung und
  3. als Einstellung der Güte im Alltag.

 

 

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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  1. Vers

अथ सिंहासनम्
गुल्फौ वृषणस्याधः सीवन्याः पार्श्वयोः क्षिपेत्
दक्षिणे सव्यगुल्फं तु दक्षगुल्फं तु सव्यके ॥५२॥

atha siṁhāsanam-
gulphau ca vṛṣaṇasyādhaḥ sīvanyāḥ pārśvayoḥ kṣipet… dakṣiṇe savya-gulphaṁ tu dakṣa-gulphaṁ tu savyak

atha : nun (folgt); siṁha-āsanam : (die) Löwenstellung; gulphau : beide Knöchel; ca : und, aber; vṛṣaṇasya : (des) Hodensack(s); adhaḥ : unterhalb; sīvanyāḥ : des Dammes (Perineums); pārśvayoḥ : zu beiden Seiten; kṣipet : man lege; dakṣiṇe : auf die rechte (Seite); savya : (den) linken; gulphaṁ : Knöchel; tu : aber; dakṣa : (den) rechten; gulphaṁ : Knöchel; tu : jedoch; savyake : auf die linke (Seite)

Nun die Löwen-Position (Simhasana): [Der Yogi] platziert die Knöchel unterhalb des Scrotums auf beiden Seiten des Beckenbodens, der linke Knöchel auf der rechten Seite, der rechte natürlich auf der linken Seite.

 

Simhasana

Svatmarama schreibt in diesem Vers der Hatha Yoga Pradipika: „Nun wird Simhasana beschrieben. Bringe die Knöchel auf den Körperteil zwischen Anus und Hodensack, den rechten Knöchel auf dessen linke Seite, den linken Knöchel auf die rechte. Bringe die Handflächen auf die Knie, strecke die Finger aus und lenke die Augen zur Spitze der Nase mit geöffnetem Mund und konzentriertem Geist.“

Das ist die Beschreibung der Löwenstellung.

 

Die Bedeutung des Löwen

Simha, der Löwe, steht für Mut, Enthusiasmus, Majestät. Er ist das Symbol für Sonne und ein Tierkreiszeichen. Sivananda schreibt: „Brülle OM wie der Löwe von Vedanta. Höre auf zu blöken wie ein Schaf.“

Dazu passt die Geschichte vom Löwen, der von einer Schafmutter adoptiert wurde und glaubte, er sei ein Schaf. Er wuchs verängstigt und verschüchtert auf und blökte wie ein Schaf. Erst als ein anderer Löwe ihm gezeigt hat, dass er ein Löwe ist, fing er an zu brüllen wie ein Löwe und hatte niemals mehr Angst.

In diesem Sinne bist du das unsterbliche Selbst. Du hast alle Kraft und alles in dir, indem du diese, deine wahre Natur, zum Ausdruck bringst. Du weißt: „sat-chid-ananda swarupo ham - meine wahre Natur ist Sein, Wissen und Glückseligkeit“.

Wenn du weißt, dass Kundalini-Energie in dir ist, unendliche Energie, dann kannst du brüllen wie ein Löwe. Du kannst mutig sein und brauchst vor nichts Angst zu haben.

 

  1. Vers

हस्तौ तु जान्वोः संस्थाप्य स्वाङ्गुलीः सम्प्रसार्य
व्यात्तवक्त्रो निरीक्षेत नासाग्रं सुसमाहितः ॥५३॥

hastau tu jānvoḥ saṁsthāpya svāṅgulīḥ samprasārya ca… vyātta-vaktro nirīkṣeta nāsāgraṁ su-samāhitaḥ

hastau : beide Hände; tu : aber, jedoch; jānvoḥ : auf beide Knie; saṁsthāpya : legend, stützend; sva-aṅgulīḥ : seine Finger; samprasārya : spreizend, ausstreckend; ca : und; vyātta* : geöffnet; vaktraḥ* : (den) Mund; nirīkṣeta : man schaue; nāsā : (der) Nase; agraṁ : (auf die) Spitze; su-samāhitaḥ : völlig konzentriert

Die Hände werden auf den Knien platziert, die Finger weit gespreizt und der Mund geöffnet, es soll konzentriert auf die Nasenspitze geblickt werden.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda ergänzt, dass bei Simhasana aus dem geöffneten Mund (Mukha) die „züngelnde Zunge“ (lalaj-Jihva herausgestreckt (samprasārita) wird: samprasārita-lalaj-jihva-mukhaḥ.

 

Aufbau der Asana

Simhasana kennst du eventuell etwas anders. Meist kniet man in der Löwenstellung, setzt sich dann auf die Fersen, gibt die Hände auf die Knie und dann hebt man den Kopf leicht nach oben, streckt die Zunge heraus, schaut zum Punkt zwischen den Augenbrauen und fängt an zu brüllen wie ein Löwe.

Svatmarama beschreibt es etwas anders. Er sagt, dass man nicht einfach in der normalen knienden Stellung ist, sondern man nimmt eine Art kreuzbeinige Stellung ein, in der die Fersen über Kreuz gegeben werden und man darauf sitzt.

Das ist nicht unbedingt eine angenehme Haltung. Manche sagen, die Zehen müssen auf den Boden gegeben werden. In der sanfteren Version können die Zehen abgelegt werden. Danach werden die Hände aufgespreizt, die Zunge wird herausgestreckt und der Blick ist zum Punkt zwischen den Augenbrauen gerichtet. Laut Hatha Yoga Pradipika ist kein Brüllen dabei, sondern nur das Halten der Stellung mit der Konzentration auf das Dritte Auge.

Wirkung auf den Geist und die Hauptenergiekanäle

Wenn du diese Variation eine Weile übst, führt es tatsächlich zu einer Ruhe des Geistes. Diese Übung kann man z.B. zu Beginn der Meditation machen. Zum einen sind links und rechts neben dem sogenannten Skrotum, dem Bereich zwischen Geschlechtsorganen und Anus oder links und rechts neben der Scheide, psychoaktive Zonen. Diese hängen mit Ida und Pingala zusammen, den Hauptenergiekanälen. Indem du die Fersen darauf richtest, hat es eine direkte Wirkung auf sie. Das Prana kann durch die Sushumna nach oben aufsteigen.

Die Spreizung der Finger hat ebenfalls eine stimulierende Wirkung. Die Öffnung des Mundes wirkt aktivierend. Wenn du auf den Punkt zwischen den Augenbrauen schaust, fließt das Prana nach oben.

Vielleicht magst du diese Haltung bei deiner nächsten Meditation ausprobieren oder jetzt einen Moment innehalten und dich so hinsetzen.

Gebe die Füße übereinander, die Fersen rechts und links neben dem Skrotum oder der Scheide an der Innenseite der Sitzhöcker, spreize die Finger, öffne den Mund, schaue auf den Punkt zwischen den Augenbrauen und gehe ein paar Minuten in die Stille. Vielleicht wirst du feststellen, dass die Meditation eine ganz andere Qualität bekommt.

 

Doppelbedeutung der Nasenspitze

Svatmarama sagt, die Hände werden auf den Knien platziert, die Finger gespreizt, der Mund geöffnet und die Konzentration ist zur Nasenspitze gelenkt. Der Ausdruck, der hier für Nasenspitze steht, heißt Nasagra. Nasa bedeutet Nase und Gra hat etwas zu tun mit einer Spitze.

Boris Sacharow sagt dazu, dass die Nase eigentlich zwei Spitzen hat. Einmal die untere vordere und dann die obere, der Punkt zwischen den Augenbrauen. Es könnte, wann immer Nasagra in den Texten steht, einmal die Nasenspitze, wie wir sie im Deutschen verstehen, gemeint sein oder der Punkt zwischen den Augenbrauen. Die Doppelbedeutung von Nasagra ist so zu interpretieren.

Das Schauen nach oben hat allgemein eine erhebende und aktivierende Wirkung. Du könntest auf den Punkt der unteren Nasenspitze schauen. Dies hat eher eine zentrierende Wirkung.

Probiere die unterschiedliche Wirkung aus. Beim Üben dieser Asana bis zu einer Minute, kannst du dabei die Luft anhalten. Wenn du die Stellung länger hältst, kannst du normal atmen oder Plavini Kumbhaka praktizieren.

 

  1. Vers

सिंहासनं भवेद् एतत् पूजितं योगिपुङ्गवैः
बन्धत्रितयसन्धानं कुरुते चासनोत्तमम् ॥५४॥

siṁhāsanaṁ bhaved etat pūjitaṁ yogi-puṅgavaiḥ… bandha-tritaya-sandhānaṁ kurute cāsanottamam

siṁha-āsanaṁ : (die) Löwenstellung; bhavet : ist („sei“); etad : das, diese (Stellung); pūjitaṁ : geehrt, geschätzt; yogi : (der) Yogi(s); puṅgavaiḥ : von den Besten („Stieren“); bandha : Verschlüsse; tritaya : (der) drei („Dreiheit“); sandhānaṁ : (die) Vereinigung, Verbindung; kurute : sie bewirkt; ca : und; āsana : (der) Sitzhaltungen; uttamam : (als) beste

Diese Position ist Simhasana. Sie wird von den besten Yogis verehrt. Sie bewirkt die Einheit der drei Bandhas und ist die Beste der Asanas.

 

Wirkung von Simhasana durch Einsatz der 3 Bandhas

Über die Wirkung von Simhasana sagt Svatmarama: „Das ist Simhasana, von den Yogis in höchstem Wert gehalten. Diese ganz vortreffliche Asana fördert die Bandhas.“

Nach einer anderen Übersetzung heißt es: „Sie bewirkt die Einheit der 3 Bandhas und ist die beste der Asanas.“

Svatmarama hat ein paar Verse zuvor gesagt, dass Siddhasana die beste Asana ist. Auch Pashchimottanasana, Matsyendrasana und Mayurasana hat er in den höchsten Tönen gelobt. Nun kommt Simhasana dazu.

Es fördert die Dreiheit (Tritaya) der Bandhas und auch die Vereinigung der Verbindung der 3 Bandhas. Das Üben der drei Bandhas zusammen wird Mahabhanda genannt. Eigentlich sind die 3 Bandhas Mula Bandha (Beckenbodenverschluss), Uddhiyana Bandha (der Bauch ist eingezogen) und Jalandhara Bandha (Kinn gesenkt, Kinnverschluss).

Auf eine gewisse Weise macht man in Simhasana etwas anderes. Anstatt das Kinn zu senken, ist typischerweise der Kopf gehoben. Daher könnte man sagen, es ist die Gegenübung der 3 Bandhas. Es gibt die Variation, in der man alle 3 Bandhas bei Simhasana setzt.

In diesem Vers erläutert Svatmarama die Verbindung der 3 Bandhas zum ersten Mal.

Dazu setzt du dich auf die überkreuzten Fersen, Hände liegen auf den Knien. Du atmest tief und vollständig ein, senkst das Kinn auf die Brust, der Mund ist offen und die Zunge wird herausgestreckt. Dein Blick ist auf den Punkt zwischen den Augenbrauen gerichtet. Gleichzeitig setzt du Mula Bandha und Uddhiyana Bandha.

Als Variation kann die Zunge nicht herausstrecken werden, sondern nur das Kinn auf den Brustkorb geben werden. Der Mund ist dabei weit geöffnet. Das ist eine fortgeschrittene Form von Simhasana.

Du kannst diese Asana üben als Vorbereitung auf die Meditation oder zwischen Kapalabhati und Anuloma Viloma. Nach der Vorwärtsbeuge, die einen meditativen Charakter hat, könntest du über Simhasana den Geist nochmal vollständig konzentrieren, um danach vielleicht ein paar Minuten in Meditation zu gehen. Nach dem Drehsitz geht diese Asana auch gut.

Simhasana, ist eine Yogastellung, die von Yogis in hoher Wertschätzung gehalten wird und zudem hilfreich ist, die drei Bandhas zu üben.

In der Ausgabe, wie sie mein Lehrer in seiner Hatha Yoga Pradipika verwendet, waren das die Verse 50 bis 52. Im ersten Kapitel ist in anderen Übersetzungen die Verszählung manchmal anders. Dort sind es die Verse 54 bis 56. Dies erwähnte ich bereits an vorheriger Stelle.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

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Padmasana, der Lotussitz in der Hatha Yoga Pradipika. Die Ausführung und subtile Wirkung dieser Asana.

  1. - 49. Vers
  2. Vers

अथ पद्मासनम्
वामोरूपरि दक्षिणं चरणं संस्थाप्य वामं तथा
दक्षोरूपरि पश्चिमेन विधिना धृत्वा कराभ्यां दृढम्
अङ्गुष्ठौ हृदये निधाय चिबुकं नासाग्रमालोकयेत्
एतद्व्याधिविनाशकारि यमिनां पद्मासनं प्रोच्यते ॥४६

atha padmāsanam-
vāmorūpari dakṣiṇaṁ ca caraṇaṁ saṁsthāpya vāmaṁ tathā
dakṣorūpari paścimena vidhinā dhṛtvā karābhyāṁ dṛḍham… aṅguṣṭhau hṛdaye nidhāya cibukaṁ nāsāgram ālokayet
etad vyādhi-vināśa-kāri yamināṁ padmāsanaṁ procyate

atha : nun; padma-āsanam : (die) Lotusstellung; vāma : (den) linken; ūru : Oberschenkel; upari : auf; dakṣiṇaṁ : (den) rechten; ca : und; caraṇaṁ : Fuß; saṁsthāpya : legend; vāmaṁ : (den) linken (Fuß); tathā : und, ebenso; dakṣa : (den) rechten; ūru : Oberschenkel; upari : auf; paścimena : auf die hintere; vidhinā : Art und Weise; dhṛtvā : haltend, ergreifend; karābhyāṁ : mit beiden Händen; dṛḍham : fest; aṅguṣṭhau : beide großen Zehen; hṛdaye : an die Brust; nidhāya : legend; cibukaṁ : (das) Kinn; nāsā : (der) Nase; agram : (auf die) Spitze; ālokayet : schaue man; etad : das, diese; vyādhi : (von) Krankheit; vināśa : (die) Vertreibung, Zerstörung; kāri : (die) bewirkt, verschafft; yamināṁ : (den sich selbst) zügelnden, beherrschenden; padma-āsanaṁ : (die) Lotusstellung; procyate : wird genannt

Nun wird die Lotus-Position (Padmasana) erklärt: Der rechte Fuß wird auf dem linken Oberschenkel platziert, analog der linke Fuß auf dem rechten Oberschenkel; Die Hände werden [nun] weit hinter dem Rücken überkreuzt, bis [sie] zu den großen Zehen [fassen]. Das Kinn wird auf dem Herzen platziert. Man soll [ferner] zur Nasenspitze blicken. Dies bewirkt die Auflösung aller Krankheiten und ist bei den Yogis bekannt.

 

Svatmarama schreibt: „ Atapamasanam. Jetzt wird die Lotusstellung erläutert. Lege die rechte Ferse an den Beginn des linken Oberschenkels und die linke Ferse an den Beginn des rechten. Kreuze die Hände hinter dem Rücken und greife die Zehen. Die rechte Zehe mit der rechten Hand und die linke Zehe mit der linken. Setze das Kinn kräftig an die Brust und richte den blick auf die Spitze der Nase. Das wird Padmasana genannt und zerstört alle Leiden.“

Normalerweise ist Padmasana einfach der Lotussitz. Einen Fuß auf einen Oberschenkel, den anderen Fuß auf den anderen Oberschenkel. Svatmarama gibt noch zusätzliche Anweisungen. Eigentlich ist es Badha Padmasana, der gebundene Lotus. In dieser Position schaust du auf die Spitze der Nase. Der gebundene Lotus ist eine sehr machtvolle Asana, um das Prana nach oben zu bringen.

Bei Siddhasana war die Beschreibung eine ähnliche. Jalandhara Bandha kommt ebenfalls zum Einsatz. Die Konzentration bei Siddhasana liegt allerdings auf dem Punkt zwischen den Augenbrauen. Bei Padmasana wird die Nasenspitze in den Vordergrund gerückt, wo sich der Konzentrationspunkt befindet.

Er sagt: „Das wird Padmasana genannt und zerstört alle Leiden.“ In einer anderen Übersetzung heißt es: „Das bewirkt die Auflösung aller Krankheiten und ist bei den Yogis wohl bekannt.“

 

  1. Vers

उत्तानौ चरणौ कृत्वा ऊरुसंस्थौ प्रयत्नतः
ऊरुमध्ये तथोत्तानौ पाणी कृत्वा ततो दृशौ ॥४७॥

uttānau caraṇau kṛtvā ūru-saṁsthau prayatnataḥ.. ūru-madhye tathottānau pāṇī kṛtvā tato dṛśau

uttānau : (mit den Fußsohlen) nach oben schauend; caraṇau : beide Füße; kṛtvā : bringend, veranlassend; ūru : (auf dem gegenüberliegenden) Oberschenkel; saṁsthau : zu liegen; prayatnataḥ : sorgfältig, nach Kräften; ūru : (der) Oberschenkel; madhye : auf die Mitte; tathā : und, ebenso, desgleichen; uttānau : (mit den Handflächen) nach oben geöffnet; pāṇī : beide Hände; kṛtvā : legend („machend“); tataḥ : dann, danach; dṛśau : beide Augen

Die Fußsohlen werden achtsam nach oben zeigend auf die Oberschenkel gelegt, die Hände ebenso dazwischen nach oben gerichtet. Dorthin wird der Blick gelenkt.

 

Anmerkung: Die Verse 47 – 49 gehören zusammen, Vers 48 setzt den begonnenen Satz im letzten Versviertel von Vers 47 fort. Die Augen (Vers 47) werden auf die Nasenspitze (Vers 48) gerichtet. Die hier beschriebene Variante von Padmasana wurde laut dem Kommentator Brahmananda von Matsyendra Natha gelehrt (Abhimata): matsyendra-nāthābhimataṃ padmāsanam.

 

Ein anderer Ansatz: „Bringe die Füße fest, die Sohlen nach oben auf die gegenüberliegenden Oberschenkel und lege die Hände, Handteller nach oben, übereinander in die Mitte. Lenke deine Augen auf die Spitze der Nase und bringe die Zunge an die Hälse der Vorderzähne. Bringe dann das Kinn auf die Brust und hole das Prana langsam aufwärts durch das Zusammenziehen des Anus im Mula Bandha“.

 

 

 

  1. Vers

 

 

नासाग्रे विन्यसेद्राजदन्तमूले तु जिह्वया
उत्तम्भ्य चिबुकं वक्षस्युत्थाप्य पवनं शनैः ॥४८॥

nāsāgre vinyased rāja-danta-mūle tu jihvayā… uttambhya cibukaṁ vakṣasy utthāpya pavanaṁ śanai

nāsā : (der) Nase; agre : auf die Spitze; vinyaset : man richte (beide Augen*); rāja-danta : (der oberen) Schneidezähne; mūle : an den Ursprung, den Ansatz; tu : aber, jedoch; jihvayā** : mit der Zunge; uttambhya : drückend; cibukaṁ : (das) Kinn; vakṣasi : auf die Brust; utthāpya: (aufwärts) lenkend; pavanaṁ*** : (den) Atem, (die Lebensenergie) Prana; śanaiḥ : langsam

Den Blick auf die Nasenspitze gerichtet, dann die Zunge an die Wurzel der Schneidezähne nach oben gerollt, das Kinn auf der Brust [gesenkt], [so] kann die Lebensenergie langsam nach Oben gezogen werden.

 

Anmerkung: Die Verse 47 – 49 gehören zusammen, Vers 48 setzt den begonnenen Satz im letzten Versviertel von Vers 47 fort. Die Augen (Vers 47) werden auf die Nasenspitze (Vers 48) gerichtet. Die hier beschriebene Variante von Padmasana wurde laut dem Kommentator Brahmananda von Matsyendra Natha gelehrt (Abhimata): matsyendra-nāthābhimataṃ padmāsanam.

 

Das ist eine etwas einfachere Variation. Du legst die Füße auf die gegenüberliegenden Oberschenkel, das ist der volle Lotus. Dann legst du die Hände übereinander in die Mitte. Die Handteller sind nach oben gerichtet. Du lenkst die Augen auf die Spitze der Nase, schaust auf die Nasenspitze. Die Spitze der Zunge wird an die Hälse der Vorderzähne gegeben. Die Zungenspitze ist am Gaumen und zwar da, wo die Vorderzähne, die Schneidezähne, übergehen in den Gaumen. Das aktiviert sowohl Ajna Chakra wie auch das Nasenchakra, nasika chakra. Dann bringst du das Kinn auf die Brust und du ziehst das Prana mit Mula Bandha nach oben.

Wenn du willst, kannst du diese Asana selbst ausprobieren:

Du richtest dich auf. Eventuell füllst du die Lungen vollständig. Dann gibst du das Kinn zur Brust und übst Mula Bandha. Das Ganze ist wie eine Form von Maha Bandha. Nun gibst du die Zungenspitze in die Nähe der Schneidezähne an den Gaumen und schaust zur Nasenspitze. Dabei stellst du dir vor, du ziehst das Prana durch die Sushumna nach oben.

Svatmarama sagt hier: „Das ist Padmasana, die alle Beschwerden zerstört. Sie kann nicht von gewöhnlichen Sterblichen erlangt werden, sondern nur einige aufnahmefähigen Personen können sie erlangen.“

Warum ist das so schwierig?

Weil es nicht nur darum geht, sie physisch zu machen, sondern wirklich das Prana durch die Sushumna nach oben gelenkt wird. Der Blick ist auf die Nasenspitze gerichtet, die Zunge an der Wurzel der Schneidezähne, Kinn ist zur Brust geneigt. Die Lebensenergie kann nun mit Mula Bandha nach oben ziehen.

 

  1. Vers

इदं पद्मासनं प्रोक्तं सर्वव्याधिविनाशनम्
दुर्लभं येन केनापि धीमता लभ्यते भुवि ॥४९॥

idaṁ padmāsanaṁ proktaṁ sarva-vyādhi-vināśanam… dur-labhaṁ yena kenāpi dhīmatā labhyate bhuv

idaṁ : das, diese (Sitzposition); padma-āsanaṁ : Lotussitz; proktaṁ : wird genannt; sarva : alle; vyādhi : Krankheit(en); vināśanam : (sie) vertreibt; dur-labhaṁ : (sie ist) schwer zu erlangen, zu erreichen; yena kena api : durch welchen (gewöhnlichen Menschen) auch immer; dhīmatā : (nur) von einem Weisen, Verständigen; labhyate : (sie) wird erlangt; bhuvi : auf Erden

Dies wird Padmasana genannt. [Diese Position] zerstört alle Krankheiten. Sie ist von den meisten Menschen und sogar den Weisen auf dieser Welt schwer zu bewerkstelligen.

 

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 81 behandelt.

 

„Sitzt der Yogi in der Padmasana Stellung, wird er durch die Beherrschung des in die Nadis gezogenen Pranas befreit. Darüber gibt es keinen Zweifel.“

Übe Padmasana und ziehe das Prana in die Susuhmna Nadi und dann nach oben. Das führt zum Befreien. Wenn du willst, kannst du eine einfache Variation davon zum Abschluss gleich üben.

 

  1. Vers

कृत्वा सम्पुटितौ करौ दृढतरं बद्ध्वा तु पद्मासनं
गाढं वक्षसि सन्निधाय चिबुकं ध्यायंश्च तच्चेतसि
वारं वारमपानमूर्ध्वमनिलं प्रोत्सारयन्पूरितं
न्यञ्चन्प्राणमुपैति बोधमतुलं शक्तिप्रभावान्नरः ॥५०॥

kṛtvā sampuṭitau karau dṛḍhataraṁ baddhvā tu padmāsanaṁ
gāḍhaṁ vakṣasi sannidhāya cibukaṁ dhyāyaṁś ca tac cetasi… vāraṁ vāram apānam ūrdhvam anilaṁ protsārayan pūritaṁ
nyañcan prāṇam upaiti bodham atulaṁ śakti-prabhāvān nara

kṛtvā : legend („machend“); sampuṭitau : (in Form einer halbkugelförmigen Schale) ineinander („zusammengefügt“); karau : beide Hände; dṛḍhataraṁ : sehr fest, stabil; baddhvā : eingenommen habend („gebunden, aufgebaut habend“); tu : aber, jedoch, wiederum; padma-āsanaṁ : (den) Lotussitz; gāḍhaṁ : fest, kräftig (drückend); vakṣasi : auf die Brust; sannidhāya : legend; cibukaṁ : (das) Kinn; dhyāyan : nachsinnend, meditierend; ca : und; tad* : (über) jenes (Brahman); cetasi : im Geist; vāraṁ vāram : immer wieder, wiederholt; apānam : die nach unten fließende Lebensenergie (bedeutet auf den Atmungsprozess bezogen auch das Ausatmen); ūrdhvam : aufwärts; anilaṁ : Atem, Lebenshauch (“Wind”); protsārayan : lenkend („wegtreibend“); pūritaṁ : (nach der Einatmung den) eingeatmenten („gefüllten“); nyañcan : nach unten lenkend; prāṇam : die nach oben fließende Lebensenergie (bedeutet auf den Atmungsprozess bezogen, auch das Einatmen); upaiti : erlangt, erreicht; bodham : Erkenntnis, Einsicht, Wachheit; atulaṁ : unvergleichliche; śakti : (der) Energie; prabhāvāt : durch die Macht, Wirkung; naraḥ : (ein) Mensch

Die Hände wie eine Schale ruhig formen, Padmasana einnehmen [und] das Kinn fest auf die Brust senken. [Nun] atmet [der Yogi] mit seiner Vorstellung immer wieder Apana (nach unten strömende Energie) nach oben aus und Prana (nach oben strömende Energie) nach unten ein. So wird im Menschen die Basis für Weisheit und unvergleichbare Energie [geschaffen].

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass sich „jenes“ (Tad), worüber man meditieren soll, entweder auf die Form (Rupa) der jeweiligen eigenen (SvaSva) Gottheit (Ishtadevata) oder (vā) das Brahman bezieht: tat sva-sveṣṭa-devatā-rūpaṃ brahma vā.

 

 

Die Übungsanleitung von Padmasana

Wenn du den Lotussitz kannst, dann geh jetzt in den Lotus, ansonsten wähle irgendeine andere kreuzbeinige oder sitzende Stellung. Gib die Hände übereinander, Handteller sind nach oben liegend. Richte deine Wirbelsäule auf. Senke das Kinn mindestens leicht. Dann gib die Zunge in die Nähe der Schneidezähne an den Gaumen. Schaue zur Nasenspitze, übe Mula Bandha und dann übe Kevala Kumbhaka. Atme nur wenig Luft ein und aus.

Spüre, wie das Prana nach oben steigt. Verharre in dieser Stellung. Du kannst aus dieser Stellung weitergehen in die normale Meditation oder gehe in deinen Tagesablauf. Die Handflächen nach oben, Wirbelsäule gerade, Kopf gesenkt, die Zunge ist in der Nähe der Schneidezähne. Schaue zum Punkt zwischen den Augenbrauen. Setze Mula Bandha und sei in Bewusstheit. Ziehe das Prana nach oben während du Kevala Kumbhaka übst.

 

  1. Vers

पद्मासने स्थितो योगी नाडीद्वारेण पूरितम्
मारुतं धारयेद्यस्तु मुक्तो नात्र संशयः ॥५१॥

padmāsane sthito yogī nāḍī-dvāreṇa pūritam… mārutaṁ dhārayed yas tu sa mukto nātra saṁśayaḥ

padma-āsane : im Lotussitz; sthitaḥ : (der) sich befindet, sitzt; yogī : (ein) Yogin; nāḍī* : (des feinstofflichen Energie-)Kanals); dvāreṇa* : vermittels, durch („durch das Tor“); pūritam : (den) eingeatmeten („gefüllten“); mārutaṁ : Atem („Wind, Luft“); dhārayet : (an)halten, zurückhalten kann; yaḥ : welcher, der; tu : aber; saḥ : dieser, der; muktaḥ : (ist) befreit, erlöst; na : nicht (besteht); atra : hier(über); saṁśayaḥ : (ein) Zweifel

Der Yogi, der in Padmasana sitzend die Lebensenergie durch die Öffnung der Nadis einatmen und halten kann, der ist ist sicherlich ein befreites Wesen. Diesbezüglich besteht kein Zweifel.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erkärt, dass mit nāḍī-dvāreṇa („durch den Kanal“) hier der „Weg“ (Marga) der Sushumna gemeint ist, über den der „Wind“ (Maruta) zum Kopf bzw. Scheitel (Murdhan) geleitet wird (nītvā): mārutaṃ … suṣumnā-mārgeṇa mūrdhānaṃ nītvā.

 

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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