- Vers
उत्साहात् साहसाद् धैर्यात् तत्त्वज्ञानाश् च निश्चयात् ।
जनसङ्गपरित्यागात् षड्भिर् योगः प्रसिद्ध्यति ॥
utsāhāt sāhasād dhairyāt tattva-jñānāc ca niścayāt… jana-saṅga-parityāgāt ṣaḍbhir yogaḥ prasidhyati
utsāhāt : durch festen Willen, Entschlusskraft; sāhasāt : durch Mut; dhairyāt : durch Ausdauer, ruhiges Wesen; tattva : (der) Wahrheit; jñānāt : durch die Erkenntnis; ca : und; niścayāt : durch sicheres Wissen, genaue Kentniss, Überzeugung, Vertrauen; jana : (mit) Mensch; saṅga : (unförderlicher) Gemeinschaft; parityāgāt : durch Aufgeben; ṣaḍbhiḥ : durch (diese) sechs; yogaḥ : (der) Yoga; prasidhyati : führt zum Erfolg, gelingt
Ernsthaftigkeit, Furchtlosigkeit, Beharrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Wissen und Vertrauen; | Beenden von oberflächlicher Geselligkeit, durch diese sechs (Tugenden) wird das Yoga erreicht
Wenn du durch Hatha Yoga die Erleuchtung erlangen willst, einen spirituellen Fortschritt machen willst, was kann dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Was ist dabei hilfreich?
Darüber schreibt Svatmarama mit aussagekräftigen Worten in diesem Vers.
Der Yogi erzielt Fortschritte durch Frohsinn, durch Mut, durch Ausdauer, durch wahres Wissen, durch starken Glauben an die Worte des Gurus und durch das Aufgeben unpassender Gesellschaft.
Der 16. Vers ist der Gegenvers zum 15. Vers, wo Svatmarama erläutert hat, was nicht gut ist für den spirituellen Fortschritt. Er gebraucht hier sadbhih, als Sechsheit. Zuvor hat er die sechs Laster aufgezählt. In diesem Vers zählt er die sechs Tugenden auf.
Die sechs Tugenden
Utsaha heißt zum einen „Frohsinn“. Utsaha heißt einen „festen Willen“ haben und „Entschlusskraft“ zu besitzen. Gute Fortschritte erzielst du, wenn du froh, fröhlich und mit festem Willen sowie mit Entschlusskraft an deine Praxis herangehst.
Das zweite ist sahasa. Sahasat heißt „Mut“. Mit gutem Mut gilt es voran zuschreiten.
Warum braucht man Mut?
Mut benötigst du aus verschiedenen Gründen:
Zunächst ist es mutig, ein bisschen anders zu sein als die anderen Menschen. Nicht jeder übt ernsthaft spirituelle Praktiken. Du wirst öfters aufgezogen werden, wenn du von deinen Übungen erzählst.
Im Jahr 2017 hat Yoga einen sehr guten Ruf. In früheren Jahren sah dieses ganz anders aus. Anfang der 1980er Jahre galt das Üben von Yoga, das Meditieren und die Wiederholung von Mantras als eher unangemessen. Man wurde schräg angesehen und es brauchte einen gewissen Mut, das zu machen.
Man braucht auch Mut um dabei zu bleiben. Selbst wenn der Geist nicht mehr will, ist Mut förderlich. Man braucht Mut, wenn Reinigungserfahrungen kommen. Nicht immer treten nur schöne Erfahrungen auf.
Man braucht Mut, wenn Bewusstseinserweiterungserfahrungen in Erscheinung treten. Es können außergewöhnliche Energieerfahrungen gemacht werden, so dass man sich außerhalb seines Körpers befindet.
Es braucht den Mut, seinen Schattenseiten ins Auge zu schauen. Wenn du intensiv praktizierst, wird sich manchmal dein Schatten melden. Mut zu haben ist in diesen Fällen hilfreich.
Weitere grundlegende Tugenden: Ausdauer und richtiges Wissen
Weiterhin braucht es Ausdauer. Es dauert eine Weile. Du brauchst nicht zu denken, dass du nach ein paar Tagen oder Wochen die Gottverwirklichung erreichen wirst. Du musst längere Zeit praktizieren. Du brauchst dhairya.
Als nächsten braucht es „wahres Wissen“, tattva jnana. Tattva heißt „Wahrheit‘“und tattva jnana „wichtiges Wissen“. Es ist ein „Wissen von der Essenz“.
Es ist wichtig, dass du verstehst, worum es im Yoga geht. Es hilft, wenn du das Wissen über die Bedeutung hast, wenn bestimmte Erfahrungen kommen: wenn du anfängst zu schwitzen, wenn du bei der Praxis plötzlich erzitterst, wenn bestimmte Teile des Körpers pulsieren oder vibrieren. Die Bedeutung dieser Erscheinungen gilt es zu wissen.
Ein gewisses Wissen ist durchaus wichtig. Tattva jnana ist mehr als das Wissen über Hatha Yoga. Es ist ein gewisses Wissen über die höchste Wirklichkeit. Es ist gut, wenn du dich immer wieder an die höchste Wahrheit erinnerst.
Vertrauen in die Wirkung des Hatha Yoga ist hilfreich
Das nächste ist Nishchaya. Nishchaya bedeutet ein „sicheres Wissen“ und eine „genaue Kenntnis“. Eigentlich heißt tattva jnanach cha nishchayat „genaues Wissen“. Manchmal wird nishchaya übersetzt als „Überzeugung“ und „totales Vertrauen“. Es weist eine Ähnlichkeit mit shradda auf. Du brauchst Vertrauen.
Svatmarama spricht nicht von einem großen Vertrauen. Dies ist nicht in den Worten des Meisters zu finden, auch wenn es meistens damit übersetzt wird.
Ein Vertrauen in die Wirkung des Hatha Yoga ist wichtig . Zudem ist ein Vertrauen in deinen Meister ebenso von Wichtigkeit, nachdem du selbst deinen Meister als vertrauenswürdig überprüft und eingeschätzt hast.
Hatha Yoga Üben mit einem gewissen Vertrauen ist hilfreich.
Lösung von unangemessener Gemeinschaft
Dann schreibt Svatmarama über parityagat jana sanga. Dies beinhaltet das Aufgeben unförderlicher Gemeinschaft mit anderen Menschen. Man sollte schlechte Gesellschaft vermeiden.
Svatmarama schreibt über dieses Thema an mehreren Stellen in der Hatha Yoga Pradipika. Er betont mehrmals, dass es angemessen ist, eine schlechte Gesellschaft aufzugeben. Es hilft nicht, mit Menschen zu diskutieren. Ein Yogaübender sollte sich zumindest nicht, wenn er sich in einer intensiven spirituellen Phase befindet und sich sehr intensiv mit seiner Praxis beschäftigt, auf Diskussionen mit anderen einlassen. Er sollte sich schon gar nicht herunter ziehen lassen von anderen Mitmenschen.
Gerade wenn du eine Phase intensiver Praxis hast, musst du dich nicht rechtfertigen. Eine Verbindung mit anderen Menschen einzugehen, ist in dieser Zeit nicht zu empfehlen. Es ist wichtig sich während intensiver spiritueller Praxis nicht herunter ziehen zu lassen.
Es ist ratsam, sich ein- bis zweimal im Jahr, einer Woche intensiver Praxis zu widmen. Einmal im Leben oder alle paar Jahre einige Wochen, vielleicht sogar ein Vierteljahr sollte der Mensch sehr intensiv praktizieren, ohne viel Interaktion mit anderen.
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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
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