Was gilt es zu vermeiden, wenn du einen guten Fortschritt im Yoga machen willst?
Was solltest du nicht tun, um die Wirksamkeit deiner Yoga Praktiken nicht zu verringern?
Darüber spricht Svatmarama an mehreren Stellen in der Hatha Yoga Pradipika. Unter anderem werden diese Fragestellungen im 15. Vers behandelt.
- Vers
अत्याहारः प्रयासश् च प्रजल्पो नियमाग्रहः ।
जनसङ्गश् च लौल्यं च षड्भिर् योगो विनश्यति ॥१५॥
atyaharah prayasash cha prajalpo niyama grahah… jana sangash cha laulyam cha shadbhir yogo vinashyati
atyāhāraḥ : Übermaß im Essen; prayāsaḥ : (unangemessene) Anstrengung, Überanstrengung; ca: und; prajalpaḥ : Geschwätz, unbesonnene Worte; niyama : (unangemessene) Regel(n), Gelübde, Observanz; grahaḥ : Sichklammern (an), Bestehen, Versessensein; jana : (mit) Leute; saṅgaḥ : (unpassender) Umgang, Verkehr; ca: und; laulyaṁ : Unruhe, Unbeständigkeit, Gier, Verlangen; ca : und; ṣaḍbhiḥ : durch (diese) sechs; yogaḥ : (der) Yoga; vinaśyati : geht verloren, wird zunichte, wird wirkungslos
Überessen, Überanstrengung, Schwätzen und Regelhörigkeit; | oberflächliche Geselligkeit und Unbeständigkeit, durch diese sechs [Untugenden] geht das Yoga verloren.
Eine andere Übersetzung ist:
Durch sechs Untugenden geht das Yoga verloren. Das sind: Überessen, Überanstrengung, Schwätzen und Regelhörigkeit, oberflächliche Geselligkeit und Unbeständigkeit.
Es gibt sechs verschiedene Dinge, die nicht gut sind, wenn du Fortschritte im Yoga machen willst.
Atyahara ‒ Überessen
Überessen wird im Sanskrit mit atyahara übersetzt. Vielleicht kennst du mitahara, das ist das angemessene Essen. Atya ist im Gegensatz dazu, das Übermaß.
Zu viel essen ist nicht gut. Eine vermehrte Nahrungsaufnahme reduziert die Wirksamkeit von Asana und Pranayama.
Manchmal geschieht es, wenn du Hatha Yoga übst, dass vorübergehend der Appetit stärker wird. Dann kann es sein, dass du vorübergehend mehr essen musst, ohne dass du zunimmst. Wichtig ist in diesem Fall, den Ratschlag zu beachten, dass in dem Moment, wenn dein Körper wieder auf eine normale oder geringere Nahrungszufuhr ausgerichtet ist, tatsächlich weniger essen und diesem nachgehen solltest. In jedem Fall solltest du nicht zu viel an Nahrung zu dir nehmen.
Bei einem Gespür von Heißhunger auf Süßes, kann das Essen von Tofu oder Hülsenfrüchten Abhilfe schaffen und das Verlangen auf Süßspeisen reduzieren. Das ist eine Erfahrungstatsache.
Prayasa ‒ Überanstrengung
Prayasa kann man auf zwei Weisen interpretieren. Das eine ist eine unangemessene Anstrengung. Als zweites wird die harte körperliche Arbeit daraus interpretiert.
Zum einen solltest du dich im Hatha Yoga nicht überanstrengen. Wenn dein Ehrgeiz zu intensiv ist, du zu schnell Fortschritte erwartest, kann das zu Verletzungen führen. Das wird nicht gewollt. Yoga ist kein Wettbewerb.
Wenn du zusätzlich zu deiner Hatha Yoga Praxis ganz intensiven Sport machst, kann es sein, dass Hatha Yoga dir in deiner sportlichen Leistungsfähigkeit hilft. Aber deine intensive sportliche Tätigkeit wird dazu führen, dass die Hatha Yoga Praxis nicht so tief geht und wirkt.
Die Frage deines Hauptziels stellt sich bei dir.
Worin siehst du dein eigentliches Ziel bei deinen Hatha Yoga Übungen?
Wenn dein Hauptziel auf den Leistungssport gerichtet ist, kann Hatha Yoga helfen, dass du ein besserer Leistungssportler wirst. Wenn dein Ziel allerdings darauf ausgerichtet ist, dass du über das Praktizieren von Hatha Yoga die Erleuchtung erlangen möchtest, ist es klüger, dass du nicht während der intensiven Hatha Yoga Praxis zu intensiv Sport machst.
Wenn ich z.B. eine Kundalini Yoga Intensiv-Woche gebe oder zwei Wochen Sadhana Intensiv, sage ich gerne, wer normalerweise regelmäßig joggt, der kann das gerne weitermachen. Aber die Zeit des Sadhana Intensiv ist jetzt keine Zeit, wo es ratsam ist, dem Leistungssport nachzugehen.
Prajalpa ‒ unbesonnene Worte
Das nächste ist zu viel Reden. Gerne fällt in diesem Bereich auch das Wort: Schwätzen hinein. Zu viel reden ist nicht gut. Schweigen ist in diesem Fall besser. Es reicht oftmals, nur das Nötigste zu sprechen, um vermehrt die Konzentration auf sich selbst lenken zu können.
Bei Yoga Vidya haben wir immer wieder Schweige-Retreats in unserem Programm. Bei unseren Sadhana Intensiv Seminaren gibt es einige Teilnehmer/innen, die mindestens einige Tage, manche auch die ganzen zwei Wochen, in Schweigen verbringen. Diese Teilnehmer tragen in diesem Fall ein kleines Schild, mit der Aufschrift „Schweigen“ an ihrer Kleidung. Somit ist den Mitmenschen klar, dass sie nicht angesprochen werden wollen und sie sich im Schweigen befinden.
Unterhaltungen und zwischenmenschliche Kommunikationen sind auch wichtig untereinander. Wenn du intensiv praktizierst, solltest du dich nicht durch Schwätzen von der Praxis abhalten lassen. Manchmal kann es passieren, dass du durch das Sprechen letztlich wieder anfängst, irgendwelche Negativitäten zu sagen.
Menschen haben die Neigung, wenn sie miteinander sprechen, über andere zu lästern. Das kann dir wieder das Vertrauen wegnehmen und deinen Geist nach unten ziehen.
Bei intensiver spiritueller Praxis solltest du aufpassen, welche Worte du sagst. Manchmal ist hier weniger mehr.
Niyama Graha ‒ unangemessene Regelhörigkeit
Svatmarama geht als nächstes auf Niyama ein. In diesem Kontext bedeutet dieses: unangemessene Regeln, Gelübde, Observanzen oder das Einhalten von unpassenden Gelübden.
Es gibt bestimmte unpassende Vorsätze, die du fassen kannst. Angenommen du nimmst dir den Vorsatz „Ich werde nicht mehr schlafen“. Du kannst dies machen und wach bleiben. Im Nachhinein ist die Konsequenz daraus, dass du übermüdet bist. Du kannst dir bestimmte Praktiken vornehmen, die aber nicht möglich sind.
Du nimmst Kleinigkeiten zu ernst. Eine der Übersetzungen ist die „Regelhörigkeit“. Jesus hat in der Bibel gesagt: Nicht der Mensch ist für die religiösen Regeln da, sondern die religiösen Regeln sind für den Menschen da.
Im Sanskrittext steht niyama graha. Dies ist ein „Versessensein auf Regeln“. Wenn du zu sehr versessen auf Regeln bist, stellt dies keine große Hilfe dar und bringt keinen Fortschritt.
Es gilt zu schauen, welchen Regeln du folgst und ob sie dir wirklich helfen.
Jana Sanga ‒ Oberflächliche Geselligkeit
Oberflächliche Geselligkeit ist nicht gut. Dazu wird der Ausdruck: jana sanga genutzt. Dies bedeutet ein unpassender Verkehr mit Leuten. Zu viel Geselligkeit, insbesondere mit Menschen, die nicht auf dem spirituellen Weg sind, ist nicht gut für die intensive spirituelle Praxis.
Kein Mensch ist wirklich oberflächlich. Jeder ist in der Tiefe das unsterbliche Selbst. Es liegt an dir selbst, welche Art der Kommunikation du mit anderen pflegst. Du musst keinen Klatschgeschichten zuhören oder sie verbreiten. Du musst nicht lästern über andere und du keinem Lästergeschwätz zuhören.
Gerade wenn du intensiv praktizierst, achte auf deine Wortwahl und welchen Worten du zuhören willst. Überlege, mit welchen Menschen du Kontakt pflegen willst.
Laulya ‒ Unbeständigkeit
Die letzte dieser sechs Untugenden ist Laulya. Mit Laulya ist sowohl die „Unbeständigkeit“, als auch die „Gier“ und das „Verlangen“ gemeint.
Wenn du Fortschritte auf dem spirituellen Weg machen willst, brauchst du Beständigkeit. Damit du dieser Folge leisten kannst, solltest du auf Gier und Verlangen verzichten.
Wenn du nur morgens über freie Zeit verfügst, beim Aufwachen gleich große Lust auf ein gutes Frühstück verspürst, dann gilt es, diesem Verlangen entgegen zu wirken und es zu beherrschen bis nach deiner Yogapraxis.
Wenn du dir vorgenommen hast, abends nach der Arbeit zu praktizieren, du auf dem Nachhauseweg an einem Cafe vorbei gehst und die Lust auf ein Stück Kuchen in dir zum Vorschein kommt, gilt es: Geh daran vorbei! Überwinde dein Verlangen und streite vorüber.!
Unbeständigkeit und Gier solltest du überwinden!
Es gibt Phasen, in denen du mehr praktizierst. Einige Zeit wirst du weniger praktizieren. Es ist gut, wenn du dir vornimmst, über einen gewissen Zeitraum nach einem bestimmten Muster oder nach einem Plan deine Praxis auszulegen. Zudem ist es wichtig, sich daran zu halten.
Svatmarama sagt, dass das Fassen von unangemessenen Vorsätzen nicht gut ist. Besser wäre es, du nimmst dir zunächst etwas weniger vor. Dieses Vorhaben gilt es auszuführen. Im Anschluss können weitere Ziele gesetzt werden. Anstatt zu viele Ziele zu setzen, die vielleicht nur schwer zu erreichen sind, ist es ratsamer weniger vorzunehmen und dieses wirklich zu machen.
Wenn du jemand bist, der eine gewisse Kreativität braucht, dann nehme dir ein Minimum vor und sage: Ich praktiziere jeden Tag mindestens so viel. Wenn es darüber hinaus geht, ist es um so besser und gut. Aber sei nicht zu unbeständig.
Mach es andersherum!
Dies waren die sechs Untugenden, die Yoga unwirksam machen.
Mit anderen Worten: Mach es andersherum!
Vermeide Überessen: Esse nur so viel wie nötig.
Vermeide Überanstrengung: strenge dich an, aber überanstrenge dich nicht.
Schwätze nicht: Führe keine unnötigen Gespräche.
Sei nicht zu regelhörig.
Fasse keine unangemessenen Vorsätze.
Vermeide oberflächliche Geselligkeit und schlechte Gesellschaft.
Sei beständig im Yoga.
Beim Einhalten dieser Ratschläge wirst du gute Fortschritte erlangen.
Im nächsten Vers schreibt Svatmarama weitere Möglichkeiten, um gute Fortschritte zu machen.
______
Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
Kommentare