1. Vers

वशिष्ठाद्यैश् मुनिभिर् मत्स्येन्द्राद्यैश् योगिभिः
अङ्गीकृतान्य् आसनानि कथ्यन्ते कानिचिन् मया ॥२०॥

vasiṣṭhādyaiś ca munibhir matsyendrādyaiś ca yogibhiḥ… aṅgīkṛtāny āsanāni kathyante kāni-cin mayā

vasiṣṭha : Vasishtha; ādyaiḥ : usw., und anderen; ca: und, sowohl; munibhiḥ : von den Weisen; matsyendra : Matsyendra; ādyaiḥ : usw., und anderen; ca : und, als auch; yogibhiḥ : von Yogis; aṅgīkṛtāni : die akzeptiert, berücksichtigt worden sind; āsanāni : Asanas; kathyante : werden genannt, gelehrt; kāni-cid : einige; mayā : von mir

Ich werde eine Auswahl von Asanas beschreiben, die für gut befunden wurden | von Vashishtha und weiteren Heiligen sowie Matsyendra und weiteren Yogis.

 

Der 20. Vers in der Hatha Yoga Pradipika ist in manchen Zählungen der 19. Vers. Dies ist auf unterschiedliche Verszählungen zurückzuführen. In diesem Vers werden eine Auswahl von Asanas beschrieben.

Svatmarama schreibt: „Ich werde eine Auswahl von Asanas darstellen, die von solchen Weisen, wie Vashistha und solchen Yogis wie Matsyendra aufgenommen worden sind. Nachdem man beide Riste zwischen die Oberschenkel und die Waden der Beine gelegt hat, sollte man aufrecht auf einem ebenen Platz sitzen. Das ist Svastikasana.

Svatmarama spricht von Vashistha und anderen Heiligen. Der älteste Hatha Yoga Text ist letztlich Yoga Vashistha. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um einen Yama Yoga Text. Darin werden einige Hatha Yoga Übungen beschrieben. Es werden sowohl Asanas und noch mehr Pranayama näher betrachtet.

Vashistha gilt als einer der großen Hatha Yogis, ebenso wie Matsyendra.

 

  1. Vers

Svastikasana

जानूर्वोर् अन्तरे सम्यक् कृत्वा पादतले उभे
ऋजुकायः समासीनः स्वस्तिकं तत् प्रचक्षते ॥२१॥

jānūrvor antare samyak kṛtvā pāda-tale ubhe… ṛju-kāyaḥ samāsīnaḥ svastikaṁ tat pracakṣa

jānu* : Knie; ūrvoḥ : (und) Oberschenkel; antare : zwischen; samyak : auf die rechte Weise; kṛtvā : gebracht („gemacht“) habend; pāda-tale : Fußsohlen; bhe : beide; ṛju : (mit) aufrechtem; kāyaḥ : Körper; samāsīnaḥ : sitzend; svastikaṁ : Svastika; tad : das, diese; pracakṣate : nennt man

An die Innenseite der Knie und Oberschenkel beide Fußsohlen richtig platziert, | mit geradem Körper sitzend, dieses wird Svastikasana genannt.

 

Svastikasana, eine uralte Meditationsasana, wird im 20. bzw. im 21. Vers der Hatha Yoga Pradipika beschrieben, je nach Verszählung.

 

Wie sieht Svastikasana aus?

Svastikasana ist der Sitz mit gekreuzten Beinen. Man legt die Füße zwischen Waden und Oberschenkel. Das ist Svastikasana, eine innere Haltung des Wohlwollens und des Glücks.

 

  1. Vers

Gomukhasana

सव्ये दक्षिणगुल्फं तु पृष्ठपार्श्वे नियोजयेत्
दक्षिणेऽपि तथा सव्यं गोमुखं गोमुखाकृतिः ॥२२॥

savye dakṣiṇa-gulphaṁ tu pṛṣṭha-pārśve niyojayet… dakṣiṇe’pi tathā savyaṁ go-mukhaṁ go-mukhākṛtiḥ

savye : an die linke; dakṣiṇa : (den) rechten; gulphaṁ : Knöchel; tu : jedoch, wiederum; pṛṣṭha* : des Gesäßes; pārśve : Seite; niyojayet : man lege; dakṣiṇe : an die rechte; api : auch, und; tathā : ebenso; savyaṁ : (den) linken; go-mukhaṁ : (diese Sitzposition heißt) Gomukha; go : (einer) Kuh; mukha : (des) Gesichts; ākṛtiḥ : (denn sie hat) die Form

Der rechte Knöchel soll an die Seite des linken Gesäßes platziert werden. | Anschließend bei dem rechten [Gesäß] analog dazu der linke [Knöchel]. Das wird Gomukhasana genannt, weil es aussieht wie ein Kuhkopf.

 

Im nächsten Vers wird Gomukhasana beschrieben. Bei dieser Asana bringst du die rechte Fußsohle unter die linke Gesäßhälfte und die linke Fußsohle unter die rechte Gesäßhälfte. Diese Asana stellt das Gesicht einer Kuh dar. Dazu gibt es unterschiedliche Interpretationen dieses Verses. Die einen sagen, dass das Ganze letztendlich wie eine Art Schneidersitz ist, indem eine Ferse unter die eine Gesäßhälfte und die andere Ferse unter die andere Hälfte des Gesäßes gebracht wird. Es ist der Schneidersitz mit den Knien auf dem Boden. Die Fersen befinden sich in der Nähe der Gesäßhälfte. In dieser Haltung sitzt du tatsächlich auf den Fersen.

Heute wird Gomukhasana als eine Stellung verstanden, in der du eine Ferse unter dein Gesäß gibst und den einen Oberschenkel über den unteren gibst. Weiter bringst du die Ferse unter die andere Gesäßhälfte. Diese Stellung schaut wie ein Kuhmaul aus. Die beiden Füße stellen die Ohren dar. Aus der vorderen Perspektive betrachtet, sieht das Ganze wie das Maul einer Kuh aus, die dir jetzt den Mund entgegenstreckt.

 

  1. Vers

Virasana

एकं पादं तथैकस्मिन् विन्यसेद् उरुणि स्थिरम्
इतरस्मिंस् तथा चोरुं वीरासनम् इतीरितम् ॥२३॥

ekaṁ pādaṁ tathaikasmin vinyased ūruṇi sthiram… itarasmiṁs tathā coruṁ vīrāsanam itīritam

ekaṁ : einen; pādaṁ : Fuß; tathā : und; ekasmin : auf (den) anderen; vinyaset : man lege; ūruṇi : Oberschenkel; sthiram : fest ; itarasmin : auf den anderen; tathā : ebenso, desgleichen; ca : und; ūruṁ : (den anderen) Oberschenkel; vīra-āsanam : Helden-Stellung; iti : so; īritam: wird (diese Sitzposition) genannt

Nun soll ein Fuß fest bei einem Oberschenkel platziert werden. | Bei dem anderen Oberschenkel auf die gleiche Weise [der andere Fuß]. Dieses wird Virasana genannt.

 

In diesem Vers geht es um Virasana, den Fersensitz. Dabei ist der eine Fuß fest bei einem Oberschenkel platziert. Bei dem anderen Oberschenkel erfolgt die Platzierung des Fußes auf die gleiche Weise. Dies wird Virasana genannt. 

Eine andere Beschreibung dieser Asana ist folgende Ausführung: Bringe den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel und den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel. Das ist der Lotus.

In der anderen Ausführung heißt es, dass der Fuß bei einem Oberschenkel ist. Es bedeutet, dass du auf den Fersen sitzt. Somit ist es nicht ganz klar in der Deutung, ob jetzt von Virasana die Rede ist oder ob es sich um eine Form von Virasana handelt, welche wir heute meistens unter Virasana verstehen, eine Variation von Vatsasana.  Oder handelt es sich bei dieser Ausführung um eine weitere Form von Virasana?

Man setzt sich auf eine Ferse und gibt den anderen Oberschenkel darüber. In dieser Position hast du den einen Fuß unter dem anderen Oberschenkel. Dann gibst du die Hand nach oben und faltest die Finger.

Was ich damit verdeutlichen will: die genaue Nomenklatur der Asanas ist schon in grauer Vorzeit unterschiedlich. Brahmananda macht in seinem Kommentar daraus den Lotus. Andere Meister sehen darin eine andere Asana. Manche sagen, Virasana sei dieses Stellung, die ich unter Gomukhasana erwähnt habe. Man setzt sich auf die gegenüberliegenden Fersen.

Im Grunde könnte man sagen, ohne Guru verstehst du das nicht. Swami hat klugerweise zu all diesen Versen gar keinen Kommentar gesagt oder geschrieben. Er war der Meinung, dass es klug ist, bezüglich der Asanas auf seinen Lehrer zu hören, was dieser dazu mitzuteilen hat. Die Beschreibung der Asanas der Hatha Yoga Pradipika hilft uns nicht sehr weiter. Nur bei den Versen, wo die Hatha Yoga Pradipika Wirkungen der Asanas beschreibt, wird es interessant.

 

  1. Vers

Kurmasana

गुदं निरुध्य गुल्फाभ्यां व्युत्क्रमेण समाहितः
कूर्मासनं भवेद् एतद् इति योगविदो विदुः ॥२४॥

gudaṁ nirudhya gulphābhyāṁ vyutkrameṇa samāhitaḥ… kūrma-āsanaṁ bhaved etad iti yoga-vido viduḥ

gudaṁ : (den) Anus; nirudhya : in dem man verschließt, drückt; gulphābhyāṁ : mit beiden Knöcheln; vyutkrameṇa* : „in umgekehrter Ordnung“, auseinander gehend, voneinander wegweisend; samāhitaḥ : konzentriert; kūrma-āsanaṁ : (die) Schildkröten-Stellung; bhavet : soll sein, sei; etad : das, diese; iti : so; yoga-vidaḥ : (die) Yogakundigen; viduḥ : kennen, wissen

Den Anus mit dem Knöchel gegeneinander drücken und dabei Achtsamkeit im ganzen Körper halten. | Die Yoga-Kenner berichten, dies ist Kurmasana.

 

Der nächste Vers befasst sich mit Kurmasana. Diese Asana wird folgendermaßen ausgeführt: Drücke den Anus kräftig mit gekreuzten Sohlen und sitze sehr sorgfältig. Das ist Kurmasana gemäß den Yogis.

Dieser Vers wird unterschiedlich interpretiert. Swami Vishnu sagt, dass sei Siddhasana, in dem du eine Ferse nur unter den Anus gibst und den anderen Fuß nach vorne vor das Schambein. Im Kommentar beschreibt er die Stellung, dass man auf beiden Knöcheln sitzt, wobei die Fersen nicht zueinander zeigen, sondern beide jeweils nach oben weisen und rechts und links neben den Anus Druck ausüben. Dies wäre eine Asana, die man nicht zeigen kann, dort würde man nämlich die Zehen nach außen drücken und den rechten Fuß und linken Fuß nach außen geben. Dann setzt man sich auf die Fersen.

Die Beschreibung ähnelt der Schildkröte. Bei der Schildkröte sind die Füße leicht nach draußen gegeben. Die Fersen sind unter dem Anus und die Zehen zeigen links und rechts neben dem Gesäß etwas hinaus. Betrachtet man diese Yogastellung von hinten, würde es wie eine Schildkröte aussehen.

 

  1. Vers

Kukkutasana

पद्मासनं तु संस्थाप्य जानूर्वोर् अन्तरे करौ
निवेश्य भूमौ संस्थाप्य व्योमस्थं कुक्कुटासनम् ॥२५॥

padmāsanaṁ tu saṁsthāpya jānūrvor antare karau… niveśya bhūmau saṁsthāpya vyomasthaṁ kukkuṭāsanam

padma-āsanaṁ : (den) Lotussitz; tu : aber, wiederum; saṁsthāpya : einnehmend, herstellend; jānu : Knie; ūrvoḥ : und Oberschenkel; antare : zwischen; karau : beide Hände; niveśya : steckend; bhūmau : (und dann) auf die Erde; saṁsthāpya : aufstellend, stützend; vyoma-sthaṁ : (wenn man sich so nach oben drückt und in der) Luft befindet; kukkuṭa-āsanam : (ist dies die) Hahnenstellung

Nachdem Padmasana eingenommen ist, werden beide Hände zwischen Knie und Oberschenkel | durchgeschoben, auf dem Untergrund verwurzelt [und der Körper] in der Luft balanciert, das ist Kukkutasana.

 

In Kukkutasana gefaltet, den Nacken mit den Unterarmen fassen, | und verweilen, wie eine auf dem Rücken liegende Schildröte, dieses ist Uttaana-Kurmasana.

Die nächste Asana ist etwas eindeutiger. Von der Padmasana Stellung ausgehend, dem Lotus, füge die Hände zwischen die Oberschenkel und die Waden. Setze die Hände fest auf den Boden und erhebe dich vom Boden. Das ist Kukkutasana, der Hahn. Zunächst gibst du die Füße zum Lotus. Dann würde man die Hände zwischen Unter- und Oberschenkel geben und sich auf die Hände setzen. Eine einfachere Form von Kukkutasana ist, die Hände auf den Boden geben und dann das Becken zu heben.

Von der Kukkutasana Stellung ausgehend, wende deine Arme um den Hals. Bleibe erhoben wie eine Schildkröte in dieser Asana. Das wird Uttana Kurmasana genannt. Uttana bedeutet die aufgerichtete Schildkröte. Das würde heißen, du gibst die Unterarme zwischen Unterschenkel und Oberschenkel. Du setzt dich auf dein Gesäß und windest die Unterarme nach oben und die Finger hinter den Kopf. Während du beide Zehen mit deinen Händen hältst, lasse einen Arm ausgestreckt und ziehe den anderen zu deinem Ohr, wie du es mit der Sehne eines Bogen machen würdest. Das wird Dhanurasana genannt, der Bogen.

Wahrscheinlich kennst du eine andere Asana, die den Namen Bogen trägt, wo du auf dem Bauch liegst als Ausgangslage für diese Asana. In dieser Bauchlage winkelst du deine Beine an und hebst sie vom Boden ab. Mit den Händen ergreifst du die Knöchel am Fuß und spannst den Bogen auf zu dieser Rückbeuge.

In diesem Vers beschreibt er diese Asana als Bogen, der auch als Pfeil und Bogen bezeichnet wird, wo du mit einer Hand an einen Fuß fasst, mit der anderen Hand an den anderen, dann den Ellbogen hebst und den Fuß Richtung Ohr gibst.

Svatmarama hat einige Asanas beschrieben. Die nächsten Yogastellungen werden etwas ausführlicher mit ihrer Wirkung dargestellt.

 

  1. Vers

Uttaana-Kurmasana

कुक्कुटासनबन्धस्थो दोर्भ्यां सम्बद्य कन्धराम्
भवेद् कूर्मवद् उत्तान एतद् उत्तानकूर्मकम् ॥२६॥

kukkuṭāsana-bandha-stho dorbhyāṁ sambadhya kandharām… bhaved kūrma-vad uttāna etad uttāna-kūrmakam

 

kukkuṭa-āsana : (in Form der) Hahnenstellung; bandha-sthaḥ : sich in (der Ausgangs-)Position befindend; dorbhyāṁ : mit beiden Unterarmen; sambadhya : umschließend, umfassend; kandharām : (den) Hals; bhavet : sei man, werde man; kūrma-vat : wie (eine) Schildkröte; uttānaḥ : die ihre Unterseite zeigt bzw. „öffnet“; etad : das, diese; uttāna-kūrmakam : Uttanakurmaka „die aufgerichtete Schildkröte“

In Kukkutasana gefaltet, den Nacken mit den Unterarmen fassen, | und verweilen, wie eine auf dem Rücken liegende Schildröte, dieses ist Uttaana-Kurmasana.

 

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

 
 
 
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