„Heil dem Menschen, der Weisheit gefunden, und dem Menschen, der Einsicht gewonnen! Denn sie zu erwerben ist besser als Silber, sie zu gewinnen ist besser als Gold. Langes Leben birgt sie in ihrer Rechten, in ihrer Linken Reichtum und Ehre. Ihre Wege sind freundliche Wege, und all ihre Steige Heil. Ein Baum des Lebens ist sie dem an ihr Festhaltenden, und die sie erfassen, sind selig gepriesen.“ 3.13,14,16-18
© 2016 Kommentar: Bhajan Noam - In seinen „Hymnen an die Nacht“ schreibt der Dichter und Mystiker Novalis: „Drum fleuch, o Mensch! allein zum Buche / Der göttlichsten Religion, / Dem heiligsten der Bücher, suche / Da nur den Trost, der dich gefloh’n: / Aus ihm träuft dir die Fülle Segen / Ins Herz und innre Seligkeit. / Und dich umlacht auf rauen Stegen / Dann göttliche Zufriedenheit.“
Wo finden wir seligmachende Weisheit in dieser Welt voller Torheiten? Novalis sagt, finde sie in den heiligen Schriften, lass sie dein Herz erobern, auf dass du das göttliche Lachen in dieser Welt wieder vernimmst und mitlachst aus deinem innersten Gestilltsein. Alle die, die am Ende erkannten, lachten – lachten über sich selbst, über die Begrenzungen ihres Verstandes, über den verflogenen Wahn und über diesen großartigen göttlichen Witz. Auch ein scheinbar totes Buch kann durch deine feurige Intention zu neuem Leben erglühen und in flammenden Worten zu dir sprechen. Durch Zauber hast du dich ihm geöffnet, jetzt müssen die alten Texte, die fast vergilbten Silben und Buchstaben, wieder grünen und blühen. Ihr Duft wird durch Raum und Zeit zu dir bewegt. Du wirst ihres ursprünglichen Aromas gewahr. Und plötzlich sitzt du zu Füßen von Buddha, Salomon, Jesus oder Kabir. Ein Wunder!
Ein solches Wunder wird alleine durch Schriften nur Wenigen zuteil. Die Schrift muss dir ein Meister erschließen, du brauchst seine Initiation, seinen Segen. Er wird dir deinen ganz persönlichen Zugang aufzeigen, er wird dich nach und nach sensibel für sie machen. Nun kannst du seinen Wegweisungen folgen, ohne verwirrt zu werden, ohne den verschlungenen und verborgenen Pfad zu verlieren. Heilige Schriften bergen viele Geheimnisse, die du ohne den Meister übersehen würdest, die stumm und dunkel für dich blieben. Seine Ratschläge, sein Licht weisen auf sie hin, bis dein jetzt noch kleines Licht bald von alleine hell erstrahlt. Er wacht über deine Nächte – noch voller Albträume, bis jener goldene Morgen dämmert und der Tag anbricht, der nie vergeht, der ewig währt.
„Heil dem Menschen, der Weisheit gefunden, und dem Menschen, der Einsicht gewonnen! Denn sie zu erwerben ist besser als Silber, sie zu gewinnen ist besser als Gold“ – Was bisher eine geheime Sehnsucht in dir war, jetzt winkt dir ihr Licht ganz nah und du verstehst auf einmal diese Sätze. Alle Geschäfte sind getätigt und verlassen, denn es gibt nur dieses eine wirkliche Ziel noch für dich. Alles Unwirkliche wurde erkannt, aller Unrat beseitigt, alles Hässliche entblößt, alle Stricke aus Silber, alle Ketten aus Gold mit dankbarem Lächeln abgelegt. Denn die Wege der Weisheit sind freundliche Wege und all ihre Steige Heil. Sie bindet dich weder mit rostigen noch mit goldenen Ketten. Sie hat nichts als deine vollkommene Freiheit im Sinn. Wer Weisheit erlangt, erlangt auch Freiheit. Der vermeintlich Freie aber sitzt in einem dumpfen Gefängnis und sieht die Mauern und Gitter des Schmerzes als seinen Himmel an.
Ein Baum des Lebens ist die Weisheit – und alle die, die sie erkennen und ihre Hand ergreifen, werden selig gepriesen. Einzig dein Erwachen macht dich wahrhaftig und lebendig und nach richtigem Verständnis reich und ehrenwürdig. Einzig die Weisheit schenkt dir Gesundheit und im tiefsten Sinne ein ewiges – weil authentisches – Leben. Der Baum des Lebens, der bist du selbst, mit tiefen Wurzeln im Geschehen dieser Erde, mit feinen Zweigen im Äther und voller Blütenschmuck und süßer Früchte für das Gastmahl. Empfange und gib, verschenke dich und nimm entgegen, sei mit allen Fasern im Strom dieses fröhlichen Seins. Das ist die ganze Weisheit, auf die alle heiligen Bücher nur hinzudeuten vermögen, die jedes Geschöpf jedoch am Ende zu verwirklichen beauftragt ist.
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