Praktiziere bis zur Beherrschung – HYP I.67

Hatha Yoga Pradipika, 1. Kapitel, 67. Vers: „Praktiziere die verschiedenen Asanas, Kumbhakas und die verschiedenen Mudras des Hatha Yoga, bis du Raja Yoga erlangst.“


Was heißt Raja Yoga? Raja Yoga heißt wörtlich, der Yoga der Beherrschung, der Herrschaft. Raja heißt König, das wird meistens gesagt, König, wie Maharaja, Raj heißt aber auch Herrschaft. Du kannst auch sagen, sowie du die Herrschaft über den Geist erlangt hast. Praktiziere Hatha Yoga so lange, bis du Herrschaft über den Geist erlangt hast. Und wann hast du die Herrschaft über den Geist erlangt?

Krishna gibt dazu wunderbare Erläuterungen an verschiedenen Stellen: Wenn dir Lob und Tadel gleich sind, wenn du der Gleiche bleibst in Vergnügen und Schmerz, wenn du Freundlichen und Unfreundlichen im gleichen Geist der Liebe begegnest, dann hast du Raja Yoga erlangt, die Herrschaft über den Geist. Dann bist du, Krishna würde sagen, ein Sthita Praja, jemand mit beständiger Weisheit, dann bist du ein Raja Yogi, jemand, der die Herrschaft über seinen Geist erreicht hat. Vermutlich wirst du wissen, das kann eine Weile dauern, ganz so schnell geht es nicht mit der Herrschaft über den Geist. Vielleicht dauert es Jahre, vielleicht Jahrzehnte, vermutlich mehrere Leben. Und letztlich heißt das, praktiziere immer weiter. Sogar große Meister, wie Swami Sivananda, haben bis zu ihrem Tod weiter Hatha Yoga praktiziert. Das finde ich besonders bemerkenswert.

Swami Sivananda soll ja Anfang der 30er Jahre die Selbstverwirklichung erreicht haben, ein Jivan Mukta geworden sein, eben ein lebendig Befreiter, dennoch, er hat jeden Tag einige Asanas geübt. Vermutlich hat er jeden Tag zwanzig, dreißig Minuten Asanas geübt, mindestens wenn man den Biographien glauben soll. Oder auch jeden Tag eine Stunde Pranayama. Das finde ich besonders bemerkenswert, Swami Sivananda, selbstverwirklichter Meister, direkter Zugang natürlich zur höheren Wirklichkeit, direkter Zugang zu Gott und dem Göttlichen, direkter Zugang zur Intuition, dieser Meister hat jeden Tag noch eine Stunde Pranayama gemacht. So schreibt es mindestens Swami Venkatesananda in seinen Büchern über Swami Sivananda. Eine Stunde, das ist eine ganze Menge. Und Swami Sivananda hatte mal gesagt, warum er das macht, er hat viel zu tun, er hat viele Aufgaben, er ist zusammen mit vielen Menschen und für all das braucht er viel Energie. Und die schnellste Weise und die effektivste Weise, Energie zu bekommen, ist eben Pranayama.

Wenn ein so großer Meister wie Swami Sivananda täglich Hatha Yoga geübt hat, umso wichtiger ist es, dass auch du täglich Hatha Yoga übst. Manche Aspiranten denken irgendwann: „Ja, Hatha Yoga ist nicht mehr so wichtig, ich meditiere lieber.“ Man kann sogar sagen, das geht sogar der Mehrheit der Aspiranten so, gerade die spirituell orientierten. Oft kommt man ja zum Yoga über Asanas und dann, über die Asanas kommen dann tiefe Erfahrungen und über diese tiefen Erfahrungen geht man dann weiter und kommt auf den spirituellen Weg. Wenn man den spirituellen Weg geht, merkt man langsam, in der Meditation kommt man am tiefsten. Meditation ist auch am leichtesten zu tun. In der Meditation kann man am tiefsten berührt werden. Meditation geht am anstrengungslosesten. Das sollte dich aber nicht abhalten, auch Hatha Yoga zu praktizieren.

Du brauchst Hatha Yoga aus verschiedenen Gründen. Erstens brauchst du die Asanas und die Tiefenentspannung und auch die Kriyas, um gesund zu sein, auch die Atemübungen, um gesund zu sein. Gerade in der heutigen Zeit, wo man nicht so viel körperlich aktiv ist, sind die Asanas ungemein wichtig, schon allein vom Standpunkt der Gesundheit aus. Und des Weiteren, der heutige Lebensstil ist ja sehr stressig und es gibt wenig, was Menschen heute tun, um sich zu entspannen. Zwar entspannt auch Meditation etwas, aber vollständige Entspannung kriegst du über Asanas und über Tiefenentspannung. Sehr, sehr wichtig, gerade wenn du ein herausforderndes Leben hast. Und heute braucht man sehr viel Energie für alles, was man tut. Du willst eben nach einem anstrengenden Tag nicht einfach nur müde sein, sondern du willst noch voll da sein, vielleicht für deine Familie, vielleicht für deinen Partner, für deine Kinder, für deine Eltern, vielleicht für deine Freunde, vielleicht für deine Meditationspraxis, vielleicht für Yogastunden, die du geben willst. Für all das brauchst du Prana, du brauchst Lebensenergie. Und diese Lebensenergie bekommst du über Pranayama. Daher, übe täglich Asanas, übe täglich Pranayama, übe täglich Tiefenentspannung. Mache auch die Kriyas regelmäßig. Was das ist, darüber spricht ja Swatmarama auch im zweiten Kapitel. Übe regelmäßig. Über regelmäßige Übung wirst du Fortschritte machen, sowohl in Richtung Kontrolle deines Geistes, Kontrolle deines Pranas, Herrschaft über deinen Körper, als auch für Gesundheit, für mehr Prana und insbesondere für Tiefe der Meditation.

 

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:

 

 

 

 

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