© 2015 Text und Foto: Bhajan Noam
Liebe Gäste, heute habe ich mein 80. Lebensjahr erreicht – und das ist mehr, als ich mir je vorstellen konnte. Ich habe es mit nichts verdient, es ist eine überaus große Gnade. Andrerseits habe ich diese 80 Jahre gebraucht, um annähernd ein Mensch zu werden. Eventuell hat diese Tatsache Gott dazu veranlasst, mich so lange am Leben zu lassen. Denn, so sagte er sich, vielleicht, vielleicht wird ja aus diesem törichten Wesen am Ende doch noch etwas. Schenken wir ihm diese Jahre und warten es ab.
Gut, ob ich wirklich Mensch geworden bin, damit meine ich, ob ich alles erreicht habe in meinem inneren Wachstum, was einem Wesen möglich ist, bezweifle ich nicht nur, ich weiß, dass mehr möglich ist. Und vielleicht werde ich deshalb ja auch noch 90. Doch zumindest, und damit beruhige ich mich bisweilen selbst, bin ich nicht mehr der Zombie, den ich die meiste Zeit auf der Bühne dieses Lebens spielte. Und das verdanke ich nicht nur einigen weisen Menschen, denen ich begegnen durfte, sondern letztlich auch dem Leben selbst, dass einen, Gott sei Dank, in gewisser Weise gnadenlos formt und fordert.
Nun, ich bin 80, doch das betrifft ja letztlich nichts weiter als diesen Körper, der einen dürftig ummantelt, um mit der Zeit mehr und mehr brüchig zu werden und zu zerfallen. Und es betrifft den Geist, der auf seine Weise die Seele umhüllt, und der, wenn man Glück hat, ebenfalls brüchiger wird, die einbetonierten Gedankenmuster und Glaubenssätze zerbröseln lässt und dabei klarer, durchscheinender, transparenter, heller wird. Bis er zuletzt das ewige Licht hindurchscheinen lässt.
Doch dann, das mag jetzt erstaunen, ist da immer noch dieses Selbst im Weg, eine subtile Masse zusammengepresst auf wenige Kubikmikrometer, sehr zäh sich ans Überleben klammernd, von Körper zu Körper reisend, uralt und unglaublich vital. Unmittelbar von Gott gespeist, ist es von Körper und Geist völlig unabhängig. Dieses winzige Selbst oder Seelchen ist doch unendlich groß, denn es umhüllt seinerseits Gott, es umnebelt ihn sozusagen. Das ist der Grund, warum wir Gott nicht zu sehen vermögen. Die Seele ist die Schale um diesen Kern „Gott“.
Hat der Körper nur ein Leben, um am Ende zu zerfallen, so durchwandert der Geist tausende, so überdauert die Seele Millionen Leben. Aber auch sie nutzt sich irgendwann einmal ab. Dann erscheint Gott für Sekunden nackt. Gott braucht diese kurze Nacktheit alle Millionen Seelenleben, denn auch er ist nur eine Hülle, die letzte Mauer vor dem unnennbaren Sein. Wenn also Gott in seiner scheinbaren Ewigkeit wieder und wieder in unendlichen Äonen für Sekunden entblößt wird, kann das Sein an seiner diamantenen Härte nagen und nach vielen göttlichen Ewigkeiten auch ihn zerstören. Dann schließlich kann sich das Bewusstsein in sich selbst hinein ergießen. Und das ist, was einzig ist.
So stellt sich am Ende die Frage, wer ist 80 Jahre alt geworden? Da steht niemand vor euch! Und das ist schon recht lustig, diese Wahrheit so plötzlich mit 80 zu erkennen. Gäbe es keine Worte, wüssten wir einfach. Ich möchte bei den jungen Menschen, die verzweifelt meditieren, Hoffnung säen. Es ist nicht so, dass ihr mit Meditation nichts erreicht. Ihr erreicht Nichts!
- Bhajan Noam -
Seiten des Lebens: www.bhajan-noam.com
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Kommentare
;-)
Zu so weisen Erkenntnissen musste ich doch gratulieren;-) Eine schöne Zeit bis dahin und darüber hinaus wünscht Dir Carmen.
Liebe Carmen, ich nehme es schon mal an, aber es dauert noch ein paar Jährchen… ;-)
Herzlichen Glückwunsch!
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