Fortschritte im Yoga – HYP II.18

Der goldene Mittelweg, gehe in die goldene Mitte, übe so, wie es gut für dich ist.

Hatha Yoga Pradipika, 2. Kapitel, 18. Vers: „Yuktam yuktam tyajed vayum yuktam yuktam cha purayet yuktam yuktam cha badhniyad evam siddhim avapnuyat.“ - Swatmarama schreibt in der Hatha Yoga Pradipika:
„Der Yogi sollte gemäßigt einatmen und gemäßigt ausatmen, er sollte gemäßigt den Atem anhalten, so erreicht er wahrlich Siddhi, die Vollkommenheit.“


Du kennst den Ausdruck: Übung macht den Meister, macht die Meisterin. Und du kennst auch den Ausdruck: Gehe den goldenen Mittelweg. Meide Extreme. Es mag manchmal gut sein, etwas intensiver zu praktizieren. Es mag manchmal gut sein, etwas weniger zu praktizieren. Der Mittelweg heißt eben auch, dass du auch Rhythmus hast, Polarität hast. Es ist durchaus gut, mal Phasen zu haben, intensiver zu praktizieren, es ist gut, Phasen zu haben, weniger intensiv zu praktizieren. Aber wenn es z.B. um das Pranayama geht, dann ist auch gerade bei der Atemübung selbst, die Frequenz und der Rhythmus am besten, der genau die Mitte ist zwischen zu langsam und zu schnell.

Angenommen, du übst die Wechselatmung, es ist die Grenzgeschwindigkeit, die maximales Prana gibt. Also, so langsam einatmen, wie gerade angenehm ist, die Luft anhalten, solange wie gerade noch angenehm ist, und ausatmen, solange wie gerade noch angenehm ist. Wenn du diese Grenzgeschwindigkeit übst, dann wirst du das maximale Prana haben. Für den einen ist das der Rhythmus 4:16:8, also vier einatmen, sechzehn anhalten, acht ausatmen, für den anderen ist es 6:24:12 oder sogar 8:32:16. Für den anderen ist es vier Sekunden einatmen, acht Sekunden anhalten, acht Sekunden ausatmen. Finde genau die Atemfrequenz heraus, die für dich am effektivsten ist. Und es ist jetzt nicht nur beim Pranayama so, es ist auch während du z.B. die Asanas übst. Auch dort kannst du genau so weit gehen, wie es gerade richtig ist. Wenn du bei der Vorwärtsbeuge so weit gehst, wie es gerade noch angenehm ist, das ist die wirkungsvollste Form der Vorwärtsbeuge. Gehst du zu weit, verkrampfst du dich und spürst zu starke Schmerzen, dann kannst du nicht mehr entspannen. Wenn du zu wenig weit gehst, wirst du gelangweilt und dein Geist ist nicht konzentriert.

Es ist jetzt nicht nur so bei Asanas und Pranayama, das ist auch bei der Meditation so. Auch bei der Meditation gilt es, auch deinen Geist hineinzubringen. Es gilt, die Meditationstechnik mit einer gewissen Intensität zu üben. Gut, es gilt auch, den Körper gerade zu halten. Es gilt auch, den Atem zu regulieren. Und dann gilt es, dir der Technik bewusst zu werden und die Technik mit ausreichender Intensität zu üben, aber es auch nicht zu übertreiben. Übertreibst du es, bist du plötzlich erwartungsgebunden, du verkrampfst dich, du ermüdest und es ist nicht mehr so schön.

Auch ansonsten im Alltag, wenn du dir irgendetwas vornimmst, es ist gut, dich zu fordern, es ist nicht so gut, dich zu überfordern. Fordern kann auch mal eine vorübergehende Überforderung beinhalten. Du hast vielleicht gehört von dem Flow-Erlebnis. Und es gibt einen ungarischen Psychologen, Csíkszentmihályi, der hat gesagt, Flow-Erlebnisse kommen am meisten, wenn man sich fordert, aber nicht überfordert. Bist du nur in der Komfortzone, dann wird es gelangweilt, überforderst du dich aber, gerätst du in Stress. Es ist dieses richtige Niveau von Anstrengung, ohne in die Überanstrengung zu gehen, die dich glücklich macht und wo du dich weiter entwickelst. So bekommst du Erfolg. Das gilt also in vielem.

Bei deiner Arbeit kannst du überlegen, bist du zu sehr in der Komfortzone, dann langweilt dich das. Es gibt ja auch den Ausdruck „Boreout“, man kann sich zu Tode langweilen bei der Arbeit. Manche Menschen sind quantitativ überfordert und qualitativ unterfordert. Das heißt, sie müssen sehr viel machen, aber es ist nicht anregend genug. Da kannst du überlegen, wie kannst du das, was du tust, vielleicht etwas anregender machen, wie kannst du es etwas herausfordernder machen. Es ist immer wieder gut, etwas seine Grenzen zu erweitern, es ist gut, sich herauszufordern.

Es gilt vielleicht auch in der Beziehung. Vielleicht auch in deiner Beziehung bist du zu sehr in die Routine geraten. Da kannst du überlegen, wie kannst du wieder etwas mehr hineinbringen in die Beziehung. Vielleicht musst du überlegen, ein paar Überraschungsmomente einzubringen, vielleicht etwas Neues zusammen machen, einige Herausforderungen hineinnehmen. Es geht ja im Yoga durchaus darum, sich fortzuentwickeln. So sagt ja auch Swatmarama, man sollte gemäßigt einatmen. Nicht langweilig einatmen, nicht zu viel, nicht zu wenig. Überlege, wie du in dein Leben vielleicht etwas mehr Pep hineinbringen kannst oder in manche Aspekte deines Lebens. Und überlege, wie du dort, wo du überanstrengt bist, etwas Tempo herausnehmen kannst. Manchmal ist man gefordert, ist übergefordert für eine gewisse Zeitspanne, aber ich erlebe es immer wieder, dass Menschen, die für eine Zeit lang gefordert sind oder vielleicht sogar überfordert sind, dass sie dieses Niveau zum Normalzustand erheben und dann gibt es Probleme. Daher, nach einer Weile der starken Forderung, gehe wieder einen Gang zurück. Vielleicht muss auf die Überforderung auch eine Zeit der Entspannung kommen. Das habe ich von Swami Vishnu gelernt, er hat uns oft sehr stark gefordert, aber dann, wenn die Zeit vorbei war, hat er uns ein paar Tage Ruhe gegönnt. Er hat dann uns irgendwo dazu gebracht, wieder etwas weniger zu machen, um dann in das Normalmaß zu kommen. Also überlege, wie du das richtige Anforderungsniveau etablieren kannst und wenn du mal über deine Grenzen hinausgehen musst, vielleicht willst, vielleicht musst, dann anschließend mache es etwas gemütlicher für eine gewisse Phase. Für den Alltag finde ein Level heraus, der dich fordert und nicht überfordert, das ist gemäßigt üben.

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:

 

 

 

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