Hatha Yoga Pradipika, 3. Kapitel, 59. Vers
„Nabher urdhvam adhash chapi tanam kuryat prayatnatah shanmasam abhyasen mrityum jayaty eva na sanshayah.“
„Der Yoga-Übende sollte mit ständiger Bemühung Uddiyana Bandha üben, das Einsaugen oberhalb und unterhalb des Nabels. So wird er den Tod ohne Zweifel besiegen, wenn er sechs Monate lang so praktizieren würde.“
Swatmarama gibt immer wieder Aussagen, wie lange etwas braucht. Hier sagt er, sechs Monate. Wenn du sechs Monate Uddiyana Bandha täglich übst, dann hast du neue Kraft, du fühlst dich jung und beschwingt. Genauso kann man sagen, wenn du sechs Monate immer wieder dich bemühst, den Geist zu erheben, immer wieder den Geist nach oben bringen. Das kann auch heißen, den Kopf leicht nach hinten geben zwischendurch, nach oben schauen zum Himmel. Es kann heißen, lächeln, also die Mundwinkel nach oben geben. Es kann heißen, die Bäume anschauen. Es kann heißen, den Geist auf Gott ausrichten. Wenn du das sechs Monate machst, dann wird das zu deiner zweiten Natur werden. Es geht nicht in einem Tag, es geht nicht in zwei Tagen. In einem Monat ist schon viel gewonnen, in sechs Monaten ist sehr viel gewonnen.
Vielleicht ist das der Grund, dass Swatmarama diese Übung außergewöhnlich lange bespricht. Die ganze Hatha Yoga Pradipika ist ja nicht sehr umfangreich, aber er verwendet viele Verse für Uddiyana Bandha, also sowohl für die physische Übung als auch für die geistige Übung. Es gibt zwei Dinge, die heutzutage Menschen oft beschäftigen. Das eine ist Ohnmacht, das zweite ist Enttäuschung. Menschen wachsen auf damit, dass alles in ihrer Hand sein müsste. Menschen wachsen auf damit, wenn sie sich nur gut genug bemühen, dann wäre vieles gut. Und dann bist du im Leben immer wieder ohnmächtig. Du stellst fest, du kannst in vielerlei Hinsicht vieles nicht ändern. Und du erlebst vielleicht auch Enttäuschungen. Enttäuschungen von deinen Kollegen, Enttäuschungen von deinen Freunden, Enttäuschungen von deinen Kindern, deinen Eltern, Enttäuschungen von deinem Chef, von deinen Mitarbeitern, Enttäuschungen von deinem Partner oder deinem Ex-Partner, deiner Ex-Partnerin usw. Es gibt Enttäuschungen. Aber es ist die Frage, willst du wirklich die Menschen, die dich enttäuscht haben, dauerhaft Herr über dein Leben sein lassen?
Gehe davon aus, jeder Mensch macht von seinem Standpunkt aus das Bestmögliche. Es ist auch verständlich, wenn du ein paar Tage dir nimmst, wenn du mal enttäuscht wurdest, dass du auch etwas traurig bist. Aber nicht dauerhaft. Und lasse es nicht zur Depression werden. Man hat festgestellt, dass Menschen, die ins Burnout kommen, nicht nur diejenigen sind, die überfordert sind. Menschen, die ins Burnout kommen, sind oft Menschen, die sehr engagiert sind, sehr viel Energie haben und auch ein hohes Anspruchsniveau haben. Aber die halten das auch durch, die halten das Jahre durch. Es ist normalerweise nicht die Überforderung, sondern wenn die Überforderung verbunden ist mit einer großen Enttäuschung. Irgendein Mensch, auf den sie gebaut haben, für den sie vielleicht schon viel gemacht haben, hat sie scheinbar oder tatsächlich enttäuscht. Und dann kommt eine Ohnmacht. Und dieses Gefühl von Enttäuschung und Ohnmacht, das kann Menschen ins Burnout führen. Sei dir dessen bewusst und lasse nicht eine Enttäuschung zum Dauerzustand werden. Erhebe deinen Geist nach oben, wieder und wieder. Und lerne auch, mit Ohnmacht umzugehen. Ohnmacht heißt ja nicht, dass alles schlimm ist, es kann heißen, dass du Vertrauen hast. Vertrauen, dass Gott vieles macht. Vertrauen darin, dass schon alles gutgehen wird. Vertrauen darin, dass eine höhere Wirklichkeit da ist. Tue das, was du kannst, und sei dir bewusst, du machst eine ganze Menge. Wertschätze dich für das, was du machst, wertschätze dich für das, was du bewirkst. Und vergib den Menschen, die dich verletzt haben und erkenne das Gute in ihnen und reduziere ein übersteigertes Anspruchsniveau an dich, wie auch an andere. Gehe liebevoll mit dir um, gehe liebevoll mit anderen um, und erhebe so deinen Geist wieder und wieder.
Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:
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