1. und 23. Vers

Shatkarma und Shatkriya in der Hatha Yoga Pradipika.

  1. Vers

धौतिर् बस्तिस् तथा नेतिस् त्राटकं नौलिकं तथा
कपालभातिश् चैतानि षट्कर्माणि प्रचक्षते ॥२२॥

dhautir vastis tathā netis trāṭakaṁ naulikaṁ tathā… kapāla-bhātiś caitāni ṣaṭ-karmāṇi pracakṣat

dhautiḥ : Dhauti („Quelle, Bach“); vastiḥ : Vasti („Klistierblase“); tathā : und, ebenso, desgleichen; trāṭakaṁ : Trataka (unverwandtes Schauen); naulikaṁ : Nauli (Kreisen der Bauchmuskulatur); tathā : und, ebenso, desgleichen; kapāla-bhātiḥ : Kapalabhati („das Leuchten des Schädels“); ca : und; etāni : diese; ṣaṣ : (die) sechs; karmāṇi : (Reinigungs-)Handlungen; pracakṣate : werden genannt

Diese sind einmal: Magenreinigung (Dhauti), Dickdarmreinigung (Basti); zum anderen Nasenreinigung (Neti), Augenreinigung (Trataka), Dünndarmreinigung (Nauli), | und letztlich Lungenreinigung (Kapalabhati). Sie werden als die sechs Handlungen (Shat-Karma) bezeichnet.

 

Die sechs Kriyas sind: Dhauti, Basti, Neti, Tratak, Nauli und Kapalabhati. Es sind sechs Handlungen. Svatmarama nennt sie Shatkarma.

Die Bedeutung von shat ist sechs. Karma sind die Handlungen. Dem zu Folge handelt es sich um die sechs Reinigungsübungen. Karma und Kriya bedeutet fast das gleiche. Karma heißt Handlung und Kriya ist auch die Handlung. Da heute das Wort Karma meistens in Verbindung mit dem Gesetz von Ursache und Wirkung steht, haben sich die modernen Hatha Yogis darauf geeinigt, das nicht Shatkarma zu nennen. Der Begriff Shatkriya rückt in diesem Fall in den Vordergrund. Shatkarma und Shatkriya ist letztlich das gleiche. Im Ayurveda gibt es Panchakarma, die fünf Reinigungsübungen. Im Hatha Yoga sind es die sechs Shatkarmas.

 

Die sechs Shatkarmas:

Dhauti: Dhauti ist die Magenreinigung. Man unterteilt zwei Hauptmagenreinigungen. Das eine wäre ein Tuch schlucken und es wieder herausziehen. Das zweite ist das Trinken von Salzwasser. Dabei werden 1-2 Liter getrunken und im Anschluss wird der Finger in den Hals gegeben, um ein Erbrechen hervorzurufen.

Basti: Das ist die Dickdarmreinigung, eine Art Einlauf.

Dann gibt es die Nasenreinigung Neti. Diese Reinigung kann auf zwei verschiedene Arten erfolgen. Du kannst eine Salzwasserspülung machen oder einen Faden durch die Nase geben.

Dann kommen die drei bekanntesten Reinigungsübungen, die zugleich einfach in ihrer Durchführung sind.

Tratak, das Starren auf ein Objekt

Nauli, die Dünndarmreinigung

Kapalabhati, die Lungenreinigung

Das sind die sechs Reinigungsübungen der Hatha Yoga Pradipika.

 

  1. Vers

कर्म षट्कम् इदं गोप्यं घटशोधनकारकम्
विचित्रगुणसन्धाय पूज्यते योगिपुङ्गवैः ॥२३॥

karma-ṣaṭkam idaṁ gopyaṁ ghaṭa-śodhana-kārakam… vicitra-guṇa-sandhāyi pūjyate yogi-puṅgavaiḥ

karma : (von) Reinigungs(handlung)en; ṣaṭkam : Sechsergruppe; idaṁ : diese; gopyaṁ : ist zu hüten, zu verbergen, geheim zu halten; ghaṭa : (des) Körpers („Topfes, Kruges“); śodhana : (das) Reinigen; kārakam : (sie) bewirkt, verursacht; vicitra : verschiedenartige, wunderbare; guṇa : Eigenschaft(en); sandhāyin : vereinigt (in sich), verleiht (sam); pūjyate : (sie) wird verehrt; yogin : (der) Yogis; puṅgavaiḥ : von den Vortrefflichsten („Stieren“)

Diese sechs Reinigungsübungen sind ein Geheimnis, das eine Reinigung des physischen Körpers ermöglicht. | Zusammen hat es vielfache Qualitäten und wird von den besten der Yogis sehr geachtet.

 

Diese sechs Handlungen, die den Körper reinigen, sollten sorgfältig geheim gehalten werden, da sie verschiedene wunderbare Ergebnisse hervorbringen und als solche von den großen Yogis in hoher Wertschätzung gehalten werden.

 

In der Übersetzung heißt es folgendermaßen:

Karma-ṣaṭka: ist die Sechsheit von Reinigungsübungen

Gopya: Geheimhaltung, Hüten. Man sollte sie hüten und geheim halten.

 

Warum sollte man sie geheim halten?

Er sagt auf seltsame Weise, dass sie gehütet werden sollte, weil sie sehr gut wirken. Das ist natürlich seltsam. Es stellt sich die Frage: Warum sollte man sie geheim halten, wenn sie gut wirken?

Vermutlich sollte man sie aus einem anderen Grund geheim halten. Für die meisten Menschen klingen sie irgendwie schräg und komisch. Das war schon in Svatmaramas Zeit der Fall.

Angenommen, du übst Dhauti und schluckst jeden Tag ein Tuch und ziehst es wieder heraus. Du trinkst Salzwasser und übergibst dich anschließend. Diese Handlungen erzählst du anderen Menschen in deinem Umfeld. Du wirst vermutlich etwas schräg angeguckt werden.

Bei den Jnana Yogis, die vornehmen Yogis, die sich auf das höchste Wissen konzentrieren und ihren Schwerpunkt darauf ausgelegt haben, belächeln manchmal die schrägen Praktiken der Hatha Yogis.

Lassen wir die anderen uns belächeln. Stehen wir lieber zu unseren Handlungen, halten uns jedoch im Hintergrund und reinigen unseren Körper mit Shatkarmas.

Wenn du interessierte Menschen findest, kannst du es weitergeben. Der Ashram Leiter in Bad Meinberg, Narendra, hat sogar regelmäßig Volkshochschulkurse veranstaltet, wo er die sechs Kriyas gelehrt hat. Es besteht durchaus ein größerer Interessentenkreis, der zugänglich für diese Reinigungen ist, als eigentlich angenommen wird. Vielen Menschen haben diese Erfahrungen der Reinigung sehr geholfen.

Eine wirkliche Geheimhaltung muss nicht sein. Du solltest dir gewiss sein: Es hat eine Auswirkung, wenn du es Leuten erzählst. Erzähle nur den Menschen davon, die etwas davon haben. Es kann für Menschen hilfreich sein und für dich vielleicht einen Austausch von Erfahrungen mit sich bringen. Ansonsten ist es ratsam, diese Praktiken für dich zu üben. 

 

Was machen diese Übungen?

Sie machen ghaṭa-śodhana: Sie reinigen das Gefäß.

Dieser Körper ist ghaṭa, das Gefäß. Er ist wie ein Topf, ein Krug. Diesen gilt es zu reinigen. Im Hatha Yoga spielt diese Reinigung eine große Rolle.

Die Shatkarmas bewirken (kāraka) ghaṭa-śodhana, die Reinigung des Körpers.

Außerdem verleihen sie (sandhāyi) verschiedenartige (vicitra-guṇa) positive Eigenschaften.

Wenn du die Kriyas übst, hast du eine Menge von positiven Wirkungen. Sie werden sogar verehrt. Dies ist aus dem Wort: „pūjyate“ zu entnehmen.

Die Yogis verehren diese großartigen Reinigungsübungen.

Von wem werden diese Reinigungsübungen verehrt?

Sie werden von puṅgavaiḥ, von den Vortrefflichsten der Yogis verehrt. Die allerbesten Yogis verehren die Shatkriyas besonders.

Mein Tipp ist das Üben der Shatkriyas.

Sicherlich übst du ein paar Shatkriyas. Insbesondere Kapalabhati wird zu deinen Praktiken gehören. Übe in jedem Fall eine Form von Neti. Am einfachsten wäre die Reinigung mit Salzwasser. Eventuell übe Tratak und die anderen Formen von Reinigungen.

In den nächsten Versen spricht Svatmarama über die einzelnen Shatkriyas.

Ein Tipp zur Häufigkeit der Anwendung: 

Normalerweise übst du eine Weile. Ein Zeitraum von einem halben Jahr an regelmäßiger Praxis sollte angestrebt werden.

Diese Übung könnte folgendermaßen aussehen:

Einmal pro Woche übst du Hrid-Dhauti. Das heißt du schluckst ein Tuch und ziehst es wieder heraus.

Du übst einmal pro Woche Kunjal-Kriya. Hrid-Dhauti, auch Vamana Dhauti genannt, ist das Tuchschlucken. Zum anderen ist Hrid-Dhauti oder Kunjal-Kriyagenannt, das Schlucken von Salzwasser und dem anschließenden Erbrechen. Du trinkst 1-2 Liter Salzwasser, gibst zwei oder drei Finger in den Hals und dieser Vorgang führt zum Erbrechen.

Du übst einmal die Woche Basti, den Einlauf.

Täglich solltest du Neti, Kapalabhati und Tratak üben.

Das machst du ein halbes Jahr lang. Mit diesen konsequenten Handlungen erreichst du eine Reinigung des Körpers.

Anschließend kannst du das ganze wieder reduzieren. Kapalabhati übst du weiterhin täglich. Nauli, Neti und Tratak machst du bei Bedarf.

Wann immer eine Krankheit anfängt zu kommen, kannst du schnell Dhautis üben und Basti. Somit kann du verhindern, dass sich Krankheiten in dir breit machen können.

Das war ein Tipp im Voraus. In den nächsten Versen geht es um die einzelnen Kriyas.  Du erfährst, wie sie ausgeführt werden und wozu sie gut sind. Zu all diesen Kriyas gibt es ausführliche Anleitungen und Beschreibungen auf Video, welche auf unseren Internetseiten zu finden sind.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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