Ardha Matsyendrasana gehört zu den allerwichtigsten Hatha Yoga Übungen, gehört vielleicht zu den 4 wichtigsten Asanas, gehört zu den wenigen Asanas, die in der Hatha Yoga Pradipika genauer beschrieben werden. Ardha Matsyendrasana, der Drehsitz, folgt nach den Rückbeugen (wobei man nach den Rückbeugen auch oft Garbhasana, die Stellung des Kindes übt), und kommt vor den Gleichgewichtsübungen. Ardha Matsyendrasana hat viele körperliche, energetische, geistig-emotionale und auch spirituelle Wirkungen.

Körperliche Wirkungen: Der Drehsitz dehnt einige Muskeln. Im Drehsitz wird z.B. der Gluteus gedehnt und zwar Gluteus Maximus, wie auch Gluteus Medius und verschiedene andere der tieferen Gesäßmuskeln des aufgestellten Beines. Der Drehsitz dehnt auch bestimmte Bauchmuskeln, nämlich die schrägen Bauchmuskeln. Er dehnt auch Brustmuskeln (Pectoralis). Gerade alle diagonalen Muskeln des Rumpfes werden im Drehsitz gedehnt. Diese Muskeln werden selten genug gedehnt, und insbesondere dadurch, dass sie im Drehsitz gedehnt werden, können sie nachher entspannen. Gedehnte Muskeln – Muskeln, die gleichmäßig gedehnt sind – können gut entspannen, und um ein Verkleben von Muskeln und Faszien zu verhindern, ist allgemein das Dehnen wichtig. So ist der Drehsitz wichtig auch in jeder Art von Faszien Training.                                                                                                                         

Der Drehsitz stärkt natürlich auch einige wichtige Muskeln. Gestärkt werden kann z.B. der Latissimus, wenn man mit den Armen gut nachhilft. Es wird typischerweise auch Obliquus und Transversus Abdomini gestärkt, also die schrägen Bauchmuskeln, insbesondere, wenn man aktiv die Rumpfmuskeln verwendet, um in die Stellung hinein zu kommen. Es werden manche Lendenmuskeln gestärkt, andere werden auch gedehnt. Letztlich werden auch vom Kapuzenmuskel (Trapezius) bestimmte Muskelfasern gestärkt, die dazu führen, dass man gerade bleibt und nicht einsinkt, und dass man sogar die Schulter mit zur Seite zieht. Es ist also auch von sportlicher Seite her interessant, welche Muskeln gestärkt und gedehnt werden, eben gerade die diagonalen Muskeln, die ja so wichtig sind.                                               

Der Drehsitz hat aber auch starke Wirkungen auf das Nervensystem. Die Wirbelsäule wird gleichmäßig gedreht, und beim Drehen werden auch bestimmte Spinalnerven etwas gedehnt. Das hilft, dass das Nervensystem gesund bleibt, und auch, dass der Rückenmarkskanal gesund bleibt. So wird gesagt, dass der Drehsitz gut ist für die Gesundheit der Nerven. Der Drehsitz hält natürlich die ganze Wirbelsäule flexibel. Die Bandscheiben werden leicht gedreht, was ein guter Trainingsimpuls für die Bandscheiben ist. Die Zwischenwirbelgelenke werden gedreht, und die Bänder entlang der Wirbelsäule erhalten einen sanften Stimulus, was die Wirbelsäule flexibel und gesund hält, und ein Verkleben von Bindegewebe, Muskelfasern und anderem verhindert.                                                                           

Der Drehsitz ist auch eine gute Massage für die Bauchorgane. Sowohl Magen, wie auch Leber, Nieren und weibliche Geschlechtsorgane bekommen eine sanfte Massage. Und dem Drehsitz wird auch wieder eine positive Wirkung zur Vorbeugung von Diabetes nachgesagt. Auch Magenprobleme oder Reizdarmprobleme, Verstopfung oder auch übermäßige Blähungen im Bauch können durch den Drehsitz gut reguliert und harmonisiert werden.

Swami Sivananda sagt auch, dass der Drehsitz Gifte abbaut, und so sind wir schon bei den Ayurveda - Wirkungen des Drehsitzes.

Ayurveda - Wirkungen des Drehsitzes laut Hatha Yoga Pradipika: Hatha Yoga Pradipika beschreibt den Drehsitz und lobt ihn in hohen Worten. Dabei werden insbesondere Ayurveda - Wirkungen beschrieben. Es wird gesagt, dass der Drehsitz „Amas“, Unreinheiten beseitigt, also hilft, Stoffwechselprodukte abzubauen, Gifte abzubauen usw. Zum Zweiten wird gesagt, dass der Drehsitz „Agni“, das Verdauungsfeuer aktiviert, was hilft, dass Nährstoffe besser absorbiert werden können, und dass auch die innere Verdauung und die innere Umwandlung besser sind. Svatmarama sagt auch, dass durch Asanas wie den Drehsitz alle Erkrankungen, die aus einem Übermaß von Vata, Pitta oder Kapha entstehen, beseitigt werden. Der Drehsitz wirkt Tridosha, d.h. er führt die Doshas zu ihrer natürlichen Prakriti. Vor allem langes Halten des Drehsitzes ist dort sehr machtvoll. Auch wird gesagt, dass der Drehsitz das „Mond Chakra“ aktiviert und dazu führt, dass der Nektar nach unten strömt. Damit ist auch ein sublimiertes Kapha gemeint, welches regenerierend für alle Körpergewebe ist.

Energetische Wirkungen: Ardha Matsyendrasana gehört zu den mit am stärksten wirkenden Asanas. Sie gehört zu den Asanas, die man durchaus länger halten kann. 5 bis 10 Minuten auf jeder Seite können dich überzeugen, welch starke energetische Wirkungen der Drehsitz hat. Der Drehsitz kann die Energie ins Muladhara Chakra bringen. Ida und Pingala bringen ihre Energie (Prana) ins Muladhara Chakra, Sushumna, die feinstoffliche Wirbelsäule, öffnet sich, Prana strömt durch die Sushumna nach oben. In diesem Prozess kann Kundalini erwachen. Wenn die Kundalini nach oben geht, entsteht ein tiefer Zustand von Freude, von Göttlicher Verbundenheit. Der Drehsitz aktiviert dabei das Sonnengeflecht, also den Bauch, und damit Selbstvertrauen, Mut und auch die Fähigkeit zu strahlen und selbst etwas zu bewirken. Der Drehsitz öffnet die Sushumna und aktiviert so sowohl Muladhara Chakra, wie auch Ajna und Sahasrara Chakra. Der Drehsitz kann sehr helfen, zur Harmonie zu kommen.

Geistig-emotionale und spirituelle Wirkungen: Man dreht sich im Drehsitz mal nach links, man dreht sich nach rechts – dadurch harmonisiert und aktiviert der Drehsitz das Sonnengeflecht und die Mondenergie in der Stirn. So wirkt der Drehsitz allgemein harmonisierend, beruhigend, Stress abbauend, Nerven stärkend. Der Drehsitz hilft, ins Gleichgewicht zu kommen, und hilft auch, dieses Gleichgewicht zu halten, Gelassenheit zu halten, auch wenn äußere Umstände sich ändern. Der Drehsitz: Aufgerichtet sein, auch wenn man sich dreht, hilft, die innere Würde zu bewahren, hilft auch, trotz äußerer Widrigkeiten seinen Idealen treu zu bleiben. Der Drehsitz steht auch dafür, dass man sein Herz offen hält, auch wenn man sich öfters mal „verdrehen“ muss. Ardha Matsyendrasana ist die Stellung, die benannt ist nach einem Meister namens Matsyendranath. Und Matsyendranath gilt als der mythologische Begründer des Hatha Yoga Systems, der erste menschliche Hatha Yoga Guru. Davor gab es ja Shiva und Parvati, dann folgt Matsyendranath, und irgendwann folgt Gorakhnath, auch Goraksha genannt. So gilt der Drehsitz auch als „Meisterstellung“, und so heißt es, dass es auch eine Stellung ist, die in dir die „Meisterfähigkeiten“ entwickelt, oder dich zur Führungsperson werden lässt. Du bist aufgerichtet, was auch heißt: aufrecht bleiben. Du drehst dich, was zum einen heißt: du bist flexibel. Du wendest dich anderen Menschen zu, dein Kopf bleibt aber oben: Du bewahrst deine Würde, deine hohen Ideale, und du öffnest dich nach oben und willst, dass Gutes in dich hineinfließt und durch dich wirkt. Der Drehsitz, länger gehalten, kann zu tiefen meditativen und spirituellen Erfahrungen führen. Wenn du einmal längere Zeit konzentriert Ardha Matsyendrasana, den Drehsitz, gehalten hast, weißt du, was damit gemeint ist. Manche Menschen, die längere Zeit den Drehsitz halten, wollen danach direkt in die Meditation gehen und bekommen so sehr tiefe spirituelle Erlebnisse.

Soweit die Wirkungen von Ardha Matsyendrasana. Auf den Internetseiten von Yoga Vidya findest du Übungsanleitungen zum Drehsitz. Es gibt da sanftere und fortgeschrittene Variationen, und es gibt vieles zu beachten, um den Drehsitz richtig zu üben.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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