Warum sitzen wir im Yoga für Pranayama, für das Om - Singen und für die Meditation typischerweise kreuzbeinig?
Im Yoga sitzen wir gerne für das Om, für das Pranayama und zum Schluss auch für die Meditation kreuzbeinig. Natürlich kann man auch auf einem Stuhl sitzen, was sich dann Asandasana nennt. Man kann auch auf den Fersen sitzen, das ist das Virasana.
Es gibt aber gute Gründe, wenn es für die Teilnehmer gut und auch machbar ist, dass wir kreuzbeinig sitzen. Dafür gibt es physische, energetische und geistige Gründe.
Energetische Wirkung
In vielen Fällen haben Teilnehmer / Teilnehmerinnen in den Yogastunden einen größeren Bezug zu den energetischen Wirkungen. Zwar sind die physiologischen Wirkungen schön, aber nicht so faszinierend.
Die kreuzbeinige Sitzhaltung erzeugt ein doppeltes Dreieck. Das eine Dreieck geht von den Knien über die Oberschenkel zur Wirbelsäule. In der Wirbelsäule sind die sieben Chakras, dort ist die Sushumna, der feinstoffliche Energiekanal. Kreuzbeinig zu sitzen heißt, dass die Energie auf die feinstoffliche Wirbelsäule ausgerichtet ist, sodass die Energie durch die Chakras nach oben strömen kann. Ein zweites Dreieck entsteht nach oben. Auch hier hilft es, dass die Energie nach oben steigt. Bei der kreuzbeinigen Sitzhaltung ist letztlich das Herz in der Mitte. Wenn du stehen oder auch auf einem Stuhl sitzen würdest, ist die Mitte des Menschen eher der Bauchbereich. Für den Alltag ist das auch gut, da der Bauch Feuer, Sonne, Gestaltung und Aktivität ist. Es ist auch gut, das im Alltag zu machen.
Aber wenn wir für Pranayama und Meditation sitzen, wollen wir eigentlich auch in das Herz hineingehen. Auch wenn wir bei Yoga - Vidya oft erst mit dem Bauch atmen und bei Pranayama auf die Energie von Muladhara - Chakra nach oben bringen. Aber das mittlere Chakra der sieben ist nun einmal Anahata Chakra und da ist es gut, dass es auch in etwa der Mitte des sitzenden Körper ist.
So spüren Menschen, die kreuzbeinig sitzen, schneller die Wirkung von Pranayama als Menschen, die anders sitzen. Auch die Wirkung des Om - Singens ist kreuzbeinig schneller zu spüren.
Wenn jemand allerdings nicht kreuzbeinig sitzen kann, dann soll er eben eine andere Sitzhaltung einnehmen.
Physiologische Wirkung
Warum ist es gut öfter kreuzbeinig zu sitzen? Das kreuzbeinige Sitzen fordert die Rückenmuskulatur mehr als das Sitzen auf einem Stuhl und auch mehr als das Kniesitzen. Wenn Menschen auf dem Stuhl sitzen, dann lehnen sie sich typischerweise an. Selbst wenn sie sich nicht anlehnen, ist das Aufrechthalten in der kreuzbeinigen Stellung anstrengender.
Anstrengend heißt, dass die Muskeln gefordert werden. Wenn die Muskeln gefordert werden heißt es, dass sie stärker werden. Stärkere Rückenmuskeln sind die beste Versicherung gegen Rückenschmerzen.
Es hat schon vergleichende Studien gegeben, die gezeigt haben, dass Menschen in Kulturen, die nicht auf Stühlen sondern auf dem Boden sitzen, erheblich weniger Rückenbeschwerden haben, als in Kulturen wo Menschen auf Stühlen sitzen.
Ein zweiter Grund sind Krampfadern. Man weiß, dass in Kulturen, wo Menschen auf dem Boden und nicht auf Stühlen sitzen, Krampfadern nahezu unbekannt sind. Krampfadern sind letztlich eine Folgeerscheinung des Sitzens auf Stühlen. Wenn Menschen auf Stühlen sitzen, sind die Füße recht weit weg vom Herzen. Außerdem drückt oft die Sitzfläche auf den Oberschenkelbizeps, wo viele der Venen verlaufen. Das Drücken auf diese Venen führt dazu, dass das venöse Blut nicht gut zurückkommt. In Verbindung damit, dass die Füße bis zu 1m vom Herzen weg sind (kreuzbeinige Sitzhaltung eher 0,5m), führt dies zu einem Anschwellen der Beine, zu Krampfadern, zu Ödemen usw.
Wohl dem, der viel Zeit kreuzbeinig sitzt.
Spirituelle Gründe
Kreuzbeiniges Sitzen hilft das Dritte Auge besser zu spüren. Es hilft sich in der Meditation weiter zu öffnen. Es ist schwer zu erklären, aber wer es erfahren hat, der weiß wovon ich spreche. Ich weiß es deshalb, weil ich selbst irgendwann mal einen Unfall hatte und danach eine ganze Weile nicht kreuzbeinig sitzen konnte. Ja, ich habe dann auf dem Stuhl sitzend Pranayama geübt und meditiert oder die Beine ausgestreckt. Aber ich habe auch gemerkt, als ich wieder kreuzbeinig sitzen konnte, war es tiefer.
Trotzdem ist es besser auf dem Stuhl sitzend zu meditieren oder im Langsitz oder auch im Fersensitz, als gar nicht zu meditieren.
Angenommen du hast eine Gruppe von Menschen, die vielleicht über 70 Jahre alt sind, dann würde ich dir sogar empfehlen, von Anfang an Stühle im Raum zu verteilen und sich selbst auf einen Stuhl zu setzen, damit Menschen nicht deshalb mehr zum Yoga-Unterricht kommen, weil ihnen die kreuzbeinige Sitzhaltung zu schmerzhaft ist.
Patanjali hat gesagt: Sthira sukham asanam - Die Sitzhaltung sollte fest und angenehm sein.
Obgleich die kreuzbeinige Sitzhaltung besonders gut ist, solltest du vor der Yogastunde überlegen, welche Teilnehmenden du hast. Bei bestimmten Altersgruppen und bei bestimmten Zielgruppen ist es gut, dass du dich beim Om und beim Pranayama auf einen Stuhl setzt und die anderen Teilnehmenden dann natürlich auch.
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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
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