Vibhuti Yoga ‒ Verehre Gott in allem Großartigen
Am Anfang des 11. Kapitels hat Krishna beschrieben, wie du Gott verehren kannst als in allem. Im 10. Kapitel hat er beschrieben, dass Gott überall ist und in jedem, und dass du Gott in allem verehren kannst. Er hat auch gesagt, wenn du Gott verehrst, kommst du zum höchsten Wissen. Und bist du im höchsten Wissen, bist du auch voller Liebe.
Arjuna will jetzt wissen: Wie kann ich denn jetzt ganz konkret Gottes Gegenwart erfahren? Wie spüre ich diese Bhakti, dieses Gefühl von Hingabe und Gottesliebe? Krishna wird darauf antworten.
Die Frage Arjunas beginnt also im 12. Vers des 10. Kapitels und Krishna gibt ihm einige Tipps. Das ganze 10. Kapitel heißt ja „Vibhuti Yoga“, der Yoga der Göttlichen Herrlichkeiten und gerade ab dem 12. Vers wird das gut beschrieben.
- und 13. Vers, erst auf Sanskrit, dann auf Deutsch:
arjuna uvaca
param brahma param dhama
pavitram paramam bhavan
purusham sasvatam divyam
adi-devam ajam vibhum
svayam evatmanatmanam
vettha tvam purushottama
bhuta-bhavana bhutesa
deva-deva jagat-pate
- Vers: Arjuna sprach: „Oh Erhabener, Du bist das höchste Brahman, die höchste Wohnstatt, das höchste Licht, die höchste Läuterung, die ewige göttliche Person, der Urgott, ungeboren und allgegenwärtig.“
- Vers: „So haben Dich alle Weisen erklärt, wie auch der heilige Weise Narada, und auch Asita, Devala und Vyasa; und nun sagst Du mir selbst das Gleiche.“
Krishna hatte vorher Arjuna einiges erklärt. Arjuna ist ja auch schon längere Zeit auf dem spirituellen Weg; er ist kein neuer Aspirant und er weiß jetzt: Ja! Gott ist das höchste Brahman. Aber Gott manifestiert sich auch in der Läuterung, also in den spirituellen Praktiken und in den spirituellen Erfahrungen. Gott ist ungeboren und doch allgegenwärtig. Arjuna hat das irgendwo verstanden und er sagt: Viele haben mir das schon gesagt.
Und letztlich kannst du dir auch bewusst machen: In allen Religionen und spirituellen Systemen gibt es diese Mystiker, die Gott erfahren haben, und sie sagen letztlich Ähnliches.
- Vers: Ich erkenne alles, was Du mir sagst, als Wahrheit an, oh Krishna. Wahrlich, oh gepriesener Herr, weder die Engelswesen noch die Dämonen erkennen Dein Erscheinen, Deine Herkunft.“
- Vers: „Wahrlich, nur Du selbst kennst Dich selbst durch Dein Selbst, oh höchstes Wesen, oh Quelle und Herr der Wesen, oh Gott der Götter, oh Lenker der Welt.“
Arjuna weiß, Gott ist so großartig. In der relativen Welt kann man Gott nur verehren, nicht wirklich vollständig verstehen. Sogar die Engelswesen können das nicht. Er sagt, nur Gott selbst kann sich erkennen als sein Selbst. Was auch letztlich heißen soll: Willst du Gott wirklich erkennen, musst du deine Einheit mit Gott erfahren.
Vers 16: Berichte ohne Einschränkung von Deinen göttlichen Herrlichkeiten, durch die Du all diese Wesen durchdringst.“
Vers 17: „Wie soll ich Dich in fortwährender Meditation erkennen, oh höchster Yogi? In welchen Aspekten oder Dingen, oh höchster Herr, soll ich an Dich denken?“
Vers 18: „Sage mir erneut genau, was Deine Yogamacht und Deine Herrlichkeiten ausmacht; denn ich habe noch nicht genug von Deinen lebensspendenden und nektargleichen Worten gehört.“
Arjuna hat verstanden: Gott ist überall. Aber wie konkret soll ich denn jetzt meditieren? Wie soll ich jetzt im Alltag Gott erkennen
Vers 19: „Krishna sprach: „Gerne. Ich werde dir jetzt die bedeutendsten Meiner göttlichen Herrlichkeiten darlegen, oh Arjuna; ihrer Beschreibungen im Einzelnen ist kein Ende gesetzt.“
Vers 20: „Ich bin das Selbst in den Herzen aller Wesen, oh Arjuna. Ich bin Beginn, Mitte und auch Ende aller Wesen.“
Hier beginnt Krishna jetzt Vibhuti Yoga zu beschreiben, das heißt den Yoga der Göttlichen Herrlichkeiten. Gott ist überall. Aber besonders gut kannst du Gott erfahren, in dem was besonders großartig ist.
Krishna wird das in den künftigen Versen beschreiben; und in einem späteren Vortrag will ich das auch genauer angehen.
Hier sagt er: Die erste der Herrlichkeiten ist das Selbst in den Herzen aller Wesen. Und vielleicht kannst du das gerade als Anregung nehmen. Für heute, oder morgen, nimm dir vor, im Herzen der Wesen Gott wahrzunehmen, mit Liebe. Spüre das Herz deines Gegenübers, fühle ihn oder sie vom Herzen her ‒ und dort ist Gott wahrnehmbar.
Wenn du gleich mit einem Menschen zusammen bist, sei dir bewusst: Im Herzen dieses Menschen ist Gott. Egal, ob das jetzt dein Kind ist, dein Mann, deine Frau, ob das dein Chef ist, Mitarbeiter, oder auch Kassiererin, Zugschaffner oder an der nächsten Ampel derjenige ist, der vor dir wartet (oder überflüssigerweise vor dir wartet, ob’s grün ist oder nicht) ‒ spüre vom Herzen her das Göttliche.
Im Herzen aller Wesen ist Gott. Und wenn ein neuer Mensch in dein Leben tritt: Darin ist Gott. Und wenn ein Mensch aus deinem Leben tritt: Auch darin ist Gott. Und in Menschen, die schon eine Weile in deinem Leben sind: Auch dort ist Gott.
Kultiviere Verständnis und Herzensliebe und spüre Herz-zu-Herz-Verbindung.
Und du könntest das auch praktisch umsetzten. Jedes Mal, wenn du einen Menschen siehst, sage von innen heraus: „Oh Gott, ich grüße Dich in diesem Menschen.“
Wenn du in einer Gegend Deutschlands bist, wo man sagt „Grüß Gott“, dann sage das und spüre damit tatsächlich die Gegenwart Gottes. Oder modern sagst du „Hallo“; und wenn du „Hallo“ sagst, sagst du innerlich „Grüß Gott“. „Hallo“ kommt von „Hey Lord“, ich verehre Gott in dir. Und „Tschüss“ oder „Tschö“ heißt auch „Adieu“, ich verehre in dir Gott.
In diesem Sinne: Die erste Herrlichkeit des Vibhuti Yoga: Gott ist besonders manifest in jedem Wesen. Grüße Gott in jedem Wesen ‒ eine wichtige Form des Bhakti Yoga.
Und jetzt nochmal einen Moment innehalten und dir vornehmen: In jedem Menschen, den du siehst, willst du Gott grüßen.
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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
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