Gott als Essenz aller Dinge - Kommentar zur Bhagavad Gita 9. Kapitel ab Vers 1.

Willst du wissen: Was ist eigentlich Gott? Was ist die Essenz des Universums? Wer bist du? Und woher stammt alles?

Darüber spricht Krishna im 9. Kapitel der Bhagavad Gita.

Quelle der Texte in Lateinischer Schrift

  1. Vers:

sri-bhagavan uvaca

idam tu te guhyatamam pravaksyamy anasuyave

jnanam vijnana-sahitam yaj jnatva moksyase ’subhat

  1. Vers:

raja-vidya raja-guhyam

pavitram idam uttamam

pratyakshavagamam dharmyam

su-sukham kartum avyayam

  1. Vers:

asraddadhanah purusha

dharmasyasya parantapa

aprapya mam nivartante

mrityu-samsara-vartmani

  1. Vers:

maya tatam idam sarvam

jagad avyakta-murtina

mat-sthani sarva-bhutani

na caham tesv avasthitah

Das neunte Kapitel gehört zu den Bhakti Kapiteln, den Kapiteln der Hingabe an Gott. Und das neunte Kapitel nennt sich aber:  „Der Yoga der königlichen Wissenschaft und des königlichen Geheimnisses“ also raja vidya und raja guja.

Raja heißt König. Raja heißt aber auch das, was besonders gut ist. Und vidya ist die Weisheit, die Wissenschaft.

Krishna will also im neunten Kapitel besonders darüber sprechen: Was ist besonders wichtig zu wissen? Was ist die besondere Wissenschaft? Welche Weisheit sollten wir im besonderen Maße entwickeln?

Und dieses Wissen, diese Weisheit ist auch Guhya. Guhya heißt Geheimnis. Natürlich ein Geheimnis ist etwas was nicht so offensichtlich ist. Es gibt zwei Arten von Geheimnissen. Das eine Geheimnis ist: niemand erzählt es weiter. Das zweite Geheimnis: es ist zwar für alle offensichtlich, aber das, worum es geht, ist nicht so bekannt.

In diesem Sinne Bhagavad Gita ist natürlich kein Geheimnis. Sie ist die bekannteste Indische Schrift. Bhagavad Gita ist vermutlich das verbreitetste Buch unter der spirituellen Literatur in Indien. Also kann man nicht sagen, sie ist ein Geheimnis. Und Krishna als Inkarnation Gottes wusste natürlich auch: was er sagen wird, das werden Menschen hören und weiter geben.

Trotzdem bleibt es ein Geheimnis, weil Menschen es nicht so direkt verstehen und weil es auch nicht so leicht umzusetzen ist. Es ist also etwas wertvolles, deshalb Raja.

Aber, es ist auch nicht so leicht zu ergründen selbst, wenn wir es einmal lesen. Und so gehört das neunte Kapitel zu den Kapiteln, die man am besten wieder und wieder liest. Und jedes Mal entdeckt man etwas Neues, etwas, was tiefer einem entspricht.

  1. Vers: „Und Krishna sprach: Ich werde dir nun, da du ohne Argwohn bist das höchste Geheimnis darlegen, Erkenntnis gepaart mit Erfahrung. Wenn du dies erfahren hast, wirst du von Übel befreit sein.“

Also, er sagt jetzt ja: Arjuna, du bist jetzt schon so weit. Ich kann jetzt tiefer gehen. Und das ist auch etwas, wenn wir als spirituelle Aspiranten zu einem spirituellen Lehrer gehen, wann sind wir so weit, dass wir die tieferen Lehren verstehen können?

Wir sind es ja heute gewohnt ein gewisses Anspruchsdenken zu haben. „Das steht mir zu.“ Und auch wenn Aspiranten in einen Ashram kommen, dann haben sie auch das Gefühl: Das steht mir zu.

Dann gibt es immer wieder Aussagen, natürlich Yoga Vidya steht auch für Feedback-Kultur und wir versuchen so zu lehren und so zu sein, das Menschen etwas damit anfangen können. Und wir versuchen auf Anregungen und Kritik einzugehen usw.

Aber man muss aufpassen, dass die Essenz der Spiritualität nicht verloren geht. Spirituelle Wissensvermittlung heißt auch letztlich zu schauen:  Ist der Schüler weit genug? Versteht er das jetzt auch?

Und bei Yoga Vidya testen wir jetzt unsere Schüler nicht so bewusst. Aber, Karma testet und wird jeden vor gewisse Herausforderungen stellen. Also wenn du auf dem Weg an bestimmte Probleme kommst oder im Umgang z. Bsp. mit deinem Lehrer, deiner Lehrerin, deinem Yogazentrum, deinem Ashram, überprüfe auch, ist das vielleicht eine Prüfung, die Gott oder Karma mir gibt.

Und bevor du denkst, die Weisheit, die mir vermittelt wird ist nicht tief genug, überlege: Bin ich überhaupt dafür bereit?

Im Yoga heißt es: Ist der Schüler bereit, ist der Meister nicht weit.

In diesem Sinne solltest du auch immer wieder dich selbst überprüfen. Bist du als Schüler bereit für den nächsten Schritt? Oder hast du jetzt einfach nur eine Gier und eine Anspruchshaltung, die du aus deinem weltlichen Leben aufs Spirituelle überträgst?

Sei demütig und öffne dich. Und wenn du selbst offen bist und demütig, dann kann dir letztlich die tiefe Weisheit vermittelt werden.

Und da ist auch wichtig, dass du das immer wieder überprüfst. Du kannst jetzt nicht annehmen: Irgendwann war ich ja mal demütig, damit habe ich den Schritt gemacht. Ab jetzt habe ich einen Anspruch darauf, dass mir alles richtig gelehrt wird. Von Gott, vom Yogalehrer, im Ashram, im Yogazentrum, in - wo auch immer.

Immer wieder gilt es zu schauen: Bist du offen? Willst du wirklich lernen? Bist du bereit zur Veränderung? Bist du bereit, lieb gewordenen Vorstellungen loszulassen? Bist du bereit zu dienen und wirklich Gott zu erfahren?

Krishna sagt zu Arjuna: jetzt bist du bereit, jetzt kann ich dir mehr sagen. Und er spricht ja auch: Ich will dir Erkenntnis geben mit Erfahrung.

Oft finden wir in den Indischen Schriften die Polarität Jnana und Vijnana. Und die werden auch in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich interpretiert.

Jnana heißt Wissen und Erkenntnis. Vi- heißt immer anders. So gilt Jnana und Vijnana, die Erkenntnis und die andere Erkenntnis. Du kennst vielleicht auch Anuloma, Viloma, vi – anderes.

Und so gibt es Jnana und Vijnana.

Manchmal wird Jnana und Vijnana übersetzt als: Spirituelles Wissen Jnana und weltliches Wissen Vijnana. In diesem Kontext heißt es aber etwas anderes.

Jnana steht für die intellektuelle Erkenntnis. Vijnana ist die andere Erkenntnis, nämlich die intuitive Erkenntnis, die Erfahrung, die tiefe Erfahrung.

Diese beiden Dinge sind wichtig. Es reicht nicht aus, nur etwas zu wissen über den spirituellen Weg, Du brauchst Erfahrung. Aber auch die Erfahrung ohne Erkenntnis und ohne Wissen ist auch nicht so gut. Angenommen, du hast Bewusstseinserweiterungs - Erfahrung aus heiterem Himmel und kannst es nicht deuten, dann wirst da danach erschüttert sein, vielleicht zu einem Psychologen gehen und wenn es kein Psychologe ist, der etwas mit Spiritualität zu tun hat, wird er vielleicht irgendwo Bewusstseinstrübung diagnostizieren und dir irgendwelche Psychopharmaka verschreiben zur Dämpfung des Bewusstseinszustandes.

Oder angenommen, in der Meditation siehst Du irgendwelche Lichtwesen, dann könntest du z. Bsp. Denken, du wärst jetzt auserwählt. Yogis würden einfach sagen, du hast Zugang zu irgendwelchen Engelswesen oder eben höheren Astralwesen.

Das ist schön und das ist gut aber du bist deshalb noch kein Heiliger.

Oder, wenn du in der Meditation die Erfahrung tiefer Stille hast, das ist Vijnana. Und aus dieser Stille heraus zu erkennen ich bin nicht Körper und Psyche, denn in dieser Stille ist so viel Freude, das ist wieder Vijnana, die Deutung der Erfahrung. Die Deutung der Erfahrung führt dann zu tiefer Weisheit. Und selbst wenn es im Alltag mal kritisch wird, wenn dein Körper in Gefahr ist, selbst wenn Menschen unfreundlich zu dir sind, Jnana sagt dir auch: ja, ich habe ja mal erfahren - ich bin nicht der Körper. Es spielt nicht die große Rolle was mit dem Körper geschieht und ich habe in der tiefen Meditation erfahren grundloses Glück, das unabhängig ist von dem was andere Menschen mir sagen. Dann gelingt es dir auch im Alltag unabhängiger zu sein von Lob und Tadel, Hitze und Kälte, Vergnügen und Schmerz, usw.

Es ist eine Sache, so etwas zu erfahren, Vijnana. Es ist eine andere Sache das zu begreifen und dann auch in den Alltag um zu setzen. Und so kann man sagen spirituelle Entwicklung ist zum einen Teil auch  Jnana und Vijnana zusammen. Erfahrung und letztlich auch Verständnis der Erfahrung, was sie zu bedeuten hat.

Und Krishna sagt jetzt auch das ist ein Geheimnis, Guhya. Es ist sogar Guhya Tamam, also das höchste Geheimnis. Und warum ist es ein Geheimnis? Es ist nicht so einfach verstehbar. Und auch du musst dir bewusst machen, auch wenn ich jetzt probiere es dir zu deuten, du wirst es in der Essenz kaum direkt verstehen. Du musst diese Verse wieder und wieder lernen.

Ich kann mich erinnern, am Anfang hatte ich irgendwo überlegt warum macht Krishna da so viel draus, königliche Wissenschaft, königliches Geheimnis? Das ist doch etwas, was gar nicht so schwer zu verstehen ist.

Und je häufiger ich das neunte Kapitel lese, umso tiefer merke ich, geht es dort. Und dann sagt er noch: Was hat man davon, wenn man Jnana und Vijnana hat? Das ist ja auch immer die Frage: Was habe ich davon?

Angenommen, du übst Asanas. Natürlich kannst du sagen was hast du davon? Du hast Gesundheit, mehr Energie, Wohlbefinden und mehr Freude.

Was hast du von Meditation? Kann man natürlich auch sagen: Mehr Ruhe des Geistes und Gelassenheit und natürlich die so genannte vegetative Umstimmung, das heißt Entspannung und Regeneration usw.

Aber was hat man von Jnana und Vijnana? Er sagt es wird dich befreien von allem Übel, also von allem was nicht gut, Ashubha.

Shuba und Labha sind so zwei Segnungen von Lakshmi. Wenn du mal Darstellungen von Lakshmi siehst und du siehst irgendwelche Schriftzeichen, meist steht dort Shuba und Labha.

Labha heißt Gelingen. Und Shuba heißt alles Gute oder auch alles Erstrebenswerte. Manchmal wird auch Shuba Labha übersetzt als gutes Gelingen. Und hier sagt eben Krishna ganz allgemein: Jnana und Vijnana führt zur Überwindung von allem Ashubha, von allem Unguten, von allem Übel, von allem was nicht gut ist.

Also Krishna hat hier einen hohen Anspruch. Er sagt letztlich alles Unerwünschte wird verschwinden wenn du Jnana und Vijnana erreicht hast.

Das ist ein hoher Anspruch.

Schauen wir wie Krishna das weiter deutet.

 

 

  1. Vers: Das ist die königliche Wissenschaft, das königliche Geheimnis, die höchste Läuterung, die zu verwirklichen ist, durch direkte intuitive Erfahrung, die rechtschaffen ist, leicht auszuführen und unvergänglich.“

Also hier lobt er diese königliche Wissenschaft über alle Maßen.

Er sagt: Das führt auch zu einer höchsten Läuterung. Das heißt, es ist nicht einfach nur etwas Abstraktes. Sondern, wenn du dieses Wissen hast, dann hat das eine Auswirkung auf dich. Du wirst danach nicht mehr der Gleiche sein. Du wirst natürlich in der Tiefe du selbst sein und das erkennen. Aber auf einer relativen Ebene wird sich viel tun.

Und wie können wir diese königliche Wissenschaft, das höchste Geheimnis verwirklichen?

Durch direkte intuitive Erfahrung. Und diese intuitive Erfahrung ist auch Dharmya. Swami Sivananda übersetzte es mit einem Begriff, der ins Deutsche zu übersetzen wäre mit „Rechtschaffenheit“. Sie ist in Übereinstimmung von Dharma. Also sie ist wichtig und sie ist gut. Und sie ist susukha, sie ist leicht. Aber sie ist avyaya, sie ist unvergänglich.

Das heißt, wenn du sie erfahren hast und wirklich erfahren hast, dann geht es weiter.

So, nachdem Krishna uns jetzt so den Mund wässrig gemacht hat, macht er es beim nächsten Mal noch mehr.

  1. Vers: „Menschen, die nicht an diesen Dharma glauben, oh Arjuna, kehren auf diesen Pfad der Welt des Todes zurück, ohne Mich zu erreichen.“

Also hier sagt noch Krishna: Wenn du nicht den spirituellen Weg gehst, wenn du nicht dieses Dharma erfüllst, das Dharma des spirituellen Weges und der Selbsterkenntnis, dann wirst du immer wieder geboren werden, aufwachsen, alt werden, sterben, geboren werden, leben, Tod, usw.

Es geht immer wieder weiter, ohne dass du Gott erfährst, das Ziel des Lebens.

Er bezieht sich hier ganz bewusst auf Dharma. Denn manche Menschen sagen: Den spirituellen Weg, den gehe ich irgendwann später. Jetzt habe ich meine Aufgaben, meine Verantwortung im Alltag. Spiritualität ist vielleicht für Andere oder später.

Krishna sagt: Nein, es ist jetzt auch dein Dharma, deine Aufgabe, deine Verantwortung, den spirituellen Weg zu gehen. Inmitten von allen anderen Dharmas hast du den besonderen Dharma, spirituellen Weg zu gehen. Damit erfüllst du deine Bestimmung. Alles andere führt zum Weg des Todes. Alles, was du sonst machst wird irgendwann vergangen sein. Aber die Entwicklung der Spiritualität in dir, die bleibt dauerhaft. Überdauert sogar den Tod.

  1. Vers: „Die ganze Welt ist erfüllt von mir und meinem nichtmanifesten Aspekt. Alle Wesen existieren in mir. Ich jedoch bin nicht auf sie beschränkt.“

Die ganze Welt ist erfüllt von Gott. Wenn Krishna jetzt spricht von „Mir“ dann identifiziert er sich natürlich mit Gott, dem Göttlichen. Die ganze Welt ist erfüllt vom Göttlichen. Auf der einen Seite hat Gott den manifesten Aspekt und so kannst du Gott verehren in der Welt. Wenn du einen Menschen siehst sei dir bewusst, das ist eine Manifestation von Gott. Wenn du einen Baum siehst  - Manifestation von Gott. Sogar wenn du dein Smartphone siehst, auch Manifestation von Gott. Alles ist erfüllt von Gott.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

 

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