Kommentar zum 40. Vers des 1. Kapitel des Yoga Sutra von Patanjali
- ऩयभाि ुऩयभभहत्त्वान्तोऽस्य वशीकाय् ॥ ४०॥
paramanu paramamahattvantosya vashikarah - Die Meisterschaft eines Yogis vom Kleinsten bis zum Größten
Patanjali spricht in diesem Vers über die Meisterschaft eines Yogis und sagt es geht vom Kleinsten bis zum Größten.
Vashikarah - die Meisterung, die Meisterschaft
Asya - heißt eines Yogi
Anta - erstreckt sich
Paramanu - vom kleinsten Atom
Paramamahattva - bis zu größten Höhe, bis zur Unendlichkeit
Das könnte zum einen heißen, du kannst Gott im Kleinen sehen und du kannst Gott im Großen sehen. Wenn du dir ein Staubkorn anschaust, da ist das Göttliche. Wenn du in die Weite gehst, da ist das Göttliche. Wenn du dich mal mit einem Klumpen Erde beschäftigst, was da alles drin ist. So viele Bakterien, Pilze, kleine Lebewesen usw., das ist ein Wunder. Ein Dreck- oder Misthaufen ist ein Wunder. Hier kannst du das Göttliche sehen. Ein einzelnes Haar ist etwas Großartiges, wenn man es analysiert.
Im Kleinsten kannst du das Göttliche sehen. Du kannst auch das Göttliche sehen, wenn du dich ausdehnst. Wenn du auf einem Berg stehst und weit ins Tal schaust, hier ist das Göttliche erfahrbar. Wenn du vor dem Meer stehst, da ist das Göttliche erfahrbar. Wenn du einen Baum siehst, hier ist das Göttliche erfahrbar. Im Kleinsten und im Größten kannst du das Göttliche sehen.
Swami Chidananda
Er war vielleicht Meister dieses Verses. Er war sehr sorgfältig im Kleinen. Wenn er gegangen ist, das war kein gehen, das war wie ein schreiten. Da war ein subtiles Licht, was über den Erdboden geschwebt ist. Ich bin sicher, er hat nie ein Insekt mit seinen Füßen getötet. Er war bewusst, er war leicht, er war ruhig. Wenn jemand zu ihm gegangen ist und eine Frage gestellt hat, egal wer es war, da wusste man, man war für ihn der Allerwichtigste.
Es konnten irgendwelche Alltagssachen sein, für ihn war das nicht zu klein und zu unbedeutend. Er hat freundlich genickt und sich das angehört und konnte mit seinem Blick, einen großen Trost geben.
Er hat nie gesagt, warum behelligst du mich damit. Die kleinste Schwierigkeit die Aspiranten ihm genannt haben, hat sein Mitgefühl bekommen.
Er hat sich auch um das Große gekümmert. Er war auch engagiert für die Ökologie im ganzen Bereich des Himalayas. Er hat auch Politiker aufgefordert, nicht diese wunderschöne Gegend, wo noch viel Natur ist, diese zu zersiedeln. Er hat sich auch bemüht um die große Politik. Er hat mitgewirkt in einer Initiative von vielen spirituellen Lehrern gegen Korruption in der Politik.
Meisterschaft in ganz Kleinen, Meisterschaft in ganz Großem. Der Mensch, der vor ihm war, war wichtig und die Anliegen der Life Society mit ihren hunderten von Zentren auf der ganzen Welt. Im Kleinen, nichts ist unwichtig ohne dabei das Große zu verlieren.
Man kann den Vers auch auf etwas anderes beziehen. Auch für den persönlichen Aspiranten könnte man sagen, kümmere dich um das Kleine und das Große.
Anekdote
Ich möchte im Kontext eine kleine Anekdote erzählen, die mir geschehen ist, als ich das erste Mal in einem Ashram als Karma Yogi war. Das muss das Jahr 1981 oder 1982 gewesen sein. Es war zwischen den Jahren in Kanada im Sivananda Ashram in Val Morin. Ich hatte eine Aufgabe bekommen, die ganz wichtig war, ich sollte die unbedingt erledigen, es war dringend und ich sollte sie sofort machen.
Ich weiß nicht mehr, was es war, ich musste in die Ashram Großküche und jemand hat mich gebeten ihm mit dem Topf zu helfen. Ich meinte nein, frag jemand anderes, ich muss mich jetzt um etwas anderes kümmern. Da fragte jemand, könntest du mal probieren, ob das gut gewürzt ist. Ich habe eine Erkältung und schmecke nichts. Ich sagte, frag jemand anderes. Dreimal wurde ich was gefragt, jedes Mal habe ich nein gesagt.
Da hörte ich eine Stimme, eine ältere Swami: „Sukadev, du hast drei Möglichkeiten zum uneigennützigen Dienst verpasst“. Sie sagte es ganz sanft. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass diese Frau dort war, sie hatte für Special Guests etwas gekocht, in einem Nebenteil der Küche. Ich habe gesagt: „Ich muss mich beeilen und das schnell bringen und das erledigen“. Sie lächelte und sagte: „Vermutlich wirst du feststellen, dass du diese Zeit gehabt hast“. Der für den ich das erledigt hatte, kam 5 Minuten später.
Es war genau die Zeit und mehr, um drei Menschen einen Gefallen zu tun. An diese Geschichte muss ich manchmal denken. Nicht immer beachte ich die Lektionen aus dieser Geschichte, aber manchmal doch. Gott gibt einem eine große Aufgabe, die darf man auch nicht verpassen, aber auf dem Weg der großen Aufgabe, gibt er auch kleine Aufgaben.
Manchmal kann man Menschen kleine Gefallen tun, manchmal ein Ohr geben, ein kurzes Lächeln, jemand etwas aufheben. Auf der Straße, wenn jemand offensichtlich nach dem Weg sucht, einen Moment innehalten und dann fragen: „Kann ich dir helfen“. Oder beim Naturkostladen, selbst wenn du nicht der Verkäufer bist, kannst du fragen: „Brauchen Sie etwas“.
Meisterschaft des Yogis, zeigt sich im Kleinen. Vor lauter kleinen, verliere nicht das Große. Sogar in einer Yogastunde, zu schauen, dass das Prana gut läuft. Zwischendurch braucht ein Einzelner auch deine Aufmerksamkeit. Eine kleine Korrektur, ein Tipp, eine kleine alternative Übung. Die Meisterschaft des Yogis ist im Kleinen wie auch im Großen. Was auch heißen soll, kleine Aufgaben sind auch wichtig. Komme dir nicht zu wichtig vor, für eine kleine Aufgabe. Weise auch nicht die großen Aufgaben von dir.
Wenn du z.B. ein/e Yogalehrer/in bist und du wirst gebeten beim Festival im Stadtteil eine Ansprache zu halten, dann mache auch das. Wenn du die Möglichkeit hast, im Fernsehen zu sprechen, mache auch das. Wenn zu deiner Yogastunde nur ein Einzelner kommt, gib die Yogastunde trotzdem. Im Kleinen wie auch im Großen. So ist die Meisterschaft eines Yogi, einer Yogini.
Mehr zu diesen und anderen Kommentaren findest du in meinem Buch „Die Yoga Weisheit des Patanjali für Menschen von heute“.
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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
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