Übung macht die Meisterin – HYP II.15

Übung macht den Meister, die Meisterin. Gehe langsam und schrittweise vor.

Hatha Yoga Pradipika, 2. Kapitel, 15. Vers: „Yatha sinho gajo vyaghro bhaved vashyah shanaih shanaih tathaiva sevito vayur anyatha hanti sadhakam.“ - „Ähnlich wie Löwe, Elefant oder Tiger sehr langsam gezähmt werden, genauso gelangt auch der Atem langsam unter Kontrolle. Ansonsten zerstört er den Yogi.“


Dieser Vers will heißen, beim Pranayama gehe schrittweise vor. Pranayama, die Atemübungen. Beginne mit etwas Pranayama, erhöhe das Pranayama Schritt für Schritt, so wirst du langsam den Atem unter Kontrolle bringen. Das gilt bei vielem im Leben. Manchmal ist es durchaus auch mal gut, radikale Maßnahmen zu ergreifen. Es schadet auch nichts, z.B. die Ernährung von einem Tag auf den anderen umzustellen. Es schadet auch nichts, mal eine radikale Entscheidung im Leben zu treffen. Aber insgesamt wird dein Geist sich langsam verändern. Insgesamt sind die Schritte auf dem spirituellen Weg langsam. Und im Allgemeinen ist meistens gut, erstmal zu schauen, geht es schrittweise.

Angenommen, du bist mit deinem Arbeitsplatz nicht zufrieden. Bevor du jetzt daran denkst, gleich den Arbeitsplatz zu wechseln und was ganz anderes zu machen, überlege, welche kleinen Schritte gibt es, die du gehen kannst. Du kannst überlegen: „Wie müsste mein Arbeitsplatz beschaffen sein, dass ich gerne hingehen würde? Wie müsste ich arbeiten, dass ich in meiner Energie bin? Wie müsste es sein, damit mein Enthusiasmus, meine Talente dort eingebracht werden können?“ Vielleicht versuchst du, jemanden zu imitieren, vielleicht versuchst du, deinen eigenen Vorstellungen zu entsprechen und das entspricht dir nicht wirklich. Du kannst überlegen: „Wie müsste ich bei meinem Arbeitsplatz sein, dass es mir Freude bereitet? Wie müsste es sein, damit ich es gerne machen würde?“ Und wenn du das überlegt hast, dann kannst du überlegen: „Und wie könnte ich es tatsächlich machen?“ Manchmal hilft auch die so genannte zweitbeste Lösung. Wenn das Allerbeste nicht geht, wie würde es am zweitbesten gehen? Wie würde es ausreichend gut sein?

Oder auch ähnlich, angenommen, du hast eine Beziehungskrise. Anstatt gleich zu denken, „wie kann ich jetzt aus der Beziehung ausbrechen“, kannst du überlegen: „Wie müsste es in meiner Beziehung sein, damit dort Liebe wieder fließen kann? Wie müsste es sein, damit ich das habe, was ich brauche?“ Und dann vielleicht ganz offen mit deinem Partner, deiner Partnerin zu sprechen. Also, gehe schrittweise vor. Und erst dann, wenn das schrittweise Vorgehen nicht ausreichend hilft, dann überlege eine radikalere Lösung. Aber zunächst mal, gehe bei allen Veränderungen schrittweise vor. Jetzt kannst du gerade überlegen, gibt es irgendwas in deinem Leben, wo du unzufrieden bist und wo du vielleicht über radikale Lösungen reflektierst? Und dann überlege, was müsstest du machen in der und der Situation, dass du dich wohlfühlen würdest? Also nicht, wie müsstest du radikal dein Leben ändern, sondern wie, mit dem gleichen Partner, der gleichen Partnerin oder in dem gleichen Verein oder in der gleichen gesellschaftlichen Initiative, Ökologie-Initiative, Verein, wie in deiner Arbeitsstelle, in deinem konkreten Arbeitsplatz, wie müsstest du etwas verändern, damit es dir Freude bereitet? Oder wie müsstest du es machen, dass es etwas ethischer wäre? Wie müsstest du es verändern, dass es ethischen Prinzipien entsprechen würde? Überlege und schaue, ob du so schrittweise vorangehen kannst. So kommst du Schritt für Schritt weiter. Und dann, wenn du feststellst, schrittweise geht doch nicht, dann reflektiere auch eine radikalere Weise, aber erst gehe schrittweise vor.

 

 

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:

 

 

 

 

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