Über Santosha, Zufriedenheit

Hallo und herzlich willkommen zu den Yoga Vidya täglichen Inspirationen! Heute werde ich über eine der fünf Niyamas sprechen: Sanstosha. Santosha heißt Zufriedenheit. Und Patanjali sagt im Yoga Sutra, Santosha führt zum höchsten Glück. Wenn wir zufrieden sind, dann sind wir auch glücklich. Das sind praktisch zwei gleichbedeutende Worte. Was heißt jetzt aber Zufriedenheit?

Es gibt verschiedene Formen von Zufriedenheit. Im Yoga unterscheidet man gerne sattvige, rajasige und tamasige Zufriedenheit. Tamasig wäre die träge Zufriedenheit. Man sagt: „Ich muss mich damit abfinden. Ich kann halt nicht viel und keiner mag mich und so wird es eben für den Rest meines Lebens sein.“

Das ist nicht wirklich Zufriedenheit, sondern eine tamasige Zufriedenheit, in der man nicht weitergeht. Dann gibt es eine rajasige Zufriedenheit. Rajasig kommt aus dem Ego und ist schon besser als tamasig, aber es ist auch nicht das, was wirklich zufrieden macht. In der rajasigen Zufriedenheit sagt man Dinge wie: „Ja, ich bin halt ein besserer Mensch als du.“ oder „Ich bin besser als andere.“ Das ist eine Art Selbstzufriedenheit. Über die spricht Jesus in vielen Gleichnissen.

Manche, die die Bibel kennen, erinnern sich an die Stellen, in denen jemand betet und sagt: „Lieber Gott, danke, dass Du mich besser gemacht hast als den, der gerade dort neben mir kniet.“ Das ist eine rajasige Zufriedenheit. Vermutlich kommt das heute seltener vor als früher, denn Menschen haben heute sehr hohe Ansprüche an sich. Ich glaube, diese alte Art Kastendünkel ist schon seltener geworden. Aber leider hat sich aus der Tatsache, dass die rajasige Zufriedenheit seltener geworden ist, nicht eine sattvige Zufriedenheit entwickelt, sondern meistens eher eine rajasige Unzufriedenheit. Viele positive Entwicklungen unserer Zeit, haben die Menschen letztlich unzufrieden gemacht.

Menschen, die früher wussten, dass sie an ihrem Schicksal nicht übermäßig viel ändern konnten und die deshalb eine Art tamasige Zufriedenheit entwickelt haben, sind vielleicht etwas weniger geworden. Aber die rajasige Zufriedenheit ist auch weniger geworden, und das führt letztlich dazu, dass viele Menschen unzufriedener sind, als sie es früher waren. Das muss aber nicht schlecht sein. Ich glaube sogar, dass es gut ist, aus der rajasigen und aus der tamasigen Zufriedenheit herauszukommen, selbst wenn es dann erstmal eine Unzufriedenheit ist, die den Menschen irgendwo fragen lässt: „Was will ich eigentlich und worum geht es in meinem Leben? Was kann ich tun und wie kann ich an mir selbst arbeiten? Wie kann ich meine Situation verbessern?“

Aus dieser Art von Unzufriedenheit kommt dann hoffentlich irgendwann eine sattvige Zufriedenheit. Und die sattvige Zufriedenheit ist das, was wirklich zum Frieden führt. Man lebt in Frieden mit sich selbst, man lebt in Frieden mit seinen Mitmenschen, man lebt in Frieden mit seiner Umwelt. Diese Zufriedenheit mit sich selbst heißt zunächst mal, dass man weiß: „Alles, was in mir drin ist, alles, was in mir wirkt, ist gut. Ich arbeite an mir selbst und ich weiß, das wird eine Weile dauern, aber ich tue das Beste, was ich kann und ich bin auf einem guten Weg.“ Diese Art von Zufriedenheit ist für einen Aspiranten schon eine gute Zufriedenheit. Wenn man sagen würde: „Ich habe mich jetzt soweit entwickelt, wie man sich entwickeln kann, das wird nicht weitergehen und jetzt bin ich damit zufrieden.“, dann ist das wieder eine Art tamasige Zufriedenheit. Aber wenn wir wissen: „Ich bin auf einem guten Weg und ich arbeite an mir selbst. Ich weiß aber auch, ich bin unvollkommen, ich bin noch nicht selbstverwirklicht, ich habe noch nicht Nirvikalpa Samadhi erreicht.“, dann können wir die sattvische Zufriedenheit erfahren.

Selbst die Menschen, die Nirvikalpa Samdhi erreicht haben, sind durch die körperliche Unvollkommenheit weiterhin begrenzt in dem, was möglich ist. Trotzdem kann man immer eine gewisse Zufriedenheit mit sich selbst haben. Auch mit den Menschen in seiner Umgebung kann man in Frieden sein, indem man erkennt: „Auch die Menschen um mich herum bemühen sich, die Dinge so gut wie möglich zu machen. Sie geben mir genau die Herausforderungen, die ich brauche.“ Vielleicht geben sie einem auch die Erfahrung, dass wir vielleicht die Umstände ändern sollten. Oder die Erfahrung, zu lernen, anders mit den Dingen umzugehen.

Wir können aber immer davon ausgehen: „Die Umstände, in denen ich bin, sind kein böses Schicksal, das mich immer wieder ärgert. Das, was kommt, ist geschickt, damit ich daran wachse. Und alles, was auf mich zukommt, hilft mir dabei. Ich weiß nicht genau, wie und warum, aber ich weiß, ich bin die letzten Jahre gerade oft auch durch Umstände gewachsen, die ich zunächst mal als unangenehm empfunden habe.“ Wenn man so zurückschaut und sieht, dass man gelernt hat und gewachsen ist, dann kann man zum Frieden mit den Umständen kommen. Das, meine ich, ist dann die sattvige Zufriedenheit.

Natürlich gehen wir davon aus, dass ein Selbstverwirklichter noch eine andere Art von Zufriedenheit hat. Sarvam Kalvidam Brahman: Er weiß, dass alles wahrhaftig Brahman ist. Wenn alles göttlich ist und man das nicht nur denkt und wiederholt, sondern es jederzeit erfährt, dann kommt die höchste Zufriedenheit.

Hari Om Tat Sat


Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3
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