Tiere sind Manifestationen des Göttlichen – HYP I.22

Hatha Yoga Pradipika, 1. Kapitel, 22. Vers
„Savye dakshina gulpham tu prishtha parshve niyojayet dakshine’pi tatha savyam gomukham gomukhakritih.“
Swatmarama, der Autor der Hatha Yoga Pradipika, sagt:

„Der rechte Knöchel soll an die Seite des linken Gesäßes platziert werden, anschließend bei dem rechten Gesäß analog dazu der linke Knöchel, das wird Gomukhasana genannt, weil es aussieht wie ein Kuhkopf.“

Ich hatte ja angekündigt – schon mehrmals und mache es ja auch – dass ich die Hatha Yoga Pradipika nicht technisch interpretieren werde. Ich werde die Verse alle durchgehen und werde dann einfach so ein Wort oder auch einen Gedanke aus den Versen nehmen, um ihn etwas weiter zu interpretieren. Hier geht es um Gomu, hier geht es um eine Kuh. Und die Kuh möchte ich jetzt mal als stellvertretend nehmen für Tiere und für die Natur. Den Aspekt des Wohlwollens, den ich aus dem vorigen Vers herausgegriffen habe, gilt nicht nur zu Menschen, der Aspekt des Wohlwollens gilt auch gegenüber Tieren.

Sei dir bewusst, auch Tiere sind Sitz des Göttlichen, auch Tiere sind Manifestationen des Göttlichen, auch Tiere haben ein Bewusstsein. Und wenn du Wohlwollen übst, übe es auch gegenüber Tieren. Und überlege auch: „Das, was ich tue, welchen Einfluss hat es auf Tiere und vielleicht sogar auch auf Pflanzen?“ Das hat verschiedene Auswirkungen. Das hat zum einen natürlich Auswirkungen, was du isst. Es ist nicht ok, Fleisch zu essen. Dazu wird ein lebendiges Lebewesen getötet. Es gibt nicht Fleischproduktion. Es gibt Tiere, die heranwachsen und die getötet werden. Und wenn du etwas isst, was vom Tier stammt, dann sind es Leichenteile. Es ist daher nicht ok, Fleisch zu essen.

Zum zweiten kannst du auch sagen, das betrifft heutzutage auch die Milch. Obgleich Swatmarama an mehreren Stellen Milchprodukte empfiehlt, dann kannst du dir bewusst sein, das war die damalige Zeit. Das war die Zeit, wo die Kühe mit Freundlichkeit behandelt wurden und Kühe nicht getötet wurden. Heutzutage ist Milchproduktion automatisch mit Grausamkeit gegenüber Tieren verbunden. Warum? Um Milch zu haben, brauchst du Kälber. Also, eine Kuh muss jedes Jahr ein Kalb bekommen, nur dann gibt es Milch. Was wird mit den Kälbern gemacht? Eine Kuh hat eine Lebenserwartung von dreißig Jahren. In der normalen Milchproduktion und auch in der Ökomilchproduktion werden die Kühe nach sechs bis acht Jahren getötet. Das heißt, nach sechs bis acht Jahren ist die Milchproduktion weniger, nach zehn bis fünfzehn Jahren hört sie ganz auf. So ähnlich ja auch wie beim Menschen Frauen nur bis vierzig Jahre Kinder bekommen können und dann können sie aber noch vierzig Jahre weiterleben. So ähnlich ist es durchaus bei Kühen.

Ich möchte jetzt nicht Menschen beleidigen, indem ich sie mit Kühen vergleiche, dennoch, Kühe haben ein ähnliches Sozialverhalten wie Menschen. Wenn du also von einer Kuh Milch haben willst, musst du dreißig Rinder halten. Es gibt jetzt schon mehr Rinder als notwendig. Du musst also, egal ob männlich oder weibliches Kalb, dreißig Rinder musst du halten, um von einer Kuh Milch zu bekommen, wenn du Tiere nicht töten willst. Und daraus wird schon klar, ökonomisch und ökologisch ist Milch heute nicht mehr zu produzieren.
Zum zweiten, Milchproduktion ist notwendigerweise verbunden mit Grausamkeit gegenüber Mutter und Kind. Ich sagte vorher, Rinder haben ein sehr enges Sozialverhalten, sie leben in der Herde und die Liebe zwischen Mutter und Kalb ist sehr, sehr groß. Aus hygienischen Gründen gilt, man kann keine Milch von einer Kuh nehmen, bei der auch das Kalb aus dem Euter der Kuh saugt. Damit die Milch für den Menschen hygienisch ist, muss das Kalb von der Kuh getrennt werden. Und das ist etwas ganz Grausames. Wer jemals auf einem Biohof war oder allgemein auf einem Hof, wo direkt nach der Geburt oder einen Tag später das Kalb von der Kuh getrennt wird, wird die Schreie der Kuh nicht vergessen und wird das Schreien der Kälber auch nicht vergessen.
Ähnlich wie beim Menschen, die Mutter liebt das Kind, die Kuh liebt das Kalb. Die Kuh spürt die Trennung vom Kalb als etwas ganz Schlimmes. Es ist wie ein Trauma, ihr wird sofort das Kind weggenommen. Und das ist aus hygienischen Gründen nötig. Es geht nicht, dass man Milch nimmt von einer Kuh, bei der das Kalb aus dem Euter säugt. Deshalb muss das Kalb von der Kuh getrennt werden. Und daher ist heutzutage, insbesondere da der Gesetzgeber hygienische Milchproduktion vorschreibt, der Verzehr von Milch verbunden mit Grausamkeit gegenüber Kalb und Kuh.

Daher, aus der Einstellung von Swastikasana, aus der Einstellung von Mitgefühl, muss klar werden, Milchverzehr ist nicht ok. Gut, ich habe das jetzt sehr stark auf Kühe und Milch bezogen und Fleischproduktion. Es gibt noch vieles andere. Du kannst auch überlegen, ansonsten, wie werden die Tiere durch das beeinflusst, was du tust? Und alles, was du tust, überlege auch, wie wirkt es für die Natur? Die Einstellung eines Yogis sei die Einstellung von Mitgefühl und sei Bewusstheit, dass das, was ich tue, auch auf andere wirkt. Und der Versuch, dass das, was du tust, auch tatsächlich so gemacht wird, dass es eine positive Kraft ist.

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:

 

 

 

 

 

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