Vierte Strophe Nirvanashtakam.
„Na Punyam Na Papam.“
Punya heißt Verdienst, Papa heißt Vergehen oder Sünde.
Ihr kennt den Ausdruck „Karma“. Und im Yoga wird „Karma“ recht weit interpretiert. Da kann Karma Lernlektionen, Aufgaben sein. So sagt es Krishna in der Bhagavad Gita, so sagt es Patanjali. Aber es gibt eine, in Indien eigentlich stärker vorherrschende Philosophie als Yoga, das ist Purva Mimamsa, spricht immer von Punya und Papa. Viele, die klassischer indischer Religion folgen, haben immer Angst, Vergehen zu machen, denn dann kriegt man nachher schlechtes Karma. Man hofft dann, irgendwelche Verdienste zu erwerben. Da macht man z.B. Puja nicht unbedingt, um jetzt Gott näher zu kommen, sondern macht Puja, damit man nachher reicher wird. Damit das Kind irgendwo gesund wird. Damit es in der Schule erfolgreich ist usw. Was man auch in der christlichen Volksspiritualität auch zum Teil kennt. Oder so, wie ich das zum Teil im Kindergottesdienst gemacht habe. Da habe ich dann Gott versprochen, wenn die nächste Schularbeit eine eins wird, dann gibt es statt 10 Pfennig 50 Pfennig im Klingelbeutel. So habe ich Gott bestochen. Von meinem subjektiven Standpunkt aus hat das relativ häufig funktioniert, selbst wenn ein erheblicher Teil meines Taschengeldes darin draufgegangen ist, Gott zu bestechen. Aber es hat auch zu einer Dankbarkeit geführt. Deshalb, diese Punya-Papa-Philosophie ist ja auch nichts Falsches. Nicht umsonst ist das die vorherrschende Volksreligion in den meisten Religionen. Die Angst, Vergehen zu haben und zu tun einem strafenden Gott zu begegnen. Oder Verdienste anzuhäufen, und einem gnädigen Gott zu begegnen.
Die tieferen Aspekte jeder Religion sind jenseits davon, genauso wie die Spiritualität des Yogas natürlich auch. Auf der einen Seite gilt es schon, wenn wir anderen etwas Schlechtes antun, dann kann schlechtes Karma auf uns zurückkommen und wir können auch schlechtes Karma sühnen, indem wir anderen was Gutes tun. Wenn man also feststellt, man hat gestern jemand anderen verletzt, dann kann man sich heute dafür entschuldigen und ihm vielleicht einen Gefallen tun. Das ist eine gute Sache. Nur sollten wir nicht ständig überlegen, „Wie bin ich schuldig geworden und wie kann ich mich jetzt darum kümmern, dass neue Verdienste kommen?“ Der klassische Yogi denkt nicht in diesen Ausdrücken, Verdienst und Sünde, sondern wir wollen anderen helfen aus Liebe. Wir verehren Gott aus Liebe. Wir wollen das Richtige tun, weil es das Richtige ist, nicht um dafür belohnt zu werden. Und da es nicht immer möglich ist, das Richtige zu tun, da diese Welt eine relative Welt ist, gilt es auch dort wieder loszulassen. Manchmal muss man Menschen wehtun, um ihnen zu helfen. Aber nicht der Zweck heiligt alle Mittel. Jede Mutter, jeder Vater weiß das. Manchmal muss man dem Kind sagen, das jetzt voller Enthusiasmus mit dem Bobby-Cart die Treppe runterfahren will, dass das nicht geht. Die Mutter muss den Enthusiasmus des Kindes stoppen, das Kind zum Weinen bringen. Und vielleicht weiß man nicht ob man dem Kind dann die Lernlektion des Durchrüttelns auf der Fahrt nach unten hätte ermöglichen sollen. Und immer wieder kommen wir in ethische Konflikte. Was ist richtig, was ist falsch? Wir tun so gut wie wir können aus Liebe und dann brauchen wir uns auch kein schlechtes Gewissen zu machen, wenn wir mal nicht das Richtige gefunden haben. Wir lernen unsere Lektionen und machen es das nächste Mal besser.
Hari Om Tat Sat
Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3.
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