Hatha Yoga Pradipika, 1. Kapitel, 44. Vers
„Tatha ekasminn eva dridhe siddhe siddhasane sati bandha trayam anayasat svayam evopajayate.“
„Wenn dieses eine Siddhasana perfektioniert und bequem wird, dann entstehen wahrlich die drei Bandhas ohne Mühe aus sich heraus.“
Im übertragenen Sinn heißt dieser Vers, wenn du nach dem Höchsten strebst, wird dir alles andere von selbst zufallen. So wie Jesus das auch gesagt hat: „Strebe zuerst nach dem Königreich Gottes, dann wird euch alles andere von selbst zufallen.“ Vielleicht nicht ganz von selbst. Die großen Meister machen oft einen Punkt sehr klar, indem sie ihn etwas übertreiben. Natürlich musst du dich dann auch für andere Dinge anstrengen. Aber zunächst mal gilt es, strebe nach dem Höchsten, richte dein Leben nach dem Höchsten aus, habe diese hohen Ideale. Hohe Ideale der Selbstverwirklichung, der Gottverwirklichung. Habe das Ideal, ein Instrument Gottes zu werden, dich jederzeit zu verbinden mit Gott. Habe das Ideal, dich mit allen eins zu fühlen, allen zu dienen. Habe das Ideal, alle Trennungen und Grenzen zu überwinden. Habe das Ideal, tiefe Liebe zu empfinden. Das sind die Grundlagen. Das ist Siddhasana in einem übertragenen Sinn.
Asana, die Einstellung, die Haltung von Siddha, eines Vollkommenen. Das ist am wichtigsten. Wenn du diese Grundeinstellung eines Vollkommenen hast, kommt alles andere von selbst. Du kannst es dir auch immer wieder im Alltag überlegen: „Angenommen, ich wäre ein Siddha, ich wäre ein Vollkommener, ein Heiliger, was wäre meine Grundeinstellung? Was wäre meine Einstellung in dieser Situation? Was wäre meine Einstellung im Umgang mit anderen Menschen? Was wäre meine Einstellung in der und der Aufgabe, in der und der Pflicht?“ Das kannst du dir immer wieder überlegen. Du wirst dann immer noch nicht sofort wissen, was du tatsächlich zu tun hast, aber zunächst mal ist wichtig, Asana, diese innere Haltung, die innere Einstellung. Wenn du die innere Einstellung der Vollkommenheit hast, die entweder darauf ausgerichtet ist, Vollkommenheit zu erreichen, oder die aus der Vollkommenheit heraus ist oder in der Vollkommenheit verankert ist, dann wirst du auch für deine normalen Handlungen und deine normalen Entscheidungen die richtige Grundlage haben, dann wird alles einfacher. Daher entwickle die Einstellung der Vollkommenheit. Sei es, die Einstellung, die tiefe Sehnsucht, die Vollkommenheit zu erreichen, und richte all deine Entscheidungen, dein Leben darauf aus, diese höchste Vollkommenheit zu erreichen. Oder frage dich spielerisch immer wieder: „Aus einer Haltung der Vollkommenheit heraus, was würde ich jetzt denken, fühlen, entscheiden? Was wäre dann relevant? Angenommen, ich hätte jetzt diese Einstellung der Vollkommenheit, der Einheit, der Liebe, des Mitgefühl, was würde sich daraus ergeben?“
Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:
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