Große Ideale und hohe Ziele – HYP I.27

Hatha Yoga Pradipika, 1. Kapitel, 27. Vers
„Padangushthau tu panibhyam grihitva shravanavadhi dhanur akarshanam kuryad dhanur asanam uchyate.“
„Die großen Zehen mit den Händen hoch zu den Ohren ziehen, die Biegung eines Bogens ausführend, das wird Dhanurasana genannt.“

Dhanurasana, der Bogen, die Zehen mit den Händen hoch zu den Ohren ziehen. Das ist natürlich die fortgeschrittene Variation des Bogens. Und daraus kannst du auch ein Grundprinzip im Yoga sehen. Wir streben nach hohen Idealen und es ist gut, hohe Ideale zu haben und dann zufrieden zu sein mit dem, was du erreichen kannst. Im Yoga gibt es diese großen Ideale, schon die Yamas und Niyamas sind groß.

Ahimsa, niemanden zu verletzen, jedem mit Liebe und Freundlichkeit zu begegnen. Oder Satya, immer wahrhaftig sein. Oder Tapas. Tapas heißt, diszipliniert zu sein. Santosha, zufrieden zu sein. Das sind alles hohe Ideale. Und es ist gut, dass du dir immer wieder bewusst bist, es gibt hohe Ideale, nach denen du streben willst. Es ist gut, dir hohe Ideale zu machen. Aber das sollte dich nicht unter Druck setzen. Du solltest da nicht mit Leistungsdruck drangehen, sondern eher spielerisch. Du kannst von der Überzeugung ausgehen, langfristig wirst du die Selbstverwirklichung erreichen, langfristig wirst du die Einheit mit dem Göttlichen erfahren, langfristig erreichst du die Erleuchtung. Du kannst einiges dafür tun, Abhyasa, eigene Praxis. Eigenes Bemühen ist etwas, worauf sowohl Patanjali im Yoga Sutra als auch Krishna in der Bhagavad Gita als auch Swatmarama hier in der Hatha Yoga Pradipika Wert legen. Eigenes Bemühen. Aber das ist nur ein Aspekt.

Als zweites gibt es auch noch Karma. Also, du hast bestimmte Aufgaben und du hast auch bestimmte Fähigkeiten, die du jetzt karmisch mitbekommst. Das hat auch seine gewissen Grenzen und du musst auch deine karmischen Lektionen lernen. Und zum Schluss kommt dann Kripa, die Gnade Gottes. Du kannst sagen, Abhyasa, Karma, Kripa, das sind die drei Dinge, die das spirituelle Vorankommen bestimmen. Abhyasa, dein eigenes Bemühen. Dann Karma. Die karmische Situation, in der du bist, die Aufgaben, die du hast, die Ereignisse, die auf dich zukommen. Und Kripa, die Gnade Gottes. Du selbst kannst dir hohe Ideale und hohe Ziele setzen und das ist gut so. Du solltest aber dabei in Demut diese Ziele verfolgen.

Es gibt auch das Beispiel aus früheren Zeiten, die Sterne. In früheren Zeiten gab es keinen Kompass oder erst recht kein GPS-Gerät, dort haben die Menschen, insbesondere eben die Kapitäne, den Weg der Schiffe mit den Sternen bestimmt. Sie sind nach den Sternen gefahren. Und auch, wenn sie die Sterne nie erreicht haben, sind sie dennoch richtig ans Ziel gekommen. So ähnlich mag es manchmal so aussehen, als ob du die hohen Ideale nicht erreichst. Dennoch, indem du hohen Idealen folgst, erreichst du die Bestimmung deines Lebens. Und das gilt auch bei den Asanas. So wie Swatmarama hier jetzt die fortgeschrittene Variante von Dhanurasana beschreibt, wo du die Zehen zu den Ohren hinziehst, dennoch, genauso ist es gut, dass du nach ganz hohen Idealen strebst und diese hohen Ideale verfolgst und dabei entspannt bleibst. Du kannst jetzt selbst überlegen, welche Ziele setzt du dir für die nächste Zeit? Ziele in deiner ethischen Entwicklung, Ziele für die Praxis der Meditation, Ziele für Asanas und Pranayama, Ziele in deinem Seva, deinem uneigennützigen Dienen, Ziele für deine Charakterentwicklung, Ziele für deine Gewohnheiten im Alltag. Erneuere vielleicht deine Vorsätze, aber sei freundlich zu dir selbst.

 

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:

 

 

 

 

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