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Eine solide Basis

Eine solide Basis zu haben ist nicht nur Grundlage für eine gute Aufrichtung, Haltung und Präsenz, sie ist weit mehr. Sie ist die innere Voraussetzung für ein gesundes, energievolles, harmonisches und selbstbestimmtes Leben, für körperliche und geistige Flexibilität, für die Fähigkeit zentriert zu bleiben und zugleich sich öffnen, sich ausweiten und wieder mit dem Ganzen verbinden zu können.

Hara und das Stehaufmännchen

Ich benutze für die folgende Meditation gerne das Bild von einem Stehaufmännchen. Mit seinem dicken, runden Bauch und der Zuspitzung nach oben hat es die Form eines Wassertropfens. Der Mensch besteht zu etwa 70 % aus Wasser und dieses Element wird hierbei noch eine Rolle spielen. Stößt man ein Stehaufmännchen an, schaukelt es ein paar Mal hin und her und kommt schnell wieder in seine ursprüngliche aufgerichtete Position zurück. Das liegt daran, dass sein Schwerpunkt weit unten im Bauch liegt. Im Japanischen wird dieses Zentrum „Hara“ genannt und es liegt in höhe des Nabels. Hara ist unser körperlicher Schwerpunkt, unser energetischer Kraftpol. In diesem Zentrum können wir uns in uns selbst erden. Hier kommen wir zur Ruhe und finden geistige wie emotionale Ausgeglichenheit. Hara ist auch der Bereich, wo unser Einatemimpuls beginnt.

Atem/Prana ist Leben

Der Atem als Träger von Prana bedeutet Leben. Hara ist das Lebenszentrum. Schon der Fötus wird im Mutterleib über die Nabelschnur mit Nahrung und Atem versorgt. Wird ein Kind geboren, darf man die Nabelschnur nicht sofort durchtrennen. Sie pulsiert noch etwa eine halbe Stunde und versorgt das Kind weiterhin über das Blut aus der Placenta mit Sauerstoff. So ist es nicht wie bei einer sofortigen Durchtrennung gezwungen, plötzlich und gewaltsam tief einzuatmen. Der erste Sauerstoff in den noch zarten Lungenbläschen wirkt wie Feuer, es schmerzt, deswegen schreit das Kind. Ist der erste Atemzug mit einer solch negativen Erfahrung belastet, kann sich das tiefgreifend auf das ganze Leben dieses Menschen auswirken. Die meisten Menschen atmen flach – und leben auch ebenso flach. Sie schöpfen weder die volle Tiefe des Atems noch die des Lebens für sich aus. Ist es dieser unbewusste erste Schock, der im Energie-­‐ und Nervensystem, in muskulären Strukturen und im Emotionalkörper verborgen sie unentwegt begleitet?

Forschung

Der französische Arzt Frédérick Leboyer kam durch seine Studien in Indien und seine praktischen Erfahrungen und Beobachtungen zu den oben von mir beschriebenen Schlussfolgerungen. Ein Kollege von ihm, welcher weltweit Naturvölker und deren Rituale im Umgang mit Kindern erforschte, schilderte etliche drastische Beobachtungen. So wurden zum Beispiel Neugeborene sofort in kaltes Wasser getaucht oder auf andere Weise geschockt. Seine Vermutung ist, diese Kinder tragen durch ein solches Erlebnis eine unbewusste tiefe Angst in sich. Und nur ängstliche Menschen werden gute gehorsame Krieger! – Ist die vorzeitige Durchtrennung der Nabelschnur ein Überbleibsel eines archaischen Rituals? Tatsache ist, dass sanft entbundene Kinder in den seltensten Fällen schreien. Und zumindest meine Kinder sind auch keine Soldaten geworden und haben einen sehr gesunden Bezug zu ihrem Körper.

Die falsche und die natürliche Energieverteilung

Wenn man die Zusammenhänge nicht kennt und versteht, kann man viele Probleme des heutigen Menschen nicht wirklich verändern und beseitigen. Die Ursache für eine ganze Menge Beschwerden und Erkrankungen ist ein Ungleichgewicht der Energieverteilung im Körper. Wie schon oben erwähnt ist das Nabelzentrum unsere Mitte. Und der Nabel ist im Bauch und nicht im Kopf, obwohl mittlerweile für fast alle der Kopf zur Hauptschaltstelle geworden ist. Das hat mit einer frühen Erziehung hin zu einer falschen Methode des Denkens zu tun. Diese Art des Denkens verselbständigt sich sehr bald und führt nicht nur den Einzelnen sondern die Welt genau in das Dilemma, in dem wir heute feststecken.

 

Beginnen wir mit den einfachen Dingen, mit dem Stehaufmännchen. Wenn du langsam, sanft und tief in den Bauch atmest und zugleich mit dem Bewusstsein dorthin folgst, entsteht in deinem Bauch wieder deine naturgewollte Mitte. Von hier aus ist alles gleich weit entfernt. Stelle dir deinen Körper wie einen Seestern mit fünf Armen vor. Mit etwas Übung kannst du von deinem Bauch aus die Energie in die Beine schicken, wenn du dich fortbewegen willst. Du kannst sie von dort aus in die Arme und Hände schicken, wenn du etwas mit den Händen zu tun hast. Du kannst die Energie ebenso in den Kopf schicken, wenn es etwas zu entscheiden gibt oder um dich im Gewusel des Alltags zurechtzufinden. Danach kannst du die Energie wieder in ihr Zentrum zurückziehen. Wie du nicht ständig läufst und „Handarbeit“ machst, so musst du auch nicht ständig denken. Wie die Füße und die Hände darf auch der Kopf sich ausruhen. Und glaube nicht, dass es dein Kopf ist, der Probleme löst – es ist das genaue Gegenteil, er erzeugt sie! Wenn der Verstand ständig mit Energie überflutet ist, muss er etwas damit anfangen. Und wenn es für ihn nichts Nützliches zu tun gibt, erzeugt er einfach ein Problem, um Beschäftigung zu haben. Das klingt vielleicht lustig, aber es ist kein Witz. Beobachte deinen Verstand und du findest heraus, dass es genau so läuft.

Ist deine Energie die meiste Zeit im Kopf, kannst du dich wie ein umgekehrtes Stehaufmännchen betrachten. Dein Schwerpunkt liegt ganz oben statt in der Mitte. Wenn dich jetzt jemand anstößt, nur ganz leicht antippt, kippst du bereits um und kommst nicht automatisch von alleine wieder hoch. Das gilt sowohl körperlich wie auch emotional/psychisch. Das heißt aber für deine gesamte Muskulatur, dass sie deinen Körper ständig unter großem Kraftaufwand aufrecht hält. Es bedeutet, dass dein Gehirn und Nervensystem immer in Alarmbereitschaft sind. Also Nerven, Muskeln, Gehirn und Psyche und damit auch letztlich alle Organe unterliegen einem Dauerstress. Wie willst du in solch einem Zustand klare Entscheidungen treffen? Wie willst du ungetrübt spüren? Wenn wir die Mitte verlieren, verlieren wir alles.

Denken

Einer meiner alten Lehrer am Gymnasium hatte öfter den Spruch drauf: „Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur.“ Ich will es übersetzen: Wenn wir versuchen, mit dem Kopf etwas zu lösen, befinden wir uns in Wahrheit in einem Hamsterrad. Derselbe Gedanke dreht sich und dreht sich... Atmen wir stattdessen einmal tief durch, entspannen uns und vergessen einen Moment alles was uns bewegte, dann ist ganz unerwartet eine Antwort da. Wer kennt das nicht. Und trotzdem vertrauen wir nicht darauf. Es gibt eine kosmische Intelligenz, die uns allen gehört. Diese Intelligenz kann nur wirksam werden, wenn wir entspannt und offen sind. Das gleiche Prinzip wie beim Atem. Wir können zwar eine Weile willentlich atmen, doch dann müssen wir uns dem Atemgeschehen wieder überlassen. Und der unwillkürliche, frei zugelassene Atem sorgt besser für uns, als wir es jemals könnten. Auch unser Leben haben wir ja nicht selbst erschaffen. Gott lebt uns. Je mehr wir dieser Tatsache vertrauen, desto leichter und spielerischer, desto fröhlicher und erfüllter wird das Leben für uns.

Der Wasserfall, der See und die Lotusblüten

Nach dieser langen Vorrede, beginne mit der nun folgen-­‐ den Meditation: Sitze entspannt aufgerichtet, wie du es für eine viertel Sunde gut aushältst. Verbinde dich zu-­‐ nächst über deinen Beckenboden mit dem Boden oder deinem Sitzkissen. Fühle dich gut geerdet. Atme langsam, leicht vertieft aber sanft in deinen Bauch und behalte diesen Atem während der ganzen Meditation bei.

Stelle dir jetzt einen klaren See in deinem Bauch vor und einen Wasserfall, der sich in diesen See ergießt. Dieser Wasserfall und der See sind ein Bild für deinen Atem, der durch die Nase einströmt, herabfließt und deinen Körper mit seiner Frische und Lebendigkeit erfüllt. Mit jedem Atemzug fließen die Spannungen von dir ab, von deinem Kopf, deinem Gesicht, von deinem Nacken und von dei-­‐ nen Schultern. Sie fließen mit dem Wasserfall hinunter in den See und lösen sich auf wie Zucker im Tee. Nichts bleibt davon übrig.

Wenn es dir möglich ist, visualisiere dich ganz klein unten am Ufer des Sees sitzend und nach oben dem Wasserfall zuschauend. Stelle dir den See ganz lebendig vor, mit Seerosen und vielen bunten Fischen darin. Sehr vital und beseelt.

Wenn ein Wasserfall in einen See stürzt, wühlt er manchmal auch Schlamm auf. Das sind die Emotionen, die dein Atem an die Oberfläche bringt. Doch wie die Seerose im Schlamm wurzelt, aus ihm alle Kraft und die Schönheit ihrer Blüten entwickeln, die wie die Blätter vollkommen unbefleckt bleiben, so kannst auch du die gestauten Emotionen vom Atem transformieren lassen. Es gibt nur eine Energie. Energie, die blockiert ist, wird zu Gift, Energie, die frei fließt ist Lebenselixier. Genieße die Bilder, die Stille und was auch immer gerade in dir geschieht.

 

 

- Bhajan Noam -

 

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Kommentare

  • Gerade in einem meiner letzten Seminare habe ich wieder gemerkt. wie wichtig diese Übung auch ist, um die Teilnehmer zu öffnen, zugänglich zu machen für tiefere Erfahrungen. Es ist ja der über Jahre/Jahrzehnte aufgebaute Schutz in Form eines "Muskelpanzers", der auch energetisch verschließt, der eine natürliche Sensibilität immer mehr verhindert. Mit der Erdung folgt allmählich eine neue Offenheit. Eine gesunde Basis gewährt Sicherheit. Vieles, was über lange Zeit festgehalten wurde, kann nun losgelassen werden. Mit dem Visualisieren des Elementes Wasser ist auch der Zugang zum Fluss des Lebens wieder freier. Eine neue Lebendigkeit wir wahrgenommen und mutig und freudig zugelassen. 

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