Frage: Ich habe eine recht lange Frage bekommen. Sie lautet: In dem Yoga Sutra wird die Freiheit über Ahimsa und das Streben nach Harmonie erreicht. In der Bhagavad Gita wird eher ein kriegerischer Weg beschrieben. Hier führt Satyam und Erfüllung des Dharmas zur Freiheit. Wie erklären sich diese Unterschiede und was sind die Gemeinsamkeiten?

Antwort:
Patanjali beschreibt die Ethik des Yogas mit Ahimsa, Satya, Asteya, Brahmacharya, Aparigraha Yamah. Die fünf Yamas sind Nicht-Verletzen, Wahrhaftigkeit, Nicht-Stehlen, Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens und Unbestechlichkeit. Patanjali erwähnt immer wieder Maitri Bhavana, die Kultivierung von Mitgefühl und uneigennütziger Nächstenliebe und auch von bewusstem, uneigennützigem Dienen.

Die Bhagavad Gita spricht auch über die verschiedenen Daivi Sampat, die göttlichen Eigenschaften eines Schülers. Da gehören auch Ahimsa, Satya, Brahmacharya usw. dazu.

Manche sagen, dass Patanjali zu den sogenannten Schramana-Traditionen gehört, also zu den Traditionen, bei denen besonders Menschen in spirituellen Praktiken unterrichtet werden, die nicht unbedingt im Berufs- oder Familienleben waren. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber einige vertreten diese Position. Im Vergleich dazu hat Krishna Menschen Spiritualität gelehrt, die im Berufs- und Familienleben standen und so wurde die Bhagavad Gita als Schrift inmitten eines Krieges geschrieben. Vielleicht auch um Menschen zu sagen, dass in der extremsten menschlichen Situation spirituelle Prinzipien anwendbar sind. Die Bhagavad Gita will uns sagen, dass es keine Situationen gibt, in denen keine spirituellen Prinzipien anwendbar sind. Vermutlich ist der Unterschied zwischen Patanjali und der Bhagavad Gita nicht so groß. Ahimsa heißt ja nicht-verletzen. Ahimsa heißt auch eine Handlung so auszuführen, dass am wenigsten Himsa entsteht.

Ich weiß nicht wie sehr du die Bhagavad Gita und das Yoga Sutra kennst. Die Bhagavad Gita hat als Hintergrundgeschichte die Mahabharata. Dort gibt es eine Gruppe von fünf Brüdern, die Pandavas, die eigentlich die rechtlichen Herrscher sind und seit Jahrzehnten, seit ihrer Kindheit und Jugend trachten ihre Cousins, die Kauravas, ihnen nach dem Leben. Seit Jahrzehnten gab es Mordanschläge gegen sie. Die Pandavas haben immer wieder versucht sich dort nicht zu wehren. Aber irgendwann haben sie festgestellt, dass es nicht mehr geht. Vom Standpunkt des Ahimsa kann man sagen: Zum größtmöglichen Wohl anderer war es jetzt angemessen, sich mit Waffengewalt gegen Tyrannen und Diktatoren zu wehren. Nachdem jahrzehntelang die Versuche, das Ganze friedlich zu machen, nicht funktioniert hatten, war nun der kriegerische Weg der letzte Ausweg. Es ist wichtig, das zu verstehen. Es ist nicht der erste Weg, sondern der letzte Weg. Die Pandavas haben alles probiert und auch Ahimsa geübt. Denn wenn sie jetzt weggelaufen wären, dann hätte der Tyrann sie noch mehr unterdrückt.
Es ist wie die Frage: Wäre Hitler zu bremsen gewesen durch Gewaltlosigkeit? Sicherlich nicht durch die Gewaltlosigkeit der Polen, der Russen, der Amerikaner. Hitler wäre vermutlich zu bremsen gewesen durch gewaltlosen Widerstand durch die Deutschen. Es hätte vermutlich funktioniert, wenn eine ausreichend große Menge von Deutschen gewaltlosen Widerstand geübt hätte. So ähnlich auch Duryodhana und die Tyrannen wären durch gewaltlosen Widerstand gestoppt worden, wenn er aus den eigenen Reihen gekommen wäre. Aber eben nicht durch gewaltlosen Widerstand durch die Pandavas. Die Pandavas hatten nur die Wahl, zum Wohl des Ganzen notfalls die Kauravas mit Waffengewalt zu besiegen. In diesem Sinne bedeutet Ahimsa, zum größtmöglichen Guten auf Gewalt zu verzichten. Sich physisch zu Wehr setzen, geschieht demnach nicht voreilig, sondern nachdem alle anderen Mittel ausgeschöpft worden sind. Das ist das Gemeinsame. Aus Mitgefühl heraus handeln und so weit wie möglich gewaltlos. Dort ruhig Jahrzehnte damit verbringen und wenn das nicht klappt, muss man notfalls auch mit Waffengewalt Unrecht vermeiden. Aber hier heiligt nicht der Zweck jedes Mittel, sondern die Gegenwehr muss angemessen sein und zum Wohl des Guten soll man nicht das Böse gutheißen. Es ist also nicht so einfach.

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Kommentare

  • vielen dank dafür!

    ich denke auch hier, sollte alles in einem kreis betrachtet werden. nichts liegt an dem einen ende des anderen, also auch gewaltanwendung nicht am anderen ende der gewaltlosigkeit.das eine kann in das andere übergehen

    zb kann gewaltlosigkeit anderen gegenüber sehr schnell zur gewalt gegen sich selber werden...oder auch gegenüber dritte.
    es ist ein ständiges abwegen, leider ist es nicht so, dass sich einfach an den regeln gehalten werden kann, wie sie da stehen, es bleibt ein ständiges gedanken spiel.

    als ich die gita das erste mal las, hab ich sie sauer beiseite gelegt, weil ich dachte das gibts doch nicht, so ein aufruf zum blinden folgertum und mord....

    ich brauchte ein zweiten anlauf um geistlich freier an die sache heranzugehen und die sache anders zu beleuchten.

    die gita ist lieblings buch von gandhi, aber auch von himmler. zwei komplet entgegengesetzte ausrichtungen und interpretationsweise der gita. die große interpretationsfreiheit der gita macht sie nun für mich interessant und vielleicht sogar wahr.

    denn die wahrheit ist rund :)
    sie sollte nicht gerade gemacht werden, und richtig und falsch als festgeschriebene konstanzen gegenüberstellen, denn es beinflusst sich gegenseitig. wie du schön beschreibst und ich bin dankbar für das beispiel mit hitler.

    ist es nicht so, das wahrhaftigkeit uns zeigen wird wann und inwieweit wir gewaltlos sind und bleiben können? die augen verschließen und bloß nicht gewalt anwenden kann so gewalttätig sein, denn auch nicht handeln ist handlung und hat seine folgen, solang wir ebend nicht im dahrma handeln .

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