Vorwärtsbeuge, loslassen und hingegeben – HYP I.31

Hatha Yoga Pradipika, 1. Kapitel, 31. Vers
„Iti paschimatanam asana agryam pavanam paschima vahinam karoti udayam jatharanalasya kuryad udare karshyam arogatam cha punsam.“
Paschimothanasana, die vortrefflichste unter den Asanas, bringt die Energie in der Sushumna, der feinstofflichen Wirbelsäule, zum Fließen. Sie bewirkt ein intensives Agni, Verdauungsfeuer, macht den Bauch flach und befreit den Menschen von Krankheiten.“

Swatmarama, der Autor der Hatha Yoga Pradipika, lobt die Vorwärtsbeuge über alle Maßen. Vorwärtsbeuge, zum einen eben als Asana. Und ich kann dir nur empfehlen, übe die Vorwärtsbeuge regelmäßig und halte sie auch länger. Die Vorwärtsbeuge hat den großen Vorteil, du brauchst nicht allzu viel Energie, du musst noch nicht mal viel Wunsch haben, Asanas zu üben, du gehst einfach in die Vorwärtsbeuge. Du musst nur aufpassen, dass der Rücken gerade ist und dass es im unteren Rücken angenehm ist. Und dann bleibst du einfach in der Vorwärtsbeuge. Du kannst die Vorwärtsbeuge sogar machen, ohne dass du andere Asanas vorher übst. Das ist der Vorteil der Vorwärtsbeuge, vielleicht zusammen mit dem Schulterstand, dass du sie direkt machen kannst. Und selbst wenn du mal wenig Energie hast und wenig Enthusiasmus für Asanas, du kannst sie üben. Und wenn du die Vorwärtsbeuge lange genug hältst und das kann mit einer Minute anfangen, du kannst sie drei Minuten, fünf Minuten, zehn Minuten halten, bis zu zwei Stunden, wenn du die Asana eine Weile gehalten hast, dann merkst du, dass Energie fließt. Du merkst, dass du neue Kraft hast.

Du merkst, dass du neuen Enthusiasmus bekommst, Verdauungsfeuer. Und dadurch befreist du dich auch von allen möglichen Krankheiten. Hier siehst du auch die drei Wirkungen der Asanas auf feinstoffliche Weise. Die Asanas bringen dir mehr Energie, sie geben dir mehr Verdauungsfeuer und damit Enthusiasmus. Und dadurch, dass die Energie fließt, verschwinden auch eine Menge von Krankheiten. Paschimothasana ist auch eine Asana im Sinne von innerer Haltung, die innere Haltung auch mal loszulassen, die innere Haltung, dich zu verneigen, die innere Haltung, auch anderen gegenüber Respekt darzubringen, die innere Haltung, geduldig zu sein. Kein Zurückziehen, kein einfach nur dich herausziehen, sondern von innen heraus dich verneigen. Und wenn du dich tatsächlich so verneigst, dann kann Energie fließen, dann kommt innere Begeisterung und dann verschwinden viele Krankheiten.

Menschen sind oft steif, haben eine Haltung der Steifheit, sie wehren sich gegen die Anforderungen des Lebens, sie wehren sich gegen ihr Schicksal, sie wehren sich gegen ihre Mission im Leben. Manchmal gilt es, loszulassen und dich zu verneigen. Manchmal gilt es, geduldig dein Schicksal anzunehmen. Statt dich zu beschweren, „meine Frau ist so, meine Kinder sind so, mein Vermieter ist so, meine Arbeitsstelle ist so, das Leben ist so schlimm, schlimm, schlimm.“ Und dann entweder dagegen anzukämpfen oder dich zurückzuziehen oder einfach zu leiden.


Paschimothasana wäre diese Haltung, es anzunehmen, loszulassen, dich davor zu verneigen und zu sagen: „Ich nehme diese Aufgabe an. Ich nehme diesen Aspekt des Lebens an.“ Manchmal bist du auch in einer Situation, wo jemand anderes mehr zu sagen hat als du. Und solange dieser andere Mensch nicht unethisch ist, ist manchmal angebracht, du verneigst dich vor dem anderen Menschen, du lässt ganz los, du gibst dich hin und du sagst: „Ok, der andere hat jetzt mehr zu sagen als ich und statt dass ich jetzt dagegen ankämpfe und so die Energie nur beseitige, ich lasse los, ich verneige mich.“ Gut, wenn der andere Unethisches macht, dann musst du natürlich auch etwas dagegen tun. Aber häufig ist es eine Ego-Frage. Jemand anderes hat die Verantwortung übernommen, hat die Initiative übernommen und du bist als Blockierer tätig. Überlege manchmal: „Bin ich als Blockierer tätig? Da, wo ich gerade bin, blockiere ich vielleicht die Energie? Sollte ich vielleicht, anstatt herumzunörgeln und immer wieder Einwände zu bringen, loslassen, mich hingeben?“ Überlege das mal. Überlege insbesondere, was heute, was morgen, was die nächste Woche ist. Wo wäre es vielleicht gut, dass du dich hingibst? Wo wäre es gut, dass du dich verneigst? Wo wäre es gut? Dann kann Energie fließen, dann kann Feuer kommen. Und dann verschwinden alle möglichen Blockaden. Vielleicht hast du auch jemanden in deiner Arbeitsgruppe, wo du denkst, dass er oder sie blockiert. Vielleicht kannst du das auch mal thematisieren und dem anderen bewusst machen, was seine Einstellung ist. Aber überlege, ob nicht du derjenige bist, der blockiert und denkst, dass andere blockieren. Manchmal musst du heraustreten aus dir selbst, heraustreten von deinem Ego und schauen, was gilt für das Gute dieser Gruppe? Die Gruppe kann die Familie sein, kann ein Verein sein, eine gemeinnützige Initiative, kann ein Yogazentrum sein, kann dein Arbeitsplatz, deine Arbeitsgruppe sein. Überlege, manchmal musst du Matsyendra sein, Verantwortung übernehmen, manchmal musst du Paschimothana sein. Loslassen, hingeben.

 

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:

 

 

 

 

 

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