Prana, die Lebensenergie – HYP II.8

Hatha Yoga Pradipika, 2. Kapitel, 8. Vers: Swatmarama sagt: „Nachdem der Yogaübende Prana wieder durch Pingala eingeatmet hat, sollte er Kumbhaka, Anhalten, ausführen, wie es in den Büchern dargelegt ist, und sollte es wieder langsam durch Ida ausatmen.“


Das ist die Fortsetzung des 7. Verses, also die zweite Hälfte der Wechselatmung. Prana wird ein- und ausgeatmet. Nicht einfach Luft, sondern Prana, Lebensenergie. Es wird durch Pingala geatmet und auch durch Ida. Pingala ist das rechte Nasenloch und der Sonnenenergiekanal und Ida ist das linke Nasenloch, der Mondenergiekanal. Und es gilt auch, Kumbhaka auszuführen, Atem anhalten. Ich hatte das letzte Mal gesprochen über Ida und Pingala als Sonnen- und Mondenergiekanäle. Es gibt aber auch Kumbhaka und Kumbhaka heißt hier anhalten. Kumbhaka steht auch für das Öffnen der Sushumna und damit für das Öffnen des dritten wichtigen Energiekanals und damit auch für die Non-Dualität. Und auch das wiederum ist wichtig, dass du im Alltag öfters Momente einbaust, wo du Einheit und Verbundenheit spürst. Das Leben ist nämlich nicht nur eine Polarität zwischen Sonne und Mond, zwischen Durchsetzen und Einfühlungsvermögen, sondern zum Leben gehören auch Momente der Verbindung und der Einheit, symbolisiert durch das Atemanhalten, symbolisiert durch die Sushumna.

Du brauchst nicht zu warten, bis du abends meditierst oder morgen meditierst. Du brauchst erst recht nicht zu warten, bis du vielleicht in Jahren oder Jahrzehnten die Selbstverwirklichung erreichst, um Einheit zu erfahren. Du kannst immer wieder Momente der Einheit schaffen. Er sagt sogar hier: „Halte diese Momente der Einheit solange wie möglich.“ So interpretiere ich jetzt im übertragenen Sinne Kumbhaka. Wie kannst du Momente der Einheit schaffen? Z.B. indem du die Sonne anschaust, z.B. indem du den Mond anschaust, z.B. indem du die Wolken anschaust, z.B. indem du einen Menschen anschaust. Jetzt nicht mit dem Wunsch, ihn oder sie zu verstehen, das wäre Ida. Auch nicht, indem du dich irgendwo öffnest für den Menschen im Sinne von, dass du von ihm etwas empfangen willst, auch das wäre Ida und damit Mond. Sondern einfach, um Verbundenheit zu spüren. Du kannst dein Herz sprechen lassen.

Das kannst du z.B. auch jetzt machen. Wenn du irgendwo eine Blume siehst oder einen Baum oder einen Himmel oder von hinten einen Menschen, dann spüre diesen Menschen vom Herzen oder spüre die Blume vom Herzen, spüre den Himmel vom Herzen oder den Baum. In dem Moment, in dem du vom Herzen her spürst, spürst du Einheit. Oder du kannst auch deine Aufmerksamkeit in alle Richtungen ausdehnen, auch das könntest du jetzt probieren. Du könntest gleichzeitig deine Bewusstheit nach links, nach rechts, nach vorne, nach hinten, unten und oben bringen. In dem Moment, wo du deine Aufmerksamkeit in alle Richtungen bringst, spürst du wieder Verbundenheit, du spürst Einheit, vielleicht spürst du Herzensöffnung, vielleicht spürst du Freude, vielleicht spürst du, hinter allem ist das eine und unendliche Bewusstsein. Mache so den Alltag immer wieder voll mit Momenten der Einheit. Warte nicht bis zur Selbstverwirklichung, warte nicht bis zur Meditation, sondern immer wieder spüre Verbundenheit, immer wieder spüre Einheit, z.B. jetzt.

 

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:

 

 

 

 

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