Hatha Yoga Pradipika, 2. Kapitel, 72. Vers
„Yavat kevala siddhih syat sahitam tavad abhyaset rechakam purakam muktva sukham yad vayu dharanam.“
„Bis du die Vollkommenheit in Kevala Kumbhaka erreicht hast, solltest du Sahitah Kumbhaka üben. Wenn du Rechaka und Puraka, also Ausatmung und Einatmung, hinter dir gelassen hast, dann wird die Konzentration mit Leichtigkeit sich einstellen.“


Sahitah Kumbhaka heißt, bewusst Ein- und Ausatmen zu regulieren. Das sind die Atemübungen, die du bewusst machst. Du kannst die Ein- und Ausatmung schneller machen, wie in Kapalabhati, du kannst die Ein- und Ausatmung verlangsamen, du kannst die Einatmung verlangsamen, wie du das z.B. bei Sitali und Sitkari machst, du kannst die Ausatmung stark verlängern, wie du es z.B. bei Brahmari machst oder auch bei Murcha. Du kannst das Anhalten verlängern, wie du es bei verschiedenen dieser Kumbhakas übst. Diese verschiedenen Pranayamas kannst du täglich üben, du kannst sie ab und zu mal üben, du kannst sie am Tag üben. Und natürlich, Ein- und Ausatmung steht auch dafür, in der Dualität zu sein. Und du kannst in der Dualität ein bewusstes Leben führen. Du kannst bewusst einatmen, also aufnehmen. Du kannst ausatmen, also bewusst loslassen und geben. Schließlich geht es aber darum, dass du zu Kevala kommst, das heißt, zur Einheit, jenseits aller Dualitäten. Du kannst zwischendurch dir bewusst sein: „Ja, es ist alles eins.“ Dann hört das Geben und Nehmen auf, du fühlst dich mit allem verbunden, mit dir selbst verbunden, mit der Natur verbunden, mit dem Göttlichen verbunden. Im Alltag ist es immer ein Aufnehmen und ein Geben, ein Anhalten und Loslassen, ein neues Beginnen und das Alte aufrechterhalten usw. Also, der Alltag ist Dualität, aber zwischendurch ist es wichtig, zur Einheit zu kommen. Und es ist gut, im Alltag zu überlegen: „Was ist jetzt angebracht, das Einatmen oder das Ausatmen?“ Was auch immer du in diesem Moment darunter verstehen willst. Aber zwischendurch lasse dieses Ein- und Ausatmen los und fühle dich verbunden. Das Verbundensein ist ja mit Kevala Kumbhaka gleichgesetzt.

Kevala Kumbhaka gibt es auf zwei Arten: Es gibt es als Praxis. Als Praxis heißt es, dass du bewusst den Atem sanft machst, sanft einatmest, sanft ausatmest. Du kannst wenig Luft einatmen, wenig Luft ausatmen. Du kannst sanft einatmen, sanft ausatmen. Irgendwann geht Ein- und Ausatmen ineinander über und in dem Moment bist du sehr konzentriert im Hier und Jetzt. Es gibt auch eine Form von Kevala Kumbhaka, wo du die Ein- und Ausatmung etwas beschleunigst. Zuerst atmest du drei Sekunden sanft ein, drei Sekunden sanft aus, dann zwei Sekunden ein, zwei Sekunden aus, dann eine ein, eine aus, eine ein, eine aus und dann eine halbe Sekunde ein, aus, ein, aus, ein und so atmest du weiter und dabei wird die Ein- und Ausatmung immer weniger. Schließlich verschmelzen Ein- und Ausatmung miteinander und dann bist du in der Meditation, dann bist du in der Ruhe, dann bist du in der Stille. Das kannst du als Einleitung für die Meditation üben, du kannst es auch im Alltag üben. Du kannst z.B. jetzt erst zwei- oder dreimal tief ein- und ausatmen, dann kannst du sanfter einatmen, drei Sekunden einatmen, drei Sekunden ausatmen. Dann kannst du die Atmung beschleunigen, schneller einatmen, schneller ausatmen. Einatmen, ausatmen, dabei die Menge an Luft immer weiter reduzieren, schließlich geht Ein- und Ausatmung ineinander über, dass du sie fast nicht mehr beachtest und dann spüre die Konzentration im Hier und Jetzt. Spüre die Verbundenheit mit den Tiefen deiner Seele, spüre die Verbundenheit mit dem Göttlichen überall, spüre die Einheit.

Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:

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