YVS429 Neti, die Nasenreinigung - HYP II 29-30

  1. Vers

अथ नेतिः
सूत्रं वितस्तिसुस्निग्धं नासानाले प्रवेशयेत्
मुखान्निर्गमयेच्चैषा नेतिः सिद्धैर्निगद्यते ॥२९॥

atha netiḥ-
sūtraṁ vitasti-su-snigdhaṁ nāsānāle praveśayet… mukhān nirgamayec caiṣā netiḥ siddhair nigadyate

atha : nun; netiḥ : (wird) Neti (erklärt); sūtraṁ : (einen) Faden; vitasti : (eine) Spanne (lang, ca. 23 cm); su-snigdhaṁ : sehr weich, ganz glatt; nāsā : (der) Nase; nāle : in den Gang („die Röhre“); praveśayet : man soll einführen,; mukhāt : aus dem Mund; nirgamayet : man soll (wieder) herausführen; ca : und; eṣā : dies („diese“); netiḥ : Neti; siddhaiḥ : von den Vollkommenen; nigadyate : wird genannt

Nun die Nasenreinigung (Neti): Der Yogi soll eine sehr weiche Schur von einer Spanne länge in den Nasengang einführen | und er soll sie aus dem Mund wieder heraus ziehen. Dieses wird die Nasenreinigung (Neti) von den Meistern (Siddha) genannt.

 

Anmerkung: Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 35 behandelt.

 

 

Neti, die Nasenreinigung in der Hatha Yoga Pradipika.

Svatmarama schreibt:

Ziehe durch eines der Nasenlöcher ein feines Stück Schnur und ziehe es durch den Mund heraus. Das ist Neti.

Er bezieht sich hier auf einen Faden, „sūtra“. Dieser Faden soll „vitasti“, eine Spanne lang sein. Dies wären 23 cm. Weiterhin soll er weich sein, „su-snigdhaṁ“. Manchmal wird gesagt, dass der Faden eingefettet werden sollte.

Man nimmt ein Stück Baumwollfaden mit einer Gesamtlänge von 23 cm. Dieser wird z.B. durch Kokosöl oder ein anderes Öl gezogen. Das Kokosöl härtet bei normaler Raumtemperatur wieder und kann gut zum Gleiten des Fadens beitragen. Der Faden kann auch in Wachs eingetaucht werden. Häufig ist hier Bienenwachs im Einsatz. Ich als Veganer, bin kein Befürworter von Bienenwachs. Kokosöl ist eine gute vegane Alternative und es hat den gleichen Effekt, eine Geschmeidigkeit hervorzurufen.

Bei Yoga Vidya machen führen wir diese Reinigung ähnlich durch, wie die meisten Yogameister es heute lehren. Neti wird mit einem Katheter gemacht. Dazu kann man einen dünnen Katheter nehmen, der 20 bis 30 cm lang ist. Besser ist eine Länge von 30 cm oder 25 cm. Den Katheter kannst du in der Apotheke bekommen, bestellen oder im Medizinbedarf anfordern. Im Internet sind Katheter direkt zu bestellen. Der Durchmesser sollte typischerweise bei 2 mm oder 3 mm liegen. Mit dieser Dicke geht der Katheter leichter hindurch. Damit kannst du gut üben.

Den Katheter führst du in „nāle“, in den Gang der Nase ein. Aus dem Mund kommt der Katheter wieder hinaus. Wie das genau geht, lernst du am besten von einem Yogaleher oder einer Yogalehrerin, der oder die es selbst schon geübt hat. Sie können dich in diese Technik an- und einweisen, Ratschläge erteilen, Fragen beantworten, Informationen und Hilfestellungen bei der Durchführung geben.

Auf unseren Internetseiten kannst du weitere Informationen über Sūtra-Neti bekommen und anhand von Bildmaterial die Übungen in der Ausführung anschauen.

 

  1. Vers

कपालशोधिनी चैव दिव्यदृष्टिप्रदायिनी
जत्रूर्ध्वजातरोगौघं नेतिराशु निहन्ति ॥३०॥

kapāla-śodhinī caiva divya-dṛṣṭi-pradāyinī… jatrūrdhva-jāta-rogaughaṁ netir āśu nihanti ca

kapāla : (den) Schädel; śodhinī : reinigt; ca : und, auch; eva : gewiss; divya* : himmliche, göttliche; dṛṣṭi* : Sicht; pradāyinī : verleiht; jatru : (der) Schlüsselbein(e); ūrdhva : oberhalb; jāta : (die) entstanden (sind); roga : (der) Krankheit(en); oghaṁ : (die) Menge („Flut“); netiḥ : Neti; āśu : geschwind, schnell; nihanti : vertreibt; ca : und

Es reinigt den Schädel und verleiht sicherlich göttliche Einsichten. | Zusätzlich zerstört die Nasenreinigung (Neti) schnell alle Krankheiten die oberhalb des Schlüsselbeins beheimatet sind.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt „göttliche Sicht“ (divya-dṛṣṭi) als ein Sehen (Drishti), das feinstoffliche (Sukshma, also für gewöhnlich unsichtbare) Dinge (Padartha), erfasst (grāhiṇīṃ): sūkṣma-padārtha-grāhiṇīṃ dṛṣṭiṃ.

Dieser Vers wird hinsichtlich seiner Grammatik und Metrik ausführlich im Sanskrit Kurs Lektion 29 behandelt.

 

Welche Wirkungen hat Neti?

Neti reinigt den Schädel, und macht die Sicht sehr scharf. Es beseitigt auch die Beschwerden in den Teilen oberhalb der Schultern.

Auf Sanskrit stehen in diesem Vers folgende Wörter, auf die ich näher eingehen werde:

Bei „kapāla-śodhinī“wird der Schädel gereinigt. „Kapāla“ ist der Schädel, der Kopf. „Padāyinī“ bedeutet:  verleiht und „eva“: ganz gewiss. Mit „divya-dṛṣṭi“ ist die himmlische, göttliche Sicht gemeint. Daraus lassen sich zwei Bedeutungen ableiten.

Zum einen soll Sūtra-Neti die Stärke der Augen verbessern. Es hilft, dass du besser sehen kannst.

Sūtra-Neti bedeutet nicht, dass man mit dem Üben das Tragen einer Brille verhindern kann. Ich habe weiterhin eine Brille, trotz der Praxis von Sūtra-Netivon. Es hat keine Wunderwirkung.

Durch das Üben von dieser Reinigungstechnik sieht man auf eine bestimmte Weise klarer. Svatmarama spricht von „divya-dṛṣṭi“: die Welt sieht klarer und reiner aus nachdem du Sūtra-Neti gemacht hast. Es hebt deshalb die Stimmung. Du siehst es irgendwie leuchtender.

Sūtra-Neti soll helfen das dritte Auge zu öffnen. Damit heißt „divya-dṛṣṭi“ eine intuitive Sichtweise. „Dṛṣṭi“ ist die Sicht und mit „divya-dṛṣṭi“ ist die intuitive Sicht durch das dritte Auge gemeint.

Neti ist nicht nur für die Nase da, sondern für die Öffnung des dritten Auges gut.

„Nihanti“ bedeutet: vertreiben. Es vertreibt geschwind: „āśu“, die „roga“, die Krankheiten von „ūrdhva“, oberhalb von „jatrū“, der Schlüsselbeine, der Schultern.

Damit ist gemeint: Sūtra-Neti ist gut für die Nase, für die Stirnhöhlen, für alle Nebenhöhlen, die Augen und die Ohren.

Ich möchte noch etwas an dieser Stelle ergänzen: Der menschliche Körper ist ein Organismus, ein Ganzes. Wenn du Sūtra-Neti machst ist das nicht nur eine physische Reinigung der Nasendurchgänge, sondern es aktiviert die Selbstreinigungsmechanismen, die dazu führen, dass sich dein ganzer Kopfbereich angenehmer anfühlt und gesünder wird.

Das waren alle Aspekte zu Sūtra-Neti.

Svatmarama beschreibt tatsächlich nur Sūtra-Neti. Es gibt weiterhin Jala-Neti, das ist die Nasenreinigung durch Salzwasser. Diese Technik ist dir vielleicht besser bekannt. Jala-Neti wird genauer auf unseren Internetseiten erläutert. In einem Video zum Thema Jala-Neti kannst du dir diese Reinigung anschauen.

In unseren wesentlichen Regionen besteht es daraus, dass du einen halben gestrichenen Teelöffel Salz auf ein Glas lauwarmes Wasser gibst. Im Anschluss saugst du das Wasser durch die Nase hoch und speist es aus dem Mund wieder aus. Du kannst auch Salzwasser in ein Neti-Kännchen geben. Dann lässt du das Salzwasser von einem Nasenloch durch das andere Nasenloch hinunter rinnen. Das Neti-Kännchen ist eine spezielle Kanne, die für diese Praxis besonders geeignet ist und dafür entwickelt wurde.

Einige wissenschaftliche Studien belegen, dass die Erkältungsanfälligkeit sinkt, beim täglichen Üben von Neti. Dies bezieht sich gerade auf die Erkältungssaison. Es ist zu empfehlen, jeden Tag Neti zu machen.

Salzwasser-Neti: Manche üben täglich Neti mit Salzwasser. Andere Menschen üben es ein paar Monate lang und pausieren dann eine Weile. Wenn die Erkältungssaison beginnt und einige Menschen in ihrer Umgebung mit einer Erkältung zu kämpfen haben, üben sie wieder die tägliche Netireinigung. Oft geht eine drohende Erkältung an ihnen vorüber.

Ein Grund, weshalb es bei manchen Krankenkassen zu mindestens die Idee gab, dass es als Begrüßungsgeschenk für neue Mitglieder ein Neti-Kännchen samt Anweisung gegeben hat: Weil es sich bei den meisten Krankheiten um Erkältungskrankheiten handelt.

Das einzige Mittel, das sich seit einer empirischen Studien als wirkungsvoll gegen Erkältungen gezeigt hat,  ist Jala-Neti, die Salzwasserspülung der Nasendurchgänge.

Zum Thema Erkältung gibt es von mir einige Tipps auf unsere Internetseite auf www.yoga-vidya.de

Unter dem Stichwort: Yoga Hausrezepte bei Erkältung wirst du mehr erfahren können zur Vorbeugung und zur Heilung von Erkältungskrankheiten.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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