1. Vers

कट्वाम्लतीक्ष्णलवणोष्णहरीतशाक
सौवीरतैलतिलसर्षपमद्यमत्स्यान्
आजादिमांसदधितक्रकुलत्थकोल
पिण्याकहिङ्गुलशुनाद्यम् अपथ्यम् आहुः ॥६१॥

kaṭvāmla-tīkṣṇa-lavaṇoṣṇa-harīta-śāka-
sauvīra-taila-tila-sarṣapa-madya-matsyān… ājādi-māṁsa-dadhi-takra-kulattha-kola-
piṇyāka-hiṅgu-laśunādyam apathyam āhuḥ

kaṭu : scharf, beißend, bitter; amla : sauer; tīkṣṇa : stechend, brennend, intensiv; lavaṇa : salzig; uṣṇa : heiß, erhitzend; harīta* : Chebulische Myrobalane (Terminalia chebula) ; śāka* : (grünes, schwer verdauliches) Gemüse, Kraut; sauvīra : saurer Gersten-, Reis- oder Weizenschleim; taila : Öl, Sesamöl; tila : Sesam, Sesamkörner; sarṣapa : (brauner) Senf, Senföl; madya : alkoholische, berauschende Getränke; matsyān : Fisch; āja : (von) Ziegen; ādi : usw., und anderen („zum Anfang habend“); māṁsa : Fleisch; dadhi : molkehaltige, dicke Sauermilch, geronnene Milch; takra : Buttermilch mit Wasser gemischt (im Verhältnis 1 : 1 oder 3 : 1); kulattha : Pferdebohnen (Macrotyloma uniflorum syn. Dolichos uniflorus); kola : Chinesische Jujube, Brustbeere (Ziziphus zizyphus, (Badara); piṇyāka : Ölkuchen (die Reste ausgepresster ölhaltiger Früchte oder Körner wie Sesam usw.); hiṅgu : Asant (Ferula assa-foetida) sowie das aus dieser Pflanze gewonnene Gewürz Asafoetida; laśuna : Knoblauch; ādyam : all das („dieses zum Anfang habend“); apathyam : (als für einen intensiv praktizierenden Yogi) ungesund, unheilsam; āhuḥ : wird bezeichnet

Bitteres, Saures, Beißendes, Salziges, Schares, grünes Gemüse, saurer Haferschleim, Sesam Öl, Sesam, Senf, Alkohol, Fisch, | Ziege, anderes Fleisch, saure oder mit Wasser vermischte Milch, Pferdebohne, Jujube-Frucht, Ölkuchen, Teufeldreck, Knoblauch und weiteres ist ungeeignete [Nahrung für einen Yogi], so sagt man.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda liest zwar harīta-śāka (mit langem ī), versteht aber harita-śāka (mit kurzem i) im Sinne von „grünes Gemüse“, was er mit pattra-śāka („Blatt-Gemüse“, Pattrashaka) erklärt. Das Versmaß (Vasantatilaka) dieses Verses lässt allerdings nur eine lange Silbe an dieser Stelle zu, was für die Richtigkeit der Lesung harīta-śāka (mit langem ī) spricht. Somit sind harīta und śāka als zwei getrennte Worte aufzufassen, wobei harīta für Haritaka bzw. Haritaki (Chebulische Myrobalane) steht. Shaka bedeutet „Gemüse, Kraut„. Auch die Bedeutung harita-śāka „Meerettichbaum“ (Shigru) scheidet aufgrund der hier nicht erlaubten Kürze des i aus.

 

Was sollte man meiden?

Hier folgt eine Aufzählung von einer Menge an Nahrungsmitteln, die in Indien in der Zeit von Svatmarama populär waren. Manche sind heute nicht mehr bekannt, auch in Indien nicht. In den verschiedenen übersetzten Texten sind unterschiedliche Übersetzungen zu finden. Dies ist durchaus im Deutschen ebenfalls üblich. Gemüsearten, welche es vor 1000 Jahren gegeben hat, gibt es vielleicht heute nicht mehr oder die Namen haben sich inzwischen geändert. Manche Sorten sind allerdings auch gleich geblieben und sind noch heute mit der selben Begrifflichkeit vorhanden.

Es steht geschrieben: Bitteres, Saures und Beißendes (also Salziges und Scharfes) sollte man meiden. Damit sind werden einige Geschmacksrichtungen aus dem Ayurveda genannt: Katu, Amla, Tikshna, Lavana und Ushna. Diese Geschmacksrichtungen solltest du weniger nutzen, wenn du intensiv Hatha Yoga üben willst.

Weiterhin sollte Harita, Shaka und Sauvira vermieden werden. Harita, eine asiatische Heilpflanze, eine  chebulische Myrobalane (Terminalia), die zu den Flügelsamengewächsen gehört und als Königin unter den Heilpflanzen gesehen, hat eine erhitzende Wirkung. Der Geschmack ist mit bitter, herb, sauer, scharf und süß definiert. Im Ayurveda werden dieser Pflanze diverse Wirkungen nachgesagt. Sie gilt als Verjüngungs und Kräftigungsmittel. Sie zählt eher zu den rajassigen Mitteln.

Shaka, wird manchmal übersetzt als grünes und schwerverdauliches Gemüse und Kraut. Shaka ist die Betelnuss und die Betelblätter. Das sind Dinge, die in Indien früher populär waren. Zum Teil gibt es Shaka in Indien noch heute. Shaka hat eine bewusstseinsbenebelnde Wirkung, die erlaubt ist und nicht zu den verbotenen Drogen in Indien zählt. Die Betelnuss sollte man lieber nicht zu sich nehmen.

Sauvira sollte ebenfalls nicht genommen werden. Sauvira wird übersetzt als einen sauren Brei. Es wird manchmal gesagt, das es sich dabei um einen Brei handelt, der schon umgekippt ist. Den könnte man zwar noch essen, aber Vergorenes sollte lieber vermieden werden. Dann empfiehlt er, Taila und Tila (Sesamöl und Sesam) und Sarshapa (Senföl) nicht zu sich zu nehmen. Die Wirkungen dieser Nahrungsmittel sind leicht rajassig.

Verzichten sollte man unbedingt auf folgende Nahrung, die er im weiteren Verlauf aufzählt. Was man gar nicht zu sich nehmen sollte ist Madya. Dabei handelt es sich um alkoholische Getränke. Weiterhin sollte man keinen Fisch (Matsya), kein Aja (Fleisch von Ziegen) und auf jede Art von Fleisch (adi Mamsa) verzichten.

Diese beschriebenen Dinge nehmen einen wichtigen Stellenwert ein und sind am Allerwichtigsten. Fleisch, Fisch und Alkohol sollte man außen vor lassen. Im weiteren Sinne könnte unter der Begrifflichkeit Shaka gesagt werden, dass sämtliche Arten von Drogen verboten sind. Dazu gehören auch Zigaretten und Tabak.

Er beschreibt noch ein paar weitere Nahrungsmittel, die nicht zu empfehlen sind. Dazu gehören geronnene Milch und Buttermilch. Man sollte schwer verdauliche Hülsenfrüchte, wie Kulattha, nicht zu sich nehmen. Auf Kola (Chinesische Jujube) und Pinyaka (Ölkuchen) ist zu verzichten. Asafoetida (bekannt als Stinkasant oder Teufelsdreck ist eine Pflanzenart in der Familie der Doldenblüter und gehört zu den Steckenkräutern) sollte nicht gegessen werden. Diese Nahrung ist für einen intensiv praktizierenden Yogi unheilsam und ungesund, sie ist apathya.

Für unsere moderne Zeit bedeuten diese Aussagen, dass es nicht angebracht ist, rajassige Nahrung und weitere rajassige Dinge zu sich zu nehmen. Dazu gehören auch Eier. Verzichte auf alkoholische Getränke, bewusstseinsverändernde Drogen und esse keinen Fisch und kein Fleisch. Das sind die wichtigsten Mitteilungen, die sich daraus entnehmen lassen und die uns Svatmarama sagen will.

Die allerwichtigsten Lebensmittel, die es zu vermeiden gilt sind: Fleisch, Fisch, Alkohol, bewusstseinsverändernde Drogen, wie auch Tabak und Nikotin.

Svatmarama benennt allerdings in seinen Aussagen nicht den Tabak, da es im 10. bis 12. Jahrhundert in Indien noch keinen Tabak gab. Der war damals nur in Mittelamerika und Südamerika bekannt.

Ich nenne sie gerne die „5 K“, auf die ein Yogi lieber nicht zurückgreifen sollte. Ein unbedingter Verzicht darauf ist zu empfehlen.

Dann sollte man auf Eier, Zwiebeln und Knoblauch verzichten. Das sind die zweit wichtigsten Dinge, auf die man nicht zurückgreifen sollte. Die dritt wichtigsten Dinge wären, alles rajassige. Dazu zählt der Industriezucker und Nahrung, die zu scharf, zu salzig und zu sauer ist. Fertigprodukte fallen ebenfalls unter diese Kategorie, nur kannte Svatmarama diese künstlichen Produkte noch nicht. Gemüse aus Dosen, Tiefkühlkost und weitere Nahrung, die, man fertig in Tüten und Packungen kaufen kann und nur erwärmen braucht, sind nicht zu empfehlen. Verzichte lieber auf diese Produkte. Leider gibt es mittlerweile zahlreiche Produkte dieser Art auch in Bio-Qualität. Der Yogi sollte frische Nahrung zu sich nehmen, die man nicht aus vorbereiteten Tüten, Tiefkühlkost oder Dosen bezieht.

  1. Vers

भोजनम् अहितं विद्यात् पुनर् अस्योष्णीकृतं रूक्षम्
अतिलवणम् अम्लयुक्तं कदशनशाकोत्कं वर्ज्यम् ॥६२॥

bhojanam ahitaṁ vidyāt punar asy-oṣṇī-kṛtaṁ rūkṣam… atilavaṇam amla-yuktaṁ kad-aśana-śākotkaṭaṁ varjyam

bhojanam : Speise, Nahrung; ahitaṁ : (als) ungesund; vidyāt : man muss kennen; punar : wieder; asya : für einen solchen (intensiv praktizierenden Yogi); uṣṇī-kṛtaṁ : (die) aufgewärmt („warm gemacht“) wurde; rūkṣam : trocken („rauh“ im Gegensatz zu Snigdha „glatt, feucht“); ati : allzu; lavaṇam : salzig; amla : Säure, der sauren Geschmacksrichtung; yuktaṁ : verbunden mit; kad-aśana : abgestandene (oder überlagerte „schlechte“) Speise(n); śāka : (unterschiedlichen) Gemüse(n); utkaṭaṁ : (ein) Übermaß (an); varjyam : (all diese Nahrung) ist zu vermeiden

[Ein Yogi] sollte danach trachten, unvorteilhafte Nahrung zu vermeiden. [Dazu gehört auch:] | Aufgewärmtes, Fett reduzierte Produkte, sehr Salziges, sehr Saures, Abgestandenes und auch zu viele Gemüse.

 

*Anmerkung: Der Kommentator Brahmananda erklärt, dass die hier aufgeführten Handlungen (das Sitzen am Feuer bei Kälte, Geschlechtsverkehr und Pilgerfahrten) nur am Anfang (Adi) der Übungspraxis (Abhyasa) gänzlich zu meiden sind (tāsām varjanam). Wenn die Übungspraxis bereits fortgeschritten bzw. „erfolgreich“ (Siddha) ist, sind diese Dinge wieder – „manchmal“ (kadā-cit), also bei passender Gelegenheit und im richtigen Maße – erlaubt: tāsām varjanam ādāv abhyāsa-kāle siddhe ‚bhyāse tu kadā-cit.

 

Svatmarama geht weiter und beschreibt, was man noch vermeiden sollte. Wir befinden uns im 62. Vers nach der Verszählung.

Der Yogi sollte allgemein danach trachten, unvorteilhafte Nahrung zu vermeiden. Dazu gehört Essen, das schon einmal gekocht wurde, dann kalt geworden und wieder erhitzt worden ist. Essen mit einem Übermaß an Salz und Säure sollte vermieden werden. Unverdauliches ist nicht zu empfehlen. Nahrung, in der die Blätter der hölzernen Quassia untergemischt sind, gilt es zu vermeiden. Im Sanskrit ist der Quassia unter dem Namen Tikta, bzw. Jvaraghni, bekannt. Quassia als Arzneimittel ist ein traditionelles Mittel gegen Malaria, Fieber, Anämie, Darmparasiten, Gallenbeschwerden, Leber- und Verdauungsbeschwerden. Sie gehört zur Pflanze der Bittereschengewächse und hat eine appetitanregende, tonisierende, magenschützende und verdauungsfördernde Wirkung.

Das ist aus seiner weiteren Beschreibung in der Hatha Yoga Pradipika oder der Ausgabe, der Swami Vishnu folgt, zu entnehmen. Essen, das schon einmal gekocht, wieder kalt geworden und wieder erhitzt worden ist, spielt auch im Ayurveda eine gewisse Rolle.

Man muss wissen, daß es zu Lebzeiten Svatmaramas noch keine Kühlschränke gab. In Indien kann es im Sommer 40 oder 45 Grad heiß werden. In manchen Teilen Indiens bleibt es nachts über 30 Grad. Wenn man Essen erhitzt, das über Nacht stehen lässt und es am nächsten Tag wieder erwärmt, ist es inzwischen vergoren. Man kann zwar durch das Erhitzen manches wieder töten, aber sattwig ist das nicht. Wir im Westen haben Kühlschränke. In Indien habe viele Menschen mittlerweile auch eine Kühlmöglichkeit, um Nahrung über Nacht dort zu lagern. Am anderen Tag kann es wieder aufbereitet werden. So wird es verwertet und keine Reste bleiben übrig. Die Nahrung weg zuwerfen, nur weil nicht alles gegessen werden konnte, ist nicht ökologisch. Wenn du für dich selbst kochst, achte auf ein Maß an Essen, damit keine Verschwendung erfolgt. Bereite nach Möglichkeit nur Portionen zu, die auch gegessen werden, um eine Verschwendung zu vermeiden.

Bei der salzigen und sauren Nahrung wiederholt er sich. Es ist eine Art Generalaussage: Alles was unverdaulich ist. In diesem Bezug wird Kadashana eingebracht, dies bedeutet alles, was schlecht ist. Zu Kadashana können überlagerte Speisen hinzu gezählt werden. Dies bedeutet, eine geschickte Nahrungsaufbereitung von bereits verdorbener Nahrung durch Würze. Dann mag sie schmecken, aber ungesund ist sie trotzdem. Empfehlenswert ist dies nicht.

In der Übersetzung von Swami Vishnu steht, dass es nicht angebracht ist, die Blätter der hölzernen Quassia mit unter zu mischen. In einer anderen Übersetzung heißt es einfacher: dass zu viele unterschiedliche Bestandteile in der Nahrung nicht vorteilhaft sind. Dies ist shaka utkata, ein zu viel an Zutaten in der Nahrung.

Man kann demnach sagen: Zu viele verschiedene Nahrungsmittel in einer Mahlzeit sind nicht gut. Swami Sivananda betont: Man soll in einer Mahlzeit nicht zu viele verschiedene Bestandteile haben, welches die Verdauung erschwert.

Langfristig gesehen ist es gut, eine große Bandbreite von Speisen zu haben. Dies bezieht sich auf eine Abwechslung an Nahrung im Laufe des Jahres. Dazu zählen verschiedene Gemüsesorten, Salate, Getreide und  Hülsenfrüchte. Im Jahreskreislauf sind zudem immer andere Gemüse und Obstsorten aktuell. Du erhältst somit eine große Bandbreite an Nahrung und entwickelst nicht so schnell Unverträglichkeiten und Allergien.

Es gibt viele Menschen, die heutzutage z.B. eine Weizenallergie haben und damit eine Glutenunverträglichkeit. Andere entwickeln eine Unverträglichkeit von Soja. Die Ursache dieser Unverträglichkeiten beruht oft auf den täglichen Verzehr von Weizenprodukten. Das kann im Körper irgendwann dazu führen, dass er eine Unverträglichkeit entwickelt. Bei einer vermehrten Sojaaufnahme, kann es ebenso zu einer Unverträglichkeit kommen. Es ist ratsam, die Nahrungsmittel öfters auszutauschen und einen Wechsel vornehmen.

Innerhalb einer Mahlzeit ist es wichtig, nicht zu viel verschiedene Nahrungsmittel zu sich zu nehmen.

Svatmarama beschäftigt sich in den folgenden Versen noch einmal mit der Nahrung. Im nächsten Vers, der wie dazwischen geschoben erscheint, ist davon keine Rede. Erst wieder in den darauf folgenden zwei Versen. Der einzelne Vers dazwischen könnte uns sagen, dass man sich nicht mit der Ernährung zu sehr beschäftigen sollte. Ernährung stellt einen Faktor von vielen dar. Ernährung ist wichtig, aber nicht über zu bewerten.

Mehr zum Thema yogische Ernährung, vielleicht praxisnäher an unsere westlichen Gegebenheiten angepasst, findest du auf unserer Internetseite www.yoga-vidya.de. Unter dem Stichwort „Ernährung“ oder „Yoga Ernährung“ bekommst du praxisbezogene Tipps zu einer guten Ernährungsform. Wir haben zudem ein Yoga Kochbuch veröffentlicht, welches tolle yogische Rezepte beinhaltet. Diese Rezepte sind gesund, energetisierend, gut für den Körper und die Psyche und sehr förderlich für die Pranayamapraxis. Zudem sind sie zu 100% yogisch.

 

  1. Vers

वह्निस्त्रीपथिसेवानाम् आदौ वर्जनम् आचरेत् ॥६३॥

vahni-strī-pathi-sevānām ādau varjanam ācaret

vahni : Feuer; strī : Frauen; pathi : Wegen (in Form von langen Fußmärschen oder Pilgerfahrten); sevānām : das (gewohnheitsmäßige) Aufsuchen (von); ādau* : zuerst, am Anfang; varjanam : (das) Vermeiden; ācaret : er soll beginnen, üben

[Der Yogi] sollte sich im Fernhalten von Feuer, Frauen, Herumvagabundieren und ähnlichem üben.

Dies sollte von einem Yogi vermieden werden

 

  1. Vers

तथा हि गोरक्षवचनम्
वर्जयेद् दुर्जनप्रान्तं वह्निस्त्रीपथिसेवनम्
प्रातःस्नानोपवासादि कायक्लेशविधिं तथा ॥६४॥

tathā hi gorakṣa-vacanam-
varjayed durjana-prāntaṁ vahni-strī-pathi-sevanam… prātaḥ-snānopavāsādi kāya-kleśa-vidhiṁ tathā

tathā : ebenso, genau so; hi : denn; gorakṣa : (von) Goraksha; vacanam : (lautet der) Ausspruch; varjayet : man vermeide; dur-jana : (von) schlechten Menschen; prāntaṁ : (die) Nähe; vahni : Feuer; strī : Frauen; pathi : Wegen (in Form von langen Fußmärschen oder Pilgerfahrten); sevanam : das (gewohnheitsmäßige) Aufsuchen (von); prātar : am frühen Morgen; snāna : (das) Baden; upavāsa : Fasten; ādi : usw., und ähnliches („zum Anfang habend“); kāya : (des) Körpers; kleśa : Schmerzen, Beschwerden; vidhiṁ : Handlung(en), Verrichtung(en mit daraus resultierenden); tathā : und, ebenso, desgleichen

In den Worten von Goraksha [klingt] dieses: Vermeide schlechte Gesellschaft, Nähe zum Feuer, Frauen, Herumvagabundieren, | morgendliche Waschungen, Fastenkuren und ähnliches. Diese Aktivitäten [bringen] Krankheit in den Körper.

 

Svatmarama schreibt:

Goraksha sagt, dass man am Anfang der intensiven Hatha Yoga Praxis folgendes vermeiden sollte: Schlechte Gesellschaft, Feuer, geschlechtliche Beziehungen, lange Reisen, baden früh am Morgen im kalten Wasser, fasten und harte körperliche Arbeit.

Dieser Vers kann auf verschiedene Weisen interpretiert werden. Zudem kann die Bedeutung dieser Worte unterschiedlich gesehen werden.

Zu vermeiden sind Stri, Pathi Sevana und Vahni. Diese sollen aufgegeben werden.

Vahni heißt hier Feuer. Mit Stri sind Frauen gemeint und als drittes werden lange Fußmärsche genannt, die man als ein Vagabundieren bezeichnen kann.

Zum Feuer könnte man sagen:

Wenn du intensive Hatha Yoga Praxis üben willst, sind keine Saunabesuche in dieser Zeit vorteilhaft und angebracht. Normalerweise ist Saunieren etwas sehr gesundes. In unseren Yoga Vidya Asharams sind Saunabesuche eine beliebte Freizeitaktivität von Seminarteilnehmern, die längere Zeit bei uns sind. Wir haben bestimmte Reinigungskuren, wo ein Saunabesuch dazugehört. Bei manchen Ayurveda-Kuren gehört Svedana, das sind Dampfbäder dazu. Bei Panchakarma-Kuren oder bei manchen Ama-Kuren werden Saunagänge mit eingeschlossen. Bei intensiver Hatha Yoga Praxis, im Sinne von viel Pranayama, ist es besser, auf Sauna und anderweitige Verfahren dieser Art zu verzichten.

Wenn hier steht: verzichten auf Stri, auf Frauen, heißt es: Geschlechtliche Beziehungen sind kontraindiziert, wenn du intensiv Pranayama übst.

Bei zwei oder vier Wochen ganz intensiver spiritueller Praxis, solltest du keine geschlechtlichen Beziehungen haben. Wenn hier einfach nur der Begriff „Stri“ steht, ist damit umfassend gemeint, keinen Geschlechtsverkehr in dieser Zeit zu haben.

Weiterhin sollten keine langen Fußmärsche gemacht werden, da lange Fußmärsche zur Ermüdung führen. Eine halbe Stunde spazieren gehen am Tag ist gut, vielleicht zwei mal eine halbe Stunde, aber keine stundenlange Wanderungen sind in dieser Zeit von Vorteil.

Mönche, besonders die Wandermönche, haben solche Märsche oft mit ihrer Praxis kombiniert. Sie sind durch die Gegend gereist und haben gebetet. Bei intensiver Hatha Yoga Praxis solltest du an einem Ort bleiben und nicht jeden Tag woanders hingehen. Wanderungen sind nicht angebracht.

Im Vers steht: man soll Durjana vermeiden. Durjana ist allgemein die Gesellschaft von schlechten Menschen, Durjana Pranta. Dura heißt ungeeignet oder schlecht.

Wenn du intensiv Hatha Yoga übst, ist es klug, mit den Menschen zusammen zu sein, die selbst spirituell sind. Es ist eine erhebliche Erleichterung, wenn du für deine intensive Praxis in einem Ashram bist, wo Menschen aufeinandertreffen, die spirituell sind. Es ist nicht klug an Orte zu gehen, wo Fleisch verkauft wird oder in Restaurants oder wo Menschen sind, denen es hauptsächlich um Wirtschaft und Geld geht. Wenn du eine Zeit sehr intensiv praktizieren willst, dann ist es klug, an einem spirituellen Ort zu sein und nicht dort zu sein, wo weltliche Menschen sind.

Man soll Pranta und Vahni, die Nähe des Feuers vermeiden. Im alten Indien gab es eine bestimmte Form von Tapas, das ist die sogenannte, Panchagni Tapas, die fünf Feuer.

Du hast ein Feuer links, rechts, vorn und hinten. Zudem bist du in der prallen Sonne. Dies ist eine intensive Form von Askese.

Es gilt zu vermeiden. Wie bereits erwähnt, sind Saunabesuche während einer intensiven Hatha Yoga Praxis nicht angesagt.

Eine weitere Interpretation dieses Verses ist folgende Aussage: Im alten Indien hat der Yogi selbst seine Nahrung zubereitet. Es kann als ein Hinweis betrachtet werden, dass man bei intensiver Hatha Yoga Praxis Rohkost zu sich nehmen sollte. Nahrung zu kochen, wenn du nicht in der Nähe des Feuers sein darfst, gestaltet sich als schwierig heraus. Das funktioniert nicht. Die Deutung steht darin, dass bei intensiver Hatha Yoga Praxis Rohkost hilfreich ist, weil man keine gekochte Nahrung zu sich nehmen sollte.

Im nächsten Vers kommt erneut „Stri“ zum Einsatz. In diesem Sinne bedeutet bezieht sich das Wort auf Frauen.  Es spielt keine Rolle, ob du heterosexuell oder homosexuell bist. Im Allgemeinen sind zu Anfang intensiver Praxis geschlechtliche Beziehungen zu vermeiden.

Auf Pathi Sevana, die langen Fußmärsche, wird an dieser Stelle erneut hingewiesen. Das wurde bereits zuvor erwähnt.

Pratar Snana sollte nicht durchgeführt werden. Es ist das Baden am frühen Morgen in kalten Flüssen. Im alten Indien gab es kein gewärmtes Wasser. Wenn du intensive Hatha Yoga Praxis übst, ist es gut, den Körper nicht zu überfordern. Dazu zählen keine kalten Bäder. Obgleich Swami Sivananda das sehr empfohlen hat. Er schreibt, kalte Bäder am frühen Morgen sind für die Gesundheit von Vorteil. Der Pfarrer Kneipp war ebenfalls der Meinung und hat diese Empfehlung ausgesprochen.

Wenn du intensiv Hatha Yoga praktiziert, dann sind weder Sauna noch kalte Bäder gut. Du forderst deinen Körper bei einer sehr intensiven Hatha Yoga Praxis, wie sie im 2. Kapitel beschrieben wird, genug. Besonders bei einem intensiven Üben von 4 mal am Tag Pranayama, 2 mal am Tag Asanas und 2 mal tägliche Meditation. Eventuell wird bei einer besonders intensiven Praxis die Meditation sogar alle 2 Stunden durchgeführt. Wenn du schon sehr intensiv in deiner Praxis bist, ist es ratsam auf diese zuvor genannten Dinge zu verzichten.

In dieser Zeit des intensiven Praktizierens ist Upavasa, das Fasten, nicht angesagt. Wenn du erstmals ganz intensiv Hatha Yoga übst, dann solltest du auf Fasten (Adi) und auf alles andere verzichten, was zu Kaya, Klesha und Vidhi führt. Das Fasten ist eine Handlung, die zu Schmerzen des Körpers führt. Übe zudem keine Asanas, die zu Schmerzen des Körpers führen können. In dem Kommentar der Übersetzung, der Swami Vishnu folgt, wird die intensive Praxis als harte körperliche Arbeit übersetzt. Mache nichts, was zu körperlichen Schmerzen führt. Diese Aussage ist ein Hinweis, keinen Sport zu machen währenddessen. Es ist nicht ratsam, einen Sport zu auszuüben, der sehr fordernd ist, dass du Muskelkater bekommen könntest.

Übe während intensiver Hatha Yoga Praxis keine intensiven Handlungen, die dazu beitragen, dass du weniger bei Kräften bist. Vermeide Übungen, die dich zu sehr beanspruchen und fordern, dass du nachher kaputt bist.

Verzichte auf alle Arten von Tapas, die zu Schmerzen führen. Tapas hat verschiedenen Bedeutungen. Tapas heißt zum einen die spirituelle Praxis. Eine weitere Deutung von Tapas ist die Bemühung. Tapas heißt, bewusst etwas zu tun, was du nicht magst. Tapas hat auch die Bedeutung einer Kasteiung. Es besteht eine Ähnlichkeit dieser Bedeutung mit den Kasteiungen im christlichen Mittelalter. Dort gehörten das Tragen eines Dornengürtels oder das Laufen mit Erbsen in den Schuhe, gegenseitige Auspeitschungen und das Tragen von bestimmten Gewandungen zu einer Kasteiung. Es wird die Geistlerbewegung genannt. Ähnlich war es im alten Indien, wo sich Menschen, als Teil einer spirituellen Praxis, selbst Schmerzen zugeführt haben.

Krishna wehrt sich dagegen und sagt, man sollte seinen Körper nicht quälen. Der Körper ist der Tempel Gottes. Wer seinen Körper quält, der quält Gott. Svatmarama sagt in diesem Bezug pauschal: „Übe nichts, mache nichts, womit du dem Körper überflüssigerweise Schmerzen zufügst.“

Du kannst selbst deine eigenen Weisen und Handlungen überdenken, wenn du dich in einer sehr intensiven spirituellen Praxis befindest, in der du vier bis vierzehn Stunden Hatha Yoga, einschließlich Pranayama am Tag übst. Wenn du diese Praxis zu deinem Vorhaben machen willst, stelle dir die Frage:

Hast du all diese Hinweise und Ratschläge bedacht?

Vermutlich bist du jemand, der nicht mindestens vier Stunden am Tag Hatha Yoga übt. Dann solltest du deinen gesunden Menschenverstand nutzen und deinem Körper nicht überflüssigerweise Schmerzen zu führen. Übe ein harmonisches spirituelles Leben.

Als normaler Aspirant, der einen Beruf ausführt und im Familienleben integriert ist, kann man natürlich Sexualität haben. Du gehst weiterhin deinen normalen Beruf nach und bist im normalen Kontakt mit anderen Menschen.

Ein Saunabesuch und kalt duschen ist weiterhin gesund und zu empfehlen. Fasten, sportliche Betätigung und körperliche Belastungen auf sich zu nehmen, können ohne Bedenken weiterhin erfolgen und sind gut.

Für eine intensive Hatha Yoga Praxis gilt es allerdings, diese Sachen zu beachten. Bei einer Teilnahme eines Sadhana-Intensiv Seminars über zwei Wochen, wo du 4 mal am Tag zum Praktizieren von Pranayama, 2 mal am Tag zu Asanas, 6 mal am Tag zur Meditation angeleitet wirst, weise ich besonders darauf hin, auf diesen Vers zu achten.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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