YVS385 Ayurveda und Hatha Yoga Pradipika

Hatha Yoga Pradipika und Ayurveda.

Wie hängt die Hatha Yoga Pradipika mit Ayurveda zusammen?

Welche Ausdrücke des Ayurveda verwendet Svatmarama?

Die Hatha Yoga Pradipika wurde wahrscheinlich im 14. Jahrhundert von einem Yogi namens Svatmarama geschrieben.

Hatha Yoga hat drei Wurzeln. Diese sind:

  1. Ayurveda
  2. Raja Yoga
  3. Kundalini Yoga.

Im Ayurveda ist Hatha Yoga eine Sammlung von Übungen um die Gesundheit zu erhalten oder herzustellen und Krankheiten zu heilen. Im Kundalini Yoga ist Hatha Yoga eine Sammlung von Übungen um Energien zu aktivieren, harmonisieren und damit das Überbewusstsein zu ermöglichen. Im Raja Yoga ist Hatha Yoga eine Sammlung von Übungen, um den Geist unter Kontrolle zu bringen. Im Ayurveda is Hatha Yoga eine Sammlung von Übungen für Gesundheit. Im Ayurveda gibt es eine umfangreiche Theorie zur Gesundheit und auch eine Theorie wie Krankheiten entstehen.

Svatmarama hat in der Hatha Yoga Pradipika einige Ausdrücke verwendet, die in Bezug zum Ayurveda gesetzt werden können.

Im Ayurveda wird gesagt: Gesundheit ist der natürliche Zustand des Menschen.

Krankheit entsteht aus drei Gründen: Krankheit ist Folge eines Dosha Überschuss, eines mangelndes Agnis oder einer Ansammlung von Ama.

Doshas sind die so genannten Bioenergien, wörtlich heißt Dosha „Verderber“. Wenn eine dieser Doshas zu stark wird, dann wird der Mensch krank.

Im Ayurveda spricht man von drei Doshas: Vata, Pitta und Kapha.

Vata bedeutet Wind. Es ist aber auch das Luftprinzip im Menschen. In manchen Übersetzungen der Hatha Yoga Pradipika, unter anderem in der Übersetzung, die mein Lehrer gemacht hat, wird Vata oft als Wind übersetzt.

Wenn Du in dieser Übersetzung liest, bestimmte Krankheiten kommen aus einem Übermaß von Wind, dann ist nicht damit gemeint, dass irgendwo zu viel Wind irgendwo im Land war, sondern dass ein Übermaß von Vata im menschlichen Körper ist.

Pitta kann ebenfalls zu stark werden. Pitta heißt auch Galle. Pitta ist aber auch das Feuerprinzip im Menschen. Wenn Du in manchen Hatha Yoga Pradipikas liest, dass eine bestimmte Übung alle Krankheiten heilt, die aus einem Übermaß an Galle entstehen, dann ist dort nicht die physische Galle gemeint, sondern dort ist Pitta gemeint.

Schließlich gibt es auch noch Kapha. Kapha heißt wörtlich übersetzt „Schleim“. Im Ayurveda ist Kapha ein bestimmtes Prinzip. Es ist das Erd- und Wasserprinzip. In der Hatha Yoga Pradipika gibt es manchmal die Aussage, dass eine bestimmte Übung alle Krankheiten heilt, die aus einem Übermaß von Vata stammen. Krankheiten können auch ihre Ursache in einem Übermaß von Galle, Pitta, oder in einem Übermaß von Schleim, Kapha, haben.

Wenn Du in einer der Übersetzungen der Hatha Yoga Pradipika von Wind liest, dann übersetze es zurück als Vata. Wenn dort von Galle die Rede ist, dann übersetze es zurück als Pitta. Beim Lesen von Schleim, übersetze diesen Ausdruck mit Kapha.

In der Hatha Yoga Pradipika findest man an mehreren Stellen Bezug auf diese drei Doshas.

Wann immer ich diese drei Bezeichnungen: Vata, Pitta, Kapha lese, lasse ich sie gerne unübersetzt. Die meisten Aspiranten heute, die sich ernsthafter mit Hatha Yoga beschäftigen, kennen sich mit Ayurveda aus.

Svatmarama gebraucht relativ häufig einen Ausdruck wie Agni, oder einen anderen Sanskrit Ausdruck, der ähnliches bedeutet.

Im Ayurveda wird gesagt, dass nicht nur wichtig ist, was Du ist, sondern es ist wichtig, was Du verdaust. Und Agni ist das so genannte Verdauungsfeuer und nur, wenn Agni stark ist und auch ausreichend stark ist, kannst Du die Nährstoffe aufnehmen.

Agni ist nicht nur das Verdauungsfeuer. Agni ist auch die Kraft der Verdauungsprozesse im ganzen Körper. Du brauchst ein gutes Agni, um die Sachen gut zu verdauen. Es gibt eine Reihe von Übungen, von denen Svatmarama sagt, dass sie Agni erhöhen. Manchmal wird an der Stelle Agni übersetzt als Verdauungsfeuer. Manchmal auch als Appetit oder Hunger. Es kann sein, dass manchmal Menschen Angst haben, sie könnten beim Üben von der Hatha Yoga an Gewicht zunehmen oder sogar dick werden, weil es an manchen Stellen heißt, dass eine entsprechende Übung den Appetit erhöht.

Im Sanskrit steht dieses Wort nicht nur für Appetit. Agni als Wort bezieht sich nicht nur Appetit, sondern es beinhaltet das Verdauungsfeuer. Wenn Du ein gutes Verdauungsfeuer hast, dann wirst Du eben nicht dick und dein Appetit wird normal. Wenn Du alle Nährstoffe hast, die Du brauchst, dann wird dein Körper dir das Signal geben: Genug gegessen.

Nur dann, wenn Agni eben nicht ausreichend stark ist, dann signalisiert der Körper Mangel. In diesem Fall wird man eben auch zu viel essen. Das ist dann weniger gut. Wann immer Du in anderen Übersetzungen liest, dass eine bestimmt Übung den Appetit hebt, dann steht da: Agni wird gehoben und das heißt, dass das Verdauungsfeuer besser wird.

Svatmarama gebraucht noch einen weiteren Ausdruck an vielen Stellen. Dieser Ausdruck ist Ama. Amas sind die so genannten Schlacken, Stoffwechselprodukte oder Ablagerungen.

Im Ayurveda spricht man davon, dass im menschlichen Gewebe immer wieder Ablagerungen entstehen, Im menschlichen Körper lagern sich Schlacken ab.

Um das Jahr 2000 haben sich die Mediziner oft dagegen gelehnt und gesagt, im menschlichen Körper entstehen keine Schlacken.  Heute weiß man, dass diese These nicht zutreffend ist. An den Arterienwänden kann es z.B. Ablagerungen geben. Man spricht in diesem Fall von Arteriosklerose. An den Venen kann es zu Ablagerungen kommen. Dies sind Krampfadern. Wenn es im Zwischenzellgewebe oder in den Gelenken Ablagerungen gibt, spricht man in der Medizin von Gicht und Rheuma. Diese Erkrankungen können auch letztlich zu einer Arthrose führen. Knochensporn ist auch die Ablagerung von Gewebe an Stellen, wo es nicht hingehört.

Diese Erscheinungsformen werden im Ayurveda als Ama bezeichnet. Bei einer Ansammlung von Ama, können Krankheiten entstehen. Im Ayurveda ist viel darauf ausgerichtet, Amas wieder zu beseitigen. Es gilt, diese Ablagerungen und Stoffwechselprodukte abzubauen.

Svatmarama bezeichnet viele Übungen als Reduzierer von Ama. Von einigen der Hatha Yoga Pradipika Übungen wird gesagt, dass sie alle Unreinheiten beseitigen. Die Worte, die Svatmarama für Ama verwendet, können auch Krankheit heißen. Von manchen Übungen in den Übersetzungen wird gesagt, dass sie alle Krankheiten vertreiben. In vielen Fällen kann dies auf die Beseitigung aller Amas bezogen werden, auf alle  Schlacken und Ablagerungen.

In diesem Sinne beschreibt die Hatha Yoga Pradipika die Gesundheitswirkungen von ausgewählten Hatha Yoga Übungen in der Ayurveda Terminologie, insbesondere die Wirkung auf die Doshas.

Um gesund zu bleiben, müssen die Dosha in ihrer natürlichen Prakriti sein. Wenn zu viel Vata vorhanden ist, kann man krank werden. Dem zu Folge gibt es Übungen, um einen Vata Überschuss zu reduzieren. Das Gleiche bezieht sich auf zu viel Pitta. Ausgewählte Übungen reduzieren einen Pitta Überschuss. Zu viel Kapha kann ebenfalls zu Krankheiten führen. Entsprechende Übungen aus dem Hatha Yoga reduzieren einen Kapha Überschuss. Mangelndes Agni führt zu Krankheit. Hatha Yoga Übungen, um Agni, das Feuer, zu erhöhen liegen ebenfalls vor. Eine Ansammlung von Ama führt zu Krankheit. Übungen um Ama abzubauen können hier hilfreich sein.

Auf diese Weise gebraucht Svatmarama diese Terminologie. Wenn Du Dich mit Ayurveda beschäftigst, ist es durchaus gut, die Hatha Yoga Pradipika zu lesen.

Ein Wort zum modernen Ayurveda Unterricht in Indien:

Es gab in Indien nach dem zweiten Weltkrieg eine Förderung von Ayurveda Studiengängen. Spezielle Ayurveda Universitäten wurden eingerichtet, wo man einen Bachelor of Ayurveda oder einen Master of Ayurveda bekommen konnte.

Die indische Regierung ging davon aus, dass Ayurveda populär werden konnte. Nachdem die Traditionelle Chinesische Medizin TCM im Westen immer mehr Anhänger fand, wurde auch Ayurveda gefördert. Die indische Regierung dachte, das geht am besten, wenn man Ayurveda löst von den spirituellen Hintergründen und auch vom Yoga. Demnach ist in Indien eine ganze Generation von Ayurveda Ärzten ausgebildet worden ohne echte Kenntnisse vom Hatha Yoga.

Es immer wieder erstaunlich, wie gute Ayurveda Ärzte unsinnige Hatha Yoga Empfehlungen machen. Bei einem Vata Überschuss ist es nicht angemessen auf Atemübungen zu verzichten. Manche Ayurveda Ärzte gehen davon aus, dass Pranayama das Vata erhöhen würden. Diese Aussage ist unzutreffend. Atemübungen erhöhen nicht automatisch Vata. Es gibt bestimmte Atemübungen, die reduzieren Vata. Darunter zählen z.B. Ujjayi, Surya Bheda und Bhastrika. Ebenfalls gibt es bestimmte Atemübungen, die reduzieren Pitta. Sitali, Sitkari und Murcha sind pitta reduzierend. Zu den Kapha Übungen, die reduzierendde Wirkung haben zählen: Kaphalabati und die Ujjayi Atmung und Surya Bheda.

In der Hatha Yoga Pradipika lassen sich zahlreiche Aussagen finden, welche Hatha Yoga Übung gegen welchen Dosha Überschuss wirkt. Dies herauszufinden ist weiterhin die Aufgabe der Ayurveda Ärzte. Zwischen 1950 und dem Jahr 2005 gab es eine Übergangsphase gab, in der die indische Regierung Ayurveda wieder von der Familientradition in die Universitätstradition zurück- oder hinführen wollte. In diesem Zug wurde dabei leider das Hatha Yoga erst einmal herausgenommen.

Heute gibt es immer mehr Ayurveda Ärzte, die bedingt durch die Popularität des Hatha Yoga, auch wieder Hatha Yoga mit Ayurveda zusammenführen wollen. Hierbei wäre es wichtig, die klassischen Schriften zu studieren. Darunter zählen die Hatha Yoga Pradipika, Gheranda Samhita, Shiva Samhita und Goraksha Shataka. Diese Schriften nehmen besonderen Bezug auf die Ayurveda Prinzipien. Wenn man diese kennt und mit deren Inhalt vertraut ist, können entsprechende Yogaübungen bei einer vorliegenden Krankheit gerade auf diese genau angepasst werden. Man ist mit dem Wissen ausgestattet, welche Yogaübung bei welcher Krankheit von besonderer Wichtigkeit und Wertigkeit ist.

 

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

 

 
 
 
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