Warum ist Yoga Muskelkrafttraining und wie kannst du deine Yogapraxis so optimieren, dass du wirklich alle deine Muskeln in ihrer Kraft stärkst?
Dies ist ein Vortrag aus der Reihe „Yoga als optimaler Gesundheitssport“. Sport- im Sinne von Gesundheitssport- will vier Fähigkeiten des Menschen trainieren: Ausdauer, Kraft, Flexibilität und Koordination.
In einem anderen Vortrag habe ich erklärt, warum Yoga als Ausdauersport gut ist und wie eine Yogapraxis beschaffen sein sollte, um ein Herz-Kreislauf Training zu bewirken, was das Charakteristikum des Ausdauersportes ist.
Heute geht es um Muskelkrafttraining. Dazu möchte ich folgende Fragen besprechen:
- Was ist Muskelkraft?
- Wozu ist es gut Muskelkraft zu entwickeln?
- Was ist ein optimaler Trainingsreiz für Muskelkraft?
- Wie lange dauert die Regenerationszeit?
- Welche Anpassungsleistungen werden dadurch erzielt?
- Was heißt das für die Übungen des Yogas?
Was ist Muskelkraft?
Definition: „Die Fähigkeit des Muskels sich gegen einen Widerstand zusammen zuziehen“. Z.B.: Der M. Bizeps brachii beschreibt welches Gewicht ich mit meinem Arm aus der Ellenbeuge heben und senken könnte. Physiologisch bedeutet das, der Muskel hat Ursprung und Ansatz an zwei verschiedenen Knochen und geht über ein Gelenk hinweg. Er setzt über Sehnen am Knochen an. Eine Bindegewebshülle, Faszie genannt, umgibt den ganzen Muskel, sowie die kleineren Muskelfaserbündel.
Die Kraft eines Muskels wird von den Muskelzellen, insbesondere der Muskelfasern bestimmt. Die Muskelfasern sind einzelne längliche Zellen, ob diese sich im Laufe des Lebens bzw. im Erwachsenenalter in der Anzahl vermehren können wird diskutiert. Entscheidend ist die Dicke der Muskelfaser, da dann mehr Myofibrillen in der Muskelfaser eingelagert sind. Ein zweiter Bestandteil der Muskelkraft ist bedingt durch die Nervenfasern. Ein Muskel wird durch einen Nerv innerviert. Dieser überträgt den Impuls des Gehirns über den Rückenmarkskanal an den Muskel. Dieser zieht sich daraufhin zusammen oder entspannt sich. Eine verbesserte Innervierung des Muskels führt dazu, dass mehr Muskelfasern gleichzeitig angespannt werden und dadurch mehr Muskelkraft entsteht. Nicht alle Muskelfasern werden gleichmäßig von Nervenfasern durchdrungen, dadurch bekommen manche Muskelfasern den Primärimpuls und die benachbarten Muskelfasern ziehen sich dann auch zusammen (Sekundärimpuls). Wenn mehr Muskelfasern gleichzeitig den Impuls zur Kontraktion (Zusammenziehen) bekommen ist die Kraft stärker. Der dritte, die Muskelkraft beeinflussende Faktor ist die Kapillarisierung des Muskels, d.h. je mehr Blutgefäße den Muskel versorgen, desto besser kann er seine Kraft und vor allem seine Ausdauer entwickeln. Die Muskelkraft wird also von der Anzahl der Muskelzellen (ab dem Teenageralter evtl. nicht mehr beeinflussbar), der Anzahl der Myofibrillen der Muskelfaser (dies kann man durch Training beeinflussen), die Innervierung des Muskels (ebenfalls beeinflussbar) und die Kapillarisierung des Muskels beeinflusst.
Wozu ist es gut Muskelkraft zu entwickeln?
In erster Linie braucht man Muskelkraft im Alltag (Töpfe heben, Möbel tragen, sich bewegen...), daneben tragen starke Muskeln zu einem starken Selbstbewusstsein bei, Muskelkrafttraining ist also auch gut für die Psyche. Menschen mit psychischen Problemen, wie Depressivität, Burn-out, Angststörungen oder mangelndes Selbstbewusstsein profitieren vom Krafttraining. Man könnte also sagen, stärkere Muskeln bilden eine stärkere Psyche. Starke Muskeln halten auch die Gelenke gesund. Viele Gelenkerkrankungen treten eher auf, wenn die Muskulatur koordinativ schwach ist und somit das Gelenk nicht ausreichend stabilisieren kann. Menschen mit koordiniert trainierten Muskeln leiden scheinbar weniger unter Rheuma, Arthritis und Arthrose. So ist eine der wichtigsten Präventionsmaßnahmen gegen Rückenschmerzen starke Bauchmuskeln, Rücken- und Gesäßmuskeln. Zur Vorbeugung von Knieproblemen sind starke Oberschenkelmuskeln wichtig, für die Handgelenke starke Unterarme, bei Schulterproblemen eine ausgeglichene Brust- und Schultergürtel- bzw. Rückenmuskulatur usw. Um also Beschwerden der Gelenke vorzubeugen bzw. zu verbessern sind starke und koordinativ trainierte Muskeln wichtig. Ausreichend starke Muskeln sind ebenfalls wichtig für die Blutwerte. Vorbeugend helfen sie wohl auch gegen Diabetes mellitus, Arteriosklerose und Fettleibigkeit. Muskulatur verbrennt im Ruhezustand mehr Energie als Fett und hilft so gegen Fettleibigkeit. Zudem muss Fettleibigkeit bei gleichzeitiger ausreichender Muskelkraft und gutem Herz-Kreislauf-System (Ausdauer) nicht unbedingt schädlich sein. Oftmals machen sich Menschen zu viel Sorgen um ihr Gewicht und zu wenig Sorgen, ob sie Muskelkraft und Herz-Kreislauf trainieren. Durch Muskelkrafttraining gelangen Nährstoffe in das Zwischenzellgewebe. Muskelkrafttraining verbraucht und erneuert die Nährstoffe im Zwischenzellgewebe. So gesunden Menschen mit einem Bandscheibenvorfall z.B. schneller, wenn sie Rückentraining machen. Ebenso heilen Verletzungen in Knie- oder Sprunggelenken besser, wenn man Krafttraining macht, da über dieses Training Nährstoffe ins Zwischenzellgewebe kommt, sodass auch die Strukturen, die nicht direkt durchblutet werden, besser heilen können.
In den 80ern/ 90ern hieß es, dass Ausdauersport am wichtigsten sei, in den 2000ern wurde das Krafttraining für wichtiger befunden, momentan geht man davon aus, dass alle vier Trainingsformen wichtig sind.
(Fortsetzung folgt)
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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
Kommentare
Om Shanti
Wieder was gelehrnt! Ich hoffe ich kann mir das auch alles so fix für die Zukunft merken. Aber für Erinnerungskraft gibt es ja ein Mudra :)
Danke für die tolle Erläuterung!
Om Shanti