Wie wirkt Yoga noch als Ausdauertraining?

Neben dem Sonnengruß, der im engeren Sinne als Herz-Kreislauf-Training gilt, gibt es im Yoga eine Reihe weiterer Übungen, die auch gut sind, um deine Ausdauer zu trainieren – auch wenn sie der sportmedizinischen Definition von Herz-Kreislauf-Training nicht entsprechen.

Zunächst gibt es die sogenannten Umkehrstellungen. Umkehrstellungen sind insbesondere Kopfstand und Schulterstand, Skorpion und Handstand und in einem beschränkteren Sinne auch Pflug und Hund. Diese Übungen sind Herz-Kreislauf-Training, weil die Beine dabei höher sind als der Bauch und der Bauch höher ist als das Herz. Normalerweise ist, wenn du stehst oder sitzt, der größte Teil deines Blutes unterhalb des Herzens. Man kann sogar sagen: Meistens ist 60 % deines Blutes im Bauchbereich, in den und um die Bauchorgane herum. Gehst du nun in eine Umkehrstellung, wird das venöse Blut durch die Schwerkraft schneller zum Herzen transportiert. Dies führt dazu, dass der Herzmuskel sich weiter ausdehnt. Das Starlingsche Gesetz des Herzens besagt, wenn mehr Blut zum Herzen zurückfließt, dann dehnt sich das Herz weiter aus und pumpt stärker. In den Umkehrstellungen wird die Herzmuskeln also dafür sorgen, dass das Herz weiter wird und besser pumpt.

Insgesamt wird in Umkehrstellungen die Fließgeschwindigkeit des Blutes steigen. Daher sind sie ein gutes Training für das Herz, die Arterien und sogar für die Venen. Zusätzlich sorgen entspannte Umkehrstellungen auch dafür, dass alle Organe und Gewebe des Körpers besser durchblutet sind. Umkehrstellungen haben somit eine regenerierende Wirkung auf alle Organe und auf die Psyche.

Weiterhin als Ausdauertraining zu verstehen sind Übungen, die den Brustraum denen. Denn durch sie können unsere Lungen leichter die Anpassungsleistungen vollziehen, die durch ein klassisches Ausdauertraining bewirkt werden sollen. In dem man sich zum Beispiel nach hinten beugt, werden die Rippen gedehnt, der Knorpel zwischen den Rippen und dem Sternum wird flexibler und es entsteht Raum, damit die Lungen vergrößert werden können. Auch das Herz hat dann mehr Platz. Hierfür hilfreich sind das Nachhintenbeugen als auch das Nachlinks- oder Nachrechtsbeugen (wie im Dreieck), die Drehungen und sogar die Vorwärtsbeugen. Durch diese Übungen können Lungen und Herz sich gut entwickeln. Des Weiteren helfen dehnende Asanas unseren Arterien. Dadurch werden die Arterien flexibler, beginnende Probleme wie Arteriosklerose kann rückläufig werden.

 

Pranayama als Ausdauertraining

Auch praktizieren wir im Yoga Pranayama, Atemübungen. Sie bestehen aus zwei Teilen: atmen und Luft anhalten. Beides ist effektiv auch als Herz-Kreislauf-Training bzw. im engeren Sinne als Lungentraining. Indem man beispielsweise mit vollständigem Yoga-Atem übt, nutzt man das volle Lungenvolumen. Man könnte sagen: Das vollständige Ein- und Ausatmen bis an die Grenzen der Möglichkeiten ist ein Trainingsreiz. Und der Trainingsreiz, so tief einzuatmen, wie man kann, führt dazu, dass der Körper die Lungenkapazität erhöhen wird. Vollständig auszuatmen, ist auch wieder ein Trainingsreiz, der dazu führt, dass der Körper die Lungen effektiver leeren kann. Ein solches Lungentraining trägt auch dazu bei, die Arbeit des Herzens zu erleichtern und unterstützt somit die Entwicklung des Herz-Kreislauf-Systems. 

Noch wichtiger ist, vom Standpunkt des Herz-Kreislauf-Trainings, das Anhalten des Atems. Wenn man den Atem anhält, entsteht nach einer Weile im Blut ein Sauerstoffmangel. Ähnlich wie beim klassischen Ausdauertraining, bei dem Sauerstoff aus dem Blut in die Muskeln kommt und dort verbrannt wird, wodurch Bewegung entstehen. Ein Herz-Kreislauf-Training verbraucht mehr Sauerstoff und reduziert daher zunächst die Sauerstoffrate im Kreislaufsystem. Das ist ein Trainingsreiz, der dazu führt, dass die Herzeffizienz, der Gasaustausch und die Kapillarisierung verbessert werden.

Auf eine gewisse Weise ist das Luftanhalten ein ähnlicher Trainingsreiz wie Ausdauertraining im engeren Sinne. Wenn Sportler, die wegen einer Verletzung kein Ausdauertraining machen können, Pranayama üben, wird sich ihre Ausdauer nicht wesentlich reduzieren. Ohne körperliches Training kann man die Ausdauer erhalten, wenn man am Tag eine halbe bis dreiviertel Stunde Pranayama übt. Genauso gibt es einige Menschen, die kein Ausdauertraining im engeren Sinne gemacht haben, aber täglich eine halbe Stunde Pranayama geübt haben. Wenn sie nun plötzlich auf die Idee kommen, einen Marathon zu laufen, werden sie dies in relativ kurzer Zeit tun können, selbst wenn sie es vorher noch nie gemacht haben. Eine ausreichende Menge Pranayama ist ein Herz-Kreislauf-Training, das den Lungen und dem Herzen eine gute Effizienz ermöglicht. Es braucht dann nur noch ein wenig Muskeltraining, um gut auf einen Marathonlauf oder längere Fahrradtouren vorbereitet zu sein.

 

Yoga als optimales Herz-Kreislauf-Training

Machst du außerhalb von Yoga auch Sport, Ausdauertraining? Wenn ja, dann musst du jetzt nicht unbedingt zusätzlich im Yoga für Ausdauertraining sorgen. Wenn nein, übe zwei bis dreimal pro Woche mehr Sonnengrüße. Und in jeden Fall: übe die Asanas und Pranayama und sei dir bewusst, dass sie auch für die Gesundheit von Herz-Kreislauf und Lungen helfen.

Yoga ist ein effizientes Ausdauertraining und kann ebenso andere Ausdauersportarten sinnvoll ergänzen.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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