Wer Yoga übt, ist gesünder als jemand, der kein Yoga übt. Und bei nahezu jeder körperlichen oder psychischen Beschwerde hat Yoga einen positiven Einfluss. Das hat die empirische Forschung gezeigt. Dazu gibt es mehrere schulmedizinische und yogische Erklärungsmodelle. Zum Beispiel kultiviert Yoga innere Einstellungen, die die psychische Resilienz verbessern. Aber Hatha Yoga ist auch Sport und hat einen Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit.

Die letzten 30 Jahre haben gezeigt, dass Sport sehr gesund für uns ist. Menschen, die sich kaum bewegen und solche, die einer sitzenden Tätigkeit nachgehen, haben alle möglichen Erkrankungen. Menschen, die mehrmals pro Woche Sport treiben, haben weniger Erkrankungen und sind gesünder.

Hatha Yoga ist kein Leistungssport, kein Wettbewerbssport, auch keine olympische Disziplin. Hatha Yoga ist ein effektives Körperübungssystem. Hatha Yoga ist Sport im Sinne von Koordinationstraining, Flexibilitätstraining, Muskelkrafttraining und auch Ausdauertraining.

Natürlich ist Hatha Yoga mehr als sportliches Training. Yoga ist auch Entspannungstraining, Yoga Energietraining, psychisches Training und auch eine spirituelle Praxis. Aber Hatha Yoga ist eben auch Sport, sogar ein optimaler Gesundheitssport.

 

Das allgemeine Anpassungsprinzip

Das allgemeine Anpassungsprinzip besagt: Der Mensch ist ein Organismus, der sich an die Herausforderungen seiner Umwelt anpasst – entweder durch Kultivierung oder durch Verlust von Fertigkeiten.

Angenommen du bist Teilnehmer einer Yogalehrerausbildung und dir wird gesagt, dass du bis zur Prüfung zweihundert Sanskrit-Ausdrücke kennen solltest. Wahrscheinlich bist du erstmal alarmiert, fängst an zu lernen und hast das Gefühl, es ginge nichts mehr in den Kopf hinein (Widerstand). Du machst weiter und stellst fest: Es geht sogar gut, du kannst recht viele Sanskrit-Ausdrücke lernen – und die Fähigkeit, diese zu lernen, entwickelt sich wunderbar.

Wenn du es jedoch mit dem Lernen übertreibst und vielleicht nicht ausreichend schläfst, dann kann es zu einem  kleinen Zusammenbruch kommen und du verlierst die ganze Lust daran. In der Regel aber gilt der Grundsatz: Wenn eine neue Fertigkeit gefordert wird, bist du zunächst alarmiert, es gibt einen Widerstand, doch im Lauf der Zeit entwickelst du diese Fertigkeit.

Wenn du als Kind ein guter Sportler warst, jedoch irgendwann eine sitzend arbeitest und aufgehört hast, dich sportlich zu betätigen, dann sind deine sportlichen Fertigkeiten gesunken. Du hast kaum noch Ausdauer, weniger Kraft, usw. Was du nicht tust, verfällt als Fertigkeit. Das schöne ist aber, dass du die Fertigkeit von Neuem kultivieren kannst.

Trainingsreiz, Regenerationszeit und Hyperkompensation für mehr Kraft

Dieses allgemeine Anpassungsprinzip tritt in der sportlichen Trainingslehre als die Lehre von Trainingsreiz, Regenerationszeit und Hyperkompensation auf.

Wenn du eine Fertigkeit kultivieren willst, gilt es, einen bestimmten Trainingsreiz zu setzen. Dein Körper oder deine Psyche braucht eine bestimmte Zeit, sich daran anzupassen und die Fertigkeit zu kultivieren – das ist die Regenerationszeit. Anschließend entsteht eine sogenannte Hyperkompensation, d.h. die Fertigkeit kultiviert sich.

 

Angenommen du übst eine Variation von Navasana (Boot), dann ist das Ausüben dieser Bauchmuskelübung ein Trainingsreiz. Die Muskeln werden nicht stärker, während du die Übung machst, sondern es entsteht ein Trainingsreiz, der dafür sorgt, dass in den darauf folgenden ein bis zwei Tagen Regenerationszeit der Körper die Bauchmuskeln stärkt. Das führt dann im Sinne einer Hyperkompensation dazu, dass du zwei Tage später stärkere Bauchmuskeln hast.

Angenommen du übst die Heuschrecke. Während du die Übung ausführst, ist sie anstrengend, es werden jedoch nicht unmittelbar Muskeln gestärkt, sondern du übst einen Trainingsreiz aus. Und danach, in einer Regenerationszeit, wird der Körper seine Hyperkompensation ausführen und deine Rückenmuskeln stärken.

So wirst du feststellen, dass Anfänger in der zweiten oder dritten Woche eines Yogakurses große Schwierigkeiten haben, die Heuschrecke auszuführen. Doch schon in der fünften Woche geht es etwas besser. Und Menschen, die ein Mal pro Woche die Heuschrecke üben, werden sie nach zwei bis drei Monaten relativ gut hinkriegen, auch wenn sie sie 20-30 Sekunden halten müssen.

Trainingsreiz, Regenerationszeit und Hyperkompensation für mehr Flexibilität

Angenommen, jemand hat jahrelang keine Dehnübungen gemacht und stellt nun in der halben Vorwärtsbeuge fest, dass er nur ans Kniegelenk fassen kann. Wenn er dann die Übung zum Beispiel 30 Sekunden lang hält, setzt er einen Trainingsreiz. Er wird nicht flexibel, während er die Stellung hält, sondern in den nächsten 24 Stunden Regenerationszeit, in dem der Körper seine Anpassungsleistung vollbringt. Schließlich wird das Muskelgewebe flexibler und dadurch kann man weiter nach vorne kommen.

 

Wichtig zu verstehen ist, dass es eine gewisse Zeit braucht, bis man die Anpassungsleistungen bekommt. Man weiß zum Beispiel, dass Menschen, die zweimal pro Tag intensives Krafttraining absolvieren, weniger Fortschritte machen als Menschen, die nur alle zwei bis drei Tage intensives Krafttraining machen. Gerade beim intensiven Krafttraining braucht es eine längere Regenerationszeit. Wenn man in der Regenerationszeit zu zügig einen neuen Trainingsreiz setzt, kann es zur sogenannten Überforderung kommen. Dann steigt die Verletzungsanfälligkeit und der Körper weigert sich, die Anpassungsleistungen zu vollbringen.

So ist es hilfreich zu wissen, welche Trainingsarten es gibt, was ein optimaler Trainingsreiz ist, wie lange die Regenerationszeit bei verschiedenen Trainingsreizen ist und welche Anpassungsleistungen der Körper dabei erbringt.

 

(Fortsetzung folgt)

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

 

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