Yoga lehrt dich, dass es hilft, die Sachen entspannt anzugehen, um sich wohler zu fühlen, mehr Kraft zu haben und somit etwas bewirken zu können. Du musst nicht krankhaft besser sein als andere. Du musst auch nicht im Wettbewerb mit dir selber stehen.

So hilft Yoga entspannt zu sein. Die empirische Forschung zeigt auch, dass Menschen die regelmäßig Hatha Yoga üben entspannter sind. In mancherlei Hinsicht ist es auch gut ein hohes Anspruchsniveau zu haben, aber du musst es nicht überall haben.

Manchmal ist es gut die gesamte Energie in eine Richtung zubringen. Manchmal ist es gut hohe Ziele zu haben. Aber oft kannst du auch sagen: Gut genug ist gut genug. Und was Heute geht, geht heute und der Rest geht morgen. Und nicht Ich muss die Welt retten, ich überlasse es auch Gott. Was heute nicht kommt, kommt die nächsten Tage. So hilft Hatha Yoga an sich besser mit Stress umzugehen.

 

Natürlich hilft die spirituelle Lebenseinstellung des Yoga. Man hat noch mehr Techniken zur Verfügung, um mit zu hohem Anspruchsniveau umzugehen. Zunächst kannst du sagen, dass dein zu hohes Anspruchsniveau letztlich ein Streben nach Vollkommenheit ist. Du weißt, dass du erst Zufriedenheit erlangen wirst, wenn du die Gottverwirklichung erreicht hast, Nirwana, die Selbstverwirklichung, die Befreiung erreicht hast.

Du weißt also, dass dein hohes Anspruchsniveau nie zufrieden sein wird, egal was man erreicht. Das ist auch gut so. Der Anspruch hält dich auch demütig, denn du wirst niemals denken, dass du großartig bist, weil es immer mehr geht. In diesem Sinne kann dir ein hohes Anspruchsniveau spirituell hilfreich sein.

Indem du es akzeptierst und mit einer gewissen Selbstreflexion herangehst, kann dir dein Anspruch helfen an dir zu arbeiten, dir bewusst machen, demütig zu bleiben und dich von der Identifikation lösen. Ansonsten hast du im Hinterkopf, dass die Vollkommenheit auf der physischen Ebene nicht möglich ist. Es gibt immer Menschen, die etwas besser machen als du und welche die es schlechter machen. Vollkommenheit ist weder physisch noch psychisch möglich, das gibt es nur in Gott.

Wenn du unterrichtest, ist es wichtig den Teilnehmern kein zu hohes Anspruchsniveau zu vermitteln. Sie sollen nicht gestresst versuchen, den Kopfstand so schnell wie möglich zu lernen. Es ist auch wichtig die Teilnehmer im Maße zu fordern. Zum Beispiel den Handstand zu erlernen und die Heuschrecke 1 Minute zu halten. Die Teilnehmer sollten, aber nicht das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie es müssten. Sei zufrieden, wie es jetzt geht und übe und genieße die Übung so, wie es jetzt geht.

 

Wenn du vielleicht den Knöchel verstaucht hast und es dir nicht möglich ist den Sonnengruß normal zu machen, dann ist es auch gut. Wenn du ein Hexenschuss hattest und jetzt mit Yoga anfängst, dann übst du die Yogaübungen etwas anders, was genau so auch in Ordnung ist.

Falls du einen Körper hast, der etwas steifer ist, wirst du vielleicht in der Vorwärtsbeuge die Beine nie auf die Oberschenkel kriegen. Das ist auch nicht notwendig. Übe so wie du kannst und stelle fest, dass Prana, die Lebensenergie trotzdem spürbar sein wird. Du wirst trotzdem Energie haben. Es kommt nicht darauf an was du machst, sondern dass du es machst. Du bemühst dich es entspannt, mit fließender Atmung und Bewusstsein zu machen. Diese Einstellung gilt es in der Yogastunde zu vermitteln.

Wenn du Yogalehrende bist, oder wirst, dann arbeite daran, dass du zwar deine Teilnehmenden motivierst an sich zu arbeiten, aber sie nicht in Stress versetzt. Manchmal hilft dabei Humor und manchmal eine sanfte Stellung in einer fortgeschrittenen Gruppe üben zu lassen.

Eine kleine Anekdote: Es gab eine Teilnehmende, die an einem Asana Intensiv Kurs mitmachen wollte, welches ich unterrichtet hatte. Ein einwöchiges Asana intensiv, bei dem man 6 Stunden am Tag Asanas übt, also ein intensives Seminar. Die Frau hatte sich sehr darauf gefreut, aber eine Woche davor ist sie gestürzt und hat sich verletzt. Sie hat mich angerufen und weinend gesagt, dass sie stornieren muss. Ich habe sie gefragt, was genau passiert sei und wie ihr physischer Zustand momentan sei. Und es stellte sich heraus, dass es gar nicht so schlimm war und sie noch Einiges an Praxis machen konnte.

 

Ich habe ihr gesagt, dass der Sinn des Sturzes vielleicht darin liegt auch mal entspannt an sich zu arbeiten, ohne zu denken, besser sein zu müssen. Ohne nach Durchbrucherlebnissen zu streben, sondern den Körper und die Möglichkeiten so annehmen, wie sie sind. Sie hatte das Asana intensiv dann mitgemacht und konnte eine Reihe von Stellungen nicht so perfekt machen, wie sie gehofft hatte. Sie hatte also keine körperlichen Durchbrucherlebnisse, aber sie sagte, dass sie sich noch nie im Yoga so gut gefühlt hatte, wie in dieser Woche. Die Frau hatte gelernt, dass sie nicht immer fortgeschrittener sein muss, sondern in jeder Asana überlegt, was für sie und ihren Körper jetzt das Beste wäre. Das hatte ihr die tollste Erfahrung ihres Lebens gebracht.

Ein paar Monate später hatte sie mir gesagt, dass sie seitdem eine viel beliebtere Yogalehrerin geworden ist. Sie konnte sich nun besser in andere hineinfühlen.

In diesem Sinne lerne mit hohem Anspruchsniveau umzugehen, sei entspannt in der Stellung und lass deine Teilnehmer entspannen und bewusst sein. So werden sich die Teilnehmer auch in ihrem Alltag immer wohler fühlen.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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