Resilienzfördernde Faktoren bezogen auf die Yogastunde - Sinn
Der dritte resilienzfördernde Punkt war Sinn also „meaning“. Eine gute Yogastunde führt dazu, dass die Teilnehmenden tief nach innen gehen, und dass sie etwas in ihrem Herzen spüren. Yogis haben ja das optimistischste aller Weltbilder: sie sagen, tief im Inneren ist der Mensch gut. Im Inneren hat der Mensch eine Intuition. Ich kenne es aus Yogakursen, die ich gegeben habe, dass mir Menschen manchmal fast mit Tränen in den Augen gesagt haben, ihnen wurde in der Yogastunde plötzlich aus dem Nichts klar, warum ihnen irgendetwas vor ein paar Jahren passiert ist. Oder plötzlich sind sie im Frieden mit etwas, was ihr Ex-Partner gemacht hat oder ein früherer Chef. Plötzlich haben sie die Bedeutung verstanden.
Yoga hilft nach innen zu gehen, Yoga hilft einen Sinn zu verstehen. Aber es gibt nicht nur Yogaübungen, die nach innen führen wie die Vorwärtsbeuge sondern es gibt auch Übungen, die in die Weite führen, wie der Halbmond, das Rad oder der Fisch. Aus dieser Weite kommt auch ein Gefühl der Geborgenheit in einer höheren Wirklichkeit. Diese Erfahrung der Verbindung in einer höheren Wirklichkeit oder auch ein Gefühl des Getragenseins durch Mutter Erde z.B. in der Bauchentspannungslage oder ein Gefühl der Inspiration oder Regeneration durch den Himmel und den Himmelsenergien in der Rückenentspannungslage führt zu einer Geborgenheit und ein gewisses Vertrauen. Dieses Kapitel „Sinn“ und „meaning“ ist letztlich ein Vertrauen, dass es einen höheren Sinn gibt. So hilft diese Erfahrung in einer Yogastunde, dass auch Menschen im Alltag mehr Vertrauen in einen Sinn haben.
Resilienzfördernde Faktoren bezogen auf die Yogastunde -Liebe
Förderlich für die Resilienz ist auch Liebe und eben „love“ und soziale Beziehungen, der vierte Punkt. Hier ist Yoga auch wieder sehr hilfreich. Menschen, die in einen Yogakurs gehen machen neue Freunde und Bekannte. Für Yogalehrende ist es immer wieder faszinierend zu sehen, wie schnell sich Teilnehmende nahekommen. In einer Yogastunde entspannen die Menschen. Man redet im Yoga nicht, trotzdem fühlen sich am Ende der Yogastunde alle sehr vertraut miteinander. Ihr Energiefeld hat sich verbunden, ihre Herzen öffnen sich, sie sind entspannt.
Nach einer Yogastunde lieben es auch Menschen miteinander zu reden. Wenn es irgendwie möglich ist, empfehle ich, dass man Yogazentren so gestalten soll, dass Teilnehmende etwas früher kommen können, Wasser oder Kräutertee zu sich nehmen und auch nach der Yogastunde da sein können. Sie machen neue soziale Beziehungen, sie lernen irgendwo, sich mit anderen auszutauschen. Es gibt auch Menschen, die das nicht wollen, also sollte es nicht verpflichtend sein. Wer will geht, andere bleiben, und die Mehrheit bleibt. Das Gefühl der Öffnung und auch der psychischen Öffnung bleibt auch, wenn die Menschen dann nach Hause kommen. Menschen haben mir berichtet, dass der Yogakurs ihre Beziehung gerettet hat, weil sie wieder in der Lage waren, Liebe zu spüren. Wenn sich in der Yogastunde das Herz öffnet z.B. in der Kobra, im Fisch, im Halbmond oder wenn der Mensch zur Ruhe kommt und weniger zu Kritik neigt, weil er loslässt z.B. in der Vorwärtsbeuge oder voller Vertrauen in der Rückenentspannungslage ist, dann fällt es ihm auch leichter auf Menschen zuzugehen und das Herz zu öffnen.
So können wir sagen, Yoga entwickelt Einstellungen, die helfen resilienter zu sein, eigentlich schon fast eine Banalisierung von diesen tieferen Dingen. Aber Yoga hilft gesünder zu sein, weil es Einstellungen kultiviert, die für Gesundheit und ein selbstverantwortliches Leben hilfreich sind. Umgekehrt müssen wir aber auch aufpassen, dass wir im Yoga nicht Einstellungen fördern, die auch schädlich sein können, die resilienzmindernd sind. Normalerweise sollte Yoga helfen, dass dies nicht passiert, aber es gilt auch manchmal als Yogalehrender sich selbstkritisch zu fragen, ist mein Unterricht resilienzfördernd?
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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
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