Resilienzfördernde Faktoren bezogen auf die Yogastunde - Involvement

Yoga entwickelt das „Involvement“. Wenn wir Yoga üben, sind wir voll beim Yoga dabei. Die Aufgabe eines guten Yogalehrers und Yogalehrerin ist es, dass die Teilnehmer so wenig wie möglich an etwas denkt, was außerhalb der Yogastunde ist. Eine tolle Yogastunde ist eine, in der man voll konzentriert ist. Wenn man die eineinhalb Stunden des Yogaunterrichtes voll konzentriert ist, dann führt das dazu, dass man sich insgesamt integriert und im Hier und Jetzt fühlt. Diese Erfahrung ist eine des Engagements, des „involvements“ im Hier und Jetzt. Wenn man dies in der Yogastunde trainiert, geschieht diese Fähigkeit auch im Alltag. Dies ist heutzutage umso wichtiger, da wir in einer Zeit des Multitaskings leben. Menschen schauen Fernsehen, essen gleichzeitig, sind im Internet, schreiben ihre Facebook Nachrichten, sprechen mit ihren Kindern, wollen mit ihrem Partner zusammen sein und dazu noch auf einem Hometrainer üben. Dass dies nicht funktionieren kann, ist klar.

Der Durchschnittserwachsene ist 4 Stunden am Tag in sozialen Netzwerken. Woher nehmen die Leute die Zeit? Mir sagen die Menschen ständig, sie haben keine Zeit für die Yogaübungen, warum haben sie die 4 Stunden in sozialen Netzwerken? Während dem Essen, während sie bei der Arbeit sind, während sie Gespräche führen, im Auto, und das hoffentlich nur an der roten Ampel. Dieses Multitasking führt dazu, dass man nie ganz konzentriert ist. Man teilt die Aufmerksamkeit. Diese ständige geteilte Aufmerksamkeit führt zu einer Art Gehetztheit und die führt dazu, dass man schneller gestresst ist. Yoga kultiviert die Fähigkeit zu „Involvement“ und Engagement. Eine gute Yogastunde sollte darauf hinauslaufen, dass die Teilnehmer voll in der Yogastunde sind. Daher auch der Tipp an Yogalehrende, nicht über den Alltag in der Yogastunde zu sprechen, denn die Teilnehmenden sollen nur einfach da sein und den Alltag vergessen. Wer Yoga übt, dem gelingt es im Alltag Tätigkeiten engagierter, bewusster und konzentrierter auszuführen, und häufiger sogenannte Flow-Erlebnisse zu haben, wie wir das in der westlichen Psychologie bezeichnen.

 

Resilienzfördernde Faktoren bezogen auf die Yogastunde - Selbstverantwortung

Der zweite Punkt war Selbstverantwortung/Selbstwirksamkeit. Menschen in einer Yogastunde merken, sie können selbst etwas ändern. Menschen wissen z.B. wenn sie Kopfweh haben, müssen sie eine Tiefenentspannung machen und dann geht es ihnen besser. Sie wissen, wenn sie gestresst und unruhig vom Alltag sind, können sie durch eine Yogastunde Ruhe finden. Ich kenne Menschen, die nur ein mal die Woche in Yoga gehen, jedoch schon am Montag wissen, dass wenn sie am Donnerstag in die Yogastunde gehen, wieder in ihre Kraft kommen werden. Wenn sie am Montag Neigungen zur Verzweiflung haben, wissen sie am Donnerstag ist alles wieder gut. Einfach das Wissen, dass sie nur in die Yogastunde gehen müssen damit es ihnen besser geht, ist etwas, das ihnen ein Gefühl der Kontrolle gibt, ein Gefühl der Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit.

Hier ist es auch wichtig, dass eine Yogastunde so beschaffen ist, dass die Teilnehmenden auch dieses Gefühl von Selbstverantwortung/Selbstwirksamkeit tatsächlich haben. Es ist wichtig, dass Menschen in der Yogastunde auch selbst ihre Yogaübung etwas abwandeln können. Wer z.B. weiß, dass das in der Kobra die Arme ausstrecken die Wirbelsäule auseinanderzieht und damit von Problemen im oberen Rücken befreit wird, der hat ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortung. Deshalb empfehle ich, dass nicht der Yogalehrende den Teilnehmenden vorschreiben sollte, wie sie die Übungen machen sollen, sondern den Teilnehmenden helfen sollte, in ihrem Yoga zu wachsen, denn umso mehr können sie selbst entscheiden, wie sie üben. Anfänger wollen wir nicht überfordern sondern wir geben ihnen Übungen, die für die Mehrheit gut ist und für fast niemanden schlecht ist. Aber im Laufe der Zeit entwickeln die Menschen Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit.

Ich habe gerade bei Yoga für Rückenkursen bemerkt, je mehr ich Teilnehmenden Variationen zeige umso mehr haben sie das Gefühl: ich muss nur das und das ändern und schon ist es anders. In der Kobra nur die Fersen zusammengeben oder in der Vorwärtsbeuge nur den Rücken gerade halten aber die Knie beugen. Den Drehsitz vielleicht ein bisschen anders machen. Das Gefühl, ich habe es in der Hand und ich entscheide, was für mich besonders gut ist, wirkt dann auch wieder als Transfer im Alltag. Hier zeigt sich, Menschen, die Yoga üben, werden selbstbewusster und sie sehen selbst Handlungsalternativen und haben auch den Mut, sie zu nutzen.

In diesem Kontext gab es eine interessante empirische Studie, die auf einem unserer Kinderyoga-Kongressen vorgestellt wurde. In einer sogenannten Brennpunkt-Schule gab es 4 Parallelklassen. In 2 davon wurde Yoga geübt und in den anderen 2 nicht. Dadurch hat man festgestellt wozu es führt, wenn in der Grundschule 4 Jahre lang Yoga geübt wird. Man stellte fest, dass bei denjenigen Kindern, die Yoga übten, die Anzahl der Gymnasium-Empfehlungen doppelt so hoch war wie in den Parallelklassen in denen kein Yoga geübt wurde. Doch als man die Lehrer fragte, ob die Yoga übenden Klassen angenehmer waren, antworteten sie, dass sie nicht angenehmer waren sondern fordernder. Die Kinder, die Yoga geübt hatten, also die 6- bis 10-jährigen, wollten sich von den Lehrern keinen langweiligen Unterricht mehr bieten lassen. Sie sagten wenn ihnen etwas nicht passte, und wenn sie etwas interessierte machten sie Vorschläge. Sie waren herausfordernd für die Pädagogen. Dies bemerken wir immer wieder beim Yoga. Menschen kommen zu ihrer inneren Kraft und fordern dann auch Dinge ein.

Am Rande bemerkt, ich leite einen Yoga-Ashram voller Menschen, die in die Selbstverantwortung hineingehen, und sich somit auch nicht Dinge gefallen lassen. Dies macht es herausfordernd in einer solchen Gemeinschaft zu leben und diese zu strukturieren. Die Menschen, die Yoga üben, passen sich nicht einfach so schnell an und lassen alles mit sich machen bis sie irgendwann in Ohnmacht kollabieren. Sondern sie entwickeln ein Gefühl von Selbstbewusstsein, Selbstverantwortung, Selbstwirksamkeit und fordern das auch ein.

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

 

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