Persönliche und abstrakte Gottesverehrung – Bhagavad Gita 12. Kapitel 1. bis 7. Vers

Krishna hatte Arjuna im 11. Kapitel die Vision der kosmischen Gestalt gegeben. Krishna hat dem Arjuna gezeigt, dass letztlich das ganze Universum Gott ist. Krishna hat dem Arjuna auch gesagt: „Ja, du kannst mich als unendliches Wesen wahrnehmen, indem du mich verehrst.“. Er sagte: „Verehre Gott! So wirst du Gott erfahren.“. Und so ist das 12. Kapitel der Bhakti Yoga, der Yoga der Hingabe. Man sagt auch, die Kapitel 7 bis 12 der Bhagavad Gita sind insgesamt Bhakti Yoga Kapitel. Aber gerade im 12. Kapitel geht es besonders um Bhakti Yoga. Daher wird dieses 12. Kapitel eben auch als „Bhakti Yoga“ beschrieben. „Bhaktiyogo nama dvadaso ‘dhyayah“. Das bedeutet: Das 12. Kapitel hat den Namen „Bhakti Yoga“.

  1. Vers: „Arjuna sprach: Welche sind annehmbarer im Yoga? Die Gottesverehrer, die standhaft Dich verehren oder diejenigen, die das Unvergängliche und Unmanifeste verehren?“

Es gibt ja mehrere Weisen Gott zu verehren. Du kannst Gott abstrakt verehren. Du kannst sagen: Gott ist die Seele des Universums. Gott ist wie die kosmische Intelligenz. Gott ist letztlich das Innerste von allem. Und die ganze Welt ist der Körper Gottes und so weiter - abstrakte Gottesverehrung.

Oder es gibt auch die konkrete Gottesverehrung. Du kannst Gott in einzelnen oder in Manifestationen verehren. Die konkrete, man könnte auch sagen, persönliche Gottesverehrung hat wiederum zwei verschiedene Aspekte: In einer Form oder auch formlos verehren. Abstrakte und persönliche Aspekte. Du kannst Gott in einer Form oder formlos verehren. Abstrakt und persönlich heißt: Abstrakt, du hast keine Beispiel, gibt es im Christentum den „Gott Vater“. Und auch im Judentum wird Gott verehrt, aber eigentlich ohne Gestalt. Gut, es gab in der Zeit der Renaissance und ich glaube auch im Barock  Darstellungen von Gott als Gottvater im Himmel mit einem langen Bart. Aber das war in der Frühzeit des Christentums nicht so und ist auch letztlich im 18. Jahrhundert wieder aus der Mode gekommen. Und die Moslems und Juden haben sehr wohl ein persönliches Gottesverhältnis. Sie beten zu Gott. Sie üben Hingabe zu Gott. Aber sie haben keine konkrete Gestalt, die sie verehren. Gut, die Christen haben als konkrete Gestalt Jesus und natürlich gibt es bei den Katholiken die ganzen Heiligen, die man auch verehren kann. Aber letztlich, wann immer wir eine persönliche Beziehung zu Gott haben, ist es persönlich.

Und jetzt fragt eben Arjuna: „Was ist besser? Persönliche oder abstrakte Gottesbeziehung?“.

  1. Vers: „Diejenigen, die ihren Geist auf mich richten und mich verehren, immer standhaft sind und höchsten Glauben haben, halte ich für die besten im Yoga.“

Krishna sagt: „Wer mich verehrt“. „Mich“ steht jetzt für „mich“ als Manifestation, konkrete Person. Er sagt also, es gilt den Geist auf Gott zu richten, Gott zu verehren, standhaft zu sein und höchsten Glauben zu haben. Das sind die Besten. Also sich auf eine konkrete Gottesgestalt zu richten oder persönliche Gottesbeziehung zu haben und dabei standhaft zu sein, Gott wirklich zu verehren und Glauben zu haben, er sagt, das sind die „yuktatamah“, die Besten im Yoga.

  1. Vers: „Menschen, die das Unveränderliche, Unerklärbare, Nichtmanifeste, Allgegenwärtige, Undenkbare, Unbewegte und Ewige verehren,
  2. Vers: nachdem sie alle Sinne gezähmt haben, in jeder Situation gelassen und auf das Wohl aller Wesen bedacht sind, kommen sie wahrlich ebenfalls zu mir.“

Er sagt, ja, auch wer keine persönliche Gottesbeziehung hat, aber eben Gott als unveränderlich, unerklärbar, nicht manifestiert, allgegenwärtig, undenkbar, unbewegt und ewig verehrt, muss  zusätzlich noch die Sinne zähmen und in jeder Situation gelassen sein und auf das Wohl aller Wesen bedacht sein. Also er sagt: Auch wer sich nicht direkt an Gott wendet, wer also nicht um Gottes Hilfe bittet, aber doch einen Respekt, innere Hochachtung vor dem Unmanifesten hat und dabei die Sinne bezähmt, Gelassenheit entwickelt und Gutes tut und vom Herzen her Liebe zu allen hat, der kommt auch zu Gott.

  1. Vers: „Schwieriger ist es für Menschen, deren Geist auf das Nichtmanifeste gerichtet ist. Denn das Ziel, das Nichtmanifeste, ist für den Verkörperten sehr schwer zu erreichen.“

Und hier sagt eben Krishna: Ja, es ist für den Verkörperten schwer das Nichtverkörperte zu erreichen. Solange du im Körper bist, fällt es dir leichter eine persönliche Beziehung zu einem Menschen aufrechtzuerhalten als zu einer abstrakten Idee. Und so ähnlich auch, wenn du dich mit Gott unterhalten kannst und zu Gott flehst, das Gefühl hast, dass Gott dir persönlich nah ist, dich liebt, so wie du bist, dir vielleicht auch Aufgaben gibt, die du erfüllen kannst, dann fällt es leichter. Schwieriger ist es, den Geist auf das Nichtmanifestierte zu richten.

  1. und 7. Vers: „Aber den Menschen, die Mich verehren und allen Handlungen in Mir entsagen, die Mich als höchstes Ziel betrachten und mit aufrichtigem Yoga über Mich meditieren, (7. Vers:) für diese, die ihren Geist auf Mich heften, werde Ich schon bald zum Retter aus dem Ozean von Samsara.“

Warum ist es leichter über persönliche Gottesverehrung zum Göttlichen zu kommen? Krishna sagt: „Weil dann eben Gott die Arbeit macht. Gott wird zum Retter.“. Wenn du abstrakte Gottesbeziehung aufbaust und das Göttliche nur abstrakt verehrst aber ansonsten, ja, nicht konkret um Hilfe bittest, dann musst du das selbst machen. Du musst Geist und Sinne beherrschen. Du musst Gelassenheit entwickeln. Und natürlich auch für das Wohl aller Wesen bedacht zu sein. Auch damit erreichst du Gott. Aber, wenn du Gott verehrst, also wirklich zu Gott betest und sagst: „Gott, ich verehre dich.“. Wenn du allen Handlungen in Gott entsagst. Wenn du also sagst: „Oh Gott, ich tue alles für dich. Und was auch immer geschieht, ich mache es für dich. Und ich hänge nicht an den Früchten.“. Und „die Mich als höchstes Ziel betrachten“… Also: „Oh Gott, bitte hilf mir. Lass mich Dich erfahren.“. Und dann fällt es leichter, mit aufrichtigem Yoga über Gott zu meditieren. Und seinen Geist - und im Sanskrit steht hier „Avesita Cetasam“. Ceta (den Geist) auf Gott gerichtet zu haben. Chitta (Ceta) heißt nicht nur Denken, es heißt auch Fühlen. Das ganze Herz auf Gott richten und dann wird Gott zur Befreiung führen.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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