VIER MOTIVATIONEN FÜR GOTTESVEREHRUNG UND YOGAPRAXIS

Im Vers 16 sagt Krishna:

Catur-vidhā bhajante māṁ janāḥ sukṛtino'rjuna

ārto jijñāsur arthārthī jñānī ca bharatarṣabha

„Vier Arten von tugendhaften Menschen verehren Mich, Oh Arjuna, nämlich die Leidenden, die nach Wissen Suchenden, die nach Wohlstand Strebenden und die Weisen, Oh Herr der Bharatas.“

Es gibt Menschen auf der ganzen Welt, die Gott verehren. Insgesamt gibt es heute, im Jahr 2017, etwa 8 Milliarden Menschen, vermutlich in ein paar Jahren noch ein paar Milliarden mehr. Vermutlich über die Hälfte, etwa drei Viertel, würden sich als religiös bezeichnen. In Deutschland sind es erheblich weniger, in Afrika und in großen Teilen Asiens und in Amerika sind es sehr viel mehr.

Krishna sagte in der Bhagavad Gita im siebten Kapitel ein paar Verse vorher, dass unter tausenden von Menschen vielleicht einer wirklich die Vollkommenheit erreichen will, denn den meisten geht es auch bei der religiösen Praxis um Anderes.

Das gilt auch für Menschen, die Yoga praktizieren. Die meisten davon praktizieren kein Yoga, um Gottverwirklichung zu erreichen.

Es gibt auch Menschen, die ein anderes Interesse haben. Hier sagt er, dass es zum einen die Leidenden sind – Menschen, die leiden. Sei es, dass sie eine Krankheit haben, die sie so durchrüttelt, dass sie hilflos ausgeliefert sind. Viele Menschen denken wieder an Gott, wenn sie körperlich krank sind und bitten dann um Hilfe. Manche bitten Gott um Hilfe, wenn die Beziehung in Schwierigkeiten ist, oder die Beziehung in die Brüche gegangen ist. Manche rufen nach Gott, wenn ihr Job in Gefahr ist, oder wenn es droht, dass ihr Besitz verschwindet, wenn die Kündigung zu kommen scheint.

Die Leidenden

Menschen, die leiden, wenden sich manchmal zu Gott. Ich kann mich an einen Großvater erinnern, der mir im Alltag nicht sehr religiös vorgekommen ist, aber er war im 2. Weltkrieg in der Armee gewesen, und aus der hatte er einige Briefe an seine Frau geschickt, die waren tief religiös. Er hat immer wieder an Gott gedacht und zu Gott gebetet, für seine Frau und für andere, und dass der Krieg endlich zu Ende gehen möge. Eigentlich ist es interessant, wie viel in diesen Briefen gesagt werden konnte. Aus einem Leiden heraus gibt es Menschen, die religiös werden. Natürlich gibt es auch Menschen, die aus einem Leiden heraus Yoga üben – vielleicht wegen Kopf- oder Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit, Stress, Depressivität, Burn-out, innere Ängste, Unruhe, Panik und so weiter – alles Dinge, die mit Yoga gemildert oder sogar überwunden werden können. Menschen beginnen mit Yoga oder verehren Gott, weil sie leiden.

 

Die nach Wohlstand Strebenden

Manche Menschen bitten Gott: „Oh, bitte gib mir die Beförderung. Bitte hilf mir, in der Lotterie zu gewinnen. Bitte hilf mir, dass dieses Geschäft gut geht. Bitte hilf mir, dass ich diesen Auftrag bekomme. Bitte hilf mir, diesen Abschluss zu machen. Bitte hilf mir, dass mich mein Erbonkel gut einsetzt. Bitte hilf mir, eine(n) gute(n) Frau/Mann zu bekommen, die/der viel Geld hat.“ Menschen machen das; sie beten zu Gott, weil sie nach Wohlstand streben. Manche Menschen machen auch Yoga aus diesem Grund. Manche Menschen machen Yoga, weil sie merken, dass sie mehr Charisma benötigen, mehr Ausstrahlung, um besser zu überzeugen. Führungskräfte merken manchmal, dass sie überzeugender sind, wenn sie vor ihrem Vortrag oder vor wichtigen Kundengesprächen meditiert haben. Menschen merken, dass sie intensiver tätig sein können, wenn sie Asanas und Pranayama geübt haben. Und so gibt es manche Menschen, die Yoga üben, um beruflich voranzukommen und Erfolg zu haben.

Die nach Wissen und spiritueller Vollkommenheit Suchenden

Die nach Wissen Suchenden, die Jijnasus, üben Yoga und verehren Gott, um Gott zu erfahren und spirituell voranzukommen.

Die Weisen

Diejenigen, die es schon erfahren haben, sind die Weisen. Sie verehren Gott einfach so, ohne von Gott etwas zu wollen. Nur weil sie wissen, hinter allem ist Gott. Die Gottverwirklichten, wie zum Beispiel Swami Sivananda, haben weiter meditiert und Asanas und Pranayama geübt, ohne irgendetwas zu brauchen. Sie haben weitergeübt ohne irgendwelche Wünsche.

Nun besteht die Frage: „Ist es in Ordnung, auch relative Motivationen zu haben, oder ist nur die reine Motivation gut?“ Sei es die Motivation, spirituell voran zu kommen, weil es von innen heraus kommt oder einfach aus Dankbarkeit, die meisten ernsthaften Yoga-Übenden haben eine Mischmotivation. Man will gesund sein und sich vom Leiden lösen. Und es wäre auch schön, wenn man beruflichen Erfolg hätte, wenn man Yoga übt. Aber eigentlich wollen wir Gott verwirklichen, und deshalb üben wir die Praktiken. Und natürlich wissen wir, Gott ist überall. Und auch aus Liebe zu Gott, ohne etwas zu wollen, verehren wir Gott.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

 

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