YVS230 Karma Yoga - Bhagavad Gita Kapitel 3

  1. Kapitel der Bhagavad Gita

Karma Yoga – der Yoga des Handelns

Im 3. Kapitel der Bhagavad Gita spricht Krishna über folgende Themen:

  • Wie handelst du ohne Verhaftung?
  • Wie handelst du engagiert ohne Ego?
  • Wie kannst du aus deinem Alltag Yoga machen?

Kurze Rückschau 2. Kapitel

Im vorigen Kapitel sagte Krishna: „Hänge nicht am Karma und handle nicht aus Verhaftung heraus. Buddhi Yoga, der Yoga der Weisheit, ist dem Karma überlegen.“ Die Aussagen über das Karma, die du in den Veden findest, sind vom spirituellen Standpunkt aus irreführend. Dort meinte er: Tu keine gute Handlung, um  Gutes zu tun, tu keine schlechten Handlungen, nicht nur um Schlechtes zu vermeiden, sondern übe Buddhi Yoga. Lerne dich von Wünschen zu lösen, erfahre dein höchstes Selbst, erkenne: Das Selbst ist unsterblich. Und er sagte dort auch: „Gib dich nicht dem Müßiggang hin, Yoga ist Geschick und Engagement in der Handlung.“

Jnana Yoga oder Karma Yoga?

  1. Vers: Arjuna sprach: „Wenn du, oh Krishna, das Wissen der Handlung für überlegen erachtest, warum verlangst du dann von mir, dass ich mich an dieser furchtbaren Handlung beteilige?“

Arjuna fragt sich nun: „Krishna hat gesagt ich soll die Sinne beherrschen, ich soll keinen Wünschen folgen. Ich soll auch gleichmütig sein in Erfolg und Misserfolg, ich soll erkennen, dass das Selbst unsterblich ist, dass nichts passiert egal was passiert. Warum soll ich dann weiter am Karma teilnehmen? Warum soll ich überhaupt etwas tun?“

  1. Vers: „Mit diesen scheinbar widersprüchlichen Worten verwirrst du mein Verstehen. Deshalb nenne mir nun klar den Weg, auf dem ich zur Seligkeit gelangen kann.“

Krishna sprach: „In dieser Welt gibt es einen zweifachen Weg. Den Weg des Wissens, der Sankhyas, und den Weg des Handelns, der Yogis.

Krishna baut hier also einen Antagonismus auf. Zum einen Jnana Yoga als den Yoga der Entsagung, der Sankhyas, eine bestimmte philosophisch-spirituelle Strömung. Diese bedeutete zurzeit von Krishna, dass Menschen sich in die Einsamkeit zurück zogen, sich lösten aus dem normalen Leben, um keinen Verhaftungen zu begegnen und Wünschen zu entsagen. Und zum anderen den Weg des Karma Yoga, den die Yogis üben. Yogis sind von Krishna immer wieder anders definiert. Hier nennt er diejenigen Yogis, die im Alltag versuchen, zum Gottesbewusstsein zu kommen, also im normalen Leben stehen. Daher ist im 3. Und 4. Kapitel mit Yoga vor allem Karma Yoga gemeint und mit Jnana Yoga das, was die Sankhyas praktizieren.

Entsagung oder Leben in der Welt?

Eine der vielen Polaritäten in der Bhagavad Gita, die für die alten Inder von großer Bedeutung waren und vielleicht auch für moderne Aspiranten, ist der Zwiespalt zwischen Entsagung und Leben in der Welt. Sollte man ein Leben führen mit Beruf und Partnerschaft, Familie, gemeinnützigem Engagement usw.? Oder wäre es klüger, sich zurück zu ziehen, einfach zu leben, nur zu meditieren? Im alten Indien hieß das, man zog sich ganz zurück und lebte von Bettelgaben. Es galt als etwas Verdienstvolles, so einem Menschen etwas zu essen oder Kleidung zu geben. Daher konnten Menschen so leben, dies war tatsächlich eine Option.

Auch heute könnte man sich überlegen, ein meditatives kontemplatives Leben zu führen. Als Menschen aus Europa könnte man vielleicht vergleichbar sagen, man lebt von Stütze, sehr einfach, wo Wohnraum günstig ist und ernährt sich von einfachem Essen. Auch im Rentenalter wäre es möglich, ein Leben in Zurückgezogenheit zu führen. Oder man macht eine Erbschaft, oder man lässt sich für ein Sabbatical, ein Jahr freistellen usw.

Oder sollte man sich engagieren im Alltag? Als Krankenschwester, Psychotherapeut, oder sich in einem gewinnorientierten Unternehmen für die gute Sache einsetzen oder als YogalehrerIn tätig werden? Sollte man sich dabei um die Buchhaltung kümmern, um Facebook-Seiten, Internet usw.?

Soll ich etwas tun oder soll ich mich zurückziehen vom Leben? Krishna sagt es gibt beide Möglichkeiten. Du kannst zur Verwirklichung kommen durch Rückzug und kontemplatives Leben und du kannst auch zur Verwirklichung kommen durch Karma Yoga.

Wie gelingt die Befreiung vom Karma?

  1. Vers: „Weder durch das Nichtausführen von Handlungen erreicht der Mensch Handlungslosigkeit, noch gelangt er durch bloßes Entsagen zur Vollkommenheit.“

Krishna benutzt hier ein Wortspiel. Es geht letztlich darum, sich vom Karma zu befreien. Aber wir befreien uns nicht dadurch, dass wir Handlungen nicht ausführen. Denn man kann bestimmte Aufgaben zu erledigen haben, und wenn man diese Aufgaben nicht erledigt, schafft man sich dadurch neues Karma.

Angenommen man sieht z.B., dass ein Mensch in Not ist und könnte daran etwas ändern, tut aber nichts. Man denkt stattdessen „ich will lieber meditieren“, dann schafft man sich dadurch neues Karma. Oder man hat versprochen etwas zu tun und tut es nicht, dann schafft man sich genau durch das Nichttun Karma.

Genauso wenig erreichen wir durch das bloße Entsagen Vollkommenheit. Du könntest sagen „ich gebe meine große schöne Wohnung auf in einem guten Wohnviertel, ich gebe meine tolle Kleidung auf, mein tolles neues IPhone, ich gehe stattdessen irgendwo hin, wo die Miete sehr günstig ist, nehme nur ein Zimmer, lebe nur noch von Reis und Linsen und Kräutern, die ich im Wald finde...“ Nur allein durch das Entsagen erreicht man keine Vollkommenheit.

Es gibt keine Handlungslosigkeit

  1. Vers: „Niemand kann auch nur für einen Augenblick untätig verweilen. Denn in der Tat wird jeder Mensch durch die aus der Natur geborenen Eigenschaften hilflos zum Handeln getrieben“.

Also vollständig untätig kann man sowieso nicht bleiben. Denn du musst essen, du musst atmen, aus der Natur heraus musst du etwas tun. Du musst auf die Toilette gehen, du brauchst Kleidung…. Der Mensch wird also getrieben, etwas zu tun. Und darüber hinaus produziert natürlich auch der Geist permanent Gedanken.

Echte Meditation

  1. Vers: „Wer die Handlungsorgane beherrscht und im Geiste an die Sinnesobjekte denkt, während er sitzt, und dessen Verstehen getrübt ist, wird ein Heuchler genannt“.

Wenn du dich also zurückziehst von allem und einfach nur meditierst, aber dabei an alles Mögliche denkst, dann ist das scheinheilig. Du bist nicht in der tiefen Meditation. Im 6. Kapitel der Bhagavad Gita sagt Krishna es ebenfalls: „Du kannst erst dann dauerhaft den Weg der Entsagung und der tiefen Meditation üben, wenn du deinen Geist tatsächlich in die Meditation bringst.“

Es gibt dazu eine Geschichte von Swami Sivananda, der hörte, dass einer der Ashrambewohner sich aus dem Karma Yoga zurückgezogen habe, sich nicht mehr an den täglichen Arbeiten beteilige und stattdessen immer nur meditieren würde. Er sitze von morgens bis abends am Ganges. Swami Sivananda ging also dorthin und erblickte ihn, wie er dort saß, ziemlich krumm in einem meditativen Dämmerzustand. Er sprach ihn an und fragte, wie die Meditation gewesen sei. „Du sitzt hier stundenlang, bist du in Samadhi gekommen?“

Der andere war verlegen. „Wenn du wirklich meditiert hättest, wäre jetzt ein Strahlen in deinen Augen und du würdest Wonne und Freude ausstrahlen. Stattdessen siehst du träge und müde aus. Tu etwas Vernünftiges, das wird dir gut tun. Geh in die Küche, melde dich zum Gemüse schneiden, geh in die Haushaltsabteilung und melde dich zum sauber machen. Das wird deine spirituelle Entwicklung erheblich beflügeln, sehr viel mehr, als hier schläfrig herum zu sitzen. Deine Meditation, die du bisher gemacht hast, kannst du einfacher haben. Leg dich in dein Bett und leg eine Decke drüber.“

Uns ganz der Meditation zu widmen macht also nur dann Sinn, wenn wir wirklich meditieren können. Solange wir nicht zur Tiefe der Meditation kommen, wenn wir uns hinsetzen, sollten wir Karma Yoga üben. Natürlich ist es auch gut, eine Woche mal intensiv zu meditieren. So machen wir spirituelle Fortschritte. Und natürlich ist es auch wichtig, 1 bis 2 Mal am Tag für 20 bis 40 Minuten zu meditieren, vielleicht auch eine Stunde, je nachdem wie tief du in die Meditation kommen kannst. Aber wir werden nicht dadurch zur Verwirklichung kommen, in dem wir uns einfach hinsetzen und dann den Geist schweifen lassen.

Karma Yoga ohne Verhaftungen

  1. Vers: „Wer aber die Sinne durch den Geist beherrscht, oh Arjuna, und mit den Handlungsorganen ohne Verhaftung Karma Yoga übt, der ist vortrefflich“.

Wenn es also um Samkhya (Entsagung) oder Karma Yoga geht, ist Krishna eher dafür, Karma Yoga zu üben:

  • sei im Alltag und tu das was zu tun ist ohne Wünsche
  • handle nicht aus Verhaftung und Wünschen
  • handle nicht aus Gekränktheit und Gier
  • überlege was ist zu tun, tu das so gut wie du kannst und lasse los

Handeln ist Nichthandeln überlegen

  1. Vers: „Tue deine Pflicht und Schuldigkeit, denn Handeln ist Nichthandeln überlegen. In Untätigkeit wäre es dir nicht einmal möglich, deinen Körper zu erhalten“.

Solange du einen Körper hast, ist vollkommene Untätigkeit also gar nicht möglich, denn du musst ja z.B. essen. Krishna sagt: „Erfülle dein Dharma.“ (Niyata – tu das, was zu tun ist; Kuru – führe es aus.)

Handeln aus Verehrung Gottes

  1. Vers: „Die Welt wird gebunden durch Handlungen, die nicht als Opfer getan werden. Daher handle, oh Arjuna, einzig aus diesem Beweggrund heraus als Opfer, frei von Verhaftungen“.

Hier gebraucht er den Ausdruck „Yajna“. In den Übersetzungen wird dies meist als Opfer (engl. sacrifice) übersetzt. Heute bedeutet es in Indien auch Feueropfer/Feuerritual, bei dem ein Feuer entzündet wird, in das flüssiges Fett und andere Gaben hinein gegeben werden. Das Wort kommt aber vom Wortstamm yaj und yaj bedeutet „verehren“. Daher könnte man auch sagen: Handle als Verehrungsritual an Gott. Tu das, was du tust als Verehrung Gottes. Du wirst gebunden durch Handlungen, die du nicht als Gottesverehrung tust. Wenn du aber das, was du tust, als Gottesverehrung tust, dann bist du nicht gebunden.

10 Vers: „Der Schöpfer, der zu Beginn der Schöpfung die Menschheit gemeinsam mit dem Opfer schuf, sagte: Dadurch möget ihr euch fortpflanzen. Lasst dies die Milchkuh eurer Wünsche sein, die Kuh, die alles schenkt was ihr wünscht.“

Er sagt hier also: Wenn ihr etwas braucht, dann verehrt Gott. Gott wird euch alles geben. Auch Jesus sagt in den Evangelien: „Strebe zuerst nach dem Königreich Gottes, dann wird euch alles andere von selbst zufallen.“ Verehrt Gott und er gibt euch alles was ihr braucht.

  1. Vers: „Wisse, dass Karma von Brahma kommt und Brahma kommt vom Unvergänglichen. Daher ist das All-durchdringende immer im Yajna zugegen“.

Alles Karma kommt also von Brahma dem Schöpfer. Sowohl die Aufgaben, die kommen als auch das, was du tust, sind in dieser Schöpfung enthalten. Und die Schöpfung kommt vom Unvergänglichen. Wenn du also Gott verehrst und das, was du tust, Gott darbringst, wenn du es als Opfer tust, dann ist überall das Göttliche da. Nicht du tust etwas, sondern hinter allem ist dieses eine, Brahman, und dahinter ist das Unvergängliche.

Wann endet Karma?

  1. Vers: „Für den Menschen, der sich nur im Selbst erfreut, der Zufriedenheit findet und im Selbst Genüge hat, für den gibt es kein Karma“.

Wenn du also soweit bist, dass du in der Meditation tief im Selbst bist und allein dort heraus Zufriedenheit empfindest, dann musst du nichts mehr tun, um dich zu entwickeln. An anderer Stelle sagt Krishna: „Durch Karma Yoga entwickelst du dich selbst.“ Aber wenn du schon das Höchste erreicht hast, gibt es keine Lektionen mehr für dich.

  1. Vers: „Für ihn ist es ohne Bedeutung, was getan und was unterlassen wird. Er ist auch von niemandem in keiner Weise abhängig“.

Angenommen du hast die Gottverwirklichung erreicht, dann spielt es keine Rolle mehr für dich, was zu tun ist. Du tust mal großartige Dinge, für die du gelobt wirst und mal so, dass sie keiner sieht. Du bist dir für keine Arbeit zu schade. Du hast keine Hemmungen etwas zu tun, was nicht so einfach ist. Solange du denkst „das will ich tun, das will ich nicht tun, das mag ich, das mag ich nicht …“ bist du gebunden. Für einen Selbstverwirklichten gibt es keine Handlung, die er mag oder nicht mag. Er tut das, was zu tun ist.

19 Vers: „Daher tue ohne Anhaftung stets das, was getan werden muss. Durch verhaftungsloses Handeln erreicht der Mensch das Höchste“.

Tu das was zu tun ist. Frage dich nicht „Will ich das, will ich das nicht?“ „Ist es anstrengend, ist es nicht anstrengend?“ „Gewinne ich dadurch etwas?“ „Wie muss ich handeln, dass Menschen mich mögen, dass ich gelobt werde?“ Sondern überlege: Was ist meine Aufgabe? Du erreichst das Höchste, indem du das tust, was zu tun ist und indem du die Lektionen des Lebens annimmst. Was auf dich zukommt sind Aufgaben, an denen du wachsen kannst, Lernlektionen. Nimm sie als Möglichkeit, Fähigkeiten zu kultivieren, die notwendig sind. So erreichst du die Vollkommenheit.

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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