YVS129 Die 5 Bhavas Bhakti Yoga Teil 1

Was ist Bhakti Yoga? Was ist Hingabe? Was ist Gott? Welche Beziehungen kannst du zu Gott haben? Wie kannst du deine Gottesbeziehung vertiefen?

Bhakti Yoga ist einer der sechs Yoga Wege. Bhakti heißt Hingabe und Gottesliebe. Bhakti Yoga ist der Yoga der Hingabe an Gott. Es heißt, dass für meisten Menschen Bhakti Yoga, der Yoga Weg ist, zu dem sie langfristig den tiefsten Bezug haben. Die meisten erreichen letztlich die Gottverwirklichung und die Erleuchtung über Hingabe an Gott. Die meisten Religionen sind, neben sozialen und anderen Einrichtungen und Institutionen, oft Institutionen, in denen Bhakti Yoga gelehrt wird.

Was ist überhaupt Gott?

Welche Art von Hingabe können wir diesbezüglich kultivieren und entwickeln?

Bhakti ist grundsätzlich die Hingabe und Liebe zu einer höheren Wirklichkeit. Im Raja Yoga wird gesagt, bringe dein Geist zur Stille, dann erfährst du in der Tiefe deines Selbst dein wahres Wesen als Eins mit der Weltenseele. Im Vedanta wird gesagt, hinter allem gibt es eine unendliche ewige Wirklichkeit. Löse dich von Identifikationen und Verhaftungen, dann erfährst du dich selbst als eins mit der Weltenseele. Im Bhakti Yoga wird gesagt, es gibt eine höhere Weltenseele, die hinter allem ist. Gehe über Hingabe dahin, öffne dich dafür. Verehre diese höhere Wirklichkeit. Du musst sie nicht gänzlich verstehen, du musst noch nicht mal dich selbst vollständig beherrschen. All das kommt über Hingabe von alleine.

Emotion und Devotion/Hingabe

Emotion ist die stärkste Kraft des Menschen. Motio heißt Bewegung. „Ex“ heißt, was sich herausbewegt. Was sich herausbewegt aus deinem normalen gemütlichen oder ungemütlichen Alltag ist Emotion. Diese Emotion kann umgewandelt werden in Devotion. Im englischen sagt man emotion to devotion, von Emotion zur Hingabe. Sind diese beiden gekoppelt, dann lassen dich deine Emotionen eben nicht aus der Haut fahren. Oder bringen dich von deinen Vorsätzen ab. Sondern sie holen dich vielmehr heraus aus dem Begrenzten und verbindet dich mit dem unbegrenzten, dem Göttlichen. Bhakti bedeutet insofern Gefühle und Emotionen auf Gott auszurichten und damit einen Kanal zu bilden, durch den die göttliche Gnade in die hinein fließen kann. Diese Gnade führt dich dann zur Erleuchtung, zur Gotteserfahrung.

Ishwara Bhakti

Grundsätzlich gibt es vier verschiedene Aspekte des Göttlichen, nach denen du dich ausrichten kannst. Das eine ist das sogenannte Ishwara Bhakti. Hingabe an Gott als das kosmische Prinzip, als das göttliche Prinzip überall. Es ist eine Art abstrakte Gottesliebe, die trotzdem eine persönliche Beziehung ermöglicht. Es gibt manche Religionen, die sagen, du sollst dir kein Bild von Gott machen und Gott nicht begrenzen durch eine Vorstellung.

Im Kontext von Yoga würde man sagen, wir üben Ishwara Bhakti. Gott ist nicht vorstellbar, aber er existiert. Er ist hinter Allem. Ishwara Bhakti ist letztlich das Göttliche zu verehren in der ganzen Schöpfung. Wenn dich jede Schönheit daran erinnern lässt, dass eine göttliche Wirklichkeit existiert. Wenn du die Natur anschaust, die Bäume, die Vögel, alles Großartige und Dinge, was Menschen erschaffen haben, hinter allem wirkt diese göttliche Kraft. Gott ist der Schöpfer, der Erhalter, Zerstörer des Universums. Gott ist der, der hinter allem steckt. Übst du Hingabe an diesen Gott, an dieses Göttliche, ist das Ishwara Bhakti.

Ishtadevata Bhakti

Eine zweite Form von Bhakti ist Ishtadevata. Dies bezieht sich auf einen ganz konkreten Aspekt Gottes. Du könntest dir vorstellen, dass Gott in einer konkreten Gestalt in dieser Welt schon gelebt hat. Gott, die Göttin oder das Göttliche nimmt eine bestimmte Form an, in der er, sie oder es besonders zu dir spricht.

Die Christen kennen zum Beispiel die Hingabe an Jesus Christus. Jesus Christus ist Teil der Dreifaltigkeit. Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist. Vor zweitausend Jahren auf diese Welt gekommen, existiert er immer weiter. Man kann ihn sich vorstellen, seinen Namen anrufen, seine Worte in der Bibel lesen und kann sich für seinen Segen öffnen.

Im Buddhismus ist Buddha oft selbst zu Ishwara geworden. Insbesondere im Mahajana Buddhismus. Die meisten Religionen kennen ganz konkrete Götter und Göttinnen. Zum Beispiel im Yoga kennen wir Brahma, Vishnu, Shiva, Durga, Kali, Saraswati, Ganesha, Subramanya, Hanuman und noch einige andere. Wir können sagen, das Göttliche an sich ist jenseits aller Vorstellungskraft. Das Göttliche kann auf mich zukommen in einer bestimmten Gestalt. Ich kann Zugang haben zu Gott über eine bestimmte Gestalt und über eine besondere Beziehung.

Als Ishtadevata Bhakti stellst du dir Gott ganz konkret vor. Du kannst dir zum Beispiel Jesus Bild auf den Altar stellen, dich vor Jesus verneigen und zu ihm beten. Du könntest dir ein Krishna Bild auf den Altar stellen, dich vor Krishna verneigen und um seinen Segen bitten. Das Gleiche kannst du mit Buddha, Durga oder Lakshmi usw. machen. Dabei verehrst du einen Aspekt Gottes. Im ganzheitlichen Yoga glauben wir nicht an viele Götter, wir glauben nur daran, dass es eine unendliche Wirklichkeit gibt, Brahman. Diese Ishwara manifestiert sich in der Schöpfung als Intelligenz hinter dem ganzen Universum. Ishwara hat verschiedene Eigenschaften und Funktionen. Diese kann man sich wiederum vorstellen als Ishtadevatas und über Ishwara zu Brahman zu finden.

 

Atma Bhakti

Eine dritte Möglichkeit Hingabe zu üben ist Atma Bhakti. Dabei übst du Hingabe an dein eigenes Selbst. Denn du weißt, tief in dir ist das höchste Selbst. Dazu möchtest du Kontakt aufnehmen. Du verehrst letztlich das Göttliche als innere Stimme. Als jenes, was tief in deinem Herzen ist.

Guru Bhakti

Ein Sonderfall ist Guru Bhakti, die Hingabe zum spirituellen Lehrer. Er oder sie hat die Gottverwirklichung erreicht. Der Guru will dir diese Erfahrung ermöglichen. Indem du Hingabe übst an deinen Guru, öffnet sich dadurch ein Kanal. So können Gnade, Segen und die Shakti des Gurus in dich hineinströmen und erfüllen.

Was ist für dich persönlich Gott? Was und in welcher Form siehst du ihn? Ist es ein Prinzip hinter der ganzen Schöpfung? Oder ist es die Schönheit der Schöpfung, an die ich mich wenden kann? Habe ich einen ganz individuellen Bezug zu einem Aspekt Gottes, den ich benennen kann mit einem Namen und zu dem ich beten kann? Ist für mich Gott die Stimme meines Herzens? Die Tiefe meiner Seele? Oder fällt es mir am leichtesten, mich an meinen Guru zu wenden? Egal ob er im Körper ist oder nicht mehr.

Die verschiedenen Arten von Bhavas

Es ist egal, welche Art von Bhakti du praktizierst und zu wem du letztlich eine Beziehung hast. Du kannst dies mit fünf Arten von Bhavas machen. Bhava hat viele Bedeutungen. Bhava heißt das Gewordene. Es ist das, was dich in der Essenz ausmacht. Bhava heißt Seinzustand und Gefühl.

Anders formuliert sind die fünf Bhavas fünf unterschiedliche Arten von Liebe, von Gefühlen, die du haben kannst zu Gott. Man könnte sagen, diese fünf Arten sind fünf menschliche Emotionen, die ihre  Erfüllung finden können, wenn sie auf Gott gerichtet werden.

Shanta Bhava

Shanta heißt friedvolle, ruhige Bhava. Es ist eher eine abstrakte Gottesliebe. Du liebst Gott, vielleicht als Schönheit in der Natur. Du weißt, irgendwo hinter allem gibt es eine göttliche Gegenwart. Du sprichst zwar nicht zu Gott und hast keine starke Beziehung zu Gott. Es ist keine persönliche Gottesvorstellung. Es ist vielmehr eine Grundliebe gegenüber allem in der Natur, in den Menschen und überall. Du weißt, da ist eine göttliche Gegenwart und diese berührt dich öfters stärker im Herzen. Dabei kannst du in dein Herz hinein spüren und es öffnen. Es gibt zu all diesen Bhavas in der indischen Mythologie mehrere Bhaktas von denen es heißt, dass sie dieses Bhava hätten. Wie beispielsweise der indische Weise Shukadeva, der dieses Shanta Bhava gehabt hat.

Dasya Bhava

Dies ist die Liebe zu Gott als Meister, als Meisterin. Irgendwo zu fühlen, oh Gott, du bist mein Meister, Meisterin. Ich bin dein Diener und will dir dienen. Dies ist oft verbunden mit dem GebetOh Gott zeige was ich für dich tun soll. Bitte führe mich. Sende mir dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten. Bitte zeige mir was ist“.

Dhasya Bhava heißt, wenn du morgens aufwachst und sagst: „Oh Gott, bitte sage mir was zu tun ist. Ich will dir heute dienen. Ich habe heute einige Aufgaben und gehe davon aus, dass du mir diese Aufgaben gegeben hast. Was auch immer ich tun werde, ich werde es dir darbringen“.

Am Abend nach getanem Tagewerk sagst du: „Oh Gott, ich habe das und das gemacht. Ich habe es für dich getan. Es war nicht immer gut, aber ich habe es nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Was auch immer ich getan habe, ich bringe es dir dar“.

Dasya Bhava kann so weit gehen, dass du sagst: „Oh Gott, ich weiß nicht weiter. Wenn du mir jetzt nicht sagst, was zu tun ist, dann werde ich das und das tun. Du hast die Möglichkeit, mich davon abzuhalten.“ Wenn du nicht merkst, dass Gott dich davon abhält, dann sagst du: „Okay, Gott auf deine Verantwortung“. Du gibst es an ihn ab. Swami Sivananda hat gesagt: „Mache die Last auf deinen Schultern gering. Übergib alles Gott“.

Dhasya Bhava hat auch Hanuman ausgeübt. Er war Diener Ramas. Es gibt zum Beispiel in der lippischen Landeskirche, einer reformierten Kirche, einen schönen Anrufungs-Vers der Gemeinde. Dabei geht es um Ehre, Dank und Ruhm. An einer bestimmten Stelle heißt es darin „An den Gott, der Lasten auf uns lädt und uns mit unseren Lasten trägt.“

So können wir zu Gott sagen; „Oh Gott, du hast mir die Aufgabe, die Aufgabe und die Aufgabe gegeben, ich weiß nicht wie ich sie lösen soll. Ich übergebe sie dir. Was auch immer ich tue, Gott tut es durch mich“. Dann trägt Gott dich mit den Lasten, die er dir aufgeladen hat. Dasya Bhava ist im Alltag für viele Menschen vielleicht die wichtigste Bhava.

Satya Bhava

Dabei siehst du Gott als dein Freund. Freund heißt, du kannst dich jederzeit an Gott wenden und mit ihm sprechen. Mit Gott auch schimpfen. Denn ein Freund ist nicht immer da, trotzdem weiß ich, wenn ich Hilfe brauche, wird er mich unterstützen und wird er für mich da sein. Satya Bhava ist so etwas wie gleichberechtigt. Du kannst zu Gott sagen; „Oh Gott, das habe ich getan, das ist zu tun, das hast du mir gegeben, das muss ich noch machen. Bitte zeige mir was zu tun ist“.

Du kannst sagen: „Da hast du mir jetzt hier wieder eine komplexe Aufgabe gegeben“. Du kannst also mal ein bisschen schimpfen mit Gott. Gleichzeitig weißt du, es ist immer jemand da.

Dieses Gefühl der göttlichen Gegenwart, ähnlich wie die meisten Menschen, die einen Freund, eine Freundin haben, der oder die immer da ist. Tatsächlich, Gott ist immer für dich da. Du kannst ihm dein Herz ausschütten und alles darbringen. Er wird dir helfen. Satya Bhava hatte Krishna zu Arjuna. Umgekehrt auch Arjuna zu Krishna. Arjuna wusste, Krishna ist Gott auf Erden. Aber Arjuna war auch mit ihm befreundet. Sie haben miteinander gespielt, sind umhergetollt, haben Späße gemacht, sich unterhalten und Zeit miteinander verbracht. Wenn es darauf kam, wusste Arjuna, Krishna ist Gott.

Vatsalya Bhava

Dies ist die Beziehung mit Gott, wie zwischen Eltern und Kind. In einem engeren Sinn, wird bei Vatsalya Bhava manchmal gesagt, Gott ist dein Kind und er bedarf deines Schutzes, deiner Hilfe. Man findet im Christentum Gottesdarstellung, die Jesus als Baby zeigen. Viele Menschen finden das besonders schön. Freuen sich, dass ein Jesuskind da ist. Dies öffnet ihre Herzen in Hingabe. In Indien gibt es die Baby Krishna Verehrung. Andere lieben die Darstellung von Ganesha als Baby Ganesha. Vatsalya ist das Kind als eine Kindesbeziehung. Für die meisten Menschen ist die Beziehung allerdings eher so, dass sie selber Kind Gottes sind. Es ist umgekehrt.

Im Christentum spricht man vom „Vater unser im Himmel“. Jesus hat zu Gott gesprochen „Abba (Vater) bitte hilf mir. Vater lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe“. Ebenso im Hinduismus ist es der Fall. Dort ist die göttliche Mutter besonders wichtig. In vielen der indischen Lieder gibt es Maha, Mutter. Maha, wir wenden uns an ich, an die göttliche Mutter. Wir können uns an beide wenden, an den göttlichen Vater oder die göttliche Mutter.

Madhura Bhava

Madhura bedeutet wörtlich die süße Bhava, honiggleiche Bhava. Madhura Bhava ist eine leidenschaftliche und intensive Gottes Liebe. Es ist die Liebe zu Gott als dein Partner, als deine Partnerin, als deine Liebhaberin, dein Liebhaber.

Madhura ist eine Liebe, die so intensiv sein kann, wie wenn du frisch verliebt bist. Es ist eine leidenschaftliche Liebe. Wer diese Art von Gottesliebe noch nie gehabt hat, versteht sie vielleicht am wenigstens.

Madhura Bhava bedeutet, dass du eine große Sehnsucht hast Gott zu spüren, dass es alles andere verzehrt. Wenn du frisch verliebt bist, denkst du nur an den Partner/Partnerin. Alles andere ist nicht mehr so wichtig. In der Madhura Bava hast du eine intensive Sehnsucht Gott zu spüren, ihn zu umarmen. Sie findet Erfüllung, wenn du das Gefühl hast, in den Armen Gottes zu liegen. Du bist vom Herzen her mit göttlicher Gegenwart beseelt und erfüllt. Du spürst, dass überall Gott da ist. Wenn Gott dann plötzlich nicht da ist, ist das ein unglaubliches Leiden. Du hast vorher die Euphorie der intensiven Bhakti gespürt, wie es sich anfühlt, in Gottes Armen zu liegen oder in den Armen der göttlichen Mutter. Dann plötzlich nicht mehr. Das Wort Leidenschaft beinhaltet das Wort Leiden. In einer Madhura Bhava liegt diese tiefe Sehnsucht einerseits. Gleichzeitig finden wir darin Phasen, wo Gott nicht spürbar ist und die dann als sehr leidvoll erlebt werden. Irgendwann führt Madhura Bhava, wie alle anderen Bhavas, zur Verschmelzung mit Gott.

 

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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