Wie kannst du handeln ohne Verhaftung? Wie kannst du im Alltag Karma Yoga üben? Was heißt es, handeln ohne Verhaftung und trotzdem engagiert sein?
Was steht hinter der Bedeutung, wie man eine Handlung ausführt, ohne gebunden zu sein? Wie kann man handeln, ohne neues Karma zu schaffen? Wie kannst du im Alltag so handeln, dass du spirituell daran wächst?
Wenn man handelt, gibt es ein Motiv. Warum handelst du? Es gibt verschiedene Karma Yoga-Motive. Du kannst handeln, um zu dienen. Du kannst z. B. handeln, um Gott zu dienen, einem Menschen zu dienen, vielen Menschen zu dienen, uneigennützigen Werken zu dienen usw.. Du kannst handeln aus Verantwortung heraus. Weil du weißt, du hast die und die Aufgabe oder du bist in der und der Situation. Du willst der Verantwortung gerecht werden. Du kannst als Motiv haben, du folgst einer Eingebung. Es kann sein, dass du von innen heraus eine Institution bekommst, eine Inspiration, eine Eingebung. Du weißt, ich muss das tun. Das sind einige der Motive. Du siehst etwas was fehlt. Die meisten Menschen handeln aus dieser Absicht heraus. Ein Handeln, um Geld, Lob, Zuneigung und Anerkennung zu bekommen wären keine Karma Yoga-Motive.
Wie handelst du? So gut wie es geht, mit vollem Engagement sollten deine Handlungen erfolgen. Das ist etwas Wichtiges. Es gibt manchmal Menschen, die wollen Gutes tun. Weil sie nachher dafür nichts bekommen, machen sie es eben halbherzig. Viele Menschen sind Vereinsmitglieder in gemeinnützigen Vereinen. Solange sie Lust darauf haben machen sie es. Verschwindet die Lust darauf, lassen sie es sein. Oder sie fangen erst an, in gemeinnützigen Vereinen mitzuhelfen, zunächst uneigennützig, aber irgendwann wollen sie etwas dafür bekommen. Dann ist es kein echtes Karma Yoga mehr. Wie macht man es? So gut wie man es kann. Man macht es außerdem mit Herz, Freude und mit Liebe.
Dann ist wichtig, wie macht man es? Man macht es als Instrument. Du denkst nicht, dass alles nur von dir abhängt, sondern du fühlst dich als Instrument. Du lässt alles los und sagst „dein Wille geschehe“. Du stellst dir vor das letztlich Körper und Psyche Teil der kosmischen Körper und Psyche sind. Du selbst bist das unsterbliche Selbst. Du bist ohne Identifikation. Ohne Identifikation heißt, ich bin nicht der Handelnde. Du weißt, zwar tust du etwas, aber du identifizierst dich damit nicht. Es geschieht als Instrument ohne eine Identifikation. Es ist verhaftungslos. Verhaftungslos kommt an mehreren Stellen hinein. Hier heißt es, du machst die Handlung verhaftungslos, weil du bereit bist jederzeit wieder loszulassen. Falls du z.B. irgendeine Aufgabe bekommen hast und da gibt es jemanden anders, der die genauso gut kann wie du und dort das vielleicht gerne machen würde, dann hänge nicht daran, sondern gib das dem anderen. Du kannst dich dann für etwas Neues engagieren. Dies ist verhaftungslos. Du hast etwas gemacht so gut du es konntest. Plötzlich ist es nicht mehr möglich das zu tun. Dann lass es los, ohne daran zu hängen.
Das nächste ist die Frage: Was machst du gegenüber dem Ergebnis? Wenn die Handlung abgeschlossen ist, was machst du dann?
Du bringst es „Gott dar“, in du sagst „was auch immer ich getan habe, oh Gott, ich bringe es dir dar“. Du machst es nicht, um etwas Konkretes zu erreichen, sondern um es Gott darzubringen.. Zudem erwartest du keine Belohnung dafür. Es ist eine Gleichgültigkeit gegenüber Erfolg. Du tust deine Handlungen, so gut wie du kannst. Wenn es nachher schiefgeht, ist es auch in Ordnung.
Als ich jung ins Yogazentrum gekommen bin mit gerade 18 Jahren, habe ich dort angefangen Karma Yoga zu üben. Ich habe angefangen mitzuhelfen und habe einiges gelernt über Karma Yoga. Habe ein wenig über die Bhagavad Gita erfahren und bekam meinen ersten Job dort. Das war staubsaugen. Nachdem ich eingezogen war, ich hatte schon vorher mit geholfen, wollte ich dienen, dem Werk seines Meisters dienen, den Schülern dienen. Ich habe es aus Verantwortung gemacht. Es war mir übertragen als Aufgabe. Ich habe es gemacht, so gut wie ich konnte. Die Teppiche sollten danach sauber sein. Ich habe es mit Herz gemacht, ganz im Bewusstsein, in der Gegenwart, ohne an die Zukunft zu denken. Gut mit Herz und ich habe mich als Instrument gefühlt. Gott wirkt durch mich und durch den Staubsauger. Es war fast wie ein euphorisches Gefühl, aber in der Gegenwart.
Es gab kein Denken an die Zukunft und an die Vergangenheit. Mit ganzem Herz, mit ganzer Bewusstheit, mit „Om Namah Shivaya, Om Namah Shivaya“ usw. war ich bei der Sache. Es war eine sehr euphorische Handlung. Ich habe mich bemüht, mich nicht damit zu identifizieren, nicht der Handelnde zu sein, es floss irgendwo. Ich habe Ende des Staubsagens immer alles Gott dargebracht, gleichmütig gegenüber Belohnung. Jemand der Staub saugt, kriegt selten ein Wort der Anerkennung. Ich war gleichmütig gegenüber Erfolg und Misserfolg. Damals wurden dort „Cookies“ gebacken. Beim Essen der Cookies sollen die Teilnehmer immer einen Teller benutzen, wegen der vielen Krümel. Was haben die Teilnehmer gemacht? Cookies gegessen, ohne einen Teller zu benutzen. Innerhalb von zehn Minuten nachdem die Teilnehmer gekommen waren, war der Teppich am Eingang wieder dreckig. Ich habe mich bemüht gleichmütig zu sein und nicht verhaftet zu sein an die Sauberkeit des Teppichs. Fast selbst zufrieden habe ich gedacht, es gelingt mir jetzt eine Karma Yoga-Handlung zu machen. Bis jemand anderes ins Zentrum eingezogen ist. Dann hat die Leiterin des Zentrums gesagt: „Du machst jetzt etwas anderes. Der andere wird jetzt dein Karma Yoga-Job des Staubsaugens übernehmen.“ Ich habe ihr gesagt, dass ich doch gerne meine Tätigkeit ausführe. Dann hat die Zentrumsleiterin mich nur freundlich angesehen und hat alles gestimmt. Ich war etwas verhaftet.
Ich habe gedacht, ich bin jetzt Staubsauger. Das war jetzt mein Karma Yoga. Ich bin aufgegangen. Die nächsten Tage habe ich mich immer wieder beobachtet, ob der andere das richtig macht. Ich nahm es mit Humor und lächelte über mich selbst. An Staubsaugen fällt es vermutlich nicht so schwer die Verhaftung los zulassen. Das nächste Karma Yoga, was ich dann bekommen habe, war Toiletten zu putzen. Dann habe ich, der bisher die Toiletten noch nie geputzt hatte, gesagt: „Ich zeig dir wie man Toiletten putzt.“ Voller Empörung hab ich gesagt: „Ich weiß wie man Toiletten putzt.“, ich bin glücklicherweise in einer Familie aufgewachsen, wo es nur drei Jungen gab. In meiner Generation war das üblich. Bei Jungs und Mädels haben die Mädchen die Hausarbeit gemacht und Jungen nicht. Meine Mutter, schon aus Selbsterhaltungstrieb, hat uns dreien gezeigt, wie man putzt, wie man kocht, wie man Geschirr spült, backt, wie man näht usw. Ich wusste wie so etwas geht. Ich war auch derjenige unter uns, dem das durchaus Spaß gemacht hat und der gerne Hausarbeit gemacht hat.
Ein anderer Karmayogi wollte mich anweisen und es mir zeigen. Ich willigte ein. Er hat mich in die Toilette geführt und hat gesagt: als Erstes muss du wissen, der Toilettensitz ist jetzt die Murti, der Gott der sich dort manifestiert. Toiletten putzen heißt, Gott zu verehren, wie in einer Puja. Puja ist ein Verehrungsritual. Dort hat man eine Göttin Murti. Der man Reismilch und Wasser übergießt. Der man Blumen da bringt und Malas darbringt usw. Jetzt wird die Toilettenschüssel die Murti sein. Zu Anfang verneigst du dich, du sagst ein Mantra, du rufst Gott in der Toilettenschüssel an und danach machst du Abishekam, Wasser, Spülmitteln usw. kommen hinzu. Dann reibst du das Ganze ein. Das ist wie trocknen und darauf bringst du ein paar andere Sachen dar und verneigst dich. Das ist dann deine Puja. Das ist Karma Yoga.
Danach habe ich verstanden, warum dieser Mensch immer nach den Toilettenputzen voller Freude mit leuchtenden Augen zurückkamen. Bis heute habe ich diesen Menschen immer vor den Augen, wie er diese leuchtenden Augen hat. Ich habe gesehen, wie er eine vollständig reine Karma Yoga-Handlung gemacht hat. Er hat es gemacht, als einen Dienst an Gott, an den Meistern. Es war seine Aufgabe. Er hatte es gemacht so gut er es konnte. Es hatte nicht lange gedauert, das wäre im Zentrum nicht gegangen.
Spirituelles Karma Yoga heißt nicht ineffizient. Es musste schnell gehen. Es gab so viel zu tun, so viel was gemacht werden wollte, um mehr Menschen zum Yoga zu bringen. Nicht langsam und meditativ, das war es nicht, sondern schon effektiv. Mit Herz, Liebe, mit Hingabe und als Instrument für Gott. Ohne Identifikation und verhaftungslos zu sein. Man kann es ruhig an einem anderen weitergeben, das Ganze Gott darbringen. Man sollte gleichmütig gegenüber Erfolg und Misserfolg sein, wenn man eine Toilette sauber macht. Paar Minuten später, wenn die ersten Schüler da sind, ist es schon nicht mehr sauber. Gleichmütig gegenüber Belohnung für das Toilettenputzen. Man erhält selten Anerkennung. Wenn man merkt, andere bekommen Anerkennung, man bekommt als Toilettenputzer sie nicht, merkt man, ob es einem etwas ausmacht oder nicht. Wenn das, was man tut, nicht gelobt wird, dann hat man eine echte Karma Yoga-Handlung gemacht. Jetzt kann man selbst überlegen, was gilt es zu tun in den nächsten Tagen. Was sind deine Motive? Wie kannst du das, was zu tun ist, mit ganzen Herzen, mit großem Engagement und effektiv tun. Wie kannst du es machen als Instrument Gottes? Ohne verhaftet zu sein. Nimm dir vor alles nachher Gott darzubringen, gleichmütig zu sein in Erfolg und Misserfolg und nicht an den Früchten zu hängen. Immer dann, wenn du leidest, nachdem du etwas getan hast, weißt du, gegenüber irgendetwas hast du dort verstoßen.
Irgendwo hast du die Karma Yoga-Handlung nicht richtig gemacht. Vielleicht warst du nicht verhaftungslos gegenüber der Handlung. Vielleicht hast du dich selbst identifiziert: „Wow was habe ich großartiges gemacht“, vielleicht bis du unglücklich, wenn es nicht gut ausgeht. Vielleicht bist du unglücklich, wenn du nicht kriegst, was du denkst, was du dafür bekommen solltest. Realistisch gesehen wirst du vielleicht nicht jede Handlung dir reines Karma Yoga machen können. Swami Venkateshananda, ein Schüler von Swami Sivananda, hat gesagt, dass nur ein selbstverwirklichter Yogameister die vollkommende Karma Yoga-Handlung machen kann. Du kannst dich bemühen bei immer mehr Handlungen überwiegend Karma Yoga zu machen. Du kannst immer weniger wunschgetriebenes, verhaftetes, ergebnisgetriebener und auf Belohnung ausgerichtete Handlungen machen. Du kannst versuchen mehr Karma Yoga hineinzubringen, mehr dienen, mehr Nichtidentifikation, mehr loslassen und weniger Wunsch, Verhaftung, Erwartung usw.
Mache das während der nächsten Woche ganz bewusst. Handle immer mehr wie ein Karma-Yogi und du wirst merken, wie Krishna es in der Bhagavad Gita uns verspricht. Du wirst Freude haben und kein Leid. Du wirst lernen, wachsen und nicht gebunden sein.
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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.
Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.
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