YVS089 Prana, die Lebensenergie

Prana ist ein Schlüsselbegriff im Yoga. Prana heißt Lebensenergie, Atem oder Lebenskraft. Wenn wir im Yoga über Prana sprechen, dann sprechen wir über diese Energie, die hinter allem Lebendigen steckt.

Aus Swami Sivanandas Buch „Inspiration und Weisheit“, Kapitel „Pranayama“:

„Durch Prana, die Lebensenergie, leben die Menschen, die Tiere und die Engelswesen. Prana ist wahrhaftig das Leben der Wesen. Prana ist das universelle Leben, das Leben aller. Das Strahlen deiner Augen ist Prana. Das Lächeln einer jungen Frau, die Melodie in der Musik, die Kraft in den begeisternden Worten eines Vortragenden, der Zauber in den Worten des Geliebten, all das beruht auf Prana. Prana pumpt das Blut vom Herzen in die Arterien. Prana verdaut, scheidet aus und sondert ab.“

Hier beschreibt Swami Sivananda einige der entscheidenden Dinge über Prana: Prana ist zunächst einmal die Lebensenergie hinter deinem physischen Körper. Wenn dein Körper gut funktioniert, dann hat er gutes, harmonisches Prana. Wenn dein Prana, deine Lebensenergie, gestört ist, dann funktionieren auch die Körperorgane nicht richtig. Prana lässt die Lungen sich bewegen über die Atemmuskeln, Prana ist die Energie hinter dem Herz-Kreislauf, Prana ist die Energie hinter der Bewegung und auch hinter dem Nervensystem.

Schulmedizinisch könnte man sagen, Prana ist die Fähigkeit des Körpers, sich selbst harmonisch zu steuern. Yogis gehen davon aus, dass Prana eine feinstoffliche Energie ist. Diese feinstoffliche Energie, wenn sie gut funktioniert, arbeitet in Richtung der Gesundheit von Körper und Organsystem. Und so ist Prana zunächst einmal die Energie hinter dem physischen Körper. Ein harmonisches, starkes Prana bedeutet Gesundheit. Ein disharmonisches Prana, ein Mangel an Prana oder ein Pranastau kann zu Krankheit führen.

Und im Extremen ist Prana natürlich der Unterschied zwischen allem Lebendigen und dem Toten. Angenommen, eine Leiche liegt vor dir. Der Unterschied zu jemanden, der in der Tiefenentspannung liegt oder schläft, ist der Mangel an Prana. Im Moment des Todes verlässt der Astralkörper mit seinem Prana den physischen Körper. Und so fühlt sich ein Toter ganz anders an als jemand, der schläft oder in der Tiefenentspannung ist, selbst wenn der Atem so ruhig ist, dass man ihn nicht wahrnehmen kann.

 

Auswirkungen von Prana

Prana kann sich auf verschiedene Weise auswirken. Im Yoga sprechen wir auch von den sieben Chakras, den sieben Energiezentren. Vom Grundsatz her ist das Prana auf einer physischen Ebene sehr stark, Muladhara Chakra. Dann hast du eine gute körperliche Gesundheit, aber auch viel körperliche Kraft. Körperliche Kraft und die Fähigkeit, in sportlichen Wettkämpfen zu gewinnen, ist auch Prana auf der physischen Ebene.

Viele der östlichen Kampfkunsttechniken wie Kalarippayattu in Südindien, Jiu Jitsu, Taekwondo, Karate etc. sind Fähigkeiten, Prana zu steuern. Wenn fernöstliche Meister mit einem Handkantenschlag ganze Bretter durchschlagen können, ist das nicht nur physische Kraft, sondern es ist die Fähigkeit, Prana zu nutzen und Prana ausstrahlen zu lassen.

Prana gibt es auch auf der zweiten Chakra-Ebene, Svadhishthana Chakra. Hier ist Prana Schönheit, sexuelle Attraktivität, aber auch Heilenergie. Es gibt Menschen, die können ihr Prana ausstrahlen lassen. Das kann ein Muladhara Prana sein, sehr häufig ist es aber ein Svadhishthana Prana.

Auch wenn zwei Menschen ineinander verliebt sind, ist dort eine starke Prana-Verbindung auf Svadhishthana-Ebene. Angenommen du bist jetzt verliebt oder warst es vor kurzem, dann erinnerst du dich: Wie fühlt sich das an? Das ist wie ein starkes Energieband, es ist wie eine Verbindung, in der sich die beiden Prana-Körper verbinden.

Das muss nicht nur die Svadhishthana-Chakra-Ebene sein, idealerweise geht eine intensive und tiefe Liebesbeziehung vom Muladhara bis zum Sahasrara Chakra. Aber die Anfangsanziehung, die man spürt, ist eine Svadhishthana-Anziehung. Wenn diese dann weitergeht bis zu Anahata, dann ist das wie eine grundlose Liebe. Liebende haben oft auch das Gefühl, dass sie die ganze Welt umarmen können, dass eine göttliche Gegenwart da ist, dass sie sich mit allem verbinden. Aus der Verbindung auf einer Prana- bzw. Chakra-Ebene kann sich das weiter ausdehnen und zu einem sehr starken, offenen Prana-Feld werden.

Manipura Chakra Prana ist das Prana, wie du etwas bewirken kannst,  und wie du andere dazu bringen kannst, zu tun, was du willst. Wenn du ein starkes Manipura Chakra Prana hast, dann hören auch deine Haustiere, deine Kinder oder, wenn du Chef bist, deine Mitarbeiter besser auf dich. Wenn du dich auf eine Führungsposition bewerben willst, in einer Firma, in einem Verein oder in einer politischen Partei, fällt das leichter, wenn du Manipura Chakra Prana hast.

All diese drei Prana-Ebenen können auch missbraucht werden. So kannst du einmal überlegen, ob es gut ist in einem Wettbewerb den anderen zum Verlierer zu machen, und damit physisches Prana zu missbrauchen. Aber du kannst das Muladhara Prana auch nutzen, um dich zu schützen und um andere davon abzuhalten, dir physisches Leid anzutun. Oder du kannst damit andere physisch schützen.

Svadhishthana Prana könntest du ausnutzen, um andere sexuell auszunutzen und häufig wechselnde sexuelle Beziehungen zu haben oder auf dieser Ebene Dinge zu tun, die andere ins Leid stürzen. Manipura Prana könntest du missbrauchen für egoistische oder negative Zwecke. In Indien gibt es sogar den Ausdruck „Asura“. Das sind die, die nicht gut sind. Die Asuras werden beschrieben als Wesen, die viel getan haben, um mehr Prana zu haben. Dieses Prana haben sie dann aber nicht zum Guten genutzt, sondern um Macht zu haben und andere zu beherrschen. Es gibt natürlich auch ein kosmisches Gesetz, das besagt, wenn jemand Prana zum Negativen nutzt, gibt es irgendwann eine Gegenreaktion. Notfalls muss Gott sich inkarnieren, um Menschen mit negativem Prana zu stoppen.

Prana auf der Anahata Chakra Ebene kann emotionales Prana sein. Es gibt Menschen, deren Gegenwart die Gefühle von allen im Raum oder im Team bestimmen. Es gibt manche Menschen, wenn die gut gelaunt sind, sind alle gut gelaunt. Sind sie schlecht gelaunt, sind alle schlecht gelaunt. Sind sie enthusiastisch, sind alle enthusiastisch. Ein emotionelles Prana ist durchaus ein Prana vom Manipura bis zum Vishuddha, vor allem aber ein Prana, das auf das Anahata-Ebene wirkt.

Ein reines Prana auf der Anahata-Ebene ist das Prana der Freude, der Liebe und der Wunsch anderen Gutes zu tun. Wenn du dich vom Herzen her verbunden mit der Natur fühlst, wenn du dich vom Herzen her mit denen verbunden fühlst, mit denen du zu tun hast, wenn du ein Herz hast, das überfließt vor Liebe und Freude, vielleicht sogar Mitleid und Mitgefühl, dann ist das Anahata Chakra. Wenn du das Gefühl hast, dass dich eine göttliche Gegenwart tief im Herzen ergreift, dann ist das Anahata Prana.

Vishuddha Chakra Prana ist das Prana in Worten. Es gibt Menschen, deren Worte haben große Wirkung. Es gibt Menschen, die haben eine große Klarheit in ihren Worten. Noch nicht mal unbedingt mit dem Manipura Prana, sodass man machen will, was sie sagen, sondern zunächst mit einer Faszination des Vortrags.

Ajna Chakra Prana ist das Prana der Klarheit des Geistes, der Intuition und der höheren Erkenntnis. Wissenschaftler brauchen zum Beispiel ein Ajna Chakra Prana, um klar zu denken und um über einen längeren Zeitraum abstrakt logisch nachdenken zu können. Auch intellektuelle Gedanken klar formulieren zu können, ist nicht nur Vishuddha, sondern Ajna Chakra. Aber Ajna Chakra ist auch die Kraft der Intuition, der höheren Erkenntnis. Ajna Chakra Prana ist natürlich auch das Prana des dritten Auges, der Lichtwahrnehmung, das Pulsieren im dritten Auge und das Wahrnehmen einer höheren Wirklichkeit.

Und schließlich gibt es das Sahasrara Prana, das höchste Prana. Sahasrara ist auch das Prana der Gegenwart Gottes. Es ist auch das Prana, dass dich für eine höhere Wirklichkeit öffnet, dass du Instrument sein und das Göttliche durch dich wirken lassen willst. Sahasrara Prana heißt auch, dass du jenseits von allem Begrenzten gehen und die Einheit erfahren willst.

Du siehst, Prana hat im Yoga eine große und weite Bedeutung. Im Yoga wird auch von den Nadis, den Energiekanälen, gesprochen. Prana wird aufgenommen, innerlich aktiviert und fließt in den Nadis, den Energiekanälen. Je nach Kanal ist das Prana auch gefärbt. Weiterführende Informationen dazu findest du in einem anderen Vortrag über die 72.000 Nadis und die drei Haupt-Nadis, sowie im Buch „Die Kundalini Energie erwecken“.

 

 

Gedanken, Emotionen, Bewusstheit und Prana

Prana fließt dahin, wo du hindenkst und wo du deine Aufmerksamkeit hinrichtest. Wenn du zum Beispiel dein Prana in deine Handflächen gibst, dann spürst du ein Prickeln. Du könntest auch kurz Kapalabhati üben, dann einatmen, die Luft anhalten und ein sanftes, pulsierendes Prana in den Händen spüren. Du könntest jetzt auch das Prana deiner Hände nutzen, um es irgendwo hinzuschicken, zum Beispiel in dein Knie. Dazu kannst du mit beiden Händen zu den Knien hinzeigen – du müsstest sie nicht einmal berühren. Das Prana strahlt dann ins Knie aus. Vielleicht spürst du dann auch eine sanfte Wärme im Knie. Du könntest auch deine Augen schließen und deine Aufmerksamkeit ganz auf dein Knie richten und dabei das Prana der Hände im Knie spüren. Ebenfalls kannst du dir auch Licht im Knie vorstellen. Einatmen – Licht strömt von oben in deinen Bauch – ausatmen – und vom Bauch ins Knie. Du kannst es mit Licht machen. Oder du kannst dir innerlich sagen: „Ich schicke Prana, Lichtenergie, in mein linkes Knie.“ Du kannst auch sagen: „Prana, Lichtenergie, heilt mein linkes Knie.“

Du kannst also Prana in ein bestimmtes Organ schicken, entweder mit den Händen, über Bewusstseinslenkung, mit der Vorstellung von Licht oder mittels Affirmation. Prana geht dahin, wo dein Geist hingeht. Und je nachdem, welche Technik dir leichter fällt – Bewusstseinslenkung, zusätzliche Hilfe der Hände, Lichtvisualisierung oder Affirmation – nutze das.

Prana kannst du auch in bestimmte Richtungen lenken durch Gedanken und Worte. Du kannst zum Beispiel sagen: „Ich freue mich, dieses und jenes zu tun.“ Oder: „Heute Nachmittag erwartet mich dieses und jenes – ich freue mich darauf, es mit Energie und Licht zu tun.“ Indem du sagst, dass du dich darauf freust, es mit Energie und Licht zu tun, fließt dort Energie und Licht hin.

Wenn du hingegen sagst: „Das kriege ich nie hin! Das wird alles zu viel“, dann blockierst du dein Prana. Viel Prana blockierst du durch deine Gedanken. Du könntest jetzt einen Moment lang innehalten und überlegen, welche Gedanken heute oder gestern dein Prana blockiert haben und überlegen, wie du stattdessen Prana mit deinen Gedanken dorthin schicken kannst. Wenn du denkst, dass dich ein anderer Mensch nicht mag, blockierst du das dadurch. Wenn du hingegen sagst: „Ich freue mich, eine gute Energieverbindung zu diesem Menschen zu haben“, entsteht eine Prana-Verbindung. Im dritten Kapitel des Yoga Sutra beschreibt Patanjali eine Menge Techniken, wie du mit einem anderen Menschen eine Prana-Verbindung aufnehmen kannst.

Nutze die Gedanken für positives Prana. Du kannst auch Menschen Prana schicken. Du kannst einem Menschen sagen: „Lieber Soundso, möge es dir gut gehen!“ Das kannst du in Gedanken sagen oder du kannst einem Menschen bewusst positive Affirmationen geben und Prana hinschicken. Nicht umsonst sagen wir am Anfang und Ende jeder Yogastunde und Meditationssitzung bei Yoga Vidya „Shanti“. So wollen wir Friedens-Prana in die ganze Welt schicken.

Oder wir wiederholen das Om Tryambakam für einzelne Menschen zum Heilen. Mit dem Mantra wird Heil-Prana zu dem Menschen geschickt, an den wir denken. Wenn viele Menschen Friedensgedanken schicken, wird friedvolles Prana über die Welt gehen.

Wenn Menschen Gedanken des Hasses und der Angst schicken, wird das ein negatives Gedankenbild schicken, wie eine negative Gedankenwolke. Wenn manchmal Menschheitsverführer ein großes Prana haben, stimmen sie sich auf solche Prana-Wolken des Hasses und der Angst ein und bekommen davon Prana, mit dem sie leider Menschen sehr negativ beeinflussen können. Sorge daher dafür, dass du Licht-Prana ausschickst, Prana des Wohlwollens, der Liebe und des Verständnisses. So schaffst du auch ein positives Prana-Feld für alle.

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Stark gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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