YVS079 Wirkung der Asanas

Dies ist ein Vortrag im Rahmen der Yoga-Vidya-Schulung. Es handelt sich um eine Vortragsreihe mit mehreren Hundert Vorträgen zum Thema „ganzheitlicher Yoga-Vidya-Weg für Gesundheit, psychische Entwicklung und spirituelle Erfahrung“. Heute geht es um Asanas und ihre Wirkung.

Was ich jetzt mache ist ein kleines Paradox, denn eigentlich redet man nicht über Asanas, sondern man übt sie. Und am besten übt man neben den Asanas auch Pranayama und Tiefenentspannung, aber es hilft manchmal auch, die Wirkung besser zu verstehen.

Asanas wirken auf verschiedenen Gebieten: auf die fünf Koshas, also die fünf Hüllen des Menschen, und auf körperlicher, energetischer, geistiger und spiritueller Ebene.

Das Wort Asana bedeutet Haltung – ursprünglich Sitzhaltung, aber auch Position oder Stellung. Asanas sind also Körperstellungen, die wir eine längere Zeit halten.

Bei Yoga Vidya basiert die Lehre der Asanas auf der Yoga-Vidya-Grundreihe, die aus zwölf Asanas besteht. Über die Wirkung der einzelnen Asanas werde ich ein anderes Mal genauer sprechen. Diese zwölf Asanas, oder im Grunde genommen alle 84 Grund-Asanas bzw. alle 8.400.000 Asanas, denn gemäß „Hatha Yoga Pradipika“ gibt es 84 x 100.000 Asanas, wirken auf fünf Ebenen. Davon sind die 84 besonders wichtig, und von diesen 84 sind zwölf besonders wichtig. Und das sind die zwölf Grundstellungen der Yoga-Vidya-Grundreihe in unserer Tradition.

Diese Asanas wirken auf der körperlichen, energetischen, emotional-psychischen, mental-bewussten und auf der spirituelle Ebene (Anandamaya Kosha). Hierauf will ich nun inhaltlich intensiver eingehen.

Annamaya Kosha (aus Nahrung bestehende Hülle)

Auf der physischen Ebene sind die Asanas sehr gut erforscht. Heute gibt es viele hundert Studien über die körperlichen Wirkungen der Asanas. Daraus geht hervor, dass regelmäßiges Üben von Asanas gut ist gegen Bluthochdruck, Arthrose, Arthritis, Schmerzerkrankungen, Rückenprobleme, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Regelmäßiges Üben von Asanas hat Heilwirkungen bei Neurodermitis und bei allen möglichen Problemen des Atmungssystems und der allgemeine Gesundheitszustand ist besser.

Manche Forscher sagen, dass in der gleichen Altersgruppe drei Viertel der Erkrankungen verschwinden könnten, wenn Menschen kontinuierlich Yoga üben würden. Yoga heißt dann typischerweise: Asanas (Körperhaltungen), Surya Namaskar (Sonnengruß), Pranayama (Atemübungen), Tiefenentspannung und gesunde Ernährung. Sofern man alles umsetzt, lassen sich also etwa drei Viertel der Erkrankungen in einer Altersgruppe – zumindest unter einem Alter von 70 Jahren – vermeiden.  

 

Asanas wirken nicht nur sportlich sondern auch entspannend. Indem man die Muskeln dehnt, kann man anschließend gut entspannen.

Asanas fördern auch die Bewusstheit über den physischen Körper. Körperteile, die bewusst gemacht werden, können besser regenerieren, heilen und gesund erhalten werden. Körperteile, die unbewusst sind, neigen eher zu Problemen als die, denen man bewusste Aufmerksamkeit schenkt.

Gemäß der neurologischen Repräsentation werden die bewusst gespürten Körperteile im Gehirn besser repräsentiert, sodass Steuerungsprozesse zielgerichteter eingeleitet werden und Regeneration intensiver stattfinden kann.  

Asanas helfen also, die psycho-neuro-immunologischen Mechanismen des Körpers gesund zu halten. Dabei spielt die bewusste und isolierte Bewegung, die isolierte Anspannung und Entspannung eine große Rolle.

Dann geschieht bei den Asanas auch eine gute Massage. Bei der Vorwärtsbeuge und im Drehsitz werden die Bauchorgane massiert. In den Rückbeugen dagegen, werden die Bauchorgane auseinandergezogen. All das sind gesunde Reize. Durch Dehnung und Stauchung der Bauchorgane wird das venöse Blut aus dem Bauch schneller zum Herzen befördert. Die Bauchorgane werden durch diese Massage besser zur Selbstheilung stimuliert.

Nicht nur durch das sportliche Training sondern auch durch die Umkehrstellungen passiert im Blutkreislauf eine Menge. Die Umkehrstellungen bewirken, dass das venöse Blut besser zurück zum Herzen fließt und sich der Herzmuskel weiter ausdehnt. Und dann gibt es den Frank-Starling-Mechanismus (FSM) des Herzens: Wenn mehr Blut zum Herzen kommt, wird der Herzmuskel stärker ausgedehnt und das Herz zieht sich besser zusammen. Deshalb sind Umkehrhaltungen auch eine Form des Herz-Kreislauf-Trainings.

Beim Dehnen der Muskulatur werden auch die Arterien gedehnt und gleichzeitig gesund gehalten. Und genauso geschieht es auch mit den Venen.

Dehnen verbessert auch die Beweglichkeit der verschiedenen Gelenke und wirkt gegen Arthrose, Arthritis, und so weiter.

Durch das Üben von Asanas lernen wir die sogenannte Mikrokoordination, indem wir manche Muskeln anspannen und benachbarte entspannen und sie dabei bewusst spüren, lernt der Körper, die Körperteile besser zu nutzen.

 

Pranamaya Kosha (aus Lebenskraft bestehende Hülle)

Asanas wirken nicht nur auf körperlicher Ebene (Annamaya Kosha) gesundend, heilend, regenerierend und sportlich stärkend, sondern auch auf die Pranamaya Kosha. Daher besteht ein großer Unterschied zwischen einer Yogastunde und einem Fitness-Training. Durch Fitness-Training im Fitness-Studio erhält man ebenfalls ein gutes Koordinations-, Konditions-, Ausdauer-, Flexibilitäts- und Muskelkraft-Training, jedoch ist das Prana (die Energie) nicht identisch. Aus einer Yogastunde gehst du ganz anders heraus.

 

Was ist also an Asanas anders als an einem Fitness-Training?

Im Rahmen der Kundalini-Yoga-Vorträge wird das noch genauer beschrieben.

Asanas lösen die Blockaden in den Nadis, den Energiekanälen, durch die das Prana fließt. Beim Dehnen werden diese Nadis geöffnet und Blockaden beseitigt, sodass das Prana wieder frei fließen kann. Indem in den Asanas bestimmte Körperteile gedrückt oder gedehnt werden, geschieht eine Wirkung auf das dazugehörige Chakra. Zum Beispiel wirkt der leichte Druck auf die Kehle im Schulterstand auf das Vishuddha-Chakra. In der Kobra öffnet sich Anahata-Chakra durch die Dehnung des Brustkorbs. Im Drehsitz wird die Wirbelsäule gedreht, wodurch das Prana in der Sushumna aktiviert wird.

Und so wirken die Asanas auf die Pranamaya Kosha. Sie aktivieren die Energien, öffnen die Nadis und Chakras. So entsteht dieses schöne Prana-Energie-Gefühl, diese Leichtigkeit und Weite.

 

Manomaya Kosha (die aus Geist bestehende Hülle)

Asanas wirken auch auf die Manomaya Kosha. Körperhaltung und Psyche hängen eng miteinander zusammen. In einer Yogastunde gehst du durch verschiedene Gefühle hindurch.

In Vorbeuge-Haltungen wie der Vorwärtsbeuge oder Stellung des Kindes spürst und lernst du Vertrauen, Loslassen und Hingabe. In Rückbeuge-Haltungen wie dem Fisch spürst und lernst du Offenheit, Freude und Weite. Drehungen wie der Drehsitz, stehen symbolisch dafür, dass du dich anderen zuwendest und bereit bist für mehr Flexibilität. Balance-Haltungen wie der Kopfstand oder die Krähe fordern von uns Konzentration und Gleichgewicht. Andere Asanas wie die Heldenstellungen oder die Heuschrecke lehren uns Willenskraft, Durchsetzungs- und Durchhaltevermögen.

All diese Fähigkeiten werden in den Asanas kultiviert und haben eine psychisch-mentale Wirkung. Viele Menschen, die emotionale Blockaden haben, sich selbst nicht mehr spüren, schwere Enttäuschung erlebt haben und deshalb Freudlosigkeit empfinden, können durch Asanas zügig wieder Freude empfinden, Herzöffnung spüren und Selbstliebe erfahren.

Auf der Manomaya Kosha passiert also eine Menge – auch im Sinne von Selbstliebe, Herzöffnung zu den Mitmenschen und auch zu einer höheren Wirklichkeit.

 

Vijnanamaya Kosha (aus Erkenntnis bestehende Hülle)

Asanas wirken auch auf Vijnanamaya Kosha, und Teile der Wirkungen, die ich eben genannt habe, sind auch schon Vijnanamaya Kosha. Dazu gehört, zu lernen willensstark, achtsam sowie bewusst zu sein und sich nicht zu identifizieren.

Durch das Schlüpfen in die Beobachtungsrolle während der Asana-Übungen lernen wir, uns nicht so sehr mit Körper und Emotionen zu identifizieren, bewusster zu werden, und manchmal führt uns das zu tieferen Einsichten.

Es kann passieren, dass du in einer Yogastunde bist, und plötzlich wird dir etwas klar, Einsicht kommt. Vielleicht hast du eine Eingebung, spürst einen besonderen Sinn im Leben, oder du siehst den roten Faden und weißt intuitiv, wie dein weiteres Handeln aussehen sollte.

In einer Asana-Stunde kann sehr viel geschehen.

 

Anandamaya Kosha (aus Glückseligkeit bestehende Hülle)

Die vornehmsten Wirkungen der Asanas beziehen sich auf Anandamaya Kosha. Es geht um spirituelle Erfahrungen. Asanas sind also auch etwas Spirituelles. Wenn du eine Asana ausführst, kann es sein, dass dein Geist sehr ruhig wird und du tief nach innen abtauchst. Es kann sein, dass du eine intensive Erfahrung von Wonne hast, von Freude in der göttlichen Gegenwart – entweder tief nach innen oder ganz weit in die Verbindung.

Gar nicht mal wenige Menschen machen in den Asanas oder der Tiefenentspannung irgendwann durchdringende spirituelle Erfahrungen und öffnen sich für eine umfassendere Dimension ihres Lebens.

Gerade der Yoga-Vidya-Stil ist darauf ausgerichtet, auf alle Ebenen zu wirken. Wir wollen Asanas so ausführen, dass sie zu Muskelkraft, Ausdauer, Flexibilität und Koordination führen. Wir wollen, dass sie den Körper gesünder machen, regenerieren und es uns physisch gut geht.

Dabei soll mehr Prana entstehen, subtileres Prana. Energieblockaden sollen beseitigt werden und Chakras sollen sich öffnen.

Wir wollen die Asanas so machen, dass die verschiedenen Gefühle in einer Yogastunde entstehen können, damit sich Gefühlsblockaden auflösen und wir zu einer Erfahrung von Selbstliebe und Öffnung zu unseren Mitmenschen, zur Schöpfung und zum Schöpfer kommen. Wir wollen uns bewusst werden, geistige Klarheit bekommen, Konzentration des Geistes und uns verbinden mit einer höheren Wirklichkeit.

In diesem Sinne sage ich: „Die Asanas sind ein ganz vorzügliches Übungssystem für Körper, Energien, Psyche und unsere tiefe Wesensnatur.“

 

 

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Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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