In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde immer gesagt, dass vegetarische Ernährung zu Mangelerscheinungen führen würde, und das geistert bis heute in vielen Köpfen herum. Darauf möchte ich in diesem Vortrag näher eingehen, insbesondere auf die Frage, ob durch vegetarische oder vegane Ernährung ein Mangel von B12, Eisen, Kalzium, Jod, Zink und Omega 3 entstehen kann.

Eisen

Eisen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Nahrung. Der Körper braucht Eisen – hauptsächlich die roten Blutkörperchen.

Für die Zellen ist Eisen wichtig aber besonders zum Sauerstofftransport im Blut.

Aber zu viel Eisen ist auch nicht gut. Inzwischen weiß man, dass Frauen gesünder sind als Männer, und dabei spielt die Menopause eine besondere Rolle. Man nimmt an, dass durch die Monatsblutungen bei der Frau überschüssiges Eisen abgeführt wird.

Menschen, die regelmäßig zur Blutspende gehen, leben gesünder als andere. Die Regeneration des Bluts scheint etwas Gesundes zu sein.

Zu viel Eisen erhöht das Risiko von Arteriosklerose und beeinflusst die Stoffwechselprozesse ungünstig.

Wer vegetarisch oder vegan lebt, wird genügend Eisen aufnehmen, zum Beispiel aus Hülsenfrüchten, Tofu, Nüssen, Hirse und anderen Vollkornprodukten. Auch grüne Gemüse und Salate, wie Petersilie, enthalten ausreichend Eisen.

Eine gute Eisenverwertung geschieht auch nur dann, wenn man gleichzeitig genügend Vitamin C aufnimmt. Und die typische yogische, sattwige Ernährung mit viel Rohkostanteil, viel Gemüse und Salat hat sicherlich genügend Vitamin C.

Inzwischen belegen viele Studien, dass der Durchschnittsvegetarier und -veganer keinen Eisenmangel hat.

Nur wenn du tatsächlich merkst, dass du über eine längere Zeit entweder bleicher bist als sonst und Antriebslosigkeit verspürst, empfehle ich dir, den Eisengehalt im Blut überprüfen zu lassen. Durch eine einfache Blutabnahme beim Hausarzt und einen Labortest auf Eisengehalt, Vitamin B12 und vielleicht auch noch Vitamin D erhältst du schnell Klarheit. Ebenso können die Schilddrüsenhormone und der Blutzuckerspiegel überprüft werden. So kannst du absichern, dass du keine Mangelerscheinungen hast.

Grundsätzlich haben Vegetarier*innen und Veganer*innen nicht mehr Eisenmangel als Fleischesser.

Sollte vielleicht doch Eisen fehlen, weil dein Verdauungstrakt eine Weile nicht richtig funktioniert hat, gibt es diverse vegane Eisen-Blut-Säfte, also Kräutersäfte mit zugesetztem Eisen. Diese sind erhältlich in der Apotheke, im Naturkostladen und Reformhaus. So kannst du zügig deinen Eisenspiegel wieder erhöhen.

 

Vitamin B12

Einen Mangel an Vitamin B12 kann es bei veganer und vegetarischer Ernährung tatsächlich geben, aber das kann es auch bei Fleischessern.

B12 gehört zu den Vitaminen, die der Körper selbst normalerweise nicht herstellen kann, die er also von außen zuführen muss.

Vitamin B12 entsteht durch Mikroorganismen, verschiedene Bakterien, die sich typischerweise auf den Pflanzenoberflächen befinden. Tiere essen diese Pflanzen, und dabei nehmen sie auch Vitamin B12 auf.

Der Mensch könnte auch Pflanzen essen, und wenn die Pflanzen nicht gewaschen würden, wäre der Gehalt an Vitamin B12 auch ausreichend.

Aber aus Gründen der Hygiene wird die Nahrung vor dem Essen und Kochen gewaschen, oft schon bevor wir Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse und Salat in den Händen halten, wobei die B12-Vitamine abgewaschen werden. Deshalb gibt es nicht viel Vitamin B12, das wir über pflanzliche Nahrung aufnehmen können.           

Manche Menschen können B12 über die Bakterien-Flora im eigenen Darm herstellen, die ins Blut geht, und dabei hilft, den Organismus mit dem Vitamin zu versorgen. Es scheint aber so zu sein, dass nur manche Menschen diese Darmflora haben und andere nicht.

Es gibt pflanzliche Quellen von Vitamin B12 wie manche Algen, zum Beispiel die Chlorella. Ob die aber von Menschen so gut verwertet werden können, ist aktuell noch zu wenig erforscht.

Mein Tipp: Wenn du Vegetarier oder Veganer bist, lass dein Blut regelmäßig beim Hausarzt durch eine einfache Blutabnahme und einen Labortest überprüfen. Bitte deinen Arzt um eine Untersuchung auf Eisen, B12, D3, Schilddrüsenhormone, Diabetes, usw., um Gewissheit zu haben.

Es schadet auch nicht, wenn du vegane B12-Präparate zu dir nimmst; es gibt sehr günstige in der Apotheke zu kaufen.

Ein Mangel an Vitamin B12 kann tatsächlich zu einem Problem werden. Manchmal treten Anzeichen wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit oder Missempfindung in den Füßen und Beinen auf.

Also B12 ist etwas Wichtiges und tatsächlich die einzige Mangelerscheinung, die eine vegane Ernährung begünstigen kann, weil wir – im Gegensatz zu früher – die Nahrung waschen, bevor wir sie essen. Pferde, Kühe, Hunde und Schafe waschen die Nahrung nicht, bevor sie sie essen und nehmen deshalb genügend B12 darüber auf.

Aber wenn Menschen Fleischesser sind, und hauptsächlich Fleisch aus der Massentierhaltung zu sich nehmen, bei der auch Fleischabfälle an Tiere verfüttert werden oder Getreide, die vorher gewaschen wurden, können auch dort Mangelerscheinungen bei den Tieren auftreten.

Du kannst also alle paar Jahre den B12-Spiegel bestimmen lassen, und wenn du irgendwann mal einen  Energiemangel verspürst oder irgendwelche Veränderungen in dir stattfinden, lässt du deinen B12-Spiegel messen. Oder du schluckst einfach einmal in der Woche ein entsprechendes Präparat von zum Beispiel 500 Mikrogramm, und dann hast du genügend B12.

Kalzium

Manchmal wird gesagt, dass vegane Menschen zu Kalziummangel neigen würden. Die empirische Forschung zeigt jedoch, dass diese Aussage nicht stimmt. Menschen, die vegan Leben, leiden nicht häufiger unter Osteoporose als andere. Es gibt sogar ein paar Studien, die zeigen, dass Frauen, die längere Zeit vegan gelebt haben, nach den Wechseljahren seltener unter Osteoporose leiden als andere.

Der Mythos, dass man viel Milch trinken muss, um Osteoporose vorzubeugen, stimmt definitiv nicht.

Es gibt sogar die Theorie, dass in der Milch andere Bestandteile sind, die dazu führen, dass der Körper Kalziumvorräte aufbraucht, und dass deshalb ein Übermaß von Milchkonsum eher Osteoporose begünstigt.

Jedenfalls gilt, es gibt genügend pflanzliche Quellen für Kalzium, und die scheinen auch besser für den Körper zu sein als tierische Quellen. Kalzium ist zum Beispiel in dunkelgrünem Gemüse, Wildpflanzen, Nüssen, Samen und manchen Vollkorngetreidesorten enthalten.

Es gibt auch Mineralwassersorten, die mehr Kalzium enthalten. Allerdings gibt es unterschiedliche Aussagen darüber, ob Kalzium aus Mineralwasser überhaupt für den Körper verwertbar ist. Es scheint so zu sein, dass Kalzium aus Mineralwasser schlechter vom Körper verwertet wird als Kalzium aus Gemüse und Nüssen, aber zumindest in einem gewissen Maß etwas zu einem guten Kalziumspiegel beitragen kann.

Um Kalzium aufnehmen zu können, muss dem Körper auch gleichzeitig ausreichend Vitamin D zur Verfügung stehen. Dazu sollte man täglich mindestens 20 bis 30 Minuten an der frischen Luft sein, denn unter Sonneneinstrahlung auf der Haut produziert der Körper Vitamin D und so kann Kalzium besser aufgenommen, absorbiert und in die Knochen eingelagert werden.

Außerdem ist körperliche Bewegung notwendig, damit der Körper ausreichend Kalzium in die Knochen einlagert. So ist zum Beispiel die tägliche Übung von Asanas in Verbindung mit einer vollwertigen Ernährung, eine sehr gute Vorbeugung gegen alle Formen von Osteoporose.

Alle Knochen bekommen eine gewisse Stimulierung, indem du mal die Füße auf dem Boden hast, mal den Brustkorb, mal die Wirbelsäule, mal den Kopf, mal die Schultern, und dadurch lagert der Körper Kalzium besser in den Knochen ein. Indem du Muskeln dehnst und anspannst, werden die Knochen auch beansprucht.

Als Vegetarier*in und Veganer*in erhöht sich also keines Falls das Risiko von Kalziummangel.

Jod

Es wird manchmal befürwortet, dass Menschen Seefisch essen sollen, weil der genügend Jod enthält. Aber in der heutigen Zeit ist Jodmangel nicht mehr im Vordergrund.

Auch Veganer haben keine Probleme mit Jodmangel.

In Gemüse wie Brokkoli, Spinat, wie auch in Erdnüssen gibt es genügend Jod. Besteht tatsächlich ein Jodmangel, könnte man auch Algen zu sich nehmen, die einen hohen Jodanteil haben. In vielen Produkten ist heute auch bereits jodiertes Speisesalz zugesetzt, sodass man mehr als genug Jod erhält.

Bei einer vollwertigen Ernährung braucht man sich um den Jodgehalt keine Sorgen zu machen.

Im Gegenteil, manchmal muss man überlegen, ob man nicht bereits zu viel Jod aufgenommen hat. Durch die Jodierung des Speisesalzes ist zwar der Anteil von Menschen mit Kropf zurückgegangen, dafür ist jedoch der Anteil von Menschen mit Hashimoto – einer Autoimmunerkrankung, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse führt – bedingt durch ein Zuviel an Jod größer geworden.

Zink

Dann gibt es manchmal auch die Frage, ob Vegetarier*innen und Veganer*innen genügend Zink bekommen. Aber auch hier gilt, eine vollwertige vegetarische oder vegane Nahrung bedingt keinen Zinkmangel.

Es gibt zum Beispiel genügend Zink in Kürbiskernen, Sojabohnen, Haferflocken und Linsen. Wer sich vegetarisch oder vegan ernährt und einen breiten Anteil von Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Salaten und Gemüse isst, bekommt genügend Zink.

Omega 3 Fettsäuren

Manchmal wird heute empfohlen, Seefisch oder Fischöl zu essen, damit man ausreichend Omega-3-Fettsäuren zu sich nimmt. Das ist aber alles großer Unsinn. Zwar braucht der Mensch Omega-3-Fettsäuren, denn diese gehören zu den sogenannten essentiellen Fettsäuren, die der Mensch von außen zuführen muss wie auch Omega-6-Fettsäuren, aber es braucht nur eine sehr geringe Menge an Omega-3-Fettsäuren. In Pflanzenölen sind diese ausreichend vorhanden – insbesondere in Raps-, Lein-, Hanf- und Walnussöl. Auch in Chia-Samen und Mikro-Algen sind genügend Omega-3-Fettsäuren enthalten.

Im Jahr 2016 gab es eine Metastudie, um zu überprüfen, was zusätzliche Omega-3-Fettsäuren überhaupt bringen, denn ab dem Jahr 2000 gab es einen Hype, und es entstanden alle möglichen Präparate zum Einnehmen von Omega-3-Fettsäuren. Sogar Veganer*innen fingen an, Omega-3-Fettsäuren in Form von veganen Kapseln zu schlucken. Die Studie zeigt, dass es überhaupt nichts bringt, Omega-3-Fettsäuren als Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen.

Seefisch ist nicht gesund und Omega-3-Fettsäuren braucht es nicht zusätzlich, wenn man sich gesund und vollwertig ernährt. Angenommen, jemand würde in der Regel nur von Pommes, Weißmehlprodukten und Zucker leben, der hätte dann vielleicht einen Fettsäurenmangel. Wer jedoch gesund lebt, Nüsse isst und in kleinen Maßen gepresste Öle zu sich nutzt, bekommt ausreichend Omega-3-Fettsäuren. Und alles, was man mehr zu sich nimmt als man braucht, wird der Körper wie normales Fett behandeln. Wenn man einen Mangel hat, dann gibt es Probleme. Aber wenn man ausreichend hat, dann gibt die zusätzliche Gabe nichts Positives.

Ich habe sogar gehört, dass Menschen, die zu viel Vitamine C zu sich nehmen (also mehrere Gramm pro Tag), zu Herzrhythmusstörungen neigen und andere Probleme bekommen. Wer durch zusätzliche Nahrungsergänzungsmittel zu viel B-Vitamine zu sich nimmt, kann sogar sein Nervensystem durcheinander bringen.

Zusammenfassend kann man sagen: „Wenn du dich vollwertig ernährst und Nahrungsmittel aus allen vier sattwigen Nahrungsmittelgruppen zu dir nimmt, öfters mal die verschiedenen Nahrungsbestandteile abwechselst, dann brauchst du dir keine Gedanken um Mangelerscheinungen zu machen. Im Normalfall wirst du keine Mangelerscheinungen haben, nur bei Vitamine B12 musst du vorsichtig sein.“

Trotzdem möchte ich noch sagen: „Wenn du irgendwann mal Müdigkeit und Antriebslosigkeit spürst, öfters bleich bist, die Hautfarbe sich veränderst, wenn sie Sonnenlicht bekommt, dann wäre es durchaus gut, dein Blut mal testen zu lassen. Das gilt auch unabhängig davon, wie du dich ernährst. Denn es ist nicht nur wichtig, was du isst, sondern auch was der Verdauungstrakt daraus aufnimmt, und was der Körper verwerten kann. Bitte deinen Arzt, dein Blut auf Vitamin B12 und D3, Eisen, Schilddrüsenhormone und den Zuckerspiegel zu überprüfen, wenn es dir nicht so gut geht.“

Zum Thema Mangelerscheinungen lässt sich also sagen, dass eine gesunde vegane Ernährung, die vollwertig und abwechslungsreich ist, eine ausreichende Nährstoffversorgung sichert und sehr viel besser ist als die durchschnittliche aktuelle Ernährungsweise in den westlichen Industriestaaten.

Mehr Informationen über Vegetarismus, Veganismus, Ernährung und Yoga-Ernährung findest du im Yoga Kochbuch“. Das kannst du in unserem Webshop über www.yoga-vidya.de bestellen. In dem Buch gibt es einen theoretischen Teil am Anfang und dann viele leckere Rezepte, die zum Teil sehr einfach zuzubereiten sind. Wir haben natürlich in den Yoga-Vidya-Ashrams auch Kurse, Seminare und Ausbildungen über Ernährung, veganes und ayurvedisches Kochen, in denen du mehr Informationen dazu bekommst. Auf unserer Yoga-Vidya-Website gibt es auch das Portal Vegetarisch Leben mit vielen weiteren Tipps zur Ernährung.

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Gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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