YVS057 Sattvige, rajasige und tamasige Gurus

Heute möchte ich über ein Thema schreiben, das auch mein Meister bei Yogalehrerausbildungen immer behandelt hat, nämlich sattvige, rajasige und tamasige Gurus.

Ich hatte beim letzten Mal über die Rolle des Gurus  geschrieben und hatte erwähnt, dass es hilfreich sein könnte, einen spirituellen Lehrer/eine spirituelle Lehrerin zu haben. Bei einem früheren Text hatte ich darüber geschrieben, dass es sattvige, rajasige und tamasige Spiritualität gibt.

Es gibt die Verführer/innen, die Menschen dazu bringen, einem Weg zu folgen, der weder gut für sie noch für Andere ist. Und so ist es gut, sich bewusst zu machen, dass es unterschiedliche Lehrer gibt, und bevor man einem charismatischen Lehrer/einer charismatischen Lehrerin folgt, sollte man schauen, ob es ein/e sattvige/r, rajasige/r oder tamasige/r Lehrer/in ist.

Ein/e tamasige/r Lehrer/in lehrt eigenartige Dinge, die jede/r mit gesundem Menschverstand erkennen könnte; das ist nicht richtig. Er/sie verführt Andere oder ist selbst der Verblendung unterlegen. Mindestens führen solche Menschen Andere in die Verblendung und nicht in die Weisheit.

Ich hatte auch das Kriterium von William James, dem Philosophen des Amerikanischen Pragmatismus, Begründer der wissenschaftlichen Psychologie und Religionswissenschaft, angesprochen. Er hatte mal gesagt, wir können den Wahrheitsgehalt von Religion nicht überprüfen, aber was wir tun können und sollen, ist die Auswirkung einer bestimmten Religiosität zu prüfen.

Eine spirituelle oder religiöse Richtung, die Menschen gesünder und zufriedener macht, die ihnen hilft, sich zu entfalten und sie zu einem ethischen Leben bringt, ist eine gute Spiritualität. Man würde sagen, das wäre eine sattvige Spiritualität. Eine Spiritualität, die zu Gewalttätigkeit, psychischen Problemen, Krankheit und Konflikten führt, ist eine tamasige Spiritualität. Ebenso eine Spiritualität, die alles durcheinander bringt und Dinge lehrt, die keinen wirklichen Sinn machen.

Leider gibt es tamasige Gurus mit großer Ausstrahlung und vielen Anhängern. Wenn du selbst einmal bei einem/r charismatischen Lehrer/in bist und diese Anziehung spürst, stelle dir zunächst einige Fragen bezüglich der Authentizität und Ethik des Lehrers/der Lehrerin.

Ein rajasiger Guru ist ein Guru, der das Richtige lehrt. Er/sie lehrt ein authentisches System, aber hat selbst die Vollkommenheit nicht erreicht. Er/sie hat eigene Schwächen, ist vielleicht egoistisch, will Anerkennung haben, will sich hochstellen, usw.

Und es gibt rajasige Gurus, die eine große Show und großes Brimborium um sich herum veranstalten. Sie lehren zwar das Gute und auch eine authentische Spiritualität, aber haben selbst ein gewisses Ego sowie Hochmut.

Teilweise wird gesagt, es gäbe authentische Gurus, die rajasig sind. Sie bemühen sich, das Richtige zu lehren, haben aber auch noch Ego und Schwächen. Das ist ok. Wenn sie das zudem offen gestehen, kann man darauf vertrauen, eine/n Lehrer/in zu haben, der/die das Gute lehrt. Er/sie hat ihre Schwächen und ist sich dessen bewusst, ist auf dem Weg. Es hat auch etwas Schönes bei einem Lehrer/einer Lehrerin zu sein, der oder die selbst auf dem Weg ist.

Das bringt etwas mehr Eigenverantwortung mit sich, und man kann von der Entwicklung seines eigenen Lehrers/seiner eigenen Lehrerin inspiriert werden.

 

Ein/e sattvige/r Lehrer/in ist jemand, der/die die Gottverwirklichung erreicht hat, also erfahren hat, was er/sie lehrt. Man könnte auch sagen, es gibt zwei Klassen von sattvigen Lehrern.

Es gibt die reinen, also die höchsten sattvigen Lehrer. Sie leuchten, leben das Richtige, haben die Erleuchtung und handeln allein aus Liebe, Mitgefühl und als Instrument Gottes.

Und es gibt sattvige Lehrer niedrigerer Ordnung, die zwar sehr weit auf dem Weg sind und Zugang zu höheren spirituellen Weisheiten haben, aber noch nicht vollkommen sind und selbst noch lernen müssen.

 

Es gibt verschiedene Kriterien für sattvige, rajasige und tamasige Lehrer. Und man findet von den Yogameistern/-meisterinnen selbst einiges in früheren Kommentaren zum Yogasutra und zu anderen Schriften. Es wird gesagt, ein sattviger Guru beziehe seine Lehren auf Schriften. Schriften sind z.B. die Bhagavad Gita, das Yogasutra, die Upanishaden, die Bibel, der Koran, der Talmud, ebenso wie die Lehrreden des Buddha, das Tao Te King und viele andere Werke.

Es gibt letztlich auf spirituellem Gebiet nichts wirklich Neues. Die essentiellen Dinge sind uralt. Was ein Lehrer/eine Lehrerin lehrt, sollte praktisch die Erläuterung von Schriften sein. Dann weiß man, es ist etwas Authentisches. Ein/e Lehrer/in, der/die sagt „In der Bhagavad Gita steht ..., aber ich sage euch etwas anderes“, oder „In der Bibel steht ..., und das ist alles Unsinn; folgt mir, ich werde euch das Richtige lehren“, ist kein authentischer Guru.

Ein Guru sollte sich auf Schriften beziehen. Und man sollte auch in der Lage sein, den Guru zu fragen: „Auf was bezieht sich das, was du sagst?“

Nicht alles muss sich auf Schriften beziehen, denn Vieles muss sich an die Zeit anpassen. Aber die Essenz von dem, was ein/e Lehrer/in lehrt, sollte sich darauf beziehen. Und ein/e Lehrer/in sollte seine Schüler motivieren, auch die Originalschriften zu studieren.

Bei jemandem, der/die sagt „Du solltest nichts lesen außer dem, was ich selbst geschrieben habe“, stimmt etwas nicht. Ein/e spirituelle/r Lehrer/in sollte dazu ermutigen, auch Inspiration von anderen Quellen als seinen eigenen Worten zu finden.

 

Führt dies zu einem engstirnigen Verhalten und der Vorstellung, nur die eigene Gemeinschaft würde gerettet? Oder führt es zu einem engagierten Verhalten mit der Einstellung, dass die Welt zu gefährdet sei, um sich nur um sich selbst zu kümmern?

Wir wollen uns gemeinsam engagieren mit vielen anderen spirituellen Richtungen, um etwas Gutes zu bewirken.

Ein weiterer Aspekt, den man sich anschauen kann, ist die Entwicklung der Schüler und Schülerinnen. Bei Menschen, die eine Weile dabei sind, hat man das Gefühl, sie wachsen spirituell. Sie kommen in Verantwortungspositionen, gewinnen an Ausstrahlung und wachsen in ihrer Persönlichkeit. Dann könnte man sagen, dass es gut zu wirken scheint.

 

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Stark gekürzter Auszug aus der Transkription der Yoga Vidya Schulung Videoreihe, Begleitvorträge zur Yogalehrer Ausbildung, von und mit Sukadev Bretz.

Mehr zum ganzheitlichen Yoga findest zu z.B. auch in seinen Büchern „Der Pfad zur Gelassenheit“ und „Die Bhagavad Gita für Menschen von heute“.

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Kommentare

  • Lieber Sukadev,

    vielen Dank für diese Hinweise. Ich finde einen Aspekt an dem Ganzen allerdings von vorn herein sehr wichtig, den Du unter dem Stichwort "Eigenverantwortung" auch erwähnt hast: Nämlich, dass wir - auch wenn wir noch nicht so weit auf dem spirituellen Weg sind -, uns insofern als mündig begreifen, dass wir einen solchen Guru per se erst einmal nicht "in den siebten Himmel heben" und/oder sogar (übertrieben gesagt) jegliche Eigenverantwortung über das eigene Leben an die Führung eines solchen Gurus abgeben. Was ich aus Sektengeschichten kenne und was oft nicht gut ausgegangen ist. Betrachtet man einen Guru also eher aus einer solchen, rationaleren Sicht, benutzt immer noch den eigenen Verstand und das eigene Bauchgefühl und macht sich ein Bild vom Guru aus den Perspektiven, die Du in Deinem Artikel beschreibst, dann liefert man sich auch nicht unreflektiert einem möglicherweise nicht guten spirituellen Weg aus, oder erkennt ihn vermutlich hoffentlich schneller. :-)

    Liebe Grüße, Jörg

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