Heute ist der 31. Dezember [2007] und zum einen ist es natürlich der letzte Tag im Jahr und so werden wir heute Abend auch ein ganz großartiges Programm haben, um wirklich gut ins neue Jahr hineinzukommen mit viel spiritueller Kraft. Heute ist auch der Tag, an dem der Geburtstag von Swami Vishnudevananda gefeiert wird, 31. Dezember. Swami Vishnudevananda war sicherlich einer der wichtigsten Yogameister des 20. Jahrhunderts, der insbesondere Yoga in breiten Kreisen populär gemacht hat. Direkt oder indirekt sind die meisten Menschen, die heute Yoga üben, irgendwie bewusst oder unbewusst von Swami Vishnu beeinflusst. Er war der erste, der Hatha Yoga im Westen bekanntgemacht hat. Er war derjenige, der das Hatha Yoga so gelehrt hat, dass Menschen tatsächlich eben Hatha Yoga im großen Stil lernen können. Er war der erste, der Yogalehrerausbildungen systematisch entwickelt hat. Und er war derjenige, der vielleicht auch mit seinem Leben her so steht, wie es für viele westliche Aspiranten auch ist. Er ist zwar in Indien geboren, auch in einer rückständigen, ländlichen Gegend in Indien, aber vieles, was er in seinem Leben erlebt hat, können viele andere Menschen auch im Westen erleben. Er ist aufgewachsen in einer letztlich Begeisterung mit der westlichen Wissenschaft. Er hoffte, vom wissenschaftlichen Fortschritt würden viele Dinge sich zeigen, vieles Gute würde sich entwickeln. Er hat dann aber erkannt, dass die westliche Wissenschaft auch ihre Grenzen hat, dass Materialismus letztlich auch zu Kriegen und zu Problemen führen kann. Er hat daraus eine Offenheit für Spiritualität entwickelt. Allerdings hatte er eine, von der Kindheit an, so einen gewissen Widerstand gegen Aberglauben und Leichtgläubigkeit und war einer, der immer gesagt hat, Spiritualität muss Erfahrung sein, es darf nicht etwas sein, wo blinder Glaube verlangt wird, sondern die eigene Erfahrung ist das, was wichtig ist. Dabei soll man offen sein für verschiedene Erfahrungen und schauen, was von dem, was man tut, für einen wirklich wirksam ist. Letztlich dieser Individualismus, den wir heute in großem Maße ja als Kultur pflegen, der war schon beim Swami Vishnu ausgeprägt dort gewesen auch in seinen Lehren. Jeder soll selbst herausfinden, was ihm wirklich gut tut und was ihm nicht gut tut. Dabei, und das sind dann die vielen Paradoxien, die dort sind, aber auch nicht Arbeit an sich selbst ausweichen, sondern wirklich auch an sich selbst arbeiten. Ein großes Charakteristikum unserer heutigen Zeit ist auch Persönlichkeitsentwicklung, Persönlichkeitsentfaltung und auch eben der Wunsch, dass spirituelles Leben gut verbindbar sein soll mit Alltag und letztlich auch die Fähigkeit, etwas zu bewirken. Also nicht, sich zurückzuziehen vom Leben und dann irgendwo in der Einsamkeit zu sein, sondern Swami Vishnu meinte auch, spirituelles Leben sollte einem auch Kraft geben, im Alltag erfolgreich zu sein. Also nicht, entweder beruflicher Aufstieg oder spirituelle Entwicklung, sondern spirituelle Entwicklung und – wenn es einem am Herzen liegt – beruflicher Aufstieg auch möglich und eine, dabei auch, Herzensöffnung, um Liebe zu anderen Menschen zu haben. Ein besonderes Charakteristikum vom Swami Vishnu war sicherlich auch, die Einheit der verschiedenen Religionen und Kulturen. Und zwar nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Also, Swami Vishnu hatte Menschen in verschiedenen religiösen Kontexten, er hatte unter seinen, letztlich auch spirituellen Freunden, hatte er einen evangelikalen Priester, er hatte einen jüdischen Rabbi, er hatte einen, auf den Bahamas war so ein religiöser Führer, auch von einer charismatisch evangelikalen Bewegung, die ja normalerweise eher in fundamentalistischer Richtung standen, aber Swami Vishnu hat ihn regelmäßig eingeladen und dann gab es dann Gottesdienste im Ashram, wo dann alle in Halbekstase gefallen sind, wenn die angefangen haben, zu singen, und dann „Eh Man“ gesungen haben. Also, es war in dieser Praxis. Oder auch in seinen Ashrams, da gab es Menschen aus den verschiedensten Nationalitäten. Und andere Meister mögen viel über Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gesprochen haben, beim Swami Vishnu gab es schlicht und ergreifend dort diese Unterschiede nicht. Es war nie eine Frage, ist jemand Mann oder Frau, wenn es um irgendetwas ging, es war noch nicht mal die Frage, sollten sie gleichberechtigt sein oder nicht. Es war einfach, es waren alles Menschen, Aspiranten, die auf dem Weg sind, die wachsen wollen, Verantwortung übernehmen können, ihre Talente entfalten können, zum Wohl von anderen. Bei all dem, eine große Hingabe an Gott. Es ist ja auch, wenn man sagt, „ich bewirke eine ganze Menge und ich tue eine Menge, ich entfalte meine Talente“, kann auch ein großes Ego dabei entstehen. Swami Vishnu sagte immer: „Unsere eigene Talente sind Talente Gottes. Was wir können, ist eigentlich nur das, was Gott durch uns bewirken will. Und wir sollten uns immer fühlen als Instrument in den Händen Gottes. Das, was in der Bhagavad Gita im elften Kapitel so steht, wo es heißt, dass alle wie Zellen eines großen Organismus sind, dass hinter allem die eine göttliche Kraft steckt, das war für Swami Vishnu einfach eine Selbstverständlichkeit. Es war nicht etwas, was jetzt was Außergewöhnliches war, sondern man konnte merken, das war einfach für ihn das. Man hat nie gemerkt, dass er meinte, er wäre irgendwas Großartiges. Aber er hatte auch nicht diese tamasige Demut gehabt, die ja viele Aspiranten haben: „Ja, ich kann nichts und ich tauge nichts und alle sind viel besser als ich.“ Das ist die tamasige Demut. Swami Vishnu hat auch nicht gesagt, „ich bin der Größte aller Zeiten“, sondern das, was zu tun war, war zu tun, Vertrauen war da. Gott, der einem Aufgaben gibt, gibt einem auch die Talente, die man braucht, um sie zu erfüllen und wenn Gott wollte, dass jemand anderes, dass die Aufgabe besser erledigt würde, als ich sie kann, dann hätte er jemand anderes geschickt oder mir bessere Talente gegeben. Im Grunde genommen, es war diese gänzliche Abwesenheit von Ego, tamasigem Ego, rajasigem Ego, sogar sattvigem Ego. Also, tamasigem Ego: „Ich bin nicht gut genug.“ Rajasigem Ego: „Ich bin besser als alle anderen.“ Oder sattvigem Ego, was auch immer man sich darunter vorstellen will. Beim Swami Vishnu war es einfach selbstverständlich, er tat, was zu tun war, er verlangte von anderen, was zu tun ist, er hat sie aufgefordert, Instrument zu sein und es floss dann einfach. Im Höchsten war Swami Vishnu auch ein Jnana Yogi der höchsten Einheit, wo er dann gesagt hat: „Letztlich alles, was passiert, ist nur eine Welle im Bewusstseinsozean im Universum.“ Und auf einer allerhöchsten Ebene können wir sagen: „Nichts passiert, denn alles ist stets Brahman.“

Hari Om Tat Sat

Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:

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