© 2014 Text: Bhajan Noam - Die überraschende Meldung vor wenigen Tagen: Indien bekommt einen Yoga-Minister. Indiens Premierminister Narendra Modi, Vegetarier und erklärter Yoga-Fan, will die überlieferte Philosophie zum indischen Exportschlager machen, heißt es in deutschen Medien.
In Teilen der europäischen Yoga-Gemeinschaft sucht man schon seit vielen Jahren den Kontakt zu staatlichen Stellen, um mehr öffentliche Anerkennung und finanzielle Förderung zu bewirken. Andrerseits, was ich nur vermuten kann, ist vielleicht auch auf staatlicher Seite eine gewisses Interesse an dieser sich explosionsartig entwickelnden Bewegung geweckt worden.
Ich wage an dieser Stelle einen Sprung in die Vergangenheit. Vor fast genau zweitausend Jahren versammelten sich in einem kleinen, damals unbedeutenden Land einige Menschen um einen spirituellen Meister, der nicht nur beeindruckende Reden hielt sondern auch Wunder bewirkt haben soll. Bereits in den drei Jahren, in denen er bis zu seiner Ermordung lehrte, entstand aus den ersten bescheidenen Anfängen eine mächtige Bewegung. Nach seinem Tod begannen seine nächsten Schüler mit großem Eifer zu missionieren und die Gemeinschaft wurde immer größer. Dem römischen Reich, dass sich damals Israel einverleibt hatte, wurden die Christen bald suspekt, da sie sich weigerten, die römischen Götter zu verehren und auch sonst ein konspiratives Verhalten zeigten. Darum verfolgten und töteten sie die Anhänger, wo sie konnten. Doch das konnte die Ausbreitung der Lehre Jesu nicht aufhalten, das Gegenteil war der Fall.
Wenn irgendwo eine größere Bewegung entsteht, die Einfluss auf Teile der Bevölkerung auszuüben beginnt, wird der Staat sie beobachten. Er wird sich anschauen, ob deren Existenz Vorteile oder Nachteile aus seiner Sicht hat. Stärkt sie die herrschende Politik oder untergräbt sie diese eher? Im alten Rom war man sich sicher, dass der christliche Glaube der Macht des Reiches schade. Allen Repressalien zum Trotz jedoch nahmen immer mehr den neuen Glauben an. Sein ganzes Volk kann ein Staat nicht töten, ein Staat ohne Menschen ist kein Staat mehr, und Mächtige ohne Dienende können nicht überleben. Was tun? Wenn das Volk nicht mit dem Kaiser geht, muss der Kaiser so tun, als ginge er mit dem Volk. Kaiser Konstantin zog als erster Feldherr, statt mit dem römischen Legionsadler, mit den Insignien der Christen in den Krieg gegen seinen Widersacher Maxentius. Die Legende sagt, dass ihm in der Nacht vor der Schlacht das Christus-Monogramm mit den Worten "in hoc signo vincens" (in diesem Zeichen wirst du siegen) im Traum erschienen sei. Und so geschah es. Er siegte und danach erhielt das Volk Religionsfreiheit.
Das Verständnis der damaligen Zeit war allgemein, dass der Kaiser der Mittler zu Gott ist. Konstantin machte sich dies aus eigenem Machterhalt zunutze und ernannte sich selbst zum Bischof. Das zu seiner Zeit schon im ganzen Reich verbreitete Christentum diente jetzt als Klammer, um es vor dem drohenden Verfall zu bewahren. So bekam die christliche Religion bald die Machtstrukturen des Römischen Imperiums aufgedrückt, die bis heute, zweitausend Jahre später, noch prägend wirken. Aus einer Lehre der Nächstenliebe und des Friedens wurde eine Staatsreligion, deren Anhänger im Namen ihres Gründers nun in Schlachten zogen und mehr Blut vergossen als jemals zuvor.
Das Christentum steht damit aber nicht alleine. Zen-Meister und -Mönche unterstützen die japanische Kriegspolitik. Buddhisten, Sufis und Hindus zogen in mörderische Schlachten. Macht verführt die Menschen und die Spinnenfäden der Machtstrukturen machen nicht Halt vor Religionen. Im achtzehnten Jahrhundert, im Zeitalter der Aufklärung und im Zuge der französischen Revolution begann die Säkularisierung, die Trennung von Kirche und Staat, die jedoch bis heute nicht wirklich vollzogen ist. Ein Pfarrer und Bundespräsident ruft wieder junge Menschen auf, Opfer zu bringen für ihr Land, auch das eigene Leben.
Mit wenigen Sätzen und anhand eines einfachen Beispiels proklamierte Jesus die Trennung von Weltlichem und Religion. Als seine Jünger ihn einmal fragten: "Sollen wir Steuern an den Kaiser zahlen?", ließ er sich eine Münze geben und fragte sie: "Wessen Bild seht ihr auf dieser Münze?" Die Jünger antworteten: "Das Bild des Kaisers". "Also", sagte Jesus, "gebt dem Kaiser, was dem Kaiser ist und gebt Gott, was Gott gebührt".
Vielleicht leben wir heute in einer anderen, in einer reiferen Zeit. Vielleicht macht dieses Mal Religion, macht Yoga, macht Meditation etwas mit den Staaten. Vielleicht wird die Welt wirklich liebevoller und friedvoller. Ich wünsche es uns allen. OM Shanti.
- Bhajan Noam -
Seiten des Lebens: www.bhajan-noam.com
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Kommentare
Gestern Abend im TV gesehen: "Yoga in der DDR"
http://www.ardmediathek.de/tv/Geschichte-Mitteldeutschlands/Yoga-in...
Am Ende der Sendung gibt es auch einige Fotos von Swami Vishnu-Devanandas Flug über die Berliner Mauer.
© miramuun: Danke für Deine Beiträge. Eine Berichtigung, es ist nicht Rut, wie Du schriebst, sondern Judit, die mit ihren Reizen den Holofernes zuerst verführt und dann tötet.
Im Buch Judit rettet eine Frau ihr Volk, nachdem die führenden Männer die Hoffnung auf Errettung ihrer Stadt aus der Belagerung durch eine Supermacht bereits aufgegeben haben und nach einer Frist die Stadt übergeben wollen. Judit aber deutet die Belagerung Betulias als Prüfung Gottes und entschließt sich nach intensivem Gebet (Jdt.9) bestens gekleidet, geschminkt und hergerichtet ins Lager des Feindes zu gehen. Die Soldaten sehen sie und sind geblendet von ihrer Schönheit. Eine solche Frau, die noch dazu angibt, beim Feind Zuflucht zu suchen, gebührt nur dem Allerhöchsten im Lager. So wird sie ins Zelt des Generals Holofernes gebracht. Der sieht die Schönheit der Frau und wird im wahrsten Sinne des Wortes kopflos: Siegessicher, dass er sowohl die belagerte Stadt erobern wird, als auch die Frau, die sich in seinen Schutz begeben hat, vergisst er alle Vorsichtsmaßnahmen der Fremden gegenüber. Er lässt sie allabendlich vor das Lager hinausgehen, damit sie ihre religiösen Riten vollziehen kann. Nach drei Tagen gibt der Kriegsherr zu Ehren der Frau ein Festmahl, um mit ihr zu schlafen. Die erotisierte Atmosphäre im Generalszelt erzählt das Buch Judit nicht ohne Ironie: Holofernes ist derart begierig, diese Frau zu erobern, dass er sich in seiner Gier nicht mehr beherrschen kann und sich sinnlos betrinkt (Jdt 10 - 13.2). Als der potente Eroberer nicht mehr Herr seiner selbst ist, nimmt Judit sein eigenes Schwert und köpft ihn. Da der Befehlshaber für das „Schäferstündchen“ alle seine Diener weggeschickt hat, kann Judit unbehelligt das Lager verlassen, da die Wachen ihren Fortgang als abendliche Gewohnheit der rituellen Waschung verstehen. Als man am Morgen den Torso des Feldherrn findet, bricht im Lager der Supermacht Panik und Flucht aus. Judit errettet die Stadt durch Tyrannenmord.
Die Moral der Bombe und die Bhagavad Gita
Als der Feuerball über dem Horizont aufflammte, zuckte ein Satz aus der "Bhagavad-Gita", dem indischen Buch der Weisheit, durch das Hirn eines hochgewachsenen, asketisch hageren Zuschauers: "Ich bin der Tod geworden, der Zertrümmerer der Welten." Das war am 16. Juli 1945 bei der Explosion der ersten Atombombe in der Wüste von Neu-Mexiko. Der Zuschauer hieß Robert Oppenheimer. Er hatte die Bombe gebaut.
Aber die Hybris der Gottähnlichkeit verqualmte in dem Menschen Oppenheimer. Eine "Wüste der Bedrängnis" blieb in ihm zurück. Zu seinen Kollegen sagte er: "Die Physiker haben die Sünde kennengelernt; und das ist ein Wissen, das sie nicht abschütteln können."
Eine Antwort für LaoHU: