Samadhi, der Verwirklichung des höchsten Selbst

Ich will etwas lesen aus einem Buch von Swami Sivananda, das Buch nennt sich „Göttliche Erkenntnis“, das Kapitel ist über Samadhi.


„Samadhi heißt eins sein. Samadhi ist die überbewusste Erfahrung. Samadhi ist Adhyatmic Anubhava, die Verwirklichung des wahren Selbst. Samadhi ist wonnevolle Vereinigung. Der Geist geht im Ewigen, dem Atman, dem höchsten Selbst, dem universellen Bewusstsein auf, so wie Salz im Wasser oder Kampfer in der Flamme. Samadhi ist ein Zustand reinen Bewusstseins. Samadhi verankert dich im Atman, in deinem wahren Selbst. Durch Samadhi wird das begrenzte Selbst im grenzenlosen, absoluten Bewusstsein aufgenommen. Das Einssein von Jivatman und Paramatman, von individueller Seele und kosmischer Seele wird verwirklicht.

Die in Samadhi gemachte Erkenntnis ist göttliche Erkenntnis, es ist übersinnliche, intuitive Erkenntnis, jenseits von logischer Schlussfolgerung und intellektueller Beweisführung. Samadhi ist jene göttliche innere Erfahrung, jenseits von Geist und Sprache. Der Zustand von Samadhi ist jenseits aller Relativität. Es gibt keine Worte oder Ausdrucksmittel dafür. Auch in der weltlichen Erfahrung ist es nicht möglich, jemandem den Geschmack eines Apfels zu erklären, der ihn noch nie gekostet hat, oder einem Blindgeborenen das Wesen der Farbe. Der Samadhi-Zustand ist reinste Wonne, Freude und Frieden. So viel kann gesagt werden. Aber was Samadhi wirklich ist, das musst du selbst spüren. In Samadhi bist du nicht mehr im körperlichen und nicht mehr im geistigen Bewusstsein, psychischen Bewusstsein. Es gibt nur Sein, Bewusstsein an sich. Du bist in deinem wahren Swarupa, in deiner wahren Natur.“


Hier beschreibt Swami Sivananda letztlich das, worum es im Yoga langfristig geht. Yoga hilft auch, gesünder zu sein. Yoga hilft auch, mehr Energie zu haben. Yoga hilft, sich mehr in Kontakt mit sich selbst zu fühlen. Yoga hilft, seine Talente zu entfalten. Yoga hilft, mutig und selbstbewusst zu sein. Yoga hilft, harmonischer mit den Mitmenschen zu werden. Yoga hilft, Einfühlungsvermögen zu stärken und dennoch zu lernen, in sich selbst zu ruhen. Worum es aber im Yoga im Tiefsten geht, ist, seine wahre Natur zu erkennen, Zugang zu finden zu der höheren Wirklichkeit, die wir tatsächlich sind. Yoga ist hier kein Glaube im Sinne von, irgendjemand hat das vor 5000 Jahren mal behauptet und jetzt hoffen wir alle, dass wir nach dem Tod das irgendwann verwirklichen, wenn wir ausreichend gut gewesen sind in diesem Leben, sondern Yoga sagt: Das kannst du in diesem Leben erfahren.

Du kannst es vollständig erfahren im Nirvikalpa Samadhi, also im höchsten Bewusstseinszustand. Du kannst es andeutungsweise erfahren in jeder tieferen Meditation. Wenn wir meditieren, kommen wir erst zum Zustand natürlich, wo wir alles Mögliche bemerken, Körper, Energien, Gedanken, Emotionen. Dann kommen wir zum nächsten Zustand, wo man merkt: „Ja, ich bin nicht all das Wahrnehmbare. Ich bin derjenige, der das alles wahrnimmt.“ Wir lernen, uns nicht mehr zu identifizieren mit den Gedanken. Dann lernen wir, die Gedanken etwas ruhiger werden zu lassen. Und dann merken wir, das, was vorher der Beobachter von allem ist, ist etwas Großartiges. Und irgendwann können wir dann die Beobachtungsrolle aufgeben und uns dann ausdehnen zum Unendlichen. Wir können, statt Dinge zu beobachten, Gedanken zu beobachten, Empfindungen zu beobachten, können wir Bewusstsein an sich sein und stellen fest, es ist unendlich, es ist ewig, es ist reine Wonne.

Ein weiterer Weg der Meditation ist, wir konzentrieren uns erst ganz entspannt auf etwas. Etwas, was erhaben ist, unseren Geist erhebt. Dann intensiviert sich die Konzentration, wir spüren mehr Energie und mehr Freude. Und schließlich, über dieses mehr an Prana, mehr an Energie, mehr an Freude, die da ist, dehnt sich plötzlich unsere Bewusstheit aus, plötzlich verlassen wir den Gegenstand der Meditation, plötzlich gibt es noch nicht mal mehr ein Mantra, noch nicht mal eine konkrete Vorstellung. Es gibt nur unendliches Sein, unendliche Ewigkeit. Swami Sivananda hat hier beschrieben, man kann einem Blindgeborenen nicht das Wesen von Farbe erklären. Aber mit dem Überbewusstsein ist es doch etwas anders, denn ein Blindgeborener hat ja keine Ahnung, was Farbe sein könnte.

Man könnte eher sagen, es ist so, wie einem Blinden, der erblindet ist, das Wesen von Farbe zu erklären. Er hat schon eine Ahnung. Und so haben wir eine Ahnung, was heißt Samadhi, denn jeder Mensch hat schon Erfahrungen gehabt von Freude, jeder hat schon mal die Erfahrung gehabt, irgendwo eins zu sein, sei es mit einem anderen Menschen, sei es in der Natur. Jeder Mensch hat auch schon mal die Erfahrung gehabt einer unglaublichen Präsenz. Wenn man diese Erfahrungen, die jeder schon gehabt hat, manche kleiner, manche größer, wenn man diese weiter steigert, wenn man das, was diese Erfahrung ausmacht, noch weiter ausdehnt, und alles Relative transzendiert, dann habt ihr schon eine gewisse Ahnung, was Samadhi heißt. Ahnung heißt, nicht wirklich wissen, aber eine Ahnung haben. Und diese Ahnung kann schon helfen, dass man sagt: „Ja, das will ich auch erreichen. Da will ich hinkommen.“ 

Yogis sagen auch, bewusst oder unbewusst streben wir alle danach, diese höchste Erfahrung zu machen. Wir sind langfristig mit nichts anderem zufrieden. Es heißt sogar, wir inkarnieren uns so lange, bis wir alle zu Nirvikalpa Samadhi kommen. Aber unabhängig davon, ob ihr an Wiedergeburt glaubt oder nicht, es ist möglich in diesem Leben sich zu verankern in der Erfahrung der Verbundenheit aller Wesen, im reinen Bewusstsein, es ist möglich, höhere Bewusstseinsebenen zu erfahren und daraus zu handeln.

Hari Om Tat Sat

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:

 

 

 

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