Nach Swami Sivanandas Geburtstag

Letzte Woche war Swami Sivanandas Geburtstag, da habe ich während einiger Satsangs gesprochen über eines seiner Lehrgedichte oder Lehrlieder und es beginnt mit, erste Zeile, „diene, liebe, gib, reinige, meditiere, verwirkliche“, zweite Zeile, „sei gütig, tue Gutes“, drittes, „stelle dich auf verschiedene Situationen und Menschen ein“ und das vierte ist dann, „trage Schmähungen und Kränkungen, höchstes Yoga“. Ich möchte heute Morgen ein paar Worte sagen über die dritte Zeile. Ein bisschen habe ich da auch schon gestern Morgen darüber gesprochen. „Stelle dich ein auf verschiedene Situationen, verschiedene Menschen. Adapt, adjust, accommodate.“

Der Geist hat eine natürliche Tendenz zu denken: „Ja, wenn nur die äußere Welt richtig wäre, dann wäre alles gut. Dann wäre ich glücklich und mein Leben würde in guten Bahnen verlaufen usw.“ Aber leider, leider ist die Welt nun mal nicht so und dann haben wir gute Gründe, dass wir mit anderen Menschen vielleicht nicht so gut auskommen, dass wir irgendwo uns nicht glücklich fühlen usw. Yoga will uns flexibel machen. Yoga will uns flexibel machen körperlich, Yoga will uns flexibel machen aber auch geistig, innerlich. Und so gilt es, sich auf Verschiedenes einzustellen. Adapt, adjust, accommodate sind so die englischen Ausdrücke. Zum einen gilt es, sich einzustellen, auch schon in der täglichen Übungspraxis an sich selbst.

Viele von euch gehen jetzt heute wieder nach Hause und dann kommt die Frage dann: „Wie übe ich zu Hause?“ Da müsst ihr schauen, wie geht das in euren Lebensumständen und auch in dem, wie ihr euch fühlt. Und dort ist insbesondere wichtig, keine Alles-Oder-Nichts-Philosophie. Swami Sivananda war das Gegenteil der Alles-Oder-Nichts-Philosophie, auch das Gegenteil von einem Perfektionismus am Anfang. Wenn man erst mal angefangen hat, Schritt für Schritt versucht man es immer besser zu machen. Aber erst mal, fange an. Ein anderes Lehrlied von ihm heißt „A little“. Es heißt: „Eat a little, drink a little, do Asanas a little, Pranayamas a little, Mantras a little, Puja a little usw.” Also alles ein bisschen. Also, zunächst mal gilt es, anzufangen mit einem Bisschen. Also, für wen Yoga neu ist, dann Zuhause überlegen: „Was könnte ich etwas machen?“ Und dann das nächste, dann a little more. Wenn man schon mit etwas begonnen hat, dann macht man etwas mehr. Und manchmal ist auch der Körper anders.

Angenommen, man hat einen Unfall gehabt, dann wird man anders üben. Das heißt nicht, dass man nicht mehr üben kann. Wenn man einen blauen Fleck irgendwo hat, dann wird man vielleicht Asanas nicht üben, die irgendwo den blauen Fleck verstärken würden oder belasten würden. Dann muss man anders üben, sich anpassen daran. Nicht die Alles-Oder-Nichts-Philosophie: „Oh, ich habe jetzt irgendwo einen blauen Flecken, deshalb kann ich keine Asanas mehr machen.“ Selbst wenn man einen Arm gebrochen hat, kann man immer noch Asanas machen. Vielleicht geht das Sonnengebet nicht, aber es gib so viele Asanas, die gehen auch ohne dass man sich mit dem Arm irgendwo abstützt. Also schon darin heißt es, eine Flexibilität zu haben. Oder vielleicht tritt trotz allem Yoga irgendwann mal ein Rückenproblem auf, dann muss man die Asanas anpassen.

Es ist nicht die Frage: „Darf ich Asanas machen oder nicht?“ Im Grunde genommen, egal, welches Problem man hat, man kann immer Asanas machen. Nur ist die Frage: „Welche und wie?“ Also, hier anpassen. Dann auch anpassen an die Psyche. Menschen werden manchmal Hochenergiephasen haben und manchmal hat man Niedrigenergiephasen. Wenn man eine Hochenergiephase hat, wird man Asanas anders üben als in einer Niedrigenergiephase. Oder manche von euch sind mit Ayurveda vertraut, da gibt es VataPitta und Kapha. Der Vata-Mensch wird Asanas nicht so üben wie der Pitta- oder der Kapha-Mensch. Und hier sage ich etwas anderes als ihr manchmal lernt.

Manchmal lernt man, ein Kapha-Mensch, also der gemütliche Mensch, der sollte viele Sonnengebete machen und anstrengende Asanas, bis er ins Schwitzen kommt. Wenn ich das so manchmal lese, da denke ich: „Welcher Kapha-Mensch macht das?“ Den Ratschlag kann man sich typischerweise auch gleich sparen. Das heißt nur, die Kapha-Menschen dazu zu bringen, die Asanas zu üben. Also, ein Kapha-Mensch, der gemütlich ist, der es eher etwas langsam angehen will, der ein bisschen braucht, um in die Gänge zu kommen, der muss als erstes seine Matte ausbreiten, eine schöne Kerze aufstellen, vielleicht eine Duftlampe anzünden, vielleicht irgendwo eine weiche Matte haben, vielleicht eine schöne meditative Musik im Hintergrund und dann vielleicht erst mal mit der Anfangsentspannung anfangen. Als nächstes ein paar Krokodilsübungen, so auf dem Rücken, Knie hin, nach vorne und nach links und nach rechts. Und dann vielleicht überlegen, ist das Sonnengebet heute angemessen? Wenn er zu dem Schluss kommt, dass er die Anfangsentspannung immer weiter ausdehnt, aus Angst vor dem Sonnengebet, dann lässt man es halt weg. Vielleicht gestützten Schulterstand mit Kissen und dann kommt man irgendwie noch zum Pflug und danach zum Fisch und vielleicht gehen zwischendurch noch ein paar Bauchmuskelübungen und dann irgendwie in die Vorwärtsbeuge usw.

Also, wenn man so in diesem Gemütlichkeitsmodus ist, und jeder ist auch mal im Kapha-Modus, dann macht man es eher so, als irgendwo festzustellen, man macht alles Mögliche andere, aber legt sich nicht auf die Matte. Ein Vata-Mensch, der immer interessiert ist, was Neues auszuprobieren, auch hier, manchmal liest man, der sollte jeden Tag zur gleichen Zeit üben und die Asanas länger halten, immer die gleichen Asanas. Auch hier frage ich mich: „Welcher Vata-Mensch macht das?“ Wenn man Vata-Überschuss hat, wird man das vielleicht mal eine Woche so machen. Das hilft, den Vata-Überschuss zu reduzieren. Das geht für eine Woche, zwei Wochen, dann hält das auch ein Vata-Mensch aus. Aber ansonsten, wenn man gerade in dieser Vata-Phase ist, wo man Neues ausprobieren will, irgendwie nicht das Gleiche immer wieder, dann passt man sich daran an und überlegt: „Ja, was könnte ich denn Neues in meine Asana-Praxis integrieren? Und wie könnte ich es denn machen?“ Und wenn man irgendwo innerlich das Gefühl hat, „wenn ich noch einmal anfange mit Sonnengebeten, als nächstes Navasana und dann Kopfstand“, dann platze ich, muss man überlegen: „Wie kann ich es anders machen?“

Also, statt dass man dann alles wechselt, überlegt man, wie man es anders macht. Man macht ein paar Variationen, Sonnengebet und irgendwie anders. Gut, und der Pitta-Mensch, der will was erreichen. Wir sagen immer, Yoga ist kein Wettbewerb. Und das ist gut und das ist für alle gut und das ist gerade auch für den Pitta-Menschen gut, dass er mal herauskommt aus diesem Modus: „Das will ich erreichen. Das ist der Weg dahin. So muss ich es machen und vor allem muss ich es besser machen als alle anderen und nachher ein besseres Resultat haben.“ Also dieser ergebnisorientierte, feurige Mensch, der muss tatsächlich lernen, loszulassen und machen so gut, wie es geht. Aber manchmal braucht der Pitta-Mensch auch ein Ziel. Wenn man so ein zielorientierter Mensch ist, setzt man sich ein Ziel. Z.B. kann das Ziel sein: „Ich will den Skorpion lernen.“ Oder Ziel kann sein: „Ich will fünf Minuten in der Vorwärtsbeuge halten.“ Oder es kann sein: „Ich will die ganze Woche lang Yoga üben, ohne ein Ziel zu haben.“ Das ist auch ein Ziel. „Die ganze nächste Woche will ich so üben, dass ich nie mich vergleiche mit jemand anderes.“ Also, adapt, adjust, accommodate heißt in der Alltagspraxis, auch sich einzustimmen auf die körperlichen Bedürfnisse, auch auf die psychischen Bedürfnisse.

Und meine Beobachtung ist auch, Menschen sind nicht so festgelegt. Die meisten Menschen haben mal eine Vata-Phase, eine Pitta-Phase, eine Kapha-Phase und dort kann man darauf eingehen und das sind nicht nur die einzigen Phasen, die wir haben. Im Grunde genommen kann man immer überlegen, wenn man merkt, „irgendwie Yoga macht mir momentan nicht so viel Freude, wie es mal war“, kann man überlegen: „Wie könnte ich denn Asanas und Pranayama üben, dass es mir wieder Freude bereitet?“ Und fast immer wird die Intuition einem sagen, wie. Letztlich gibt es ja nichts Schöneres als Asanas, Pranayama, Meditation, Mantrasingen, irgendwas aus diesem Formenkreis, was man täglich macht.

Man muss sich nur fragen: „Wie kann ich es machen, dass es mir Freude bereitet?“ Dann gibt es auch Phasen, wo man bewusst Sachen macht, die einem keine Freude bereiten. Es gilt ja auch, Tapas zu üben. Das ist aber ein anderes Thema. Erst müssen wir anfangen und dazu gilt, .adapt, adjust, accommodate, sich einzustimmen und zwar auch indem, was wir tun, auf unsere körperlichen Bedürfnisse, auf unsere psychischen Bedürfnisse, es so zu machen, dass wir es mit Engagement, mit Freude machen können, wie es Patanjali sagt, „Sakshatkara“, mit Enthusiasmus, mit Freude, mit Hingabe und mit guter Bewusstheit.


Hari Om Tat Sat

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:

 

 

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