Meine wahre Natur ist Shiva

Om Namah Shivaya

„Sachara Chara Pari Purna Shivoham Nityananda Swarupa Shivoham Shivoham.“ „Meine wahre Natur ist Shiva“, sagt dieses Mantra, „Shivoham, ich bin Shiva“. Was ist jetzt Shiva? Shiva ist Bewusstsein, Shiva ist Liebe. Shiva wörtlich heißt, der Liebevolle, der Gütige. Shiva ist auch ein Name für das Göttliche. Shiva steht auch für das Loslassen. Shiva hat so viele verschiedene Bedeutungen, in so viel verschiedenen Ebenen. Hier ist diese Ebene gemeint: „Die Tiefe meines Wesens. Meine wahre Natur ist Sein, Wissen, Glückseligkeit.“ „Sachara Chara Pari Purna Shivoham. In verschiedensten Situationen, was auch immer geschieht, ich bin Purna, Fülle und Shivoham.“ Nityananda. Nitya heißt ewig, Ananda, Freude. „Sakshi Chaitanya. Ich bin reines Bewusstsein, Beobachter von allem. Swarūpa Shivoham. Meine wahre Natur ist Shiva. Anandoham. Ich bin Wonne. Was auch immer geschieht, ich bin Wonne.“

 

Das ist die große Behauptung der großen Meister und das ist auch die Erfahrung, die die großen Meister gemacht haben und auch die Erfahrung, die wir alle machen können. Und alles, was wir im Yoga machen, hilft auch, das zu erfahren. Auch wenn wir uns entspannen, in dem Moment, wo wir entspannen, werden wir durchlässiger und können tiefer spüren, was in uns ist. Wenn man verspannt ist, dann kommt man nicht sehr weit. So wie, angenommen, man hat einen See und unten am See ist ein großer Schatz. Wir wollen den Schatz anschauen, vielleicht ihn genießen, vielleicht ist er ganz besonders schön. Wenn da jetzt viele Wellen sind, sieht man nicht viel. Wenn dort der Schlamm ist, sieht man auch nicht viel. So ähnlich, wenn in unserem Geist viele Wellen sind, sehen wir nicht so viel. Wenn viel Schlamm dort ist, sehen wir nicht so viel. Wenn Verspannungen sind, sehen wir nicht so viel.

 

Und so lernen wir im Yoga, uns etwas durchlässiger zu machen. Aber es heißt nicht, dass wir deshalb so einen Leistungszwang haben müssen, wenn wir nur ausreichend arbeiten, dann wird alles gut, sondern es geht mehr darum, wie können wir Zugang finden zu dem, was tief in uns schlummert? Und dazu ist vielleicht einige Anstrengung nötig, um die Wellen ein bisschen ruhiger zu machen. Dazu ist vielleicht einige Anstrengung nötig, um die Unreinheiten in diesem See zu beseitigen. Dazu ist vielleicht auch einige Anstrengung nötig, um den Dreck, der auf diesen Schatz liegt, zu beseitigen. Dazu muss einiges an die Oberfläche kommen.

 

Aber egal, was wir machen oder nicht machen, der Schatz bleibt immer da. Und es heißt, wir bleiben Sein, Wissen, Glückseligkeit, ob wir es jetzt wissen oder nicht. Und wir brauchen uns nicht so unter Druck zu setzen, „ich muss das unbedingt erfahren“, sondern es ist mehr eine Frage, „ich will es irgendwo erfahren und ich schaue, was ich machen kann“. Ein spiritueller Fortschritt ist niemals – wie können wir sagen – mechanisch. Wir können nicht sagen, jetzt müssen wir so und so viel Stunden Pranayama machen, mit so und so viel Mantras und so und so viel Bhastrika und dann werden wir plötzlich Satchidananda erfahren.

 

Spiritueller Fortschritt ist eigenartig. Manchmal kann es gerade dann passieren, wo wir merken: „Ich komme nicht weiter.“ Wenn wir verzweifelt sind und sagen: „Jetzt bemühe ich mich so sehr und komme nicht weiter.“ Wenn wir dann plötzlich den Sprung schaffen, des Loslassens, der Hingabe, dann kann ganz plötzlich eine Verwirklichung kommen. Und nicht gleich die höchste Verwirklichung, die Vorstufen der Verwirklichung. Plötzlich leuchtet diese Schönheit auf. Manchmal erfahren wir sie in uns, manchmal erfahren wir sie in einem anderen Menschen, manchmal erfahren wir es in der Natur. Und es gilt so auch immer wieder, so wie eine – wir können sagen – eine Offenheit dafür zu haben. Wenn wir mit einem Menschen zusammen sind, aus gutem Grund können wir ja auch dem Menschen sagen: „Om Namah Shivaya.“

 

Wir können auch beginnen, „Guten Morgen“ und es wirklich wünschen. Wir verbinden unser Herz mit dem Herz des anderen und mit der Neugier: „Wird Gott heute vielleicht erfahrbar im Gespräch mit dir, im Zusammensein mit dir?“ Wenn wir einen Spaziergang machen, können wir auch bewusstmachen: „Wird Gott jetzt erfahrbar? Wie wird er erfahrbar? Kann ich ihn erfahren?“ Wenn wir meditieren, zu Anfang können wir zu Gott beten: „Bitte, lasse mich Dich erfahren.“ Oder wir können zu unserem höheren Selbst beten. Vielleicht „beten“ ist nicht der richtige Ausdruck. Wir können aber sagen: „Wenn es möglich ist, möchte ich heute Zugang dafür finden.“ Und immer wieder von neuem.

 

Manchmal ist der Zugang stärker, manchmal ist er schwächer. Wenn er einmal stärker ist, dann können wir uns auch daran erinnern und können uns bewusst machen: „Auch wenn ich ihn nicht in jedem Moment spüre, ich weiß, es ist da, es ist erfahrbar. Ich habe es erfahren. Und im Lauf der Zeit werde ich vielleicht mehr erfahren. Und ich will immer mehr aus diesem Bewusstsein heraus handeln.“ Oder auch, wenn irgendwann mal eine schöne Erfahrung ist, können wir auch schauen: „Erinnert mich diese vielleicht an dieses Göttliche?“ Manchmal haben wir ja schöne Erfahrungen, hoffentlich auch nicht nur manchmal.

 

Wir können auch absichtslos in eine Yogastunde gehen, plötzlich ist es schön. Dann können wir überlegen: „Ist diese Schönheit vielleicht Ausdruck des Selbst?“ Plötzlich überkommt einen ein Glücksgefühl, grundvoll und grundlos. Wir können dann auch bewusstmachen: „Ja, da strahlt jetzt dieses Göttliche.“ Das können wir in Dankbarkeit annehmen und wir können uns bewusstmachen: „Ja, dieses, was ich jetzt erfahre, ist eine Manifestation des Göttlichen. Und die wird mit mir bleiben, auch wenn nachher im Alltag andere Stimmungen wieder kommen.“

Hari Om Tat Sat

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Kurz-Vortrags mit Sukadev Bretz. Gehalten im Rahmen eines Satsangs nach der Meditation bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Infos:

 

 

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